BGE 88 I 217
 
37. Urteil vom 10. Oktober 1962 i.S. M. gegen Kanton Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
 
Regeste
Kantonale Handänderungssteuer; Willkür.
 
Sachverhalt
A.- Das bernische Gesetz betreffend die Amts- und Gerichtsschreibereien vom 24. März 1878 (GAG) bestimmt in § 16 Ziff. I (Fassung vom 30. Juni 1935):
"Von jeder Handänderung eines Grundstücks ist eine Abgabe von 1%, mindestens jedoch Fr. 3.-, zu entrichten. Für die Berechnung dient als Grundlage der Kapitalbetrag aller in bestimmten oder bestimmbaren Summen ausgesetzten Leistungen, zu denen der Erwerber sich gegenüber dem Veräusserer oder Dritten verpflichtet."
Ziff. II umschreibt den Begriff der Handänderung und fügt bei:
"Eine Abgabepflicht besteht auch dann, wenn ein nach den Bestimmungen dieses Gesetzes abgabepflichtiges Rechtsgeschäft durch eine andere Form der Eigentumsübertragung verdeckt wird, oder wenn an Stelle der förmlichen Eigentumsübertragung einer Drittperson auf andere Weise ermöglicht wird, über eine Liegenschaft wie ein Eigentümer zu verfügen."
B.- St. erwarb in der Gemeinde X. einen grösseren Landkomplex, liess einen Gesamtüberbauungsplan aufstellen, nach dem das ganze Gebiet mit gleichartigen Mehrfamilienhäusern zu überbauen ist, und teilte das Land zum Zwecke des Verkaufs in Parzellen auf.
Am 2. September 1960 schloss St. mit M. einen Kaufvertrag und einen Werkvertrag ab. Im öffentlich beurkundeten Kaufvertrag veräusserte St. 16,46 a Bauland um Fr. 75'000.-- an M., wobei der Übergang von Nutzen und Gefahr auf 1. Mai 1961 festgesetzt und der Werkvertrag zum integrierenden Bestandteil des Kaufvertrages erklärt wurde. Im privatschriftlichen Werkvertrag verpflichtete sich St. als "Generalunternehmer", auf dem Grundstück nach bereits baupolizeilich bewilligten Plänen ein Mehrfamilienhaus mit zwölf 3 1/2-Zimmerwohnungen zum Preis von Fr. 710'000. - für den Neubau inkl. Bauland, Umgebungs- und Erschliessungsarbeiten, Architektenhonorar, Bauzinsen usw. bis zum 1. Mai 1961 schlüsselfertig zu erstellen, den Baukredit von Fr. 500'000.-- zu beschaffen und den Neubau gemäss Rentabilitätsberechnung an solvente Mieter zu vermieten unter Garantie für Bestand und Einbringlichkeit der Mietzinse für die Dauer von 6 Monaten.
Bei der Anmeldung des Verkaufs, der am 23. Dezember 1960 im Grundbuch eingetragen wurde, berechnete M. die Handänderungsgebühr auf Fr. 750.-- (1% von Fr. 75'000), während das Grundbuchamt Fr. 7100.-- (1% von Fr. 710'000) verlangte. M. bezahlte diesen Betrag unter Rückforderungsvorbehalt und belangte dann den Kanton Bern beim kantonalen Verwaltungsgericht auf Bezahlung von Fr. 6350.-- nebst 5% Zins seit 23. Dezember 1960.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 29. Januar 1962 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Bei der Handänderungsgebühr sei das Entgelt, das der Bemessung des Steuerobjekts zugrunde gelegt werde, die Summe aller Leistungen, zu denen sich der Erwerber des Grundstücks gegenüber dem Veräusserer oder Dritten verpflichte, jedoch nur, soweit sich das Entgelt auf die Übertragung des Vertragsgegenstandes beziehe. Es sei daher jeweils zu prüfen, ob eine Leistung im Hinblick auf den Erwerb des Grundstücks erbracht worden sei oder nicht. Sofern der Erwerber einer Liegenschaft neben dem Kaufvertrag, jedoch unabhängig davon, mit einer Drittperson oder auch mit dem Verkäufer selbst noch einen Werkvertrag abschliesse, könne die Handänderungsgebühr nur vom Entgelt für das Land und den eventuell vorhandenen Rohbau erhoben werden, da der Erwerber in diesem Falle selber Bauherr sei und den Mehrwert selber schaffe.
Hingen dagegen Kaufvertrag und Werkvertrag so voneinander ab, dass es ohne den einen nicht zum andern gekommen wäre, und komme das Geschäft als Ganzes zudem im Ergebnis dem Verkauf eines fertigen Hauses gleich, so sei die Handänderungsgebühr auf Grund des für das überbaute Grundstück vereinbarten Gesamtpreises zu erheben. Vorliegend habe der Werkvertrag als wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages zu gelten und könnte der Werkvertrag nicht ohne gleichzeitige Aufhebung des Kaufvertrages aufgehoben werden. Es liege somit praktisch nur ein Vertrag vor, gemäss welchem der Kläger zum Preis von Fr. 710'000.-- ein schlüsselfertiges und voll vermietetes Mehrfamilienhaus mit plazierten Hypotheken erhalten sollte. Der Tatbestand sei ganz ähnlich wie in BGE 83 I 184 ff., wo das Bundesgericht angenommen habe, bei der im Steuerrecht zulässigen und hier als geboten erscheinenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise komme das Geschäft als Ganzes dem Verkauf eines fertigen Hauses gleich.
C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt M., das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 29. Januar 1962 sei aufzuheben. Er beruft sich auf Art. 4 BV und macht im wesentlichen geltend: Wirtschaftlich sei beim vorliegenden Tatbestande wesentlich, dass die Erstellung der Baute auf Rechnung des Käufers und Werkbestellers erfolgt sei. Einen von ihm wirtschaftlich selbst geschaffenen Mehrwert an einer von ihm gekauften Liegenschaft einer Rechtsübertragungssteuer zu unterwerfen, sei aber willkürlich. Wenn das Verwaltungsgericht auf die rechtliche Abhängigkeit des Kaufvertrags vom Werkvertrag abstelle, so verlasse es die massgebende wirtschaftliche Betrachtungsweise, stelle zivilrechtliche Überlegungen an und übersehe, dass nur wesentlich sei, aus welchen Mitteln der auf der zu übertragenden Liegenschaft entstehende Mehrwert geschaffen werde. Die Berufung des Verwaltungsgerichts auf BGE 83 I 184 ff. gehe fehl, da es dort nicht um eine Rechtsverkehrssteuer, sondern um die Doppelbesteuerung von Verkaufs- und Unternehmergewinn gegangen sei. Dagegen treffeBGE 53 I 187ff. zu, wo die Erhebung der Handänderungssteuer für einen vom Käufer selbst geschaffenen Mehrwert als willkürlich erklärt worden sei.
D.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Beschwerde. Es verweist auf die Begründung des angefochtenen Entscheids und fügt bei, dass das vorliegende Vertragswerk nicht nur wirtschaftlich (was bereits die Abgabepflicht auslöse), sondern auch rechtlich eine Einheit bilde und auf Übertragung der überbauten Liegenschaft ausgerichtet gewesen sei.
Der Kanton Bern beantragt ebenfalls Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach § 16 Ziff. 1 GAG ist bei jeder Handänderung eine Abgabe von 1% des Kapitalbetrages aller Leistungen zu entrichten, zu denen der Erwerber sich gegenüber dem Veräusserer oder Dritten verpflichtet. Als Handänderung der Abgabepflicht unterstellt sind dabei nicht nur "jeder Eigentumsübergang von Grundstücken von einem Rechtssubjekt auf ein anderes" (§ 16 Ziff. II GAG), sondern auch gewisse Fälle sog. wirtschaftlicher Handänderung ohne förmliche Eigentumsübertragung (§ 16 Ziff. II letzter Absatz). Damit bringt das Gesetz selber zum Ausdruck, dass bei der Bestimmung der mit der Abgabe zu erfassenden Vorgänge nicht sachenrechtliche oder sonstige zivilrechtliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die wirtschaftliche Betrachtung massgebend ist. Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch nicht, sondern geht in der Beschwerdebegründung selber davon aus, dass beim Entscheid darüber, ob vorliegend ein unüberbautes oder ein überbautes Grundstück die Hand änderte und demgemäss nur der Landpreis oder aber der Preis für die fertig überbaute Liegenschaft als Grundlage der Abgabeberechnung zu dienen habe, die wirtschaftliche Betrachtungsweise Platz zu greifen habe. Er ist jedoch der Auffassung, bei dieser Betrachtungsweise stelle die Baute einen von ihm selber geschaffenen Mehrwert dar und dürfe daher die Abgabe, wie sich ausBGE 53 I 187ff. ergebe, nur auf dem für das unüberbaute Land vereinbarten Kaufpreis erhoben werden.
Die Berufung auf dieses Urteil geht indes fehl, da sich der dort streitige Tatbestand nicht mit dem vorliegenden vergleichen lässt. In jenem Falle war der zwischen den Parteien geschlossene und auf Übertragung von Grundeigentum gerichtete Vertrag (Schenkung) schon im Mai abgefasst, jedoch wegen Landesabwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter erst im November unterzeichnet und im Grundbuch eingetragen worden. Die kantonalen Behörden gingen davon aus, dass der Rohbau, den der Erwerber inzwischen auf dem Grundstück hatte erstellen lassen, nach Art. 667 und 675 ZGB Eigentum des Veräusserers geworden, erst mit der Eintragung des Vertrags in das Eigentum des Erwerbers übergegangen und daher bei der Abgabeberechnung mit zu erfassen sei. Das Bundesgericht erklärte diese zivilrechtliche Betrachtungsweise als willkürlich und entschied, dass nur der Wert des Landes der Berechnung der Handänderungsgebühr zugrunde gelegt werden dürfe. Daraus kann der Beschwerdeführer nichts für sich ableiten. Während nämlich dort zwischen dem Veräusserer und dem Erwerber nur ein Vertrag über die Veräusserung des Grundstücks abgeschlossen worden und der Erwerber unzweifelhaft als Ersteller der Baute zu betrachten war, ist der Kaufvertrag hier mit einem Werkvertrag zwischen den gleichen Parteien verbunden und fragt sich, ob diese Verbindung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den Schluss erlaube, dass ein fertiges Haus verkauft worden und die Handänderungsgebühr daher auf Grund des für das Land und das Haus vereinbarten Gesamtpreises zu berechnen sei.
Das Bundesgericht hat diese Frage auf Grund des mit dem bernischen im wesentlichen übereinstimmenden zürcherischen Handänderungssteuerrechts (§§ 178 und 181 zürch. StG vom 8. Juli 1951) bejaht in einem Falle, der sich vom vorliegenden nur dadurch unterscheidet, dass die Bauarbeiten schon kurz vor dem Abschluss der Verträge in Angriff genommen worden waren (Urteil vom 23. Januar 1957 i.S. J., ASA 1958/59 S. 191 ff.). Es erklärte dort, die Erhebung der Handänderungsgebühr auf dem für das fertige Haus vereinbarten Preise sei zulässig unter der "Voraussetzung, dass Kaufvertrag und Werkvertrag so voneinander abhangen, dass es ohne den einen nicht zum Abschluss des andern gekommen wäre, und dass das Geschäft als Ganzes im Ergebnis dem Verkauf eines fertigen Hauses gleichkommt". Diese Voraussetzung trifft auch im vorliegenden Falle zu. Aus den Bestimmungen der beiden vom Beschwerdeführer mit St. abgeschlossenen Verträge geht klar hervor, dass sie eine Einheit bilden und der eine ohne den andern nicht abgeschlossen worden wäre. Auch ergibt sich aus diesen Bestimmungen, dass der wirkliche Wille der Parteien auf den Verkauf des fertigen Hauses gegangen ist, das Geschäft als Ganzes im Ergebnis dem Verkauf eines fertigen Hauses gleichkommt (vgl. auch BGE 83 I 188 /9). Nach dem Werkvertrag ist der vereinbarte Preis von Fr. 710'000.-- das Entgelt "für den schlüsselfertigen Neubau inkl. Bauland" und erscheint der Veräusserer, der die Anzahlungen des Käufers bis zu der auf 1. Mai 1961 vorgesehenen Fertigstellung des Hauses zu verzinsen hat, als der eigentliche Bauherr. Der Beschwerdeführer hat denn auch in der beim Verwaltungsgericht eingereichten Klage selber ausgeführt, dass er "in der internen rechtlichen Gestaltung und wirtschaftlich ..... auf den 1. Mai 1961 ein Mehrfamilienhaus inkl. Land" erworben habe. Betrachtet man das Vertragswerk als Ganzes, so überwiegen die kaufvertraglichen Elemente deutlich und ist die rechtliche und wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers keine andere, als wenn er am 2. September 1960 statt eines Kauf- und eines Werkvertrags nur einen erst am 1. Mai 1961 vom Verkäufer zu erfüllenden und in das Grundbuch einzutragenden Kaufvertrag über das bis dahin fertige Haus abgeschlossen hätte. Jedenfalls aber kann diese Auffassung, bei der vom Beschwerdeführer selber als massgebend erklärten wirtschaftlichen Betrachtungsweise, nicht als unhaltbar und willkürlich bezeichnet werden. Sein Einwand, dass die Baute auf seine Rechnung erstellt, der darin verkörperte Mehrwert wirtschaftlich von ihm geschaffen worden sei, ist unbehelflich, da seine Leistungen nach dem Vertragswerk keine andern waren als die, welche er beim Kauf des fertigen Hauses hätte erbringen müssen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.