BGE 93 I 90
 
12. Urteil vom 3. Februar 1967 i.S. Lussolin AG gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement.
 
Regeste
Verkehr mit landwirtschaftlichen Hilfsstoffen (Art. 70 ff. LWG; Verordnung vom 4. Februar 1955). Entzug einer Vertriebsbewilligung; Gebühren für die Untersuchung von Proben.
2. Wenn der Inhaber der Vertriebsbewilligung den Hilfsstoff nicht wie vorgeschrieben bezeichnet, kann die Bewilligung nachträglich befristet, an Auflagen oder Bedingungen geknüpft oder entzogen werden. Der Entzug ist nur zulässig, wenn er nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Verwaltungsmassnahmen gerechtfertigt ist (Erw. 2, 3).
3. Voraussetzungen, unter denen eine Firma mit Gebühren für die Untersuchung von Proben belastet werden kann (Erw. 4).
 
Sachverhalt
A.- Die Lussolin AG in Stansstad vertreibt u.a. die Produkte Lussolin 24, 25, 28, 29, 100 und 220 S. Im Mai 1965 ersuchte sie die Eidg. agrikulturchemische Versuchsanstalt Liebefeld-Bern um die Bewilligung, das Lussolin 100, das sie als "Durchfallpulver für Mastschweine" bezeichnete, in Verkehr zu bringen. Die Versuchsanstalt erklärte sich für nicht zuständig, da dieses Produkt nach Dosierung und Bezeichnung nicht als landwirtschaftlicher Hilfsstoff, sondern als Heilmittel zu betrachten sei. Darauf stellte die Firma im Juni 1965 ein neues Gesuch für das Lussolin 100, welches sie diesmal als "Aureomycin-Konzentrat" bezeichnete. Am 2. Juli 1965 entsprach die Versuchsanstalt diesem Gesuch, wobei sie der Gesuchstellerin vorschrieb, die Bezeichnung "Aureomycin-Konzentrat" zu verwenden.
Am 31. Januar 1966 führte die Versuchsanstalt bei der Lussolin AG eine Kontrolle durch. Es wurden Erhebungen in Lagern in Frauenfeld vorgenommen. Auf Grund der Kontrolle nahm die Versuchsanstalt an, dass die Firma das Lussolin 100 vorschriftswidrig wieder als Mittel gegen Durchfall bezeichnet habe. Sie entzog ihr daher mit Verfügung vom 10. März 1966 die erteilte Vertriebsbewilligung.
Bei der erwähnten Kontrolle wurden Proben von den Produkten Lussolin 24, 25, 28, 29, 100 und 220 S erhoben. Die Versuchsanstalt unterzog diese Proben einer Prüfung; die Proben von Lussolin 24, 25 und 28 liess sie auch vom Schweiz. Vitamininstitut Basel untersuchen. Alle Proben mussten beanstandet werden. Mit Verfügung vom 10. März 1966 verpflichtete die Versuchsanstalt die Lussolin AG, Gebühren von Fr. 565.-- für die von ihr vorgenommene Prüfung zu bezahlen. Mit zwei weiteren Verfügungen vom 26. April und 1. Juni 1966 belastete sie die Firma mit Gebühren von Fr. 290.-- und Fr. 600.-- für die Untersuchungen im VItamininstitut.
B.- Die Lussolin AG führte gegen den Entzug der Bewilligung des Vertriebs von Lussolin 100 und gegen die Belastung mit Gebühren für die Untersuchung der Proben von Lussolin 24, 25, 28 und 29 Beschwerde bei der Abteilung für Landwirtschaft und nachher beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement. Sie wurde von beiden Instanzen abgewiesen.
C.- Gegen den Entscheid dcs Departements vom 2. November 1966 erhebt die Lussolin AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der Entzug der Bewilligung für den Vertrieb des Produktes Lussolin 100 und die Belastung mit Gebühren (für die Untersuchung der Proben von Lussolin 24, 25, 28 und 29) seien aufzuheben.
Es wird geltend gemacht, der Entzug der Vertriebsbewilligung beruhe auf der Annahme, dass vorschriftswidrig Etiketten mit dem Aufdruck "Durchfallpulver" verwendet worden seien. Dies sei jedoch nicht bewiesen; die Darstellung des Kontrolleurs Jordi, auf welche die Verwaltung abstelle, sei nicht glaubwürdig. Die Bewilligung sei daher zu Unrecht entzogen worden.
Die Proben von Lussolin 24, 25, 28 und 29 seien In einem Lager ("Zürcherhof" in Frauenfeld) erhoben worden, welches nicht der Beschwerdeführerin, sondern der Lussolin GmbH Konstanz gehöre. Zudem sei die dort eingelagerte Ware ausschliesslich für die Ausfuhr bestimmt gewesen. Sie sei deshalb zu Unrecht der Kontrolle der Versuchsanstalt unterstellt worden. Sodann seien "die minimalen Anforderungen einer einwandfreien Musterziehung und Untersuchung" nicht beachtet worden. Die Gebührenrechung von Fr. 600.-- sei auf jeden Fall übersetzt.
D.- Das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt die Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Dieses Rechtsmittel ist nach Art. 97 OG auch gegeben, soweit der Entscheid des Departementes die Erhebung von Gebühren für die in der Versuchsanstalt und dem Vitamininstitut vorgenommenen Untersuchungen betrifft.
Die Versuchsanstalt hat in der Verfügung vom 2. Juli 1965, mit welcher sie der Beschwerdeführerin die Bewilligung zum Vertrieb des Lussolin 100 erteilt hat, gemäss Art. 13 Abs. 3 lit. a Hilfsstoffverordnung bestimmt, dass das Produkt als "Aureomycin-Konzentrat" bezeichnet werden muss. Der Beschwerdeführerin wird vorgeworfen, sie habe entgegen dieser Anordnung das Lussolin 100 als Mittel gegen Durchfall bezeichnet. Der Vorwurf stützt sich u.a. auf die Angaben des Kontrolleurs Jordi, er habe anlässlich der Kontrolle vom 31. Januar 1966 von einem Angestellten der Beschwerdeführerin namens Brandes eine Etikette mit der Aufschrift "Durchfallpulver" ausgehändigt erhalten und ferner gesehen, dass gleiche Etiketten auf den Verpackungen des Produktes im Lager angebracht gewesen seien. Die Beschwerdeführerin hält diese Darstellung für unzutreffend; sie beruft sich auf die abweichenden Auskünfte ihres Angestellten Brandes. Indes besteht kein Grund, die Richtigkeit der Angaben des Kontrolleurs, der in der Sache nicht persönlich interessiert ist, in Zweifel zu ziehen. Dies umsoweniger, als die Verwaltung feststellt, dass die unzulässige Bezeichnung auch auf einer von der Beschwerdeführerin herausgegebenen, vom 2. Februar 1966 an gültigen Preisliste sowie auf Bestellkarten (Geschäftsantwortkarten), insbesondere solchen mit der neuen Telephonnummer der Beschwerdeführerin, aufgedruckt worden ist. Diese Feststellung ist nicht widerlegt; in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird sie mit Stillschweigen übergangen.
Muss demnach angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin das Lussolin 100 nicht wie vorgeschrieben bezeichnet hat, so ist Art. 14 Abs. 1 lit. b Hilfsstoffverordnung anwendbar.
3. Indes ist bei der Anwendung des Art. 14 Hilfsstoffverordnung der verfassungsmässige Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Verwaltungsmassnahmen zu beachten (vgl. BGE 91 I 464, BGE 90 I 343). Im Sinne dieses Grundsatzes sieht jene Verordnungsbestimmung eine Reihe von Massnahmen mit steigender Schwere vor. Der Bewilligungsentzug ist der schwerste Eingriff und darf daher nur verfügt werden, wenn andere, weniger einschneidende Massnahmen erfolglos waren oder angesichts der besonderen Umstände des Falles von vornherein nicht als geeignet erscheinen, die im Landwirtschaftsgesetz und in der Hilfsstoffverordnung angestrebte gute Ordnung zu sichern.
Hier hat die Verwaltung festgestellt, dass Etiketten, Preislisten und Bestellkarten mit vorschriftswidriger Bezeichnung vorhanden waren, doch steht nicht mit Sicherheit fest, dass Kunden der Beschwerdeführerin solches Material erhalten haben. Der von der Beschwerdeführerin begangene Verstoss erscheint demnach nicht als derart schwerwiegend, dass es zur Sicherung der Ordnung notwendig wäre, die Bewilligung zum Vertrieb des - an sich offenbar unbedenklichen - Hilfsstoffes kurzerhand ganz und dauernd zu entziehen. Andere, mildere Massnahmen, wie sie in Art. 14 Hilfsstoffverordnung vorgesehen sind, genügen zunächst vollauf. In Betracht kommt vor allem die Weisung, innerhalb einer kurzen Frist alle vorhandenen Drucksachen und Packungen mit der vorschriftswidrigen Bezeichnung zu vernichten. Ergäbe eine Kontrolle, dass der Auflage nicht nachgelebt wird, so könnte die Vertriebsbewilligung suspendiert werden, bis der überzeugende Nachweis der Durchführung der Anordnung erbracht wäre.
Die Beschwerde gegen den verfügten Entzug der Vertriebsbewilligung ist daher begründet.
a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie könne für die Kosten der Untersuchung der im "Zürcherhof" in Frauenfeld erhobenen Proben schon deshalb nicht belangt werden, weil das dortige Lager nicht ihr, sondern der Schwesterfirma Lussolin GmbH in Konstanz gehöre. Diese Behauptung ist jedoch in keiner Weise bewiesen oder auch nur glaubhaft gemacht. Besässe die deutsche Firma wirklich ein Lager in der Schweiz, so müssten entsprechende Belege (Mietvertrag, Ausweise über den Erwerb der Ware in der Schweiz oder deren Import) beigebracht werden können. Die Beschwerdeführerin hat aber keinerlei ernsthaften Versuch nach dieser Richtung gemacht. Die Versuchsanstalt durfte und musste aus den gegebenen Umständen schliessen, dass das Lager der Beschwerdeführerin gehört. Sie hatte allen Grund zur Annahme, dass seine Existenz von der Beschwerdeführerin verheimlicht worden war.
b) Die Beschwerdeführerin wendet sodann ein, die im "Zürcherhof" gelagerten Hilfsstoffe seien ausschliesslich zur Ausfuhr bestimmt und daher nach Art. 1 Abs. 2 lit. a Hilfsstoffverordnung der Kontrolle nicht unterstellt. Diese Behauptung wird jedoch in der Beschwerdeschrift selbst entkräftet, indem dort zugestanden wird, dass es "praktisch unmöglich sein wird, für bestimmte Produkte, die vielleicht an sich für den Export bestimmt sind, den Verkauf im Inland schlechterdings auszuschliessen". Es ist nicht bestritten und steht fest, dass die in Frage stehenden Produkte Lussolin 24, 25, 28 und 29 auch im Inland angeboten werden. Sind sie mithin nicht ausschliesslich zur Ausfuhr bestimmt, so unterstehen sie der Kontrolle der Versuchsanstalt. Die Beschwerdeführerin meint, es komme nur darauf an, "dass die konkrete Warenpartie eindeutig für den Export bestimmt ist". Diese Auffassung ist irrtümlich. Würde ihr gefolgt, so wäre eine wirksame Kontrolle in vielen Fällen nicht möglich. Übrigens kann keine Rede davon sein, dass die im "Zürcherhof" gelagerten Bestände an Lussolin 24, 25, 28 und 29 "eindeutig für den Export bestimmt" waren.
c) Der Beschwerdeführerin hilft auch der Einwand nicht, dass die "minimalen Anforderungen einer einwandfreien Musterziehung und Untersuchung" nicht beachtet worden seien. Darüber, wie die Proben zu erheben sind, fehlen Vorschriften; es sind daher auch keine solchen verletzt worden. Der Kontrolleur hat bei der Probenahme das übliche einfache Verfahren befolgt. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, den Nachweis zu erbringen, dass nicht die im "Zürcherhof" erhobenen Muster, sondern andere Warenpartien untersucht worden seien. Dieser Nachweis fehlt. Die Beschwerdeführerin macht im Ernst nicht einmal geltend, das Ergebnis der Untersuchungen spreche dafür, dass nicht ihre Produkte, sondern andere geprüft worden seien.
Ist demnach davon auszugehen, dass die im "Zürcherhof" entnommenen Proben untersucht wurden, so hat die Beschwerdeführerin gemäss Art. 18 Abs. 5 Hilfsstoffverordnung die vollen Kosten dieser Untersuchung zu tragen, falls sie die Probenahme und Untersuchung durch ihr Verhalten veranlasst hat; in diesem Falle wäre sie selbst dann kostenpflichtig, wenn die Proben sich als einwandfrei erwiesen hätten, was nicht zutrifft. Tatsächlich hat die Beschwerdeführerin zu der Probenahme und Untersuchung Anlass gegeben, indem sie, wie angenommen werden muss, ihr Lager im "Zürcherhof" verheimlicht hat.
d) Die Beschwerdeführerin beanstandet die Höhe der Gebührenrechnung von Fr. 600.-- für eine Untersuchung im Vitamininstitut. Nach den Darlegungen im angefochtenen Entscheid, mit denen sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde überhaupt nicht auseinandersetzt, ist aber diese Rechnung nicht übersetzt. Die Beanstandung ist unbegründet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, indem der Entzug der Vertriebsbewilligung für Lussolin 100 aufgehoben wird.
2.- Soweit die Beschwerde mehr verlangt, wird sie abgewiesen.