BGE 88 I 331
 
50. Auszug aus dem Urteil vom 21. Dezember 1962 i.S. Möri & Co. gegen Regierungsrat des Kantons Bern.
 
Regeste
Einspruch gegen Liegenschaftskäufe.
2. Das Einspruchsverfahren ist auch auf Kleinheimwesen anwendbar (Erw. 2).
3. Kauf zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben? (Erw. 2).
4. Begriff der Spekulation. Fall einer Bauunternehmung, die den gekauften Boden zum Eintausch von Bauland verwenden will (Erw. 3).
 
Sachverhalt
A.- Mit Vertrag vom 26. September 1961 verkaufte Frau Katharina Kunz ihrlandwirtschaftliches Heimwesen in Lyss im Halte von 274,32 a für Fr. 300'000.-- an das Baugeschäft Reinhard Möri & Co. Hiegegen erhob der Grundbuchverwalter Einspruch auf Grund von Art. 19 Abs. 1 lit. a und c des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG). In der Folge, am 1. März 1962, schloss die Käuferin mit der Einwohnergemeinde Lyss einen Vorvertrag, gerichtet auf Abtausch von 192,55 a des gekauften Bodens gegen Bauland der Gemeinde. Gestützt hierauf wies der Regierungsstatthalter von Lyss am 29. März 1962 den Einspruch ab mit der Begründung, es handle sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG.
Eine Beschwerde der kantonalen Landwirtschaftsdirektion hiegegen wurde vom Regierungsrat mit Entscheid vom 4. September 1962 geschützt. Er führte aus, dem Einspruchsverfahren unterlägen auch Kleinheimwesen. Die Firma Möri & Co. habe das Heimwesen der Frau Kunz gekauft, um in der Landwirtschaftszone liegende Grundstücke gegen Bauland auszutauschen, dieses zu überbauen und damit eine entsprechende Rendite zu erzielen. Dieses Vorgehen müsse als offensichtliche Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG bezeichnet werden. Zudem liege auch der Tatbestand der lit. c vor, weil das Heimwesen durch den Verkauf seine Existenzfähigkeit verliere und kein Ausnahmegrund gegeben sei ....
B.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Firma Möri & Co., diesen Entscheid aufzuheben und den Einspruch abzuweisen.
Sie macht geltend, sie wolle das Heimwesen der Frau Kunz nicht aus spekulativen Erwägungen erwerben, sondern um eine Landreserve zu schaffen, damit sie beim Kauf von Bauland den Landwirten Realersatz bieten könne; das sei eine Notwendigkeit, die in den Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit eines Bauunternehmens falle. Spekulation sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die grösste Parzelle in der Freiflächenzone liege und der Überbauung gänzlich entzogen sei, während die übrigen Parzellen vorwiegend landwirtschaftliche Grundstücke seien, die wegen ihrer Lage in den nächsten 25 Jahren für eine spekulative Überbauung nicht in Frage kämen. Daran ändere der Vorvertrag betreffend einen Bodenabtausch mit der Gemeinde nichts; dieser sei zu Unrecht in das Verfahren einbezogen worden, da er erst fünf Monate nach dem Kaufvertrag abgeschlossen worden sei und für die Beurteilung der Frage, ob Spekulation vorliege, die Verhältnisse im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags massgebend seien.
Entgegen der Auffassung des Regierungsrates bestehe ein Ausnahmegrund im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG...
C. - Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde. Er führt u.a. aus, der Tauschvorvertrag sei zu Recht berücksichtigt worden, da nach Art. 40 des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege die mit ihr betrauten Behörden auf den Sachverhalt abzustellen hätten, wie er sich im Zeitpunkt des Urteils am Schlusse der Verhandlungen darbiete.
D.- Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement erklärt in seiner Vernehmlassung, die Würdigung des Tatbestands als Spekulation lasse sich im Lichte von BGE 87 I 232 halten. Es beantrage daher, die Beschwerde abzuweisen oder aber den Begriff der Spekulation wieder enger zu fassen, was zu ihrem Schutze führen könnte.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Dagegen wird mit dem Vorwurf, der Regierungsrat habe zu Unrecht den erst fünf Monate nach dem Kaufvertrag abgeschlossenen Vorvertrag mit der Einwohnergemeinde betreffend den Landabtausch in das Verfahren einbezogen, keine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf keine bundesrechtliche Bestimmung, welche dieses Vorgehen ausschliessen würde, und es ist auch keine ersichtlich. Das Bundesrecht (Art. 20 Abs. 2 und Art. 44 EGG) überlässt die nähere Ordnung des Einspruchsverfahrens den Kantonen. Ob eine Bestimmung des kantonalen Rechtes verletzt sei, hat das Bundesgericht nicht zu prüfen. Die Beschwerdeführerin nennt übrigens keine solche Bestimmung, und nach der Antwort des Regierungsrates schreibt vielmehr Art. 40 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes die Berücksichtigung des im Zeitpunkt des Entscheides vorliegenden Sachverhaltes vor. Auf diese Rüge betreffend das Verfahren ist nicht einzutreten.
2. Vor Bundesgericht bestreitet die Beschwerdeführerin nicht mehr, dass das Kaufsobjekt ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Art. 19 EGG ist. Mit Recht; denn diese Bestimmung ist auch auf Kleinheimwesen anwendbar, die für sich allein eine Familie nicht zu ernähren vermögen (BGE 80 I 96, 412; BGE 81 I 109, 254). Wohl können die Kantone nach Art. 21 Abs. 2 EGG Liegenschaften bis zu 3 ha vom Einspruchsverfahren ausnehmen; doch hat der Kanton Bern gestützt auf diese Bestimmung Ausnahmen nur für einmalige Kaufverträge zum Zwecke der Arrondierung über Liegenschaften bis zu 36 a und für einmalige Kaufverträge bis zu 18 a (oder bis zu einem halben Kuhrecht) vorgesehen (Art. 8 Einführungsgesetz). Das Heimwesen der Frau Kunz umfasst 274,32 a und ist als Ganzes verkauft worden. Es steht, obwohl es klein ist, unter dem Schutze des Art. 19 EGG.
Mit Recht macht die Beschwerdeführerin auch nicht geltend, das Einspruchsverfahren sei, wie der Regierungsstatthalter angenommen hat, nach Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG nicht anwendbar, weil durch den Vorvertrag mit der Gemeinde das Land zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bestimmt worden sei. Abgesehen davon, dass aus den Akten nicht ersichtlich ist, für welche Zwecke die Gemeinde das Land erwerben will, könnte jene Bestimmung nur auf einen direkten Verkauf an die Gemeinde angewendet werden, nicht aber auf den Kaufvertrag der Frau Kunz mit der Beschwerdeführerin, um den es sich hier handelt. Die Beschwerdeführerin hat das Land nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gekauft, sondern in ihrem geschäftlichen Interesse, als Tauschobjekt für die spätere Gewinnung von Bauland.
3. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG kann u.a. Einspruch erhoben werden, wenn jemand ein Heimwesen offensichtlich zum Zwecke der Spekulation erwirbt. Das Bundesgericht hat ursprünglich, in Anlehnung an den allgemeinen Sprachgebrauch, Spekulation nur dann angenommen, wenn der Käufer das Land erwirbt, um es bei sich bietender Gelegenheit, möglichst bald, mit Gewinn weiterzuveräussern (BGE 83 I 313). Sodann hat es den Begriff der Spekulation ausgedehnt auf Fälle, wo ein ansehnlicher Gewinn nicht durch Weiterveräusserung, wohl aber durch eine andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzten Bodens angestrebt wird, insbesondere durch sukzessive Überbauung und Vermietung der erstellten Wohnungen (BGE 87 I 239 /40). Diese neue Praxis ist von Professor LIVER kritisiert worden (ZbJV Jg. 98 S. 439), und auch das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement scheint sie nach seiner Vernehmlassung als unrichtig zu betrachten. Ob an ihr festzuhalten sei, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da hier Spekulation auch im Sinne der früheren Rechtsprechung vorliegt.
Die Beschwerdeführerin hat nach ihrer eigenen Darstellung das Heimwesen der Frau Kunz gekauft, um den grössten Teil des Bodens als Tauschobjekt für von ihr begehrtes Bauland zu verwenden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Tausch im Laufe der Zeit gegenüber Landwirten geplant war, wie sie zuerst angegeben hat, oder schon bald gegenüber der Einwohnergemeinde Lyss, mit der sie nun einen darauf abzielenden Vorvertrag abgeschlossen hat. In beiden Fällen liegt in dem Tausch eine - von Anfang an beabsichtigte - Weiterveräusserung, die auf Gewinn gerichtet ist, indem das einzutauschende Bauland für das Geschäft der Beschwerdeführerin mehr wert ist als der landwirtschaftliche Boden der Frau Kunz. Das Argument der Beschwerdeführerin, ein solches Vorgehen falle in den Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit und sei für ihr Unternehmen sogar notwendig, schlägt nicht durch; denn auch wenn es an sich zutrifft, schliesst es den spekulativen Charakter des Kaufs nicht aus, sondern zeigt nur, dass auch ein Bauunternehmen wie ein solches des Handels Spekulationen mit sich bringen kann. Sowohl nach dem zuerst angegebenen Motiv als auch nach dem dann abgeschlossenen Tauschvorvertrag ist die Spekulationsabsicht offensichtlich, weshalb mit Recht der Einspruch auf Grund von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG geschützt worden ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.