BGE 69 I 186 - Militärsteuerbefreiung infolge Diensterkrankung
 
38. Auszug aus dem Urteil
vom 29. Oktober 1943 i.S. G. S. gegen Militärdirektion des Kantons Zürich.
 
Regeste
Militärpflichtersatz: Der Hilfsdiensttaugliche, der infolge einer dienstlichen Erkrankung völlig dienstuntauglich geworden ist, hat Anspruch auf Befreiung von der Militärsteuer.
 
Sachverhalt
 
A.
Der Rekurrent ist bei der Rekrutierung im Jahre 1929 hilfsdiensttauglich erklärt worden gemäss Ziffer 112/91 JBW (1917) wegen den Folgen einer in der Jugend durchgemachten Kinderlähmung. Er leidet an Atrophie der Muskulatur der linken Achsel und des linken Armes. Er wurde als Schneider zunächst der Hilfsdienstgattung 6 (Werkstätte), gemäss der VO über die Hilfsdienste vom 27. März 1909, Art. 5, und 1939 dem Ausrüstungs- und Bekleidungshilfsdienst (Gattung 26 der VO vom 3. April 1939, Art. 8 und 12) zugeteilt. Der sanitarische Befund ist bei der sanitarischen Nachmusterung 1939/1940 in absentia bestätigt worden gemäss Ziffer 250/52 JBW (1932) (Funktionsbehinderung einer grössern Gliedmasse durch Verkürzung, Atrophie usw.). Auf den 1. Januar 1940 wurde er bei der Gz. Mitr. Kp. IV/222 eingeteilt und leistete vom 1. Januar bis 9. Mai 1940 Aktivdienst. Während dieses Dienstes wurden bei der Truppe TPT-Impfungen vorgenommen. Beim Rekurrenten traten im Anschluss an diese Impfungen Augen- und Ohrenbeschwerden auf. Er wurde deshalb in die MSA eingewiesen und daselbst und in andern Heilanstalten längere Zeit verpflegt. Er leistete noch vom 18. Mai bis 5. Juni 1941 Aktivdienst, wurde dann aber vor UC gewiesen und am 3. Juni 1941 dienstuntauglich erklärt gemäss Ziffer 250/82, 75, 52 und 40 (fraglich) JBW (Erkrankungen und Veränderungen der Sehnerven; chronische Mittelohrenentzündung, Cholesteatom; Funktionsbehinderung einer grössern Gliedmasse durch Verkürzung, Atrophie; Verdacht auf Erkrankungen der Nebenniere, Addison'sche Krankheit).
 
B.
In der Ersatzerklärung für das Jahr 1942 ersuchte der Rekurrent um Befreiung von der Militärsteuer gemäss Art. 2, lit. b MStG. Er wurde abgewiesen, zuletzt durch Rekursentscheid der Militärdirektion des Kantons Zürich vom 17. Juli 1942 mit der Begründung, aus einem Gutachten des Kantonsspitals Aarau (Dr. Alder) vom 21. April 1942 gehe hervor, dass der Rekurrent an konstitutionellen Beschwerden leide, die mit dem Militärdienst in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen und durch ihn auch nicht dauernd und wesentlich verschlimmert worden seien.
 
C.
In seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. Dezember 1942 hält der Rekurrent an der Befreiung fest. Er macht geltend, er sei gesund zum Dienst eingerückt, aber jetzt seit 3 Jahren arbeitsunfähig. Er verweist auf die Schwäche seines linken Armes. Ferner lasse seit der TPT-Impfung sein linkes Auge zu wünschen übrig. Er habe wiederholt versucht, die Berufsarbeit aufzunehmen, aber immer wieder davon abstehen müssen.
 
Aus den Erwägungen:
1. Solange der Rekurrent bei den Hilfsdiensten eingeteilt war, war er grundsätzlich ersatzpflichtig. Er wurde lediglich von der Ersatzpflicht befreit, wenn er in einem Jahre Dienst zu leisten hatte. An dieser Stellung wird durch die Versetzung zu der Gruppe der völlig untauglichen Wehrmänner grundsätzlich nichts geändert. Der untaugliche Wehrmann befindet sich rechtlich, was die Pflicht zur Bezahlung der Militärsteuer anlangt, in der gleichen Lage. Auch er ist grundsätzlich steuerpflichtig und wird bei entsprechenden Dienstleistungen jeweilen steuerfrei. Nur wird, wer untauglich erklärt ist, in der Regel kaum mehr zu Dienstleistungen herangezogen, während der hilfsdiensttaugliche Wehrmann, jedenfalls während des Aktivdienstes, von Zeit zu Zeit aufgeboten werden kann. Da indessen der Wehrmann keinen Anspruch darauf hat, aufgeboten zu werden, ist der Unterschied zwischen der Stellung des Hilfsdienstpflichtigen und derjenigen des dienstuntauglichen Wehrmannes lediglich tatsächlicher Art, so dass es sich fragen kann, ob eine Versetzung eines hilfsdienstpflichtigen Wehrmannes zu den völlig Untauglichen Anlass zu einer Befreiung von der Militärsteuer wegen eines Zusammenhanges mit einer im Hilfsdienst eingetretenen Erkrankung geben könne.
Es erscheint indessen als richtig, die Befreiung auch hier eintreten zu lassen. Nach Art. 2, lit. b MStG hat jeder Wehrmann Anspruch auf Ersatzbefreiung, wenn er infolge des Dienstes militäruntauglich geworden ist. Der Hilfsdienstpflichtige aber ist zwar nicht militärdiensttauglich im Sinne der Militärorganisation (Art. 1), er besitzt aber doch eine beschränkte Eignung zu Dienstleistungen. Demgemäss wird er zu Diensten herangezogen und verpflichtet, die die Armee ergänzen, unterstützen und entlasten (Art. 20, Abs. 1 MO). Dieser Dienst wird zum grossen Teil bei der Truppe geleistet, hat also notwendig militärischen Charakter und setzt eine entsprechende Tauglichkeit zum Militärdienst voraus. Der Verlust dieser beschränkten Tauglichkeit darf als ein Militäruntauglichwerden im Sinne von Art. 2, lit. b MStG angesehen werden. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob grundsätzlich schon eine Steuerpflicht bestand, sondern ob die Militäruntauglichkeit eine Folge geleisteten Dienstes ist...