BGE 74 I 9 - Einsprache Wohnungskündigung
 
3. Auszug aus dem Urteil
vom 13. Mai 1948 i.S. Vogel gegen Egli und Regierungsrat des Kantons Luzern.
 
Regeste:
Wohnungsnot, BRB vom 15. Oktober 1941/8. Februar 1946 (BMW).
Formelle Rechtsverweigerung, Art. 10 BMW; Unzulässigkeit der Bestätigung eines erstinstanzlichen Entscheides durch die Rekursinstanz aus Gründen tatsächlicher Art, zu denen der Betroffene im kantonalen Verfahren keine Stellung nehmen konnte.
 
Sachverhalt:
Der Amtsgehilfe von Willisau hat die gegenüber dem Beschwerdeführer ausgesprochene Wohnungskündigung gestützt auf Art. 5 lit. a BMW geschützt, weil der Mieter den Vermieter angeblich unberechtigterweise vor den Friedensrichter geladen und ihn des Diebstahls bezichtigt habe. Im Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat hat der Vermieter weitere Vorwürfe gegen den Mieter erhoben, über die der Regierungsrat in Abwesenheit der Parteien Beweis erheben liess. Der Beschwerdeführer erhielt weder Gelegenheit, von der Eingabe des Vermieters Kenntnis zu nehmen, noch, sich zum Ergebnis des Beweisverfahrens zu äussern. Der Regierungsrat hat die vom Amtsgehilfen als die Kündigung rechtfertigend bezeichneten Gründe als nicht ausreichend erklärt und die Kündigung aus den vom Vermieter erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Gründen geschützt. Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde hiegegen wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs gutgeheissen.
 
Erwägungen:
Aus den Gründen:
Nach Art. 10 BMW haben die Kantone das Verfahren bei Einsprachen gegen eine Kündigung zu ordnen. Da es sich um ein Verfahren vor den Verwaltungsbehörden handelt, besteht für sie keine Pflicht, das Verfahren, insbesondere das Beweisverfahren, nach zivilprozessualen Grundsätzen auszugestalten. Es steht von Bundesrechtswegen nichts entgegen, dass die zuständige Behörde auch Beweismittel berücksichtigt, die von den Parteien nicht angerufen worden sind, die Erhebungen ohne Beizug der Parteien durchführt, von einer eigentlichen Protokollierung der Parteivorbringen und der Aussagen von Zeugen Umgang nimmt usw. (Urteile vom 4. April 1946 i.S. Goglio und vom 12. September 1946 i.S. Keller). Da sie aber in die Gestaltung eines Privatrechtsverhältnisses zwischen den Parteien eingreift, muss von ihr der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör gewahrt werden (BGE 70 I 69). Dazu gehört, dass die durch einen Entscheid bestimmte Rechtsstellung einer Partei nicht zu ihren Ungunsten abgeändert wird, ohne dass ihr Gelegenheit geboten war, sich zu den Gründen zu äussern, die gegen den Entscheid geltend gemacht werden (BGE 64 I 148 Erw. 2). Eine derartige nachteilige Änderung der Rechtsstellung liegt nicht nur vor, wenn die Rekursinstanz den erstinstanzlichen Entscheid, mit dem der Anspruch einer Partei geschützt worden ist, aufhebt und zu deren Ungunsten abändert, ohne ihr vorher Gelegenheit zur Vernehmlassung gegeben zu haben. Sie muss auch für den Fall angenommen werden, dass die angefochtene Verfügung mit der ihr gegebenen Begründung sich als unhaltbar herausstellt, die Beschwerdeinstanz sie aber aus Gründen tatsächlicher Art bestätigt, zu denen Stellung zu nehmen der betroffenen Partei keine Möglichkeit eingeräumt worden ist. Anders wäre es nur dann, wenn diese als massgebend erachteten Tatsachen bereits im erstinstanzlichen Verfahren namhaft gemacht worden wären, der Betroffene es aber unterlassen hätte, sich dazu zu äussern, und die Beschwerdeinstanz ohne Beizug neuer Akten oder weitere Erhebungen entscheiden kann (Urteil vom 20. Februar 1947 i.S. Schmid).