BGE 39 I 508 - Arthur Weiß
 
93. Entscheid
vom 25. September 1913 in Sachen Weiß.
 
Regeste
Art. 68 SchKG: Dem Betreibungsamte gegenûber schuldet der Gläubiger, nicht der Schuldner, die Betreibungskosten, zu denen auch die Kosten einer amtlichen Verwahrung gehören. Eine fûr solche Kosten vom Betreibungsamte gegen den Schuldner eingeleitete Betreibung ist auf Beschwerde hin von den Aufsichtsbehörden aufzuheben.
 
Sachverhalt:
 
A.
In Betreibungen gegen den Rekurrenten Arthur Weiß, Kûrschner in Basel, nahm das Betreibungsamt Basel-Stadt verschiedene gepfändete Gegenstände in amtliche Verwahrung. Es berechnete die daraus entstandenen Kosten auf 43 Fr. 95 Cts. und leitete fûr diesen Betrag im Sommer 1913 gegen den Rekurrenten die Betreibung Nr. 53,914 auf Faustpfandverwertung ein.
Hiegegen erhob der Rekurrent Beschwerde, indem er behauptete, daß er die Verwahrungskosten bereits bezahlt habe.
Das Betreibungsamt bemerkte in der Beschwerdebeantwortung u.a. folgendes: Der Rekurrent habe seinerzeit die auf den in Verwahrung genommenen Gegenständen €haftenden Forderungen" bezahlt und hätte damals die genannten Sachen gegen Bezahlung des Lagergeldes beziehen können. Er habe aber diese Bezahlung verweigert mit der Behauptung, sämtliche Kosten seien verrechnet worden. Dies sei jedoch nicht richtig, da in den von ihm bezahlten Kosten das Lagergeld nicht inbegriffen gewesen sei.
Die Aufsichtsbehörde des Kantons Basel-Stadt wies die Beschwerde durch Entscheid vom 8. September 1913 mit folgender Begrûndung ab: Die Beschwerde sei nicht klar, sie richte sich aber offenbar gegen die Einleitung der Betreibung fûr das Lagergeld. Indessen sei sie unbegrûndet, sofern sie sich darauf stûtze, daß die geltend gemachte Forderung nicht bestehe. Das Betreibungsamt habe nicht zu prûfen, ob eine Forderung, die in Betreibung gesetzt sei, zu Recht bestehe. Der Schuldner könne die Forderung nur auf dem Wege des Rechtsvorschlages bestreiten und es sei dann Sache des Richters, deren Bestand zu untersuchen. Ob das Betreibungsamt oder ein Dritter als Gläubiger auftrete, sei dabei ohne Bedeutung. Das Betreibungsamt sei nicht unrichtig vorgegangen, sondern seine Handlungsweise stehe im Einklang mit der Praxis.
 
B.
Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen. Seinen Ausfûhrungen ist folgendes zu entnehmen: Aus seiner Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde habe hervorgehen mûssen, daß das Lagergeld erst noch festzusetzen sei oder ein grober Fehler des Betreibungsamtes vorliege. Es sei den Verhältnissen nicht angemessen, €wenn ein Betreibungsamt kein anderes Mittel mehr kennt, als den Betreibungszettel um eine von dessen Personal vergessene Forderung an Spesen etc. ohne vorgehende Anzeige einem Bûrger anzumelden."
 
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht
in Erwägung:
 
Erwägung 1
 
Erwägung 2
2. Nach Art. 68 SchKG trägt zwar der Schuldner die Betreibungskosten; diese sind aber vom Gläubiger vorzuschießen. Hieraus folgt, daß dem Betreibungsamt gegenûber im allgemeinen der Gläubiger, nicht der Schuldner die Betreibungskosten schuldet und daß der Schuldner lediglich dem Gläubiger gegenûber zum Ersatz der Betreibungskosten verpflichtet ist (Jaeger, Komm. Art. 68 N. 2; AS Sep.-Ausg. 9 Nr. 1 Erw. 2; 10 Nr. 61 Erw. 1* [Fn. *: Ges.-Ausg. 32 I Nr. 22, 33 I No. 137.]). Demgemäß ist es ohne weiteres klar, daß das Betreibungsamt nicht gegen den Schuldner eine Betreibung fûr Betreibungskosten einleiten darf. Die gegen den Rekurrenten angehobene Betreibung fûr die Kosten der amtlichen Verwahrung, die zu den Betreibungskosten gehören, ist daher aufzuheben. Allerdings kann, wie die Vorinstanz ausfûhrt, der Schuldner sich in der Regel nicht bei den Aufsichtsbehörden ûber eine Betreibung deswegen beschweren, weil die geltend gemachte Forderung nicht zu Recht bestehe, da das Betreibungsamt und die Aufsichtsbehörden sich mit dieser Frage im allgemeinen nicht zu befassen haben. Aber im vorliegenden Falle geht die Einleitung der Betreibung nicht von einer Privatperson, sondern vom Amte selbst aus, indem eine amtliche, auf der Prûfung der Frage der Schuldpflicht beruhende Verfûgung, die Betreibung einzuleiten, an Stelle des Betreibungsbegehrens tritt. Diese Verfûgung untersteht der Überprûfung der Aufsichtsbehörden. Zudem ist die Frage, von wem und auf welchem Wege das Betreibungsamt die Zahlung der Betreibungskosten fordern kann und darf, eine solche des Betreibungsverfahrens und deshalb von den Betreibungsbehörden zu entscheiden.
 
Erwägung 3
3. Das Betreibungsamt Basel-Stadt hätte richtigerweise von den Gläubigern einen Vorschuß fûr die Verwahrungskosten verlangen sollen, um sich daraus zu decken; die Zahlungen des Schuldners an den Gläubiger hätten dann in erster Linie zur Ersetzung dieser Kosten verwendet werden mûssen (vergl. Jaeger, Komm. Art. 12 N. 4, Art. 68 N. 1 S. 154). Da ein Kostenvorschuß nicht geleistet worden ist, hätte sodann das Amt sich fûr die genannten Kosten wenigstens aus dem ihm vom Schuldner zu Handen der Gläubiger ûbergebenen Gelde bezahlt machen sollen. Sofern infolgedessen die Gläubiger fûr ihre Forderungen nicht vollständige Deckung erhalten hätten, das Verwertungsbegehren aber gestellt worden wäre, so hätte zur Befriedigung der Gläubiger fûr den Rest ihrer Forderungen die Verwertung durchgefûhrt werden sollen. Wenn die Gläubiger das Verwertungsbegehren deshalb, wie es scheint, nicht gestellt oder nicht erneuert haben, weil das Betreibungsamt es unterlassen hat, den Betrag der Verwahrungskosten fûr sich von den Zahlungen des Schuldners abzuziehen, und jene daher die Betreibung als erloschen betrachten, so bleibt dem Amt nichts anderes ûbrig, als die Zahlung der erwähnten Kosten von den Gläubigern zu verlangen.
 
Demnach hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
erkannt:
Der Rekurs wird gutgeheißen und die vom Betreibungsamt Basel-Stadt gegen den Rekurrenten eingeleitete Betreibung Nr. 53,914 aufgehoben.