BGE 2 I 493 - Otto Fritz
 
108. Urtheil
vom 9. Dezember 1876 in Sachen Fritz.
 
Sachverhalt
A. Das großhzgl. badische Staatsministerium verlangte beim schweizerischen Bundesrathe die Auslieferung des nach St. Gallen geflüchteten und dort vorläufig verhafteten Otto Fritz von Konstanz, welcher am 5. April d. J. seine Zahlungen eingestellt hat, gestützt auf einen Verhaftsbefehl des großhzgl. bad. Oberamtsgerichtes Konstanz vom 9. November d. J., wonach Fritz wegen einfachen und betrüglichen Bankerottes nach §. 281, Ziff. 1 und 3, und §. 183 des R. St. G. B. in Anklagezustand versetzt ist, gestützt darauf, daß derselbe
    a. die Handelsbücher, die er überhaupt führte, so unordentlich geführt habe, daß sie keine Uebersicht seines Vermögenszustandes gewähren;
    b. unterlassen habe, die Bilanz seines Vermögens in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit zu ziehen;
    c. daß Kassabuch vom September 1871 bis 31. Dezember 1875 entweder gar nicht geführt oder dasselbe vernichtet oder verheimlicht und pro 1875 vom 5. Februar an zu führen unterlassen habe, und
    d. Geld, Waaren und andere Fahrnißgegenstände bei Seite geschafft habe.
B. Otto Fritz erhob aus dem Grunde Einsprache gegen seine Auslieferung, weil er die ihm zur Last gelegten Handlungen nicht verübt habe.
C. Die Regierung des Kantons St. Gallen bemerkte : Nach der st. gallischen Strafgesetzgebung begründen folgende Handlungen den Thatbestand des betrüglichen Fallimentes :
    a. die Beseitigung der Rechnungs- oder Handlungsbücher oder die Vorlage derselben mit falschen Einträgen;
    b. der Einzug beträchtlicher Summen in Geld oder Waaren in den letzten sechs Monaten vor Einstellung der Zahlungen, ohne sich über ihre Verwendung glaubwürdig ausweisen zu können;
    c. die Verheimlichung oder Beseitigung von Geld oder geldwerthen Sachen, Papieren oder Forderungen und die Eingehung von Scheingeschäften zum Schaden der Gläubiger.
Wenn kein Schaden oder kein solcher über 100 Fr. ausgemittelt vorliege, so qualifizire sich das Delict als Vergehen, sonst als Verbrechen.
Die unordentliche Führung der Geschäftsbücher und die Unterlassung, die Bilanz zu ziehen, vermöchten also für sich allein keineswegs den Thatbestand des betrüglichen Bankerottes zu erstellen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
 
Erwägung 2
    1. Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben. (Art. 281, Ziff. 1.)
    2. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag. (Art. 281, Ziff. 3.)
Nach dem st. gallischen Strafgesetzbuche begründet nun aber lediglich die sub. 1 angeführte Handlung, nämlich die in betrüglicher Absicht erfolgte Beseitigung oder Verheimlichung von Vermögensstücken, das Verbrechen des betrüglichen Bankerottes und kann daher die Auslieferung auch nur insoweit bewilligt werden, als die Anklage auf jene Handlung gerichtet ist.
 
Erwägung 3
 
Erwägung 4
 
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt :
Die Auslieferung des Otto Fritz wird wegen des Verbrechens des betrüglichen Bankerottes, verübt durch Beseitigung oder Verheimlichung von Vermögen (Art. 281 Ziff. 1 des deutschen Reichsstrafgesetzbuches) bewilligt, bezüglich des übrigen Theiles der Anklage dagegen nicht bewilligt.