BGE 35 I 337 - Fliegender Gerichtsstand
 
59. Urteil vom 24. Juni 1909
in Sachen Richter gegen Kriminalgericht und Obergericht
des Kantons Luzern
Verletzung der Pressfreiheit (nicht auch von Art. 58 BV) durch Annahme des sogen. fliegenden Gerichtsstandes, d.h. durch Bestrafung des Verfassers, Uebersetzers, Druckers oder Verlegers einer Broschüre seitens der Gerichte eines Kantons, in welchem dieselbe weder gedruckt, noch herausgegeben, noch versendet, sondern lediglich verbreitet wurde. Dagegen keine Verletzung der Pressfreiheit durch Bestrafung einer andern (d.h. vom Verfasser, Uebersetzer, Drucker oder Verleger verschiedenen) Person wegen einer von ihr vollzogenen Verbreitungshandlung.  Keine Willkür durch Anwendung des strafrechtlichen Begriffs des Komplotts auf einen derartigen Fall.  Keine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit durch Aufstellung strafrechtlicher Normen zum Schütze des religiösen Gefühls, auch wenn eine direkte Störung des konfessionellen Friedens nicht stattgefunden hat.  Dagegen Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit durch Bestrafung wegen Gotteslästerung im Falle der Verbreitung einer Broschüre, deren Zweck es ist, darzutun, dass Gott nicht existieren könne,  sofern es sich nicht etwa um eine rohe und gemeine Herabwürdigung aus unlauterem Motive handelt, welche mit der Achtung vor fremder Ueberzeugung unvereinbar ist.  Keine Willkür durch Bestrafung wegen Verletzung der Sittlichkeit im Falle der Verbreitung einer für die grosse Masse des Volkes bestimmten Schrift über empfängnishindernde Mittel.  Unzulässigkeit der Anwendung einer vom Gesetze nur für "besonders schwere Fälle" vorgesehenen Strafe (Gefängnis), sofern sich ergibt, dass die in Frage stehende Schrift den Gegenstand im allgemeinen sachlich und  ernsthaft behandelt und übrigens den Vermerk trägt, sie solle nicht in die Hände von Kindern gegeben werden
 
Sachverhalt
 
A.
Am 4. Juni 1908 wurde vom deutsch-schweizerischen Freidenkerbund zu Propagandazwecken in Luzern eine öffentliche Versammlung abgehalten, an welcher August Richter, Ingenieur in Zürich, heimatberechtigt in Dresden, Mitglied des Vorstandes, im Auftrag des letztern einen Vortrag über "Monismus und Christentum" hielt. Nach dem Vortrage wurden Broschüren verkauft. Nachdem auf Veranlassung des Vorstandes des Polizei- und Militärdepartementes des Kantons Luzern von der  luzernischen Staatsanwaltschaft eine Strafuntersuchung angehoben worden war, wurde August Richter vor den Strafrichter gestellt, weil er sich beim Verkauf dieser Schriften, die zum Teil blasphemischen, zum Teil unsittlichen Inhaltes seien, beteiligt habe. Es kommen hier folgende Schriften in Betracht:
    1.  Die Broschüre  "Die  Verbrechen Gottes", die weder  den Verfasser noch den Verleger angibt, aber den Vermerk trägt, daß sie bei  U. Richter, in Zürich V, Höschgasse 3,  bezogen werden könne;
    2.  die Broschüre  "Gott und  Teufel im  XX. Jahrhundert", als  deren  Verfasser  Julius  Lederer  bezeichnet  ist, der  sie  im Selbstverlag in Nürnberg herausgebe;
    3.  die Schrift "Die geschlechtliche Gesundheitslehre  der Frau, unter besonderer Berücksichtigung empfängnisverhindernder Mittel", herausgegeben vom Verlage von A, Plaßner in Berlin.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern erklärte den August Richter am 20. März 1909 wegen der Beteiligung beim Verkauf dieser Schriften der Gotteslästerung und der Verletzung der Sittlichkeit schuldig. Hiegegen erklärte August Richter die Appellation ans Obergericht, mit dem Antrage auf Freisprechung. Das Obergericht bestätigte aber am 3. April 1909 das Schuldurteil des Kriminalgerichtes und verurteilte den Beklagten zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten, unter Abzug von 14 Tagen Haft, ferner zu acht Jahren Kantonsverweisung und zu den Unter-suchungs- und Gerichtskosten.
 
B.
Aus der Begründung des Urteils des Obergerichtes, welches dasjenige des Kriminalgerichtes ersetzt, ist folgendes hervorzuheben :
2.  Die Kompetenz zur Beurteilung der Delikte der Gotteslästerung und der Verletzung der Sittlichkeit wird bejaht auf Grund folgender Erwägung: August Richter habe in der mündlichen Appellationsverhandlung zugegeben, daß er der Übersetzer und Verleger der Broschüre "die Verbrechen Gottes" sei. In der Eigenschaft als Verleger und Übersetzer könne er, nach prozeßrechtlichen Grundsätzen, im Kanton Luzern freilich nicht zur Verantwortung gezogen werden, weil er weder im Kanton Luzern domiziliert, noch hier der Druck und die Herausgabe erfolgt seien; dagegen könne in der Verbreitung einer schon erschienenen Druckschrift mit strafbarem Inhalt an einem andern Orte als dem Herausgabeort ein neues, selbständiges Delikt liegen (vergl. BGE 27 I S. 773). Wenn August Richter die in Frage stehenden Broschüren in Luzern verkauft oder sich am Verkauf mitbeteiligt habe, so sei damit auch die Zuständigkeit der luzernischen Gerichte gegeben.
Die Versammlung, an welcher der Verkauf stattgefunden habe, sei im Auftrage des Vorstandes des deutsch-schweizerischen Freidenkerbundes von der Geschäftsstelle angeordnet worden. Dieser Geschäftsstelle gehöre auch August Richter an, was er selbst ausdrücklich bestätigt habe. Die betreffenden Broschüren seien nun vom Schriftwart des Verbandes, Eckert, ebenfalls im Auftrage des Vorstandes verkauft worden. August Richter sei nach Beendigung seines Vortrages am Tisch, wo der Verkauf stattfand, gestanden und habe auch einmal Geld gewechselt. An der zweiten Monistenversammlung habe Richter über das finanzielle Ergebnis der Versammlung vom 4. Juni referiert und speziell über die Einnahmen an Eintrittsgeldern und aus dem Broschürenverkauf Rechnung abgelegt. Der Zeuge Fries erkläre ferner aufs bestimmteste, daß August Richter auch selbst Broschüren verkauft habe. August Richter sei daher für den Broschürenverkauf mitverantwortlich: es liege der Tatbestand des Komplottes im Sinne des § 38 des KrStrG vor, d.h. die Verabredung einer bestimmten Tat und die Zusage gegenseitiger Unterstützung bei deren Ausführung; jeder Teilnehmer, welcher "auf irgend eine Weise mitgewirkt" habe, sei mitverantwortlich.
4. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Tatbestand der Gotteslästerung im Sinne des ß 115 des luzern. KrStrG gegeben sei, schließt sich das Obergericht der Auffassung von Binding (Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Bes. Teil, § 143) an, daß eine Lästerung im Übelreden und in schmähender Verkleinerung der Vollkommenheit Gottes liege; daß dieses Erfordernis hier gegeben sei, zeige sowohl der Titel der Broschüre "Die Verbrechen Gottes", wie der Inhalt dieser Broschüre, besonders die Ausführungen auf Seite 6 und 7, wo Gott als derjenige bezeichnet werde, der den Irrtum erzeuge und die Ungerechtigkeit gebäre. Ebenso enthalte die Schrift "Gott und der Teufel" blasphemische Äußerungen, so die Bemerkung auf Seite 3, wo von der "Firma Jehova Satan & Comp." gesprochen werde.
Aber auch die andern Requisite des § 1.15 KrStrG seien erfüllt. Die Lästerung sei eine öffentliche, weil es sich um Schriften für den Massenverbrauch und im besondern Falle noch um den Verkauf an einer öffentlichen Versammlung handle. Die Lästerung habe Ärgernis erweckt. Es genüge zur Erfüllung dieses Erfordernisses des Gesetzes schon der Umstand, daß die Broschüren geeignet seien, Ärgernis zu erwecken. Das Zeugnis des Fries zeige sodann, daß von diesem Zeugen Ärgernis auch wirklich genommen worden sei. Endlich habe das nachträgliche Bekanntwerden in weiten Kreisen Ärgernis erregt, und auch das wäre genügend (Komm, von Casimir Pfyffer, zu § 117 des KrStrG). Ebenso sei das Vorliegen des Vorbedachtes und des Vorsatzes, den § 115 KrStrG fordere, gegeben, da die beiden genannten Broschüren nicht der Belehrung oder wissenschaftlichen Zwecken dienten, sondern herabwürdigten und schmähten, was andern Personen heilig sei. Daß August Richter über den Inhalt der Broschüren orientiert gewesen sei, ergebe sich aus der Tatsache, daß er der Geschäftsstelle des Freidenkerbundes angehöre, die diese Schriften als Agitationsmittel benütze.
Die Anwendung des § 115 KrStrG auf den vorliegenden Tatbestand sei mit Art. 49 BV vereinbar. Die Auffassung, daß nach § 115 des luzern. KrStrG die Religion als solche den Gegenstand des strafrechtlichen Schutzes bilde, sei unrichtig. Der Titel "Verbrechen gegen die Religion" sei nicht entscheidend. Das eigentliche Schutz- und Angriffsobjekt des Deliktes der Gotteslästerung festzustellen, müsse vielmehr der rechtswissenschaftlichen Theorie und der Praxis überlassen werden. Nach der staatsrechtlichen Wissenschaft und der Praxis des schweizerischen Bundesstaatsrechtes verstoße die Bestrafung der Gotteslästerung aber nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit, denn wenn auch die Kritik religiöser Ansichten gestattet sei und wenn auch die Glaubenslosigkeit, die Theorie des Atheismus, ebensogut dokumentiert werden dürfe, wie der Glaube selbst, so müsse dies doch in anständiger Form erfolgen und es dürfe nicht durch Verächtlichmachung des Gottesglaubens das religiöse Gefühl der andern verletzen (Stooß, Grundzug des schweiz. Strafrechts, Bd. I, S. 183 s, Burckhardt, Komm, der BV, S. 485 f.); der § 115 des luzern. KrStrG bedrohe aber nur die lästernde, Ärgernis erregende Form, welche mit der Achtung der fremden Überzeugung unvereinbar sei, mit Strafe.
 
C.
Gegen das Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Luzern hat August Richter am 28. März 1909 den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht erhoben, mit dem Antrag, es sei das Urteil des Kriminalgerichts aufzuheben und es seien dem Rekurrenten alle Entschädigungsrechte zu wahren. Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern richtet sich ein zweiter staatsrechtlicher Rekurs des August Richter, mit dem Antrage auf Aufhebung dieses zweiten Urteils und auf Wahrung der Entschädigungs- und Genugtuungsrechte. Dieser zweite Rekurs wurde am 7. April 1909 eingereicht und am 28. April 1909, nachdem inzwischen die Motive des obergerichtlichen  Urteils  bekannt  gegeben worden waren, durch eine neue Eingabe ergänzt. In der Rekursschrift gegen das Urteil des Obergerichts wird die Begründung des Rekurses gegen das kriminalgerichtliche Urteil zum integrierenden Bestandteil auch des zweiten Rekurses erklärt. Aus den Rekurseingaben ist folgendes hervorzuheben:
1.  Der Rekurs gegen das  Urteil des Kriminalgerichts  stützt sich auf die Art. 4 und 49 BV. Er rügt zunächst formelle und materielle Verstöße  gegen das Prozeßverfahren: die Verhaftung ohne Vorweisung des Verhaftbefehls und trotz ungenügender Substanziierung der Anschuldigung, die Unterlassung der Mitteilung des Entscheides der Kriminalkommission des Statthalteramtes an den Angeklagten, den Entzug des Wortes in der Hauptverhandlung vor Kriminalgericht  und die Verweigerung einer Duplik. Das bilde eine erhebliche Verkürzung der  Verteidigungsrechte. Daß der Angeklagte in der Verhandlung abgeführt und in Haft gesetzt worden sei, bilde eine willkürliche Anwendung  des Strafprozeßgesetzes. Materiell verletze das Urteil die  Glaubens-  und Gewissensfreiheit und den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetze. Der in § 115 KrStrG aufgestellte Begriff  der Gotteslästerung sei an sich unvereinbar mit  Art. 49 BV; jedenfalls aber sei es die Anwendung auf den vorliegenden Fall, denn  hier werde der Angeklagte in Wirklichkeit  nur wegen seiner Weltanschauung bestraft, da die zwei beim Delikt der Gotteslästerung in Betracht fallenden Schriften nur eine Kritik des Gottesbegriffes enthielten. Die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten sei in willkürlicher Art und Weise vorgenommen worden. Insoweit das Kriminalgericht den Angeklagten  wegen Störung des konfessionellen Friedens bestrafe, liege eine Verletzung des  Grundsatzes, daß ohne gesetzliche Grundlage keine Strafe verhängt werden dürfe, vor, weil das Kriminalstrafgesetz von Luzern dieses Delikt nicht kenne.
2.  Der Rekurs gegen das Urteil des Obergerichts stützt sich ebenfalls auf die Art. 4 und 49 BV, ferner auf Art. 50  BV, 55 und 58 BV. Die Garantie der Glaubens-  und Gewissensfreiheit schütze auch die Propaganda für das eigene Glaubensbekenntnis und die Bekämpfung entgegenstehender Anschauungen. Für den Atheisten  komme  als entgegenstehende  Anschauung in der Hauptsache der Gottesbegriff in Betracht; gegen diesen dürfe er seinen Angriff richten, gerade wie der Theist den Monismus bekämpfen dürfe. Ebenso dürfe der Atheist versuchen, breitere Massen für seine Weltanschauung anzuwerben. Die beiden Broschüren enthielten aber eine erlaubte Propaganda.
Die Bestimmung des § 115 KrStrG verletze den Art. 49 BV, weil er der Staatsreligion von Luzern einen höhern strafrechtlichen Schutz gewähren solle als andern Bekenntnissen; er verletze daher den Art. 4 BV, denn als Teil der theistischen Weltanschauung könne der Gottesbegriff keinen höheren Schutz beanspruchen als irgend ein Begriff einer andern Weltanschauung. Die BV anerkenne den Gottesbegriff nicht als etwas unverletzliches. Weil der Theist den Gottesbegriff als etwas außerhalb der Kritik stehendes ansehe, erscheine ihm ein Angriff auf den Gottesbegriff stets schwerer als es objektiv betrachtet der Fall sei; dieser irrigen Auffassung sei § 115 KrStrG entsprungen. In den beiden Propagandaschriften werde nun versucht, den Gottesbegriff mittelst einer deductio ad absurdum als Unding hinzustellen: wenn Gott existierte, müßte er auch das Böse verantworten; da Gott das Böse nicht tun und wollen könne, könne er, da er doch als allmächtig gedacht werde, in Wirklichkeit nicht existieren.
Aber auch die Ironie, die an einigen Stellen angewendet werde, sei ein erlaubtes Kampfmittel; gewisse Anschauungen müßten den Gegner geradezu zum Spott herausfordern; die Herabwürdigung fremder religiöser Anschauungen sei nicht bezweckt. Eine Beweisführung dieser Art stehe unter dem Schütze der Bundesverfassung. Die luzernischen Gerichte hätten daher ein Gesinnungsdelikt in Glaubenssachen geschaffen.
Im vorliegenden Falle sei auch nicht erwiesen, daß irgend eine Person  die mit dem Verkauf beauftragten könnten dabei nicht in Betracht fallen  in ihrem religiösen Gefühl verletzt und daß der konfessionelle Frieden gestört worden sei; wer mit den Schlußfolgerungen der Broschüren nicht einverstanden sei, könne sich ja die Existenz des Bösen anders erklären. Wenn aber erst die nachträgliche Bekanntgabe des Inhaltes öffentliches Ärgernis erregt hätte, so werde dadurch der Tatbestand des § 115 KrStrG nicht erfüllt.
Das angefochtene Urteil könne sich auch nicht auf Art. 50 Abs. 2 BV stützen, da Rekurrent den religiösen Frieden nicht verletzt habe; gerade umgekehrt werde durch Urteile, wie das angefochtene, der religiöse Frieden gefährdet.
Den Behörden des Kantons Luzern mangle ferner die Kompetenz ; in der Beurteilung liege daher ein Verstoß gegen § 2 des luzern. KrStrG und gegen Art. 58 BV. Der Rekurrent habe jedenfalls auf dem Gebiete des Kantons Luzern kein Delikt begangen, da der Verkauf der Broschüre ausschließlich von Eckert besorgt worden sei. Er, Rekurrent, habe sich bloß wegen der Äußerungen im mündlichen Vortrag, wegen welchen er nicht strafwürdig befunden worden sei, freiwillig den luzernischen Behörden gestellt, nicht auch wegen des Verkaufs der Broschüren. Die Beweisunterlagen seien aber für eine Verurteilung viel zu schwach und die Verurteilung daher willkürlich: dem einen Zeugen Fries stünden alle andern Zeugen gegenüber; an der zweiten Luzerner Versammlung habe Rekurrent nur über das Ergebnis der Eintrittsgelder berichtet. Wenn das Obergericht ein Komplott annehme, so sei hiezu zu bemerken, daß die Hauptmomente in Zürich verwirklicht worden wären, sodaß auch als Gerichtsstand nur Zürich, nicht Luzern, in Betracht käme; für das luzernische Gericht könnten nur die in Luzern begangenen Einzelhandlungen und nur als solche, nicht das Komplott, den Gegenstand der Beurteilung bilden. Jede andere Annahme sei eine willkürliche Anmaßung der örtlichen Kompetenz.
Auch in der Verurteilung wegen Verletzung der Sittlichkeit liege offenbare Willkür, da Rekurrent nicht als Täter in Betracht kommen könne.
 
D.
Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt Abweisung des Rekurses. Zur Kompetenzfrage führt es aus, daß es unerheblich sei, wo das Komplott vereinbart wurde, da die Ausführung des Komplottes auf dem Gebiete des Kantons Luzern stattgefunden habe. Für die Auffassung, daß der Begriff des Religionsvergehens mit dem herrschenden Staatskirchenrecht in Einklang zu bringen und dementsprechend zu interpretieren sei, beruft es sich auf die Ausführungen von Kahl (Bd. III der vergleichenden Darstellung des deutschen Strafrechts, 1906 S. 82), Finger (Gerichtssaal, Bd. 66 1905 S. 297 ff.) und Brodbeck (Handwörterbuch der schweizerischen Volkswirtschaft, Bd. II S. 385).
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.  Der Rekurrent hat sowohl das Urteil des Kriminalgerichtes als dasjenige des Obergerichtes des Kantons Luzern auf dem Wege  des staatsrechtlichen  Rekurses  angefochten. Voraussetzung eines staatsrechtlichen 'Rekurses  ist aber ein  an sich  der Vollstreckung fähiger Erlaß einer kantonalen Behörde (AS  23 S. 1545), Nachdem in Folge der Durchführung der Appellation das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern an die Stelle des Urteils des Kriminalgerichtes getreten ist, können  aus  dem Urteile des Kriminalgerichtes keinerlei Rechtsfolgen mehr gegen den heutigen Rekurrenten abgeleitet werden. Es kann  daher  auf den Antrag auf Aufhebung des kriminalgerichtlichen Urteils nicht eingetreten werden. Nur wenn im ersten Rekurse neben dem Antrag auf Aufhebung des kriminalgerichtlichen Urteils noch andere zulässige Anträge  gestellt worden  wären, hätte es sich fragen können, ob darauf einzutreten sei. Nun mag dahingestellt bleiben, ob das Begehren um  Wahrung der  Schadenersatzansprüche, das übrigens im zweiten Rekurs wiederholt wird, überhaupt als prozessualer Antrag aufzufassen sei und nicht nur als ein Vorbehalt; denn das Bundesgericht  kann  sich, da ihm im  staatsrechtlichen Rekursverfahren nur kassatorische Funktion zukommt, mit diesem Teil des Antrages auch nicht befassen.
Die vom Rekurrenten angerufene Bestimmung des § 2 des luzernischen Kriminalstrafgesetzes handelt von der Anwendung des Gesetzes und lautet: "Nach den Vorschriften dieses Gesetzes werden beurteilt: a) alle auf dem Gebiete des Kantons Luzern verübten Verbrechen....." Die Fälle b und c dieser Bestimmung fallen hier außer Betracht. Da es sich im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur darum handeln kann, ob eine Verfassungsbestimmung oder ein Staatsvertrag oder ein Konkordat verletzt sei, so steht es dem Bundesgericht als staatsrechtlicher Beschwerdeinstanz nicht zu, zu prüfen, ob der angerufene § 2 des KrStrG vom Obergericht richtig ausgelegt und angewendet worden sei; das Bundesgericht könnte nur einschreiten, wenn die Anwendung eine willkürliche wäre und dadurch gegen Art. 4 BV verstoßen würde. Von einem Verstoß gegen klares Recht oder gegen die Akten und damit von Willkür kann aber in diesem Punkte keine Rede sein. Denn die Auffassung, es liege ein in Luzern zur Ausführung gebrachtes Komplott vor und diese Tatsache begründe die örtliche Zuständigkeit der luzernischen Gerichte, kann keineswegs als willkürlich angefochten werden. Daß ein Komplott vorliege, hat das luzernische Obergericht auf Grund von Indizien, also in prozessual durchaus zulässiger Weise angenommen; die Überprüfung der Indizien und die Erörterung, ob diese Indizien genügen, ist aber nicht Aufgabe der staatsrechtlichen Beschwerdeinstanz. Aber auch die rechtliche Folgerung, es sei nun die Zuständigkeit der luzernischen Gerichte begründet, ist staatsrechtlich nicht anfechtbar, da sie einmal im Wortlaut des Art. 2 KrStrG, der von den auf dem Gebiete des Kantons "verübten" Verbrechen spricht, eine Stütze findet und da im weitern die Auffassung, es sei der Ort der Haupttat, des Verkaufs der betreffenden Broschüren, für die Zuständigkeit zur Beurteilung der Teilnahmehandlung maßgebend, auch in der Doktrin weit verbreitet ist (vergl. statt vieler: Frank, Kommentar zum deutschen Strafgesetzbuch, 5.-7. Aufl. § 3 S. 29); im Kriminalgesetzbuch des Kantons Luzern ist aber das Komplott, in § 30, gerade als Teilnahmeform, nicht etwa als Delikt eigener Art behandelt.
Ist die Bejahung der Kompetenz nach Maßgabe der Bestimmungen der luzernischen Gesetzgebung nicht willkürlich, so fragt es sich, ob diese Gesetzgebung kraft der Art. 55 und 58 BV eine Einschränkung erleide, In Art. 58 BV wird dem Einzelnen der verfassungsmäßige Richter und Schutz gegen Ausnahmegerichte garantiert. Diese Bestimmung ist aber nach feststehender Gerichtspraxis nicht dahin aufzufassen, als ob nun die Vorschriften der kantonalen Gesetzgebung über die Gerichtsorganisation zu Bestandteilen des  Verfassungsrechtes erhoben würden, sondern es kann diese Verfassungsbestimmung nur angerufen werden gegenüber Gerichten, die in der Verfassung, soweit die betreffende funktionelle Tätigkeit in Betracht kommt, überhaupt nicht vorgesehen sind (vergl. AS Bd. 14 S. 168 Erw. 1; 18 S. 44i und 732; 23 S. 28; 24 S. 438; 27 S. 35). Insbesondere ist in der Gerichtspraxis stets daran festgehalten worden, daß Art. 58 BV keinen bestimmten Gerichtsstand in Strafsachen garantiere (AS Bd. 4 S. 12, Bd. 6 S. 208, Bd. 16 S. 728). Wegen Verletzung der kantonalen Gerichtsstandsnormen könnte daher im staatsrechtlichen Rekursverfahren nur eingeschritten werden, wenn eine willkürliche Anwendung vorläge, was, wie oben erörtert worden ist, im vorliegenden Falle nicht zutrifft.
Zu der Frage, ob die Bejahung der örtlichen Kompetenz durch das luzernische Obergericht mit Art. 55 BV im Widerspruch stehe, ist folgendes zu bemerken : Die verfassungsmäßige Garantie der Preßfreiheit verbietet nicht nur Sondermaßregeln zu Ungunsten der Presse, sondern begründet auch gewisse mit dem Wesen der Pressfreiheit zusammenhängende Privilegien. Zu diesen gehört, nach der ständigen staatsrechtlichen Praxis der politischen Bundesbehörden, wie des Bundesgerichtes (vergl. eidg. Gesetzessammlung, Bd. 6 S. 547 ; Ullmer, Staatsrechtliche Praxis, Bd. I Nr 182, 190, 242; BGE 18 S. 645; 27 I S. 448), der Ausschluß des sogen. fliegenden Gerichtsstandes für Pressdelikte. Das Preßdelikt ist vollendet mit der Herausgabe oder Versendung des Preßproduktes, weshalb der Begehungsort nur der Ort ist, wo die Druckschrift gedruckt und herausgegeben oder versendet wird. Dem-entsprechend kann nach schweizerischem Bundesstaatsrecht, wenigstens soweit es sich um Druckerzeugnisse handelt, die in der Schweiz gedruckt und herausgegeben wurden, eine preßrechtlich verantwortliche Person, d.h. der Verfasser, der Redaktor, der Drucker, Herausgeber und Verleger, wegen eines Pressdeliktes nur da verfolgt werden, wo die Druckschrift gedruckt worden und erschienen ist oder wo der preßrechtlich Verantwortliche wohnt. Von diesem Grundsätze macht nun das angefochtene Urteil des Obergerichtes eine Ausnahme, indem es, unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtes in Sachen Zai g. Schulthess (AS 27 I S. 450) in der späteren Verbreitung einer schon erschienenen Druckschrift eine selbständige Handlung erblickt, für welche ein eigener Begehungsort und folgerichtig auch ein selbständiger Gerichtsstand bestehe. Diese Auffassung ist aber in dieser Allgemeinheit rechtsirrtümlich; sie verkennt, daß die spätere Verbreitung als selbständige Handlung nur in Betracht kommen kann, wenn sie von einer preßrechtlich nicht verantwortlichen Person begangen wurde: dem Verfasser, Herausgeber, Redaktor, Verleger und Drucker gegenüber kann eine weitere Verbreitung nicht als weitere selbständige Delikts-Handlung angerechnet werden, wie das im angerufenen Urteile i. S. Zai g. Schultheß (AS 27 I S. 449 Erw. 3) ausdrücklich bemerkt ist. Nun ist die Schrift "Die Verbrechen Gottes" unbestrittenermaßen vom Franzosen Sebastian Faure verfaßt. Der Rekurrent ist aber, wie sich aus den Ausführungen auf Seite 9 des obergerichtlichen Urteils ergibt, der Übersetzer dieser Schrift, also der Verfasser der deutschen Ausgabe, die hier hinsichtlich der Weiterverbreitung gerade in Betracht kommt. Es kann preßrechtlich keinem Zweifel unterliegen, daß der Rekurrent in Bezug auf diese Übersetzung den Schutz der Preßfreiheit für sich in gleicher Weise in Anspruch nehmen kann wie der Verfasser des Originaltextes. Unter diesen Umständen kann unerörtert bleiben, ob er auch wegen des Vermerks auf der Druckschrift, diese könne bei ihm, in Zürich, bezogen werden, als Verleger oder Herausgeber auf das gleiche Privileg Anspruch hätte. Er kann daher wegen dieser Schrift auch nur in Zürich, seinem Wohnort, strafrechtlich belangt werden, und es ist die Verurteilung wegen der Verbreitung dieser Schrift durch das Obergericht des Kantons Luzern somit als verfassungswidrig aufzuheben.
Dagegen schließt der besondere Gerichtsstand für Preßdelikte die Verurteilung des Rekurrenten durch die luzerner Gerichte nicht aus, soweit sich diese Verurteilung auf die Broschüre "Gott und der Teufel im XX. Jahrhundert" stützt, da diese letztere Druckschrift nicht in der Schweiz herausgegeben wurde und der Rekurrent zu ihr auch nicht in einem preßrechtlichen Verhältnisse steht: für ihn ist die Schrift ein fremdes Werk, und die Verbreitung durch ihn daher auch eine Handlung von selbständiger strafrechtlicher Bedeutung.
3.  Zur Rüge des Rekurrenten, es seien im Prozeßverfahren gesetzliche Rechtsformen verletzt worden, ist folgendes zu bemerken: Soweit sich die behaupteten Verletzungen auf das erstinstanzliche Untersuchungsverfahren beziehen, kann auf diese Beschwerde nicht eingetreten werden, weil nach der auf kantonalem Recht beruhenden und nicht willkürlichen Erwägung des Obergerichts diese Rügen gemäß § 271 des Strafrechtsverfahrens auf dem Wege der Kassationsbeschwerde hätten geltend gemacht werden können; in Rechtsverweigerungsbeschwerden hat sich das Bundesgericht aber immer das Recht gewahrt, die vorherige Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges zu verlangen. Nicht einzutreten ist daher auf den Rekursgrund, es habe der Polizeibeamte sich geweigert, bei der Verhaftung den Verhaftsbefehl vorzuweisen, es sei die Verhaftung verfügt worden, obschon nur ein nichtamtliches Schreiben als Beweis für die Anschuldigung vorgelegen habe, und es sei der Entscheid der Kriminalkommission des Statthalteramtes von Luzern dem Rekurrenten nicht mitgeteilt worden.  Die Beschwerden wegen Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte beziehen sich auf das erstinstanzliche Gerichtsverfahren: es sind dies der Entzug des Wortes in der Verhandlung und die Inkraftsetzung wegen disziplinwidrigen Verhaltens. Selbständige Bedeutung könnte diesen Beschwerdegründen nur zukommen, wenn der Rekurrent nicht nur die Aufhebung des Urteils, sondern auch des ganzen Verfahrens seit dem Eintritt des Beschwerdegrundes begehrt hätte. Das hat der Rekurrent aber nicht getan. Da nun das zweitinstanzliche Urteil, welches das erstinstanzliche ersetzt, formell korrekt zustande gekommen ist, und nicht erkennbar ist, daß die gerügten Verstöße auf den Inhalt des Dispositivs des zweitinstanzlichen Urteils irgendwie von Einfluß sein konnten, so entbehren diese Rekursgründe der Bedeutung für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren denn das Bundesgericht als Staatsgerichtshof hat nicht darüber zu wachen, daß die gesetzlichen Vorschriften des kantonalen Rechts von den kantonalen Zivil- oder Strafbehörden beachtet werden, sondern es hat nur zu prüfen, ob der angefochtene kantonale Erlaß gegen die Verfassung, gegen einen Staatsvertrag oder ein Konkordat verstoße.
4.  In materieller Hinsicht fragt es sich, ob die vom Obergericht angewandte Norm  des  kantonalen Strafgesetzes vor dem Grundsatze der Glaubens- und Gewissensfreiheit stand halte oder ob wenigstens die Anwendung der betreffenden Bestimmung auf den konkreten Fall gegen dieses Prinzip verstoße oder willkürlich sei. Im weitern hat sich der Rekurrent freilich auch auf Art. 50 BV (es können nur Abs. 1 und 2 gemeint sein) berufen mit der Bemerkung, daß das angefochtene Urteil sich nicht auf diese Verfassungsbestimmung stützen könnte und daß nicht die betreffende Handlung des Rekurrenten, sondern gegenteils ein Urteil wie das angefochtene, geeignet wäre, den konfessionellen Frieden zu stören. Indessen kann Abs. 1 dieser Verfassungsbestimmung, welche die freie Ausübung gottesdienstlicher Handlungen innerhalb der Schranken der Sittlichkeil und der öffentlichen Ordnung gewährleistet, für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen, weil der Verkauf der in Frage stehenden Schrift "Gott und der Teufel im XX. Jahrhundert", wie keiner Erörterung bedarf, gar keine gottesdienstliche Handlung darstellt. Abs. 2 aber kann vom Rekurrenten schon deshalb nicht als Rekursgrund angerufen werden, weil diese Bestimmung, wie der Wortlaut zeigt, Rechte und Befugnisse zu Gunsten des Bundes und der Kantone begründet, nicht aber Individualrechte des einzelnen Bürgers, deren Verletzung dieser im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren geltend machen könnte.
5.  Das Kriminalstrafgesetz des Kantons Luzern vom 22. Mai 1906, welches in § 115 die Gotteslästerung unter dem Titel "Verbrechen gegen die Religion" behandelt, bestimmt: "Wer vorsätzlich und mit Bedacht Gott lästert und dadurch öffentliches Ärgernis erregt, wird mit Zuchthausstrafe bis auf zwei Jahre belegt. In leichtern Fällen hat korrektionelle Bestrafung einzutreten." Würde von der früheren staatsrechtlichen Praxis der politischen Bundesbehörden, wie sie in den Fällen Dupré (Salis, Bundesstaatsrecht, 1. Aufl. Bd. II Nr. 682, 2. Aufl. Bd. III Nr. 1000) und Python (Salis, 2. Aufl. Bd. III Nr. 1001) faktisch zur Anwendung gekommen und im Falle Wackernagel (Salis, 1. Aufl. Bd. II Nr. 726, 2. Aufl. Bd. III Nr. 1002) zum Ausdruck gelangt ist, ausgegangen, wonach Äußerungen der Menschen über die Gottheit "auch dann, wenn sie die Gefühle Andersgläubiger verletzen könnten" (Erw. 2 des Entscheides des Bundesrates i. S. Wackernagel), nicht strafrechtlich geahndet werden dürfen, sofern der Friede unter den verschiedenen Religionsgenossenschaften nicht gestört wird, und wonach grundsätzlich jede Meinungsäußerung in religiösen Dingen unter dem Schütze des Art. 49 BV stehe, solange kein derartiger Angriff auf den durch Art. 50 BV geschützten religiösen Frieden unter verschiedenen Konfessionen vorliegt (Erw. 3 des Entscheides des Bundesrates i. S. Wackernagel), so müßten ohne weiteres sowohl die Bestimmung des § 115 des luzernischen Kriminalstrafgesetzes als auch die Bestrafung des Rekurrenten als bundesverfassungswidrig erklärt werden: die Bestimmung des § 115 KrStrG, weil sie lästernde Äußerungen unter Strafe stellt, auch wenn der Frieden unter den Konfessionen nicht gestört wird; die Bestrafung des Rekurrenten, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß durch die als strafbar erklärte Handlung der öffentliche Frieden unter den Konfessionen gestört worden sei. Indessen kann der angeführten Auffassung der politischen Bundesbehörden, welche vom Bundesrate im Falle Felber (Salis, Bundesrecht, 2. Aufl. Bd. III Nr. 1003) zudem selbst nicht festgehalten wurde, nicht schlechthin beigepflichtet werden. Zwar ist darin den politischen Bundesbehörden beizustimmen, daß die Garantie der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach dem Willen der Bundesverfassung nicht nur negative Bedeutung besitzen soll, sondern auch die Äußerung und Begründung der Glaubensansichten unter den Schutz der Verfassung stellt: der religiöse Glaube als innere Überzeugung kann ja der staatlichen Kontrolle naturgemäß nur unterstehen, soweit er überhaupt geäußert wird; es ist nicht anzunehmen, daß Art. 49 Abs. 1 BV, ein Bestandteil des positiven Rechtes, sich nur mit der inneren Überzeugung, ohne Rücksicht darauf, ob sie geäußert werde, befassen wolle (vergl. dazu die Ausführungen AS 34 I S. 260 Erw. 2 und die dort angeführte Literatur). Als Teil der Begründung fällt aber nach der Natur der Sache ebenfalls unter den Schutz des Art. 49 BV die Vergleichung der eigenen Weltanschauung mit fremden Glaubensansichten und deren Kritik (vergl. dazu auch Burckhardt, Komm, zur BV, S. 484 letzter Absatz). Dagegen kann die Auffassung, daß Äußerungen über religiöse Dinge in jeder Form und unter allen Umständen straflos sein müssen, sofern  nur  der  religiöse Friede unter den Konfessionen nicht gestört wird, nicht als richtig anerkannt werden. Eine Schranke ergibt sich, neben dem Gebote der Wahrung der öffentlichen Ordnung und der Sittlichkeil, das selbstverständlich auch hinsichtlich der Äußerung von Glaubensansichten Geltung hat (vergl. AS 34 I S. 260 Erw. 2), aus dem Gebote der Achtung der Persönlichkeit der Mitmenschen, gerade wie dies, auf dem Gebiete des Zivilrechtes, in Bezug auf das Recht zur Ausübung der freien Konkurrenz ebenfalls der Fall ist: kann die Achtung vor der Persönlichkeit des Dritten auch nicht dazu führen, daß jemand selbst auf die Ausübung des ihm verfassungsmäßig zustehenden Rechtes verzichte, weil der Dritte etwa dadurch geschädigt oder gekränkt wird, so schlägt doch das Recht in Unrecht um, wenn es darauf abzielt, das gleiche Recht des Dritten aufzuheben, oder wenn Mittel zur Anwendung kommen, welche das Recht allgemein die Anerkennung versagt. Nun wird ja dadurch, daß jemand für seine Glaubensansichten Propaganda macht, kein anderer in sein eigenen Glaubens- und Gewissensfreiheil beeinträchtigt; ein Angriff auf die religiösen Auffassungen eines Dritten ist daher von diesem Gesichtspunkte aus nur rechtswidrig, wenn die Mittel der Propaganda vom Rechte mißbilligt sind. Eine rechtswidrige Verletzung der fremden Persönlichkeit durch einen Angriff auf ihre religiösen Anschauungen ist also immerhin möglich, und soweit eine Rechtswidrigkeit vorliegt, steht vom Standpunkte der Bundesverfassung aus auch nichts entgegen, daß die Kantone die Verletzung mit Strafe bedrohen. Wenn in einem Falle ein rechtswidriger Angriff auf religiöse Anschauungen eines Dritten vorliegt, darf daher auch der in Frage stehende § 115 des luzernischen Kriminalstrafgesetzes zur Anwendung gebracht werden. Der Anwendung steht insbesondere nicht entgegen, daß diese Gesetzesbestimmung sich unter dem Titel "Verbrechen gegen die Religion" befindet, denn darin ist dem luzernischen Obergericht zuzustimmen, daß die betreffende Norm das religiöse Gefühl der Menschen, nicht die Religion als solche schützen will: das zeigt sich beim Tatbestand der Gotteslästerung schon darin, daß nach dem luzernischen KrStrG nicht jede Lästerung Gottes, sondern nur diejenige strafbar erklärt wird, welche, öffentliches Ärgernis erregend das religiöse Gefühl der betreffenden Menschen verletzt.
Zum Schlusse, daß die Bestimmung des § 115 KrStrG nicht allgemein als verfassungswidrig erklärt werden kann, führt aber auch die Erwägung, daß die Geltendmachung der Glaubens- und Gewissensfreiheit in der Kritik fremder Glaubensansichten von der BV nur innerhalb der Schranken der Sittlichkeit garantiert ist. Die Sittlichkeit im Sinne des Art. 50 BV ist die als notwendige Grundlage des Staates anerkannte, d.h. rechtlich geschützte sittliche Ordnung (vergl. AS M I S. 261 Erw. 2 und die dort angeführte Literatur). Da es sich um einen Begriff der Bundesverfassung  handelt, so  hat  die  Begriffsbestimmung, trotzdem  die strafrechtliche Gesetzgebung auf dem in Frage kommenden Gebiete eine kantonale ist,  doch für das ganze Anwendungsgebiet der Bundesverfassung einheitlich zu erfolgen, wobei freilich die kantonalen Gesetzgebungen als Erkenntnisquellen, wenn auch nicht als Rechtsquellen, in Berücksichtigung zu ziehen sind. Der Tatbestand der Gotteslästerung wird nun, außer im Kanton Luzern, noch in 5 weiteren Kantonen unter Strafe gestellt, nämlich in den Kantonen Schwyz, Unterwalden, Baselland, Graubünden und Wallis. Die Herabwürdigung oder Beschimpfung der Lehre, der Einrichtungen und Gebräuche oder  der Gegenstände der Verehrung von Religionsgenossenschaften wird in 12 Kantonen mit Strafe bedroht, nämlich in den Kantonen Thurgau, Graubünden, Schaffhausen, Obwalden, Bern, Zug, Baselland (hier nur die Herabwürdigung der Einrichtungen und Gebräuche), Appenzell A./Rh. und St. Gallen (hier nur die Herabwürdigung der Gegenstände der Verehrung), Schwyz  und  Appenzell  I,/Rh. (hier nur die Herabwürdigung der Gegenstände der Verehrung und der Lehren) und Freiburg (hier wird die Herabwürdigung der Lehren  nicht erwähnt). Die Störung und Hinderung des Gottesdienstes wird in allen Kantonen, die ein kodifiziertes Strafrecht besitzen, unter Strafe  gestellt (vergl. dazu die Zusammenstellung  in Stooß, Grundzüge des Schweiz. Strafrechts, Bd. II S, 184191, ferner die Strafgesetze des  Kantons Appenzell I./Rh. vom  30. April 1899, Art. 55, und des Kantons Glarus vom 7. Mai 1899, § 64). Angesichts dieser zahlreichen Strafbestimmungen der kantonalen Gesetzgebungen kann nicht verkannt werden, daß die Idee eines strafrechtlichen Schutzes des religiösen Gefühls des Individuums in der Schweiz eine weite Verbreitung gefunden hat. Fragt es sich, ob die Bundesverfassung, indem sie die Religionsfreiheit innert die Schranken der Sittlichkeit wies, auf diese, wenn auch nicht in allen Kantonen, so doch in einer großen Zahl derselben, verbreitete Idee im allgemeinen habe Rücksicht nehmen wollen, so ist das an Hand der ganzen Stellungnahme der Bundesverfassung zum religiösen Leben zu bejahen. Die Bundesverfassung will, wie aus Art. 50 Abs. 2 BV sich ergibt, vor allem den religiösen Frieden unter den Konfessionen wahren; sie will es ermöglichen, daß Menschen verschiedener Konfessionen, unbeschadet der Ausübung ihrer Religion, in öffentlichem Frieden neben einander leben können. Wird nun berücksichtigt, wie empfindlich im allgemeinen der Einzelne gegen einen Angriff auf fein religiöses Gefühl ist und wie sehr durch solche Angriffe, die Propaganda für eine Glaubensansicht ja so häufig mit sich bringt, die Gefahr einer Störung des öffentlichen Friedens unter den Konfessionen begründet wird, so kann die Auffassung nicht abgelehnt werden, daß die Bundesverfassung strafrechtliche Normen zum Schütze des religiösen Gefühls nicht schlechthin ausschließen wollte (vergl. dazu auch die Äußerungen juristischer Schriftsteller: Burckhardt im Komm.d. BV S. 485 f.; Stooß, Grundzüge II S. 183, Villiger, die Religionsdelikte, Bern 1894, S. 32; Vogt, Bundesrecht, Vorlesungen im Winter-Semester 1889/1890, S. 3; Salis, die Religionsfreiheit in der Praxis, 1892, S. 35; Affolter, Grundzüge des schweiz. Staatsrechts, S. 91). Aber freilich ist damit die Zulässigkeit einer strafrechtlichen Ahndung der Gotteslästerung nur nicht schlechthin ausgeschlossen; eine bestimmte Abgrenzung der rechtmäßigen und der widerrechtlichen Handlungen ist damit noch nicht gewonnen.
6.  Es ist deshalb weiter zu prüfen, ob die im vorliegenden Falle dem Rekurrenten zur Last gelegten Handlungen vom Standpunkte des Art. 49 BV aus als rechtmäßig, als erlaubt zu erklären seien. Sind sie erlaubt, so ist eine Bestrafung bundesverfassungswidrig ; stehen sie nicht unter dem Schütze des Art. 49 BV, so könnte dagegen das Bundesgericht als staatsrechtliche Beschwerdeinstanz gegen die Verurteilung nur einschreiten, wenn das luzernische Kriminalstrafgesetz in irgend einer Beziehung willkürlich angewendet worden wäre. Aus der Schrift "Gott und der Teufel im XX. Jahrhundert", welche nach Maßgabe der Erörterungen über die örtliche Zuständigkeit der luzernischen Gerichte allein noch in Frage kommt, führt das Urteil des Obergerichts 4 Stellen an, welche blasphemisch seien, nämlich: den Passus auf S. 3 "Es gibt wohl wenig Firmen in der Welt, die einen solch ausgebreiteten Kundenkreis und ein derartig umfangreiches Geschäft besitzen, als die Kollektivfirma Jehova, Satan & Comp., reg. Gen. m. sehr beschränkter Haftung"; den Passus auf Seite 9: "Welch eine Gottheit, deren Pflicht es wäre, alle Leiden zu lindern, muß das sein, die solche Leiden veranlaßt"; die Wiedergabe des Zitates auf Seite 10: "Ja ich kenne Gott, er hat ja seinen eigenen Sohn hingeschlachtet"; weiter die Abs. 2 und 3 oben auf Seite 13, lautend: "Jehova ist zwar kein Freund von Volkszählungen und Statistiken; weil König David z.B. vor ca. 3000 Jahren eine Volkszählung in Israel abhalten ließ, brachte Jehova aus Zorn über diese Sünde 70 000 unschuldige Menschen um (II. Buch Samuel 24. Kap.). Ich möchte aber trotzdem die Aufmerksamkeit Jehovas auf folgenden Umstand lenken, umsomehr als er ja seinerzeit in den fünf Büchern Moses sich sehr für die Zählung der Volksstämme, ja sogar für die Haare auf unserm Haupte, interessierte.  Ich tue dies, weil ich weiß, man kann von einem Gotte keine Konsequenz und kein Gedächtnis verlangen. Er, der eine solch große Welt geschaffen und dann immer noch im Gang halten muß, hat sicherlich anderes zu tun, wie heute daran zu denken, was er gestern getan".Um diese Äußerungen richtig zu würdigen, ist es notwendig, den Charakter der ganzen Broschüre, in der sie sich finden, ins Auge zu fassen, was vom Obergericht des Kantons Luzern im angefochtenen Urteil nicht geschehen ist; das Obergericht gibt in seinem Urteil einfach die als blasphemisch bezeichneten Äußerungen wieder, und nur in Bezug auf die andere Broschüre, die "Verbrechen Gottes", auf deren Beurteilung es gar nicht hätte eintreten dürfen, könnte im angefochtenen Urteil, in den Erwägungen über den aus dem Titel erkennbaren Charakter dieser Schrift und in der Verweisung auf den erstinstanzlichen Tatbestand, vielleicht eine den Zusammenhang berücksichtigende Würdigung gefunden werden. Und wenn das Obergericht in anderem Zusammenhange erklärt, "ein Blick auf den Inhalt der besprochenen Schriften tue dar, daß dadurch in erster Linie nicht eine Belehrung gegeben oder ein wissenschaftlicher Nachweis geführt, sondern das, was andern heilig sei, herabgewürdigt und geschmäht werde wolle", so kann in einer derart allgemeinen und in ihrer Allgemeinheit zudem unrichtige Behauptung eine ernsthafte richterliche Beurteilung nicht erblickt werden.  Nun ist es eine elementare Rechtsregel, daß bei der Auslegung einer Erklärung der Zusammenhang mit anderen Äußerungen und mit den gesamten begleitenden Umständen nicht außer Acht gelassen werden darf. Die Broschüre "Gott und der Teufel im XX. Jahrhundert" stellt sich, als Ganzes betrachtet, dar als Propagandaschrift für die freidenkerische Weltauffassung, bestimmt für breite Massen des Volks; sie sucht auch dem Ungebildeten oder weniger Gebildeten verständlich zu machen, warum, nach der Auffassung der Freidenker, ein Gott nicht existieren könne. Aus dieser Schrift ist, zum richtigen Verständnis der in Frage stehenden Stellen, folgendes hervorzuheben:
Im Eingang wird bemerkt, der Angriff richte sich gegen jene, deren Gewerbe es sei, von der Dummheit der Menschen leben zu wollen, und die aus dem Betrüge ein Geschäft machten; es werde daher versucht, die Sache von der geschäftlichen Seite zu zeigen. Hieran schließt  sich die erste der dem Rekurrenten als strafbar angerechneten Äußerungen über "Jehova, Satan & Comp." sie wird ergänzt durch die Bemerkung: "Welche Firma kann auch nur annähernd so viele Geschäftsträger, Vertreter und Reisende ihr eigen nennen, wie diese? Der Hauptsitz derselben ist außerhalb dieser Welt, doch sind genügend Fialen in unserm Jammertal vorhanden. Der Wohnort des größten Filialleiters und Prokuristen der Firma ist Rom." Dieser letzte Satz zeigt, daß mit der Firma "Jehova, Satan & Comp." nicht Gott gemeint sein kann, sondern diejenigen Menschen bezeichnet werden sollen, welche mit dem Gottesglauben, nach der Auffassung des Verfassers, ein Gewerbe treiben. Diese erste Äußerung kann daher, im Zusammenhang gelesen, nicht als Gotteslästerung in Betracht fallen.
Die zweite, dritte und vierte Stelle, welche das obergerichtliche Urteil anführt, hängen schon unter sich zusammen. Der Verfasser versucht den Beweis, das Gott nicht existieren könne, zu erbringen durch den Nachweis des Mißerfolges, den ein allmächtiger Gott, der nur das Gute wollen könne, gehabt hätte. In diesem Sinne erwähnt er die Kreuzigung und die dem Gekreuzigten verursachten furchtbaren Leiden und stellt sie in Gegensatz zum Grundsatze, es entspreche weder der menschlichen noch der göttlichen Gerechtigkeit, daß der Unschuldige für den Schuldigen leiden und sterben solle. Zum Beispiele der Kreuzigung und in diesem Zusammenhange bemerkt nun der Verfasser: "Es gibt keine andere Mythologie als die christliche, die ein solch bluttriefendes, häßliches Kapitel schildert. Es mag dies für alles  mögliche  gelten, nur als keine Kraftprobe der Gottheit, für welche die Kirche die Kreuzigung ausgibt. Welch eine Gottheit, deren Pflicht es wäre, alle Leiden zu lindern, muß das sein, die solche Leiden veranlaßt. ..... Und in einem  einzigen Satze  sagt der  englische  Freidenker Steward Ross, das beste Argument: Lieber noch will ich in den Schuhen desjenigen Menschen stecken, der seiner innersten Überzeugung nach freimütig  zugibt, ich kenne Gott nicht, als zu behaupten: "Ja ich kenne Gott, er hat ja seinen eigenen Sohn hingeschlachtet! ..... Und  gerade  bei  der Kirche sehen wir das Naturgesetz von Ursache und Wirkung in so schlimmem Maße walten. Die angebliche Bluttat von Palästina erzeugte in dem Hirne der Menschen in der Folgezeit die grausamsten Verfolgungen im Namen desselben Gottes, der für die Sünden der Menschheit damals gestorben sein sollte. . . Wenn ein Gott im Himmel existierte, wie müßte er sich dagegen wehren, dagegen sträuben, daß zu seiner Glorie, zu seiner Verherrlichung derartige Verbrechen verübt werden." Im Anschlüsse hieran sucht der Verfasser auch an Hand der relativ geringen Verbreitung des christlichen Glaubens unter den Menschen den Mißerfolg der göttlichen Allmacht darzutun. Vor 1800 Jahren habe Christus seinen Leuten befohlen: "Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur" und habe gesagt: "Das Evangelium wird einst die ganze Erde bedecken, wie die Wasser den Ozean." Trotzdem gehörten von den etwa 1500 Millionen Menschen, die heute auf der Erde wohnen, etwa 3/4 nicht zu den Anhängern des Evangeliums. In diesen Zusammenhang gehört der Passus "Jehova ist zwar kein Freund von Volkszählungen. . ." Die  vier Stellen in  der Broschüre "Gott und  der  Teufel" stellen sich somit als Glieder der Beweisführung für die Nichtexistenz Gottes dar. Sie sind die Gründe, welche die Freidenker für ihre Weltanschauung geltend machen. Es sind Gründe sachlicher Natur. Ob sie zutreffend und ausreichend seien oder nicht, ist für das Schicksal der staatsrechtlichen Beschwerde ohne Bedeutung, denn die Glaubens- und Gewissensfreiheit und das Recht auf Äußerung des Glaubens oder Unglaubens und der Kritik einer entgegenstehenden Lebensanschauung besteht selbstverständlich nicht etwa nur für diejenige Lebensanschauung, die als die richtige erwiesen werden kann, und ebensowenig nur für die zutreffende Kritik: eine solche Schranke würde ja das Prinzip der Glaubensund Gewissensfreiheit geradezu illusorisch machen. Als sachliche, wenn auch möglicherweise unrichtige und nicht unbefangene Kritik genießt die Broschüre "Gott und der Teufel", wenigstens soweit die im Urteil des luzernischen Obergerichts angeführten Stellen in Betracht fallen, den Schutz des Art. 49 BV. In diesem Rahmen, d.h. soweit es sich um eine sachliche Kritik handelt, kann es daher bei der Frage nach der Rechtswidrigkeit nicht darauf ankommen, ob Dritte dadurch sich in ihren religiösen Anschauungen gekränkt fühlen. Es handelt sich eben um eine Beurteilung der gegnerischen Weltauffassung und nicht um eine Herabwürdigung im strafrechtlichen Sinne, d.h. nicht um ein Schlechtmachen ohne Rücksicht ans die wirklichen oder scheinbaren Wert- und Unwertfaktoren. Für die Bestrafung eines das religiöse Gefühl anderer verletzenden Angriffs ist vom Standpunkte der Bundesverfassung aus nur Raum, soweit die Äußerung eine beschimpfende ist, d.h. wenn sie sich lediglich als eine rohe und gemeine Herabwürdigung aus unlauterem Motive darstellt, welche mit der Achtung vor fremder Überzeugung nicht vereinbar ist; das Verkleinern der Vollkommenheit Gottes im Rahmen der sachlichen Begründung der eigenen freidenkerischen Lebensauffassung ist dagegen ein Bestandteil einer sachlichen Kritik, daher selbst eine erlaubte Äußerung und darf auch da nicht mit Strafe belegt werden, wo die kantonale Gesetzgebung das Requisit der Beschimpfung in den Tatbestand der Gotteslästerung nicht aufgenommen hat. Die Bestrafung des Rekurrenten wegen Verbreitung der Broschüre "Gott und der Teufel" ist daher mit Art, 49 BV  im Widerspruch und aufzuheben; es braucht infolgedessen auch nicht untersucht zu werden, ob und inwieweit die übrigen Voraussetzungen zu einer Bestrafung wegen Gotteslästerung gegeben gewesen wären.
7.  Was nun die Bestrafung wegen Verletzung der Sittlichkeit  betrifft, so wird in § 143 des Polizeistrafgesetzbuches des Kantons Luzern derjenige mit Strafe bedroht, der öffentlich durch Reden oder Schriften die Sittlichkeit oder Schamhaftigkeit verletzt; die Strafe ist für leichtere Fälle Geldstrafe, für schwerere Fälle Gefängnisstrafe. Die Broschüre "Die geschlechtliche Gesundheit der Frau", welche  nach dem Urteile des Obergerichts diesen Tatbestand erfüllt, will u.a. Mittel zur Verhütung  der Konzeption popularisieren. Zu dieser Broschüre steht der Rekurrent in keinem preßrechtlichen Verhältnisse. Nach den Erwägungen unter Ziff. 2 dieses Urteils ist daher die Verbreitung dieser Broschüre in Bezug auf den Rekurrenten als selbständige Handlung  anzusehen, welche vom Standpunkt der BV aus am Ort der Begangenschaft strafrechtlich verfolgt werden darf. Die Annahme, daß der Rekurrent wegen  Komplottes  für  die Verbreitung strafrechtlich mitverantwortlich sei, ist aber, wie in den Erwägungen unter Ziff. 2 ausgeführt wurde, keineswegs willkürlich und daher im  staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren  nicht  anfechtbar. Damit  ist auch der Einwand des Rekurrenten, es habe eine Verurteilung stattgefunden, obschon gar kein Täter gegeben sei, hinfällig. Fragt es sich, ob materiell der angeführte Inhalt die Broschüre als Verletzung der Sittlichkeit erscheinen lasse, so ist dazu zu bemerken, daß freilich nicht jede öffentliche Besprechung geschlechtlicher Dinge in Vorträgen  oder Druckschriften als Verletzung der Sittlichkeit angesehen werden kann. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren kann es sich aber nur fragen, ob die Unterstellung des vorliegenden Falles unter den Tatbestand des § 143 des  Polizeistrafgesetzes von Luzern gegen klares Recht verstoße und daher als willkürlich aufgehoben werden müsse. Das ist nun aber nicht der Fall. Entscheidend ist, daß die Auffassung der kantonalen Instanz, mag sie bei selbständiger Prüfung als richtig oder unrichtig befunden werden, mit  sachlichen Gründen vertreten werden  kann. In dieser Hinsicht aber genügt es, darauf hinzuweisen, daß z.B. auch das deutsche Reichsgericht (NG in Strafsachen, Bd. 34 S. 361; 36 S. 312; 37 S. 142) die  zur Verhütung der Empfängnis bestimmten Mittel zu den zu unzüchtigem Gebrauche  bestimmten Sachen zählt und daß es die Verbreitung der betreffenden Kenntnisse in breiten Massen als Verletzung der Sittlichkeit betrachtet, auch wenn  es der Verfasser nach der Art der Darstellung nicht auf Erregung  sinnlicher Lust  abgesehen hat. Unter diesen Umständen kann die damit  übereinstimmende Auffassung des luzernischen Obergerichts, mag sie dem Gesetze entsprechen oder nicht, jedenfalls nicht als willkürlich angefochten werden. Ist es aber, nach den vorstehenden Ausführungen, staatsrechtlich zulässig, eine solche für die breiten Massen bestimmte Schrift als Verletzung der Sittlichkeit anzusehen, so  ist es, im  staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, in grundsätzlicher Hinsicht  ohne Belang,  daß die in Frage stehende Schrift  im allgemeinen den Gegenstand sachlich und ernsthaft behandelt, und daß sie auf dem Titelblatt den Vermerk tragt, sie solle nicht  in  die Hände von Kindern gegeben werden. Dagegen werden diese Umstände bei der Ausfällung der Strafe berücksichtigt werden müssen, da sie es ausschließen, den Fall als schwerern erscheinen zu lassen. Kann sonach,  gemäß Art. 143 des Polizeistrafgesetzes, nur eine Geldstrafe in Betracht kommen, so ist das obergerichtliche Urteilsdispositiv, das auf Gefängnisstrafe lautet, ganz aufzuheben.
 
Demnach hat das Bundesgericht erkannt: