BGE 94 I 669 - Frigerio
 
91. Urteil
vom 22. November 1968
i.S. Frigerio gegen das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement.
 
Regeste
Abkommen vom 10. Mai 1879 zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden betreffend den Wasserverkehr auf dem Rhein; Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924; Verhältnis von Staatsvertrag und Landesrecht.
1.  Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 99 Ziff. XI lit. a und b OG (Erw. 1).
2.  Landesrechtliche Wirkung eines Staatsvertrages (Erw. 2).
3.  Auslegung von Staatsverträgen (Erw. 4); diesbezügliche Bedeutung der Präambel (Erw. 4 b) und der Praxis administrativer Behörden (Erw. 5).
4.  Völkerrechtskonforme Auslegung des Landesrechtes im Falle abweichender Regelungen (Erw. 6 a); Anwendung dieses Grundsatzes auf das Postverkehrsgesetz (Erw. 6 b.).
5.  Bedeutung der in Erw. 2-6 erläuterten Grundsätze für gewerbsmässige Personentransporte auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel (Erw. 7).
 
Sachverhalt
 
A.
Am 10. Mai 1879 hat die Schweiz mit dem Grossherzogtum Baden eine Übereinkunft betreffend den Wasserverkehr auf dem Rhein von Neuhausen bis unterhalb Basels geschlossen (BS 13 S. 482). Art. 1 und 2 dieser Übereinkunft lauten:
    "Art. 1:
    Die Schiffahrt und Flossfahrt auf dem Rheine von Neuhausen bis unterhalb Basels soll jedermann gestattet sein; sie unterliegt nur denjenigen Beschränkungen, welche durch die Steuer- und Zollvorschriften sowie durch die polizeilichen Rücksichten auf die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs geboten sind.
    Sämtliche Alleinrechte zur Ausübung der Schiff- und Flossfahrt auf obiger Rheinstrecke, namentlich die durch Ziff. 4 des Staatsvertrags zwischen dem Grossherzogtum Baden und dem Kanton Aargau vom 2./17. September 1808 bestätigten ausschliesslichen Schiffahrts-und Flössereibefugnisse der vereinigten Schiffmeisterschaft zu Gross- und Kleinlaufenburg und der Rheingenossen zwischen Säckingen und Grenzach sind aufgehoben.
    Art. 2:
    Die beiden Regierungen werden, jede für ihr Hoheitsgebiet, die zur Sicherheit und Ordnung der Schiffahrt und Flösserei erforderlichen polizeilichen Bestimmungen erlassen..."
Diese Übereinkunft wurde am 19. Dezember 1879 von der Bundesversammlung genehmigt. Nach Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes (BG) betreffend den Postverkehr (Postverkehrsgesetz = PVG; BS 7 S. 755) vom 2. Oktober 1924 können für die gewerbsmässige Reisendenbeförderung mit regelmässigen Fahrten Konzessionen erteilt werden.
 
B.
Der Bootsunternehmer Max Frigerio erhielt am 10. Januar 1962 eine Konzession für die gewerbsmässige Personenbeförderung mit Schiffen auf dem Rhein zwischen Tössegg (Kanton Zürich) und Rüdlingen (Kanton Schaffhausen). Später wurde die Konzession auf Fahrten zwischen Eglisau und Tössegg erweitert.
Frigerio reichte am 31. Oktober 1967 ein Feststellungsbegehren ein, wonach die gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit Schiffen auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel überhaupt nicht konzessionspflichtig sei.
Das EVED wies das Feststellungsgesuch am 13. Mai 1968 ab.
 
C.
Diesen Entscheid ficht Frigerio mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Er beantragt, es sei festzustellen, dass für die regelmässige und gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit Schiffen auf der Rheinstrecke zwischen Basel und Neuhausen keine Konzessionspflicht bestehe; ferner sei die ihm am 17. Dezember 1964 und am 22. März 1968 erteilte Konzession, da sie mit der Übereinkunft zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden vom 10. Mai 1879 in Widerspruch stehe, aufzuheben. Zwar anerkennt der Beschwerdeführer, dass grundsätzlich die gewerbsmässige regelmässige Personenbeförderung auf Schiffen unter das Postregal fällt. Er macht jedoch geltend, die Übereinkunft von 1879 gehe dem PVG vor.
 
D.
Das Departement beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
In dem hier angefochtenen Entscheide hat das Departement festgestellt, dass für die gewerbsmässige Beförderung von Reisenden mit Schiffen auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel eine Konzessionspflicht bestehe. Der Feststellungsentscheid betrifft den Anspruch der Postverwaltung auf das Monopol für solche Fahrten und den entgegenstehenden Anspruch des Beschwerdeführers, die Fahrten ohne Konzession unternehmen zu dürfen. Das sind Rechtsansprüche, die sich auf das Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924 (BS 7 S. 754) und zugehörige Vollziehungsverordnungen stützen. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
 
Erwägung 2
Ein von der Bundesversammlung genehmigter Staatsvertrag wird mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden für die Vertragsstaaten völkerrechtlich verbindlich; er erlangt zusammen mit der völkerrechtlichen auch landesrechtliche Wirkung, sofern er entsprechende Rechtsregeln zugunsten oder zu Lasten der Bürger aufstellt. Dies trifft im vorliegenden Falle zu, da Art. 1 der Übereinkunft grundsätzlich "jedermann" die Schiffahrt auf dem betreffenden Rheinstück gestattet. Einer Umsetzung von Verträgen in ein besonderes Bundesgesetz bedarf es nicht (BGE 88 I 90/1). Dann aber stehen die Normen des von der Bundesversammlung genehmigten Staatsvertrages von 1879 in ihren Wirkungen grundsätzlich denen des Postverkehrsgesetzes von 1924 gleich; sie sind wie diese von den schweizerischen Behörden zu vollziehen. Der Staatsvertrag ist für die ganze Schweiz verbindlich, auch wenn in erster Linie der Kanton Aargau am Abschluss interessiert war.
 
Erwägung 3
3. Weiter fragt es sich, ob die nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch klare Formulierung von Art. 1 der Übereinkunft von 1879, dass nämlich die Schiffahrt jedermann gestattet sein und nur polizeilichen Beschränkungen unterliegen soll, sich auch auf gewerbsmässige Personentransporte beziehe. Die Übereinkunft erwähnt das Postregal nicht; sie hat es also weder ausdrücklich vorbehalten noch als ungültig erklärt. Das Departement macht sinngemäss geltend, der schweizerische Vertragspartner habe das Postregal trotzdem vorbehalten; dies ergebe sich aus der von der Schweiz verfolgten Absicht und aus dem Zweck des Staatsvertrages; schliesslich könne nicht übersehen werden, dass die Bundesverwaltung seit dem Aufkommen von Motorbooten und von regelmässigen Schiffahrten unangefochten Konzessionen erteilt habe, was die Konzessionspflicht voraussetze.
 
Erwägung 4
4. Ist der Wortlaut nicht eindeutig oder erscheint die durch den klaren Wortlaut vermittelte Bedeutung sinnwidrig, so ist der Staatsvertrag auszulegen (SCHULTZ, Das schweiz. Auslieferungsrecht, S. 110/11). Verhandlungen, die zum Abschluss des Vertrages geführt haben, sind als Quelle zur Auslegung des Staatsvertrages heranzuziehen, soweit sie den Willen der vertragschliessenden Staaten klar erkennen lassen (BGE 90 II 125; CARRY, SJZ 1960 S. 354, linke Spalte). Staatsverträge sind so auszulegen, dass der von beiden Parteien angestrebte Vertragszweck erreicht wird (SCHULTZ, a.a.O., S. 111). Eine über den Wortlaut hinausgehende, ausdehnende Auslegung einer Bestimmung des Staatsvertrages kommt nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende, darin versehentlich ungenau zum Ausdruck gebrachte Willensmeinung zu schliessen ist (BGE 77 I 47, 90 I 47). Die Staatsverträge sind ihrer Natur nach "bonae fidei negotia" (BGE 38 I 585); für die Auslegung gilt allgemein die Vertrauenstheorie (vgl. FAVRE, L'interprétation objective des traités internationaux, in Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht 1960 S. 86).
Die Ausweitung des Postregals auf gewerbsmässige Personentransporte ist eine schweizerische Eigentümlichkeit (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 13. März 1849 zu dem Vorschlage eines BG über das Postregale, in BBl 1849 I - Beilage nach S. 174 - S. 2-5; F. MEILI, Die Rechtsstellung der Dampfschiffunternehmungen in der Schweiz, Bern 1888, S. 6). Badischerseits bestand keine Konzessionspflicht auf Grund eines Postregals. Somit wird vermutlich nur der Wille des schweizerischen Vertragspartners auf einen Vorbehalt des Postregals gerichtet gewesen sein. In der Lehre wird die Meinung vertreten, ein unvollständiger Wortlaut sei nach dem beiden Vertragspartnern gemeinsamen Willen auszulegen (SCHULTZ, a.a.O., S. 110/11; GUGGENHEIM, Traité de Droit international public, Bd. I, 2. Aufl. 1967, S. 252). Trifft diese Ansicht zu, wäre der Einwand des Departementes schon aus diesem Grunde nicht zu beachten. Die Frage kann aber offen bleiben.
Weder in der Botschaft des Bundesrates noch während der Verhandlungen der eidgenössischen Räte ist die Anwendung des Postregals ausdrücklich vorbehalten worden (vgl. BBl 1879 III S. 1116). Die gleiche Feststellung gilt hinsichtlich Art. 6 der Übereinkunft. Das Departement kann seinen Einwand nur auf eine Wendung in der Botschaft stützen, wonach der Vertrag "keinen Bundesvorschriften widerspreche". Darin liegt jedoch kein klar ausgedrückter, vom Wortlaut abweichender Wille des schweizerischen Vertragspartners. Es gebricht somit an einer entscheidenden Voraussetzung, um nach der erwähnten Rechtsprechung eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung zu rechtfertigen.
Das Departement macht in diesem Zusammenhang noch geltend, der schweizerische "ordre public" verlange diesen Vorbehalt; die Aufhebung der Alleinrechte der Schiffahrtsinnungen könne unmöglich "die Aufhebung von verfassungsmässigen Grundrechten" eines der vertragschliessenden Länder gewollt haben. Die schweizerische öffentliche Ordnung verlangt jedoch höchstens eine polizeiliche Aufsicht über die (regelmässige und nicht regelmässige) Personenbeförderung, aber kein Bundesmonopol. Art. 36 BV besagt lediglich, dass das Post- und Telegraphenwesen im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft Bundessache sei: Wie weit die regelmässige Personenbeförderung auf Schiffen darunter falle, hat ausschliesslich der Bundesgesetzgeber zu bestimmen. Wenn aber der Bundesgesetzgeber den gewerblichen regelmässigen Personenverkehr auf dem Rhein zwischen Neuhausen und Basel vom Postregal ausnehmen wollte, konnte er dies ohne weiteres tun. Eine solche Ordnung schränkt zwar den Bereich des Postregals ein, widerspricht aber keinen fundamentalen Verfassungsvorschriften des Bundes.
Die Präambel bezeichnet als Zweck des Staatsvertrages die Herbeiführung einer Ordnung, welche der gegenwärtigen Gesetzgebung, namentlich im Gewerbewesen, und den Bedürfnissen des Verkehrs entspreche. Unzweifelhaft ging es den Vertragsparteien in erster Linie um die Aufhebung der vorher gültigen "Neuen Ordnung" von 1808, die mit ihren Sondervorschriften als mit der Handels- und Gewerbefreiheit unvereinbar betrachtet wurde. Zu dieser Deutung führt auch die Bemerkung des Bundesrates, die Regierung des Kantons Aargau habe anlässlich der Beschwerde eines Privaten über Beschränkung des freien Verkehrs durch die Rheinschiffahrtsordnung angeregt, die bezüglichen Verhältnisse umzugestalten (BBl 1875 II S. 553). Die Übereinkunft sichert nun gerade die Handels- und Gewerbefreiheit auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel; der Wortlaut entspricht diesem angestrebten Zweck. Freilich existierten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch keine Motorboote und fanden keine Schiffahrten mit regelmässiger Personenbeförderung statt. Der Bundesrat anerkannte jedoch auch am 25. April 1949 -- als längst Schiffahrten mit regelmässiger Personenbeförderung auf dem Rhein oberhalb Basels möglich waren -- in einem Schreiben an die französische Regierung die freie Schiffahrt, ohne einen Vorbehalt hinsichtlich des Postregals anzubringen.
Das Departement schliesst überdies aus dem Zusammenhang, dass die Übereinkunft von 1879 den Ausschluss des Postregals auf dem Rhein nicht bezweckte. Es beruft sich insbesondere auf die zur Zeit des Vertragsschlusses geltende Bundesgesetzgebung. In der Tat deckt sich der Inhalt von Art. 1 und 2 des BG vom 30. Mai 1849 betreffend den freien Verkehr an der Wasserstrasse von Luzern nach Flüelen (OS 1848-1849, S. 178) weitgehend mit dem von Art. 1 des Übereinkommens von 1879. Nach diesem 30 Jahre älteren Bundesgesetz war es "jedermann erlaubt, Personentransporte zwischen Flüelen und Luzern durchzuführen", und es blieben lediglich Vorschriften der Sicherheitspolizei vorbehalten. Trotz dieses Wortlautes war indes nicht beabsichtigt, das Postregal, welches erst kurz vorher (am 4. Brachmonat 1849 durch das BG über das Postregale für den regelmässigen Schiffsverkehr) eingeführt worden war, auf dem Vierwaldstättersee auszuschliessen (vgl. Art. 2 c und 4). Das Regulativ über die Erteilung von Postkonzessionen vom 28. Wintermonat 1851 (OS 1850-1851 S. 601) sieht in Art. 11 für Dampfschiffe eine Konzessionsgebühr vor, ohne dass für den Vierwaldstättersee ein Vorbehalt angebracht worden wäre. Bei dieser Ordnung ist es im folgenden geblieben (vgl. die Verordnung vom 27. März 1874, OS 1872-1874 S. 549; vom 24. November 1882, AS 1882 S. 593; vom 19. Dezember 1910, BS 7 S. 347 und den jetzt gültigen BRB über die regelmässige Beförderung von Personen mit Schiffen vom 27. April 1959 Art. 1, AS 1959 S. 378).
Indessen handelt es sich beim Vierwaldstättersee um ein Gewässer im Landesinnern mit einer darauf zugeschnittenen schweizerischen Ordnung, beim Rhein zwischen Neuhausen und Basel dagegen um einen Grenzfluss mit einer staatsvertraglichen Regelung. Die Schweiz hat für den Reisendenverkehr auf dem Rhein von Basel bis zur Mündung auch für schweizerische Unternehmen nie das Postregal beansprucht (FAVRE/WICK, Das schweizerische Transportrecht für Eisenbahnen und Schiffe, Komm. zum Transportreglement vom 24. Juni 1949, Art. 1 N. 7); für den unter die Mannheimer Rheinschiffahrts- Akte vom 17. Oktober 1868/20. November 1963 (BS 13 S. 489; AS 1967 S. 1591) fallenden Teil des Rheins anerkennt also die Schweiz die Verkehrsfreiheit auch für die schweizerischen Unternehmen (vgl. zur Schiffahrtsfreiheit auf Grund der Mannheimer Akte: KRAUS und SCHEUNER, Rechtsfragen der Rheinschiffahrt, zwei Rechtsgutachten, Frankurt 1956).
Beim Abschluss der Übereinkunft von 1879 bestand zudem bereits eine staatsvertragliche Ordnung sowohl für die Rheinschiffahrt unterhalb Basels als auch für diejenige oberhalb von Neuhausen: die Mannheimer Akte von 1868 einerseits, der Vertrag von 1867 zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden betreffend die Schiffahrts- und Hafenordnung für den Untersee und den Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen (BS 13 S. 442) anderseits. Die Übereinkunft von 1879 stellt gleich wie die beiden früher abgeschlossenen Staatsverträge den Grundsatz der freien Schiffahrt an die Spitze, unterscheidet sich dann aber vom Vertrag von 1867 betreffend den Untersee und den Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen dadurch, dass sie dessen Art. 6 Abs. 1 und 2, welche die Schiffahrtsfreiheit wieder einschränken, nicht übernimmt; diese Art. 6 Abs. 1 und 2 des Vertrages von 1867 erlauben dem Uferstaat nicht nur, die Ausübung der Schiffahrt vom Besitz eines Schifferpatentes abhängig zu machen; der Wortlaut gestattet auch, eine echte Konzessionspflicht vorzusehen. Die deutschen Behörden haben diese Konzessionspflicht anerkannt und der Verlängerung der schweizerischen Konzessionen jeweils zugestimmt. Die Übereinkunft von 1879 betreffend den Schifffahrtsverkehr zwischen Neuhausen und Basel enthält dagegen keine entsprechenden Bestimmungen.
 
Erwägung 5
Bei der Auslegung staatsvertraglicher Abmachungen ist die Praxis der politischen und administrativen Behörden für die Gerichte nicht verbindlich. Sie ist aber für die eigene Meinungsbildung des Richters nicht unbeachtlich. Das gilt besonders dann, wenn es sich wie hier um ein internationales Abkommen handelt, dessen Anwendung zum weitaus grössten Teil in den Händen der genannten Behörden liegt. In einem solchen Falle lässt sich ein Abweichen von der Praxis dieser Behörden nur rechtfertigen, wenn zwingende Gründe ihre Übernahme verbieten (BGE 81 II 330, 93 II 361/2). Im vorliegenden Fall wurde durch Bundesratsbeschluss vom 29. April 1960 die regelmässige gewerbsmässige Beförderung von Reisenden auf der Rheinstrecke zwischen Basel und Rheinfelden mit Schiffen bis auf weiteres vom Postregal ausgenommen (AS 1960 S. 437). Damit hat der Bundesrat selbst die bisherige Verwaltungspraxis durchlöchert.
 
Erwägung 6
a) Ob späteres Landesrecht dem früheren Staatsvertragsrecht vorgehe, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum streitig. In Sachen Steenworden (BGE 59 II 337/8) entschied das Bundesgericht am 17. Juli 1933, dass in einem Konflikt zwischen der internationalen Urheberrechts-Konvention und einem neueren schweizerischen Urhebergesetz das interne Recht vorgehe. In BGE 93 II 197 Erw. 4 wird dagegen ausgeführt, dass dem Art. 1 des Gerichtsstandsabkommens mit Frankreich vom 15. Juni 1869 in bezug auf das aus dem Jahre 1962 stammende Kartellgesetz der Vorrang zukomme. GIACOMETTI (Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1960, S. 168 Anm. Nr. 107), FAVRE (Cours de droit des gens, S. 154) und AUBERT (Traité de droit constitutionnel suisse, Bd. 2, 1967, Nr. 1326) vertreten die Ansicht, ein neues Bundesgesetz könne einem bestehenden Staatsvertrag derogieren; auch ein völkerrechtswidriges Gesetz sei dementsprechend anzuwenden. GUGGENHEIM (Völkerrechtliche Schranken im Landesrecht, Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 16, 1955, S. 10/11) lehnt diese Meinung dagegen ab.
Zu diesen Fragen muss nicht abschliessend Stellung genommen werden. Es genügt festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber gültig abgeschlossene Staatsverträge gelten lassen will, sofern er nicht ausdrücklich in Kauf nimmt, dass völkerrechtswidriges Landesrecht zustande komme. Im Zweifel muss innerstaatliches Recht völkerrechtskonform ausgelegt werden; d.h. so, dass ein Widerspruch mit dem Völkerrecht nicht besteht. Diese Auslegungsregel erlaubt es, Konflikte zwischen den beiden Rechtsordnungen meistens zu vermeiden; sie entspricht den neuen Strömungen in Frankreich, in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden (bezüglich Frankreichs: s. Art. 55 der Verfassung vom 4. Oktober 1958 sowie Encyclopédie Dalloz, Droit international II F-Z, 1969, S. 932 N. 209-211; bezüglich der Bundesrepublik Deutschland: s. MAUNZ-DÜRING, Komm. zum Grundgesetz, 2. Aufl., N. 2 und 30 zu Art. 25 sowie WENGLER, Völkerrecht I, 1964, S. 95; bezüglich der Niederlande: s. CONSTANTINESCO, Droit communautaire et droit constitutionnel néerlandais, in Revue générale de droit international public 1969 S. 405). Zum gleichen Ergebnis kommt grundsätzlich auch der Bundesrat, wenn er ausführt, dass im Falle von Widersprüchen der völkerrechtliche Vertrag in der Regel der landesrechtlichen Gesetzgebung vorgehe (vgl. Botschaft an die Bundesversammlung vom 1. März 1965 über die Genehmigung von acht Übereinkommen des Europarates, BBl 1965 I S. 439; Bericht vom 15. Mai 1968 an die Bundesversammlung über die Richtlinien für die Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1968-1971, BBl 1968 I S. 1218).
    "Vorbehalten bleiben (hinsichtlich der Konzessionspflicht) die Bestimmungen internationaler Vereinbarungen über die Schiffahrt auf Grenzgewässern."
Zum Erlass von Art. 1 Abs. 2 dieses Beschlusses war der Bundesrat ermächtigt. Art. 2 Abs. 2 PVG ordnet die Ausnahmen vom Postregal nicht abschliessend, sondern überlässt es dem Bundesrat, weitere Ausnahmen zu gestatten (Botschaft des Bundesrates vom 28. Oktober 1921, BBl 1921 IV S. 698; Sten. Bull. StR 1922 S. 267, Votum Baumann; Sten. Bull. NR 1923 S. 6, Votum Obrecht). Damit ermächtigt das Postverkehrsgesetz den Bundesrat insbesondere, die staatsvertraglich vereinbarten Befreiungen vom Postregal vorzubehalten.
 
Erwägung 7
7. Art. 1 der Übereinkunft von 1879 gewährleistet jedermann die freie Schiffahrt auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel. Demnach sind die deutschen Schiffer der Konzessionspflicht nicht unterworfen; es besteht aber auch kein Hinweis dafür, dass die Eidgenossenschaft mit dem Vertragsabschluss ihre Einwohner habe schlechter behandeln wollen. Das Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers ist deshalb begründet und seine Beschwerde gutzuheissen. Der Beschwerdeführer wird damit von verschiedenen Auflagen (wie Fahrplan- und Tarifpflicht) befreit. Doch ist er nicht davon entbunden, die polizeilichen Vorschriften zu beachten, welche das eidgenössische und kantonale Recht für die nicht konzessionspflichtige Schiffahrt aufgestellt haben (z.B. über den Gewässerschutz, die Sicherheit der Passagiere und die Verminderung des durch seinen Betrieb bedingten Lärms).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen.