BVerfGE 158, 1 - Ökotox-Daten
Ökotox - Daten
1. Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der für deutsche Behörden und Gerichte maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist.
2. Dies richtet sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind, also danach, ob das streitgegenständliche Rechtsverhältnis und die sich aus ihm konkret ergebenden Rechtsfolgen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht festgelegt werden. Maßgeblich sind die im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext, nicht eine allgemeine Betrachtung des in Rede stehenden Regelungsbereichs.
3. Die Grundrechte des Grundgesetzes, die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Grundrechte der Charta der Europäischen  Union wurzeln überwiegend in gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und sind insoweit Ausprägungen universaler und gemeineuropäischer Werte.
4. Nicht nur die Auslegung der im Grundgesetz verbürgten Grundrechte empfängt Direktiven von der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Charta der Grundrechte und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten sowie ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung. Auch die Auslegung der Charta der Grundrechte ist an der Europäischen Menschenrechtskonvention und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten in Gestalt ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung auszurichten.
 
Entscheidung
Beschluss des Zweiten Senats vom 27. April 2021
- 2 BvR 206/14 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde 1. der B... GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer Dr. E...,  2. der E... GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführerin J..., - Bevollmächtigte: ... - gegen a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts  vom 19. September 2013 - BVerwG 3 C 22.12 -,b) das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts  vom 7. Juni 2012 - 13 LB 56/10 -,c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig  vom 10. Dezember 2008 - 5 A 127/07 -,d) den Widerspruchsbescheid des Bundesamts für  Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit  vom 11. Mai 2007 - 301 Z - 2400962/W/06 -,e) den Zulassungsbescheid des Bundesamts für  Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit  vom 9. November 2006 über die Zulassung für  ein Tierarzneimittel - 400962.00.00 -
 
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die einem Konkurrenzunternehmen im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach § 25b Abs. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Bundesamt) erteilte Zulassung für ein Tierarzneimittel.
I.
Die Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl EG Nr. L 311 vom 28. November 2001, S. 1) enthält Bestimmungen für Genehmigung, Herstellung, Überwachung, Verkauf, Vertrieb und Verwendung von Tierarzneimitteln. Sie hat -- soweit hier von Bedeutung -- folgenden Wortlaut:
Die Richtlinie 2001/82/EG wurde durch die Richtlinie 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl EU Nr. L 136 vom 30. April 2004, S. 58) geändert und um die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen ergänzt, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird (sog. Ökotox-Daten). In der geänderten Fassung lauten die Regelungen -- soweit vorliegend relevant -- wie folgt:
    Artikel 13
Die Neuregelungen waren gemäß Art. 3 Richtlinie 2004/28/EG bis spätestens 30. Oktober 2005 in nationales Recht umzusetzen.
II.
Der Bundesgesetzgeber setzte die geänderte Richtlinie 2001/82/EG mit Art. 1 des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl I S. 2570) in deutsches Recht um (vgl. BTDrucks 15/5316) und machte die Neufassung des Arzneimittelgesetzes mit Gesetz vom 12. Dezember 2005 bekannt (BGBl I S. 3394).
In dieser Fassung enthielten §§ 22 f. AMG 2005 eine der Richtlinie entsprechende Aufzählung der Angaben und Unterlagen, die der Antragsteller in einem nationalen Zulassungsverfahren bei der zuständigen Bundesoberbehörde einreichen musste. Hierzu zählten gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 auch Ökotox-Daten. Die Zulassung eines Generikums war in § 24b AMG 2005 geregelt, die gegenseitige Anerkennung der Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in § 25b AMG 2005. Die Vorschriften hatten folgenden Wortlaut:
Mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl I S. 1990) hat der Gesetzgeber die Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG nach § 22 Abs. 3c Satz 3 AMG überführt, § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG geändert und die Verweisung auf § 22 Abs. 3c AMG gestrichen. Das Gesetz wurde am 22. Juli 2009 verkündet und trat am 23. Juli 2009 in Kraft (vgl. Art. 19 Abs. 1). Die Änderung sollte der Angleichung an die unionsrechtlichen Vorgaben dienen, nachdem die europäischen Behörden die Auffassung vertreten hatten, dass die Richtlinie 2004/28/EG eine Bezugnahme auf Unterlagen zur Umweltprüfung auch nach Ablauf der Schutzfristen nicht zulässt (vgl. BTDrucks 16/12256, S. 48; BRDrucks 171/09, S. 78). Seither gibt es bei der Zulassung eines Generikums für die Antragsteller keine Möglichkeit mehr, ohne Zustimmung des Berechtigten auf dessen Unterlagen zur Umweltrisikobewertung (Ökotox-Daten) Bezug zu nehmen.
III.
1. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist Inhaberin und Eigentümerin der Rechte an den Zulassungsunterlagen für das Tierarzneimittel Baytril und überlässt diese den Gesellschaften des B.-Konzerns jeweils einvernehmlich in Lizenz zur Nutzung im Rahmen arzneimittelrechtlicher Zulassungsverfahren. Die Beschwerdeführerin zu 2. ist die ausschließliche Lizenznehmerin hinsichtlich dieser Rechte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowie Inhaberin der durch das Bundesgesundheitsamt am 17. Januar 1990 erteilten nationalen Zulassung Baytril.
2. Am 11. November 1993 erteilte die für Arzneimittelzulassungen zuständige Behörde in Großbritannien der Firma B. plc eine nationale Zulassung für das Medikament Baytril. Im Rahmen des 2004 durchgeführten Verfahrens zur Verlängerung der Zulassung legte diese auf Verlangen der britischen Zulassungsbehörde von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 1 -- der Firma B.H. AG -- erstellte Ökotox-Daten von Baytril vor. Der Aufwand für deren Erstellung belief sich auf etwas 250.000 Euro.
3. Die Beigeladene im Ausgangsverfahren, die Firma K., besitzt Zulassungen für das mit Baytril im Wesentlichen inhaltsgleiche Tierarzneimittel Enroxil in der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen.
Unter Bezugnahme auf die britische Zulassung für Baytril erteilte die britische Zulassungsbehörde am 9. September 2005 der von K. hierfür beauftragten Firma C. Ltd. eine nationale Zulassung von Enroxil als Generikum. Gegen diese Zulassung wurden keine Rechtsbehelfe eingelegt.
Am 31. Mai 2006 beantragte C. für K. beim Bundesamt die Erteilung einer nationalen Zulassung für Enroxil im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung der britischen Referenzzulassung vom 9. September 2005.
Nachdem das Bundesamt im Rahmen der formalen Vorprüfung des Zulassungsantrags das Fehlen von Unterlagen zur Umweltverträglichkeit beanstandet hatte, übersandte die britische Zulassungsbehörde am 8. Juni 2006 den im Jahr 2004 anlässlich der Verlängerung der britischen Zulassung für Baytril erstellten Beurteilungsbericht, der auf den von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 1. erstellten Ökotox-Daten basierte.
Mit Bescheid vom 9. November 2006 erteilte das Bundesamt K. die beantragte Zulassung im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. Gegen den Zulassungsbescheid legten die Beschwerdeführerin zu 1. und die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 2. Widerspruch ein, der durch das Bundesamt mit Bescheid vom 11. Mai 2007 als unzulässig zurückgewiesen wurde.
4. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführerin zu 1. und die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 2. Klage zum Verwaltungsgericht Braunschweig. Sie machten -- soweit für die Verfassungsbeschwerde von Belang -- geltend, dass sie durch die erteilte Zulassung von Enroxil, die auch unter Bezugnahme auf ihre Ökotox-Daten erfolgt sei, wegen der unbefugten Verwendung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zugunsten eines unmittelbaren Wettbewerbers sowohl durch die britische Zulassungsbehörde als auch das Bundesamt in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt seien.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig wies die Klage mit Urteil vom 10. Dezember 2008 als unbegründet ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Juni 2012 als unbegründet zurück.
5. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision zum Bundesverwaltungsgericht blieb ebenfalls erfolglos. Im Urteil vom 19. September 2013 führte dieses im Wesentlichen aus, dass die der Beigeladenen erteilte Genehmigung keine subjektiven Rechte der Beschwerdeführerin zu 1. und der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 2. verletze (§ 42 Abs. 2 VwGO). Auf die mögliche Rechtswidrigkeit der britischen Referenzzulassung komme es insoweit nicht an. Nach § 25b Abs. 2 Satz 1 AMG sei das Bundesamt weder verpflichtet noch befugt gewesen, die britische Zulassung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sei der einzige Grund, auf den sich ein Mitgliedstaat berufen dürfe, um einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels die Anerkennung zu versagen, eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Nur für diesen Fall sehe die Richtlinie ein Schiedsverfahren vor, an dessen Ende eine verbindliche Entscheidung der Europäischen Kommission stehe (vgl. Art. 36 ff. Richtlinie 2001/82/EG). Für eine Versagung der Anerkennung aus anderen als den in Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG und § 25b Abs. 2 AMG genannten Gründen lasse das nationale Recht keinen Raum. Da sich eine solche Gefahr für die öffentliche Gesundheit aus den vorgebrachten Einwänden nicht ergebe, sei die Rechtmäßigkeit der britischen Referenzzulassung im Anerkennungsverfahren nicht zu prüfen. Eventuelle Mängel hätten mit einer Anfechtung der Referenzzulassung geltend gemacht werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Die angefochtene Zulassung verletze die Beschwerdeführerin zu 1. und die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 2. auch nicht aus anderen Gründen in ihren Rechten. Die zuständige britische Behörde habe einen Beurteilungsbericht übermittelt, den das Bundesamt im Rahmen der Validierung zur Prüfung schwerwiegender Gefahren des Tierarzneimittels für die Umwelt nicht für ausreichend angesehen habe. Auf dessen Nachfrage habe die britische Zulassungsbehörde ihren Beurteilungsbericht mit einem Bericht ergänzt, der im Jahr 2004 anlässlich der Verlängerung der Zulassung von Baytril erstellt worden sei und die von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 1. dort vorgelegten Daten über mögliche Umweltrisiken zum Gegenstand gehabt habe. Die Ökotox-Daten selbst hätten dem Bundesamt dagegen nicht vorgelegen. Diese Verfahrensweise entspreche den gesetzlichen Vorgaben gemäß § 25b Abs. 4 AMG in Verbindung mit Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2001/82/EG, worin keine Übermittlung von Antragsunterlagen, die zur Zulassung des Referenzarzneimittels geführt hätten, vorgesehen sei. Insbesondere sei im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung kein Raum für eine "Bezugnahme" auf Unterlagen im Sinne des § 24b AMG. Dass in dem Beurteilungsbericht zur Umweltverträglichkeit notwendigerweise der britischen Zulassungsbehörde mitgeteilte Daten verwertet und beurteilt würden, liege in der Natur der Sache.
Die Beschwerdeführerin zu 1. und die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 2. seien durch die erteilte Zulassung nicht in ihren Grundrechten verletzt. Da das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung auf einer Umsetzung von Unionsrecht beruhe, sei dieses entgegen dem grundgesetzlichen Maßstab des Berufungsgerichts in Einklang mit der Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an den unionalen Grund- und Menschenrechten zu messen. Der Schutz der unternehmerischen Freiheit und des geistigen Eigentums werde durch die Regelungen über die gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen nicht verletzt. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, namentlich die beschränkte Prüfungspflicht des anerkennenden Mitgliedstaates, sei durch vernünftige Gemeinwohlgründe gerechtfertigt. Sie diene dem Abbau von Handelshemmnissen und der Harmonisierung der Zulassungspraxis innerhalb der Gemeinschaft und vermeide Doppelarbeit. Diese Zwecke könnten nicht erreicht werden, wenn der anerkennende Staat eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Referenzzulassung vornehmen müsste. Dazu bestehe auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten kein Anlass. Vielmehr liege es im Verhältnis von Referenzzulassung und Anerkennung nahe, diejenige Behördenentscheidung anzugreifen, die die behauptete Rechtsverletzung durch eine fehlerhafte Gesetzesanwendung herbeigeführt habe, hier also die britische Referenzzulassung. Dass dies nicht möglich gewesen wäre, sei weder schlüssig dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Die mit den Gemeinschaftskodizes für Arzneimittel verbundene Harmonisierung der Zulassung von Arzneimitteln und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung beruhten auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens. Jedenfalls solange es sich nicht aufdränge, dass ein Referenzmitgliedstaat die im jeweiligen Zulassungsverfahren zu beachtenden Rechte Dritter systematisch verletze und effektiven Rechtsschutz nicht gewährleiste, bestehe im Anerkennungsverfahren kein Raum für eine Überprüfung, ob bei der Referenzzulassung Rechte Dritter verletzt worden seien.
Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bestehe kein Anlass, da sich die Frage, ob Art. 13 Richtlinie 2001/82/EG der Verwendung von Ökotox-Daten eines Erstanmelders im Rahmen der Erteilung einer Zulassung für den Nachantragsteller entgegenstehe und ob nationale Vorschriften, die eine solche Bezugnahme ermöglichten, mit den europäischen Grundrechten des Erstantragstellers vereinbar seien, im vorliegenden Verfahren nicht stelle. Die Frage betreffe Fehler der britischen Referenzzulassung, die sich nicht auf die angegriffene deutsche Zulassung auswirkten.
IV.
Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie ihres grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen sind die Grundrechte des Grundgesetzes -- jedenfalls neben der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) -- anwendbar, weil es sich bei den unionsrechtlichen Regelungen über die gegenseitige Anerkennung um reine Regelungen des Verwaltungsverfahrens handele. Erst im innerstaatlichen Anerkennungsverfahren seien die Ökotox-Daten verwendet und dadurch die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen verletzt worden. Geltend gemacht werde nicht die Verfassungswidrigkeit der unionsrechtlichen Regelungen oder ihrer innerstaatlichen Umsetzungsakte als solche, sondern die Verletzung von Grundrechten bei der Durchführung eines konkreten innerstaatlichen Verwaltungsverfahrens. Auch in unionsrechtlich geregelten Verfahren der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten seien die Grundrechte zu beachten, wie die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem und zum Europäischen Haftbefehl zeige.
2. Arzneimittel-Produktdaten (Zulassungsdaten) unterfielen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dem Schutz von Art. 12 Abs. 1 GG. Als nicht offenkundige Informationen seien Ökotox-Daten nicht allgemein, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis einschließlich der zur Geheimhaltung verpflichteten Zulassungsbehörden bekannt. An deren Geheimhaltung hätten die Beschwerdeführerinnen ein berechtigtes Interesse. Eine Bekanntgabe an Konkurrenten könne ihre Wettbewerbsposition nachteilig beeinflussen. Zwar habe das Bundesamt die Ökotox-Daten der Beschwerdeführerinnen dem Konkurrenzunternehmen K. nicht unmittelbar offengelegt, ihre im Beurteilungsbericht der britischen Zulassungsbehörde enthaltene Verarbeitung jedoch für die Zulassung des Konkurrenzmittels Enroxil in Deutschland verwertet. Dies habe die gleiche Wirkung wie eine Offenlegung. Insofern seien die Grundsätze zum informationellen Staatshandeln entsprechend anzuwenden. Ihre Berufsfreiheit könne daher -- dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vergleichbar -- durch die Beschaffung, Verwendung, Speicherung oder Weitergabe betriebsbezogener Daten durch die Behörden beeinträchtigt werden.
Da das Bundesamt die von der britischen Behörde übersandten Ökotox-Daten bei der Anerkennung von Enroxil verwendet habe, liege ein Eingriff in die Berufsfreiheit vor, der nicht gerechtfertigt sei. § 24b Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 3c AMG in der Fassung vom 29. August 2005, der zum Zeitpunkt der Anerkennung die Verwendung der Ökotox-Daten der Voranmelder erlaubt habe, sei wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht der Europäischen Union nichtig. Die Vorschrift verstoße zudem gegen das Grundrecht auf Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus Art. 12 Abs. 1 GG. Wie die spätere Änderung von § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG mit Wirkung zum 23. Juli 2009 beweise, habe die Vorschrift ursprünglich zu einem unverhältnismäßigen Eingriff ermächtigt. Für die Erstellung der Ökotox-Daten hätten keine beziehungsweise keine aus Sicht des Gesetzgebers wesentlichen Tierversuche durchgeführt werden müssen, so dass es insoweit schon an einem für den Eingriff erforderlichen Gemeinwohlbelang fehle. Mit Blick auf die Schwere des Eingriffs sei zu berücksichtigen, dass § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG keine Entschädigungspflicht für die zwangsweise Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorgesehen habe.
3. Durch die Verwertung ihrer Ökotox-Daten seien die Beschwerdeführerinnen ferner in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt, weil die Eigentumsgarantie -- dem technischen Urheberrecht des Erfinders vor Erteilung und Veröffentlichung eines Patents vergleichbar -- auch ein informationelles Urheberrecht an Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als wertvollen Unternehmensinformationen umfasse.
4. Das Bundesverwaltungsgericht habe zudem Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt, weil es in ihren Grundrechten betroffenen Dritten wirkungsvollen Rechtsschutz durch deutsche Gerichte gegen Akte deutscher Hoheitsgewalt kategorisch versage, soweit die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des unionsrechtlichen Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung von Arzneimittelzulassungen nur als Anerkennungsstaat fungiere. Das Bundesverwaltungsgericht schaffe so eine verfassungswidrige "Grundrechtsenklave", einen quasi "verfassungsfreien" Raum. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleiste die Rechtsschutzgarantie jedoch auch gerichtlichen Rechtsschutz gegen Anerkennungsentscheidungen der deutschen öffentlichen Gewalt. Art. 19 Abs. 4 GG verbürge einen Anspruch auf wirksame gerichtliche Kontrolle und effektiven Rechtsschutz und gewährleiste die Möglichkeit, rechtsverletzende Akte der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachprüfen zu lassen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei mit diesen Anforderungen nicht vereinbar. Es verweise die Beschwerdeführerinnen auf eine Anfechtung der Referenzzulassung, obwohl die Rechtsverletzung erst nach dieser Referenzzulassung erfolgt sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch nicht geprüft, ob den Beschwerdeführerinnen diese Rechtsschutzmöglichkeit tatsächlich offen gestanden habe. In der Revisionsbegründung hätten die Beschwerdeführerinnen ausgeführt, dass sie erst durch den Bescheid des Bundesamts über die Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs vom 26. März 2007 und die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 30. April 2007 sowie aus dem Verfahrensvortrag des Bundesamts von der Verwendung der Ökotox-Daten bei der Zulassung von Enroxil erfahren hätten. Der Ausschluss einer Anfechtung von Anerkennungen sei unionsrechtlich nicht geregelt und kompetenzrechtlich auch nicht regelbar. Es fehle daher schon an der notwendigen Bestimmtheit.
Im Anerkennungsverfahren seien Vorkehrungen, die den vom Zugriff auf ihre Produktdaten Betroffenen effektiven Rechtsschutz sichern könnten, nicht getroffen worden. Zudem verletze die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Bundesrepublik Deutschland -- von schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt abgesehen -- Referenzzulassungen ohne Rücksicht auf eine Verletzung von Grundrechten stets anzuerkennen habe, Art. 1 Abs. 3 GG und damit auch den innerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG zu beachtenden ordre public.
5. Schließlich habe das Bundesverwaltungsgericht unter Missachtung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV die Frage vorgelegt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die unionsrechtlichen Regelungen über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung in der Richtlinie 2001/82/EG die heimliche, behördeninterne Heranziehung von durch Art. 7 und Art. 17 Abs. 2 GRCh geschützten Produktdaten Dritter sowie die Einschränkung des durch Art. 47 GRCh gewährleisteten Rechtsschutzes rechtfertigten. Es habe die nationalen Vorschriften zum Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, die auf einer abschließenden Harmonisierung durch die Richtlinie 2001/82/EG beruhten, insbesondere § 25b AMG, selbst in einer Weise ausgelegt, die mit Unionsrecht -- hier den Vorgaben der Charta der Grundrechte -- nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen sei, und seine Vorlagepflicht damit offenkundig missachtet. Denn es habe den über die Charta der Grundrechte vermittelten Schutz auf das Verfahren der generischen Zulassung beschränkt und das Verfahren der Anerkennung dieser Zulassungen in anderen Mitgliedstaaten dem Anwendungsbereich der Charta der Grundrechte entzogen. Das Bundesverwaltungsgericht sei gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zu einer Vorlage verpflichtet gewesen, da sich Fragen der Auslegung des Unionsrechts gestellt hätten, die bislang noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gewesen seien und deren Beantwortung jedenfalls nicht derartig offenkundig sei, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bliebe.
 
B. -- I.
1. Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Das unionsrechtlich vorgegebene und in § 25b Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AMG umgesetzte Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und die sich daraus ergebende eingeschränkte Prüfpflicht der Behörden des anerkennenden Mitgliedstaates seien durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Das Bundesamt habe lediglich einen zusammenfassenden Bewertungsbericht von der zuständigen Behörde des Referenzmitgliedstaates erhalten, nicht aber die Ökotox-Daten als solche. Es habe auch nicht erklärt, zur Zulassungserteilung nur bereit zu sein, wenn die Ökotox-Daten der Beschwerdeführerinnen zur Verfügung gestellt würden. Dem Bundesamt sei es allein um den durch die britische Behörde erstellten Bewertungsbericht als formelle Voraussetzung für die Validierung des Zulassungsantrags gegangen. Schließlich seien die Beschwerdeführerinnen offenbar auch nicht gegen die zwischenzeitlich im Jahr 2010 in Großbritannien erfolgte unbefristete Verlängerung der generischen Zulassung für Enroxil vorgegangen. Auf der Grundlage des abschließenden Bewertungsberichts der britischen Behörde habe das Bundesamt mit Bescheid vom 30. Juni 2011 die Verlängerung der Anerkennungszulassung ebenfalls unbefristet erteilt.
2. Nach Auffassung der Beigeladenen im Ausgangsverfahren hat ein Zugriff auf die Ökotox-Daten durch das Bundesamt nicht stattgefunden, weil diesem lediglich der Beurteilungsbericht übermittelt worden sei. Dabei sei es allein um die Frage gegangen, ob der Bericht den formalen Anforderungen genüge. Eine Bewertung oder Verwertung der Ökotox-Daten durch das Bundesamt sei nicht erfolgt. Die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig, da es an der gebotenen Auseinandersetzung mit den umfangreichen Gründen der angefochtenen Entscheidungen fehle. Die Unzulässigkeit ergebe sich überdies aus der Nichteinhaltung der in der Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Begründungsanforderungen an die Rüge einer Verletzung deutscher Grundrechte. Die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei nicht hinreichend substantiiert, da die Beschwerdeführerinnen nicht darlegten, dass den angegriffenen Entscheidungen eine willkürliche Auslegung oder Anwendung des Prozessrechts zugrunde liege.
Die Verfassungsbeschwerde sei jedenfalls unbegründet. Die Anforderungen an einen mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff seien nicht erfüllt, so dass eine Verletzung von Art. 12 und Art. 14 GG ausscheide. Eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG sei ebenfalls nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerinnen wären verpflichtet gewesen, die Referenzzulassung in Großbritannien anzugreifen.
II.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerinnen haben mit Schriftsatz vom 18. September 2020 mitgeteilt, dass sämtliche Vermögenswerte ("Assets") der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin zu 2. betreffend die Tierarzneimittelsparte, darunter auch die Rechte aus der Zulassung von Baytril, auf der Grundlage eines "Local Asset Purchase and Assignment Agreement" zum 1. August 2020 auf die jetzige Beschwerdeführerin zu 2. übergegangen seien. Diese trete damit auch im vorliegenden Verfahren in die Rechtsstellung ihrer Rechtsvorgängerin ein.
 
C.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
I.
Im Geltungsbereich des Rechts der Europäischen Union hängt die Bestimmung der für deutsche Behörden und Gerichte maßgeblichen Grundrechtsverbürgungen grundsätzlich davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist (1.). Ist dies nicht der Fall, ist der Bescheid des Bundesamts am Maßstab der nationalen Grundrechte zu messen, insbesondere an Art. 12 Abs. 1 GG (2.). Liegt eine vollständige unionsrechtliche Determinierung vor, findet die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Anwendung, im vorliegenden Fall insbesondere Art. 16 GRCh (3.). In der Regel führt dies nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen (4.).
1. Behörden und Gerichte müssen ungeachtet der Frage, ob sie nationales Recht oder Unionsrecht anwenden, stets Bedeutung und Tragweite der Grundrechte berücksichtigen. Ob dabei auf die im Grundgesetz niedergelegten Grundrechte zurückzugreifen ist oder auf die Charta der Grundrechte, hängt davon ab, ob die zu entscheidende Rechtsfrage unionsrechtlich vollständig determiniert ist oder nicht (a). Das bemisst sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind (b).
a) Akte der deutschen öffentlichen Gewalt, die durch Unionsrecht vollständig determiniert werden, sind grundsätzlich nicht am Maßstab der im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu messen (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]; 102, 147 [162 ff.]; 118, 79 [95 ff.]; 121, 1 [15]; 123, 267 [335]; 125, 260 [306 f.]; 129, 78 [103]; 129, 186 [199]; 140, 317 [334 Rn. 36]; 152, 216 [233 ff. Rn. 42 ff.]).
aa) Mit der in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Ermächtigung, Hoheitsrechte auf die Europäische Union zu übertragen, billigt das Grundgesetz die im Zustimmungsgesetz zu den Verträgen enthaltene Einräumung eines Anwendungsvorrangs zugunsten des Unionsrechts. Dieser Anwendungsvorrang des Unionsrechts vor nationalem Recht gilt grundsätzlich auch mit Blick auf entgegenstehendes nationales Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 129, 78 [100]) und führt bei einer Kollision im konkreten Fall in der Regel zu dessen Unanwendbarkeit (vgl. BVerfGE 126, 286 [301]; 140, 317 [335 Rn. 38]). Auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 GG kann der Integrationsgesetzgeber nicht nur Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union, die in Deutschland öffentliche Gewalt ausüben, von einer umfassenden Bindung an die Grundrechte und andere Gewährleistungen des Grundgesetzes freistellen, sondern auch deutsche Behörden und Gerichte, die das Recht der Europäischen Union vollziehen (vgl. BVerfGE 126, 286 [301]; 140, 317 [335 Rn. 39]; Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989, S. 247 ff.). Die Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes lässt dies jedoch ebenso unberührt (vgl. BVerfGE 152, 216 [235 Rn. 47]; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 36) wie die Gültigkeit des sonstigen nationalen Rechts.
bb) In Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG setzt ein solcher, den Rückgriff auf die Grundrechte des Grundgesetzes ausschließender Anwendungsvorrang des Unionsrechts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch voraus, dass durch die Anwendung der Grundrechte der Europäischen Union ein hinreichend wirksamer Grundrechtsschutz gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 73, 339 [376, 387]; 102, 147 [162 ff.]; 118, 79 [95]; 129, 186 [199]; 152, 216 [235 Rn. 47]). Das Grundgesetz stellt den Einzelnen und seine Grundrechte in den Mittelpunkt der deutschen Rechtsordnung, erklärt deren Wesensgehalt und Menschenwürdekern für unantastbar (vgl. Art. 19 Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) und sichert diesen Schutz auch im Hinblick auf die Mitwirkung Deutschlands in der Europäischen Union ab (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 GG). Vor diesem Hintergrund können die im Grundgesetz verankerten Grundrechte durch das Unionsrecht nur insoweit überlagert werden, als deren Schutzversprechen in der Substanz erhalten bleibt. Sollen die Grundrechte des Grundgesetzes aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in ihrer Maßstäblichkeit zurücktreten, muss der durch die Charta der Grundrechte jeweils gewährleistete Schutz dem vom Grundgesetz als unabdingbar geforderten Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten sein und insbesondere den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgen (vgl. BVerfGE 73, 339 [376, 387]; 102, 147 [162 ff.]; 118, 79 [95]; 129, 186 [199]; stRspr). Maßgeblich ist insoweit eine auf das jeweilige Grundrecht bezogene generelle Betrachtung (vgl. BVerfGE 152, 216 [236 Rn. 47]).
cc) Nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts -- zumal unter der Geltung der Charta der Grundrechte -- ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]; 102, 147 [162 ff.]; 118, 79 [95 ff.]; 129, 186 [199]; 152, 126 [236 Rn. 48]; stRspr). Soweit der Anwendungsvorrang des Unionsrechts reicht, kommt den Grundrechten des Grundgesetzes daher nur eine Reservefunktion zu. Soll diese aktiviert werden, unterliegt das hohen Substantiierungsanforderungen (vgl. BVerfGE 102, 147 [164]; 152, 216 [236 Rn. 48]).
Unberührt davon bleiben die verfassungsrechtlichen Kontrollvorbehalte der Ultra-vires- und der Identitätskontrolle (vgl. BVerfGE 123, 267 [353 f.]; 126, 286 [302 ff.]; 134, 366 [382 ff. Rn. 22 ff.]; 140, 317 [336 f. Rn. 42 f.]; 142, 123 [194 ff. Rn. 136 ff.]; 146, 216 [252 ff. Rn. 52 ff.]; 151, 202 [287 ff. Rn. 120 ff.]; 152, 216 [236 Rn. 49]; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 40). Den gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 1 GG unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz gewährleistet das Bundesverfassungsgericht uneingeschränkt und im Einzelfall (vgl. BVerfGE 140, 317 [341 Rn. 49]). Allerdings dürfte eine Berührung der von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 Satz 3 und Art. 79 Abs. 3 GG verbürgten Grundsätze durch die Heranziehung der Grundrechte in der Konkretisierung, die sie durch die Charta gefunden haben, in der Regel vermieden werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 40).
b) Ob eine Rechtsfrage vollständig unionsrechtlich determiniert ist, richtet sich in aller Regel nach den Normen, aus denen die Rechtsfolgen für den streitgegenständlichen Fall abzuleiten sind, also danach, ob das streitgegenständliche Rechtsverhältnis und die sich aus ihm konkret ergebenden Rechtsfolgen durch das Unionsrecht oder das nationale Recht festgelegt werden. Maßgeblich sind die im konkreten Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext, nicht eine allgemeine Betrachtung des in Rede stehenden Regelungsbereichs (vgl. BVerfGE 152, 216 [246 f. Rn. 78]).
Aus der gewählten Handlungsform (Art. 288 AEUV) allein lassen sich dabei keine abschließenden Konsequenzen ableiten: Auch Verordnungen (Art. 288 Abs. 2 AEUV) können durch Öffnungsklauseln Gestaltungsfreiräume für Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten begründen, ebenso wie Richtlinien (Art. 288 Abs. 3 AEUV) zwingende und abschließende Vorgaben machen können (vgl. BVerfGE 152, 216 [247 Rn. 79]). Zudem gibt die -- im Unionsrecht und dem Recht mancher anderer Mitgliedstaaten nicht gleichermaßen etablierte (vgl. Grabenwarter, in: v. Bogdandy/Cassese/Huber, Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. V, 2014, § 90; Fraenkel-Haeberle/Galetta, in: v. Bogdandy/Huber/Marcusson, Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, 2019, § 131 Rn. 133; Olechowski, in: v. Bogdandy/Huber/Marcusson, Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, 2019, § 133 Rn. 114 ff.; Popowska/Lisson", in: v. Bogdandy/Huber/Marcusson, Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, 2019, § 134 Rn. 115 ff.) -- Unterscheidung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessen für die Frage der Determinierung wenig her (vgl. BVerfGE 152, 216 [247 Rn. 80]).
Die Frage nach der vollständigen unionsrechtlichen Determinierung eines Rechtsverhältnisses ist vielmehr auf der Grundlage einer methodengerechten Auslegung des unionalen Sekundär- und Tertiärrechts zu entscheiden. Sie hat sich daran zu orientieren, ob die in Rede stehenden Normen des Unionsrechts auf die Ermöglichung von Vielfalt und die Geltendmachung unterschiedlicher Wertungen angelegt sind oder ob eingeräumte Spielräume nur dazu dienen sollen, besonderen Sachgegebenheiten hinreichend flexibel Rechnung zu tragen, und das unionale Fachrecht vom Ziel einer gleichförmigen Rechtsanwendung getragen ist (vgl. BVerfGE 152, 216 [247 f. Rn. 80]; EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019, Funke Medien NRW, C-469/17, EU:C:2019:623, Rn. 40 m.w.N.).
2. Geht man vorliegend davon aus, dass die Frage der Heranziehung und Verarbeitung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten durch das Bundesamt nicht vollständig unionsrechtlich determiniert ist, ist der Bescheid des Bundesamts am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
a) Dabei sind die Grundrechte des Grundgesetzes auch im Lichte der Charta auszulegen (vgl. BVerfGE 152, 152 [177 ff. Rn. 60 ff. ]). Ebenso wie die Charta aus den verschiedenen Grundrechtstraditionen der Mitgliedstaaten -- zu denen auch die deutsche gehört -- entstanden und im Einklang mit diesen auszulegen ist, ist auch für das Verständnis der grundgesetzlichen Garantien die Charta als Auslegungshilfe heranzuziehen. Nach den Grundsätzen der Völker- und Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes stellt das Grundgesetz die Auslegung der Grundrechte und die Fortentwicklung des Grundrechtsschutzes in die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes und insbesondere in die europäische Grundrechtstradition (vgl. BVerfGE 152, 152 [177 Rn. 61]). Dies lässt im Rahmen der für alle Mitgliedstaaten ohnehin verbindlichen Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention jedoch Raum für eine eigenständige und in einzelnen Wertungen abweichende Interpretation der deutschen Grundrechte, die für unionsrechtlich nicht vollständig determinierte Materien Ausdruck der unionsrechtlich ermöglichten Vielfalt ist (vgl. BVerfGE 152, 152 [178 f. Rn. 62]).
b) Für den Schutz der Berufsausübungsfreiheit bietet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen ausdifferenzierten Maßstab.
aa) Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Er schützt ferner das Recht der freien Berufsausübung und ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit diese ihren Sitz im Inland haben und eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht (vgl. BVerfGE 50, 290 [363]; 105, 252 [265]; 147, 50 [141 Rn. 234]; 148, 40 [50 Rn. 26]; stRspr).
Die Freiheit der Berufsausübung wird durch Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich umfassend geschützt (vgl. BVerfGE 85, 248 [256]). Sie beinhaltet das Recht, Art und Qualität der am Markt angebotenen Güter und Leistungen selbst festzulegen (vgl. BVerfGE 106, 275 [299]) und damit den Kreis der angesprochenen Interessenten selbst auszuwählen (vgl. BVerfGE 130, 131 [141]), sowie die wirtschaftliche Verwertung der beruflich erbrachten Leistung (vgl. BVerfGE 97, 228 [253]; 118, 1 [15]).
Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 32, 311 [317]; 105, 252 [265]). Dies sind alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (vgl. BVerfGE 115, 205 [230]; 128, 1 [56]). Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Dazu zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (vgl. BVerfGE 137, 185 [255 Rn. 181]).
Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet allerdings weder einen Anspruch auf eine erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb noch künftige Erwerbsmöglichkeiten. Wettbewerbspositionen und damit auch die erzielbaren Erträge unterliegen dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen (vgl. BVerfGE 148, 40 [50 Rn. 27]). Insoweit haben Marktteilnehmer keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG schützt jedoch davor, dass die Wettbewerbsstellung des Einzelnen durch staatliche Interventionen beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 86, 28 [37]; 115, 205 [230]; 137, 185 [243 f. Rn. 154]; stRspr).
Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 [230]; 128, 1 [56]; 147, 50 [141 Rn. 234]), weil dadurch die ausschließliche Nutzungsmöglichkeit des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden kann. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen Konkurrenten zugänglich gemacht, mindert dies die Möglichkeiten eines Grundrechtsträgers, die eigene Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. Unternehmerische Strategien können durchkreuzt werden, der Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln kann entfallen, weil die Investitionskosten für das betroffene Wissen nicht amortisiert werden können, während Konkurrenten dieses unter Einsparung entsprechender Kosten zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs nutzen können (vgl. BVerfGE 137, 185 [244 Rn. 155]).
bb) Der Grundrechtsschutz nach Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht auf imperative Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt.
Der Abwehrgehalt der Grundrechte kann auch bei mittelbaren und faktischen Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in Zielsetzung und Wirkung Eingriffen im herkömmlichen Sinne funktional gleichkommen (vgl. BVerfGE 105, 279 [303]; 110, 177 [191]; 113, 63 [76]; 148, 40 [50 f. Rn. 27 f.]). Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Entscheidend ist, ob die faktische oder mittelbare Beeinträchtigung mit Blick auf die Zielsetzung der staatlichen Maßnahme (Finalität), deren Auswirkungen auf den Grundrechtsträger (Intensität) und den Kausalzusammenhang zwischen staatlichem Handeln und Grundrechtsbeeinträchtigung (Unmittelbarkeit) mit einem Eingriff im herkömmlichen Sinne vergleichbar ist (vgl. Wollenschläger, VerwArch 102 [2011], S. 20 [37]; ders., JZ 2018, S. 980 [984]; Dreier, in: ders., GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Vorb. v. Art. 1 Rn. 125; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Vorb. v. Art. 1 Rn. 44; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 1 Rn. 265). Im Grundsatz gilt, dass dem Staat zurechenbare Nachteile als Eingriffe anzusehen sind (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Vorb. v. Art. 1 Rn. 126).
cc) Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die den Eingriff ermöglichende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 68, 319 [327]; 84, 133 [151 ff.]; 85, 360 [373 ff.]).
3. Geht man hingegen von einer vollständigen unionsrechtlichen Determinierung der Heranziehung und Verarbeitung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten aus, ist der Bescheid des Bundesamts am Maßstab von Art. 16 GRCh zu messen. Dieser stellt -- wie auch die meisten Grundrechte des Grundgesetzes -- eine Konkretisierung europäischer, aber auch universaler Verfassungstraditionen durch die Mitgliedstaaten als Vertragsgeber dar und ist in deren Entwicklung eingebettet (a). Dem ist bei der Auslegung und Anwendung von Art. 16 GRCh Rechnung zu tragen (b).
a) Die Grundrechte des Grundgesetzes, die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Grundrechte der Charta der Europäischen Union wurzeln überwiegend in gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und sind insoweit Ausprägungen universaler und gemeineuropäischer Werte (aa). Aus diesem Grund sind die Europäische Menschenrechtskonvention und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten sowie ihre höchstrichterliche Konkretisierung nicht nur für die Auslegung und Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes heranzuziehen, sondern auch für die Auslegung und Anwendung der Grundrechte der Charta von Bedeutung (bb).
aa) Die Grundrechtsgarantien des Grundgesetzes, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gründen auf dem Schutz der Menschenwürde (1), gewährleisten einen nach Inhabern, Verpflichteten und Struktur im Wesentlichen funktional vergleichbaren Schutz (2) und stellen sich in großem Umfang als deckungsgleiche Gewährleistungen dar (3).
(1) Mit Art. 1 Abs. 1 GG und der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts vor die Regelungen des Staatsorganisationsrechts betont das Grundgesetz den Vorrang des Einzelnen und seiner Würde vor der Macht des Staates und der Durchsetzung seiner Interessen (vgl. BVerfGE 7, 198 [204 f.]). Dementsprechend ist die Würde des Menschen zu achten und zu schützen nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, was insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit umfasst (vgl. BVerfGE 5, 85 [204]; 12, 45 [53]; 27, 1 [6]; 35, 202 [225]; 45, 187 [227]; 96, 375 [399]; 144, 20 [206 f. Rn. 538 f.]).
Art. 1 Abs. 2 GG stellt die Grundrechte des Grundgesetzes zudem in die universale Tradition der Menschenrechte (vgl. BVerfGE 152, 216 [240 Rn. 59]) und in die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes, wobei der europäischen Grundrechtstradition und -entwicklung besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerfGE 111, 307 [317.]; 112, 1 [26]; 128, 326 [366 ff.]; 148, 296 [350 ff. Rn. 126 ff.]; 152, 152 [177 Rn. 61]). Die Grundsätze der Völker- und Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 23 Abs. 1, Art. 24, Art. 25, Art. 26 und Art. 59 Abs. 2 GG) stellen sicher, dass dies auch für die Fortentwicklung des universalen wie europäischen Grundrechtsschutzes gilt.
Der nationale Grundrechtsstandard wird seit 1950 abgesichert und ergänzt durch die Europäische Menschenrechtskonvention, mit der die Vertragsstaaten ausweislich der Präambel "die ersten Schritte auf dem Weg zu einer kollektiven Garantie bestimmter in der Allgemeinen Erklärung [der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948] aufgeführter Rechte" unternommen und seither durch 16 Zusatzprotokolle weiter ausdifferenziert haben. Auch wenn die Würde des Menschen hier nicht ausdrücklich garantiert ist, kommt ihr in der Europäischen Menschenrechtskonvention eine besonders hervorgehobene Bedeutung zu. Das wird im Folterverbot des Art. 3 EMRK und im Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit in Art. 4 EMRK sowie in der Präambel deutlich, die ausdrücklich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 Bezug nimmt (vgl. auch EGMR, Pretty v. United Kingdom, Urteil vom 29. April 2002, Nr. 2346/02, § 65).
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union rückt ausweislich ihrer Präambel den Menschen ebenfalls in den Mittelpunkt. Art. 1 GRCh erkennt die Menschenwürde nicht nur als Grundrecht an sich an, sondern -- entsprechend den Erläuterungen (ABl EU Nr. C 303 vom 14. Dezember 2007, S. 17) -- als "das eigentliche Fundament der Grundrechte" schlechthin. Die in der Charta niedergelegten Grundrechte knüpfen zudem gemäß Art. 52 f. GRCh sowohl an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten als auch an die Europäische Menschenrechtskonvention an und haben -- soweit sie auf die deutsche Staatsgewalt Anwendung finden -- grundsätzlich die gleiche Funktion wie die im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegten Grundrechte (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 37).
Gemeinsamer Bezugspunkt aller drei Kataloge bildet insoweit die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, die die zentrale Bedeutung der Würde des Menschen bereits in ihrer Präambel hervorhebt (VN A/RES/217 A [III]; vgl. auch Klein, in: Festschrift für Klaus Stern, 2012, S. 389 [390 f.]; Chassin, in: Biad/Parisot, La Charte des droits fondamentaux de l'Union européenne, 2018, S. 138 ff.). Insoweit geht es bei allen drei Grundrechtskatalogen letztlich um den Schutz des Einzelnen und seiner Würde. Dieser wird in den einzelnen Grundrechten bereichsspezifisch konkretisiert und ermöglicht den Berechtigten grundsätzlich eine von Bevormundung durch die öffentliche Gewalt oder gesellschaftliche Kräfte und Strukturen freie Selbstbestimmung in dem jeweiligen Lebensbereich.
(2) Historisch, dogmatisch und funktional verbürgen die Grundrechte des Grundgesetzes in erster Linie Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat und anderen Trägern öffentlicher Gewalt (vgl. BVerfGE 7, 198 [204 f.]). Sie schützen Freiheit und Gleichheit von Bürgerinnen und Bürgern vor rechtswidrigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Diese müssen verhältnismäßig sein und dürfen den Wesensgehalt der Grundrechte nicht berühren (Art. 19 Abs. 2 GG). Als objektive Wertentscheidungen, wertentscheidende Grundsatznormen oder Verfassungsprinzipien verpflichten die Grundrechte die Träger öffentlicher Gewalt zudem, dafür zu sorgen, dass sie -- unabhängig von individueller Betroffenheit -- in der Wirklichkeit wirtschaftlichen und sozialen Lebens nicht leerlaufen, und sind insoweit Grundlage von Teilhabe- und Leistungsrechten sowie staatlicher Schutzpflichten. Das stellt ihre primäre Ausrichtung nicht in Frage, dient jedoch dazu, ihre Geltungskraft zu verstärken (vgl. BVerfGE 50, 290 [337]).
In der Sache und in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte enthält auch die Europäische Menschenrechtskonvention entwicklungsoffene (vgl. zur Europäischen Menschenrechtskonvention als "living instrument" EGMR, Tyrer v. United Kingdom, Urteil vom 25. April 1978, Nr. 5856/72, § 31; Marckx v. Belgium, Urteil vom 13. Juni 1979, Nr. 6833/74, § 41; Airey v. Ireland, Urteil vom 9. Oktober 1979, Nr. 6289/73, § 26; Rees v. United Kingdom, Urteil vom 17. Oktober 1986, Nr. 9532/81, § 47; Cossey v. United Kingdom, Urteil vom 27. September 1990, Nr. 10843/84, § 35; Loizidou v. Turkey [preliminary objections], Urteil vom 23. März 1995, Nr. 15318/89, § 71), mit den nationalen Verfassungen zunehmend konvergente Garantien von Freiheit und Gleichheit des Einzelnen und sichert diese gegenüber Eingriffen des Staates ab, wenn jene nicht gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind (vgl. z.B. Art. 8 Abs. 2 EMRK). Der Grundrechtsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention beschränkt sich dabei nicht auf einen Schutz vor Eingriffen des Staates in die Freiheitssphäre des Einzelnen, sondern verbürgt mit ihnen -- ähnlich wie das Grundgesetz -- auch Gewährleistungs- und Schutzpflichten (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 7. Aufl. 2021, § 19; Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 1 Rn. 8; Cremer, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2. Aufl. 2013, Kap. 4 Rn. 63 f.).
Dies gilt ebenso für die Grundrechte der Charta, die Freiheit und Gleichheit der Unionsbürgerinnen und -bürger nicht nur vor Eingriffen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union schützen, sondern auch vor Eingriffen mitgliedstaatlicher Stellen bei der Durchführung des Rechts der Union (Art. 51 Abs. 1 GRCh). Die Adressaten der Charta sind -- wie die des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention -- an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden und dürfen den Wesensgehalt der Grundrechte nicht berühren (Art. 52 Abs. 1 GRCh). Zudem werden aus den Grundrechten der Charta -- soweit sie nicht horizontal anwendbar sind (zu Art. 21 GRCh vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Mangold, C-144/04, Slg. 2005, I-10013 [10040 f. Rn. 77]; Urteil vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci, C-555/07, EU:C:2010:21, Rn. 22, 51; krit. Hojesteret [Dänemark], Urteil vom 6. Dezember 2016 - 15/2014 -) -- Prinzipien abgeleitet, aus denen gegebenenfalls weitere (derivative) Ansprüche folgen (vgl. Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 2017, Art. 51 GRC Rn. 38; Hatje, in: Schwarze/Becker/ders./Schoo, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 51 GRC Rn. 22). Vor diesem Hintergrund stellen die Grundrechte der Charta ein grundsätzlich funktionales Äquivalent zu den Gewährleistungen des Grundgesetzes dar (vgl. BVerfGE 152, 216 [239 f. Rn. 59]; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 37).
(3) Zwischen den drei Grundrechtskatalogen besteht auch inhaltlich eine weitgehende Deckungsgleichheit. Eine solche ergibt sich partiell bereits aus dem Günstigkeitsprinzip des Art. 53 EMRK, wonach die Konvention nicht so ausgelegt werden darf, als beschränke oder beeinträchtige sie Menschenrechte und Grundfreiheiten, die im Recht der Vertragsstaaten niedergelegt sind. Die Vorschrift stellt damit klar, dass die Europäische Menschenrechtskonvention jedenfalls einen gemeinsamen Mindeststandard der Vertragsstaaten bildet, über den diese allerdings hinausgehen können (vgl. Grabenwarter/Pabel, EMRK, 7. Aufl. 2021, § 2 Rn. 14). Bei der Ermittlung der Gewährleistungsgehalte nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte daher immer wieder sowohl auf nationale als auch auf unionale Grundrechte Bezug (vgl. EGMR [GK], Bosphorus Airways v. Ireland, Urteil vom 30. Juni 2005, Nr. 45036/98, § 148; Zolothukin v. Russia, Urteil vom 10. Februar 2009, Nr. 14939/03, § 79; Scoppola v. Italy, Urteil vom 17. September 2009, Nr. 10249/03, § 105; Bayatyan v. Armenia, Urteil vom 7. Juli 2011, Nr. 23459/03, § 103 ff.; EGMR, TV Vest As u. Rogaland Pensjonistparti v. Norway, Urteil vom 11. Dezember 2008, Nr. 21132/05, §§ 24, 67; vgl. auch Kraus, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Aufl. 2013, Kap. 3 Rn. 24; Richter, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Aufl. 2013, Kap. 9 Rn. 3, 74; Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Einleitung, Rn. 22).
Vergleichbares gilt für die Charta der Grundrechte. Schon in ihrer Präambel beruft sie sich auf die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie die in internationalen Übereinkommen und in der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützten unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte und macht damit deutlich, dass es bei ihr um eine (weitere) Konkretisierung universaler und europäischer Rechtsgrundsätze geht. Diese Konkretisierung hat der Vertrag über die Europäische Union 2009 ausdrücklich in den Rang von Primärrecht erhoben (Art. 6 Abs. 1 EUV), zugleich aber auch bestimmt, dass die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine (Rechts-)Grundsätze Teil des Unionsrechts sind (Art. 6 Abs. 3 EUV). Das stellt Art. 52 Abs. 3 und Abs. 4 GRCh noch einmal ausdrücklich klar.
bb) Vor diesem Hintergrund empfängt nicht nur die Auslegung der im Grundgesetz verbürgten Grundrechte Direktiven von der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Charta der Grundrechte und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten sowie ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung. Auch die Auslegung der Charta der Grundrechte ist an der Europäischen Menschenrechtskonvention und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten in Gestalt ihrer höchstrichterlichen Konkretisierung auszurichten (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 37). Entsprechendes gilt für die Europäische Menschenrechtskonvention.
(1) Zwar besitzt die Europäische Menschenrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung (nur) den Rang eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 GG). Sie steht insoweit unter dem Grundgesetz und ist daher grundsätzlich nicht prinzipaler Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts. Nach dessen ständiger Rechtsprechung leiten jedoch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention gemäß Art. 1 Abs. 2 GG die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes an (vgl. BVerfGE 74, 358 [370]; 111, 307 [316 ff.]; 120, 180 [200 f.]; 128, 326 [367 ff.]; 138, 296 [355 f. Rn. 149]; 152, 152 [176 Rn. 58]) und weisen insoweit eine verfassungsrechtliche Dimension auf. Das gilt auch für die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 152, 152 [177 f. Rn. 60 ff.]) sowie die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der demokratischen Verfassungsstaaten und ihre höchstrichterliche Konkretisierung (vgl. BVerfGE 32, 54 [70]; 128, 226 [253, 267]; 154, 17 [100 Rn. 125]).
Die Berücksichtigung der genannten Quellen auch bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes ist nicht nur Ausdruck der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und der Integrationsverantwortung des Bundesverfassungsgerichts. Sie trägt vielmehr der Einbindung Deutschlands in den europäischen Rechtsraum und seiner Entwicklung Rechnung, fördert die Stärkung gemeineuropäischer Grundrechtsstandards und vermeidet Friktionen und Wertungswidersprüche bei der Gewährleistung des Grundrechtsschutzes im Interesse seiner Effektivität und der Rechtssicherheit.
(2) Angesichts der ausdrücklichen Vorgaben in den Verträgen, der gemeinsamen Wurzeln nicht zuletzt in der Würde des Menschen und der weitgehend deckungsgleichen Gewährleistungsgehalte sind die Europäische Menschenrechtskonvention und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten sowie ihre höchstrichterliche Konkretisierung -- unter Einbeziehung auch der Grundrechte des Grundgesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -- für die Auslegung und Anwendung der Charta der Grundrechte heranzuziehen. Das hat der Senat in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2020 (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 u.a. -, Rn. 37) zum Ausdruck gebracht.
(3) Dem steht nicht entgegen, dass die Grundrechtsgarantien der Charta, der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Grundgesetzes etwa im Hinblick auf äußere Form oder institutionelle Einbindung nicht vollständig deckungsgleich sind (vgl. BVerfGE 152, 216 [233 f. Rn. 44]). Ein Großteil der (geringen) Divergenzen beruht weniger auf konzeptionellen Unterschieden in den konkreten Gewährleistungen als auf den unterschiedlichen Konkretisierungen, die diese durch die zuständigen Gerichte erfahren haben. Allerdings dürfen bei der Auslegung der Charta keine partikularen, nur in der Rechtspraxis einzelner Mitgliedstaaten nachweisbare Verständnisse unterlegt werden. Wo derartige Divergenzen bestehen, ist es zur Wahrung der Einheit des Unionsrechts Aufgabe des Gerichtshofs der Europäischen Union sie im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zu klären (vgl. BVerfGE 152, 216 [244 f. Rn. 71]).
b) Auch bei der Auslegung und Anwendung von Art. 16 GRCh ist daher dessen Einbettung in die europäische und universale Rechtstradition und -entwicklung zu berücksichtigen.
aa) Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen stellt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008, Varec, C-450/06, EU:C:2008:91, Rn. 49; Urteil vom 29. März 2012, Interseroh Scrap and Metals Trading, C-1/11, EU:C:2012:194, Rn. 43 f.) und wird neben Art. 17 Abs. 2 GRCh (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2016, Bayer CropScience SA-NV und Stichting De Bijenstichting, C-442/14, EU:C:2016:890, Rn. 97 ff.) auch durch Art. 16 GRCh gewährleistet. Zu dem durch Art. 16 GRCh gewährleisteten Schutz zählen nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit, sondern auch die Vertragsfreiheit und die ungehinderte Teilnahme an einem freien Wettbewerb (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C-283/11, EU:C:2013:28, Rn. 42). Vor diesem Hintergrund umfasst das Recht auf unternehmerische Freiheit insbesondere das Recht jedes Unternehmens, in den Grenzen seiner Verantwortlichkeit für seine eigenen Handlungen frei über seine wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Ressourcen verfügen zu können (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juni 2016, Lidl, C-134/15, EU:C:2016:498, Rn. 27; Urteil vom 27. März 2014, UPC Telekabel Wien, C-314/12, EU:C:2014:192, Rn. 49).
Diese Einordnung entspricht sowohl der deutschen Verfassungsrechtslage (vgl. Rn. 46 ff.) als auch der Europäischen Menschenrechtskonvention. Letztere kennt zwar keine ausdrückliche Garantie der Berufsfreiheit (vgl. EGMR [GK], Thlimmenos v. Greece, Urteil vom 6. April 2000, Nr. 34369/97, § 41). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darf der Begriff "Privatleben" in Art. 8 EMRK aber nicht dahin ausgelegt werden, dass die beruflichen und geschäftlichen Tätigkeiten natürlicher und juristischer Personen hiervon ausgeschlossen sind (vgl. EGMR, Niemitz v. Germany, Urteil vom 16. Dezember 1992, Nr. 13710/88, § 29; Societé Colas Est and others v. France, Urteil vom 16. April 2002, Nr. 37971/97, § 41; Peck v. United Kingdom, Urteil vom 28. Januar 2003, Nr. 44647/98, § 57), so dass auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dem Schutz von Art. 8 EMRK unterfallen dürften (vgl. auch EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008, Varec, C-450/06, EU:C:2008:91, Rn. 48).
bb) Auch mit Blick auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist von einem weiten Eingriffsverständnis auszugehen. Nach der weiten Formulierung "jede Einschränkung" in Art. 52 Abs. 1 GRCh ist jede nachteilige Auswirkung staatlichen Verhaltens auf die Ausübung eines Grundrechts als Eingriff zu verstehen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 1984, Biovilac, C-59/83, Slg. 1984, I-4058 [4079 Rn. 22]; Beschluss vom 23. September 2004, Springer/Zeitungsverlag Niederrhein u.a., C-435/02 u.a., Slg. 2004, I-8667 [8683 Rn. 49]; Urteil vom 12. Februar 1974, Sotgiu, C-152/73, Slg. 1974, I-154 [164 f. Rn. 11]; Urteil vom 16. Februar 1978, Kommission/Irland, C-61/77, Slg. 1978, I-418 [451 Rn. 78-80]; Urteil vom 15. Juni 1978, Defrenne, C-149/77, Slg. 1978, I-1366 [1377 f. Rn. 16-18, 19-23]; Urteil vom 11. Juli 1974, Dassonville, C-8/74, Slg. 1974, I-838 [852 Rn. 5]; Urteil vom 31. März 1993, Kraus/Land Baden-Württemberg, C-19/92, Slg. 1993, I-1689 [1697 Rn. 32]; Urteil vom 30. November 1995, Gebhard, C-55/94, Slg. 1995, I-4186 [4197 f. Rn. 37]; Pache, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 2017, Art. 52 GRC Rn. 15 m.w.N.). Das entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der ebenfalls anerkennt, dass Realakte Eingriffsqualität haben können (vgl. EGMR, Urteil vom 25. Februar 1982, Campbell and Cosans v. United Kingdom, Nr. 7511/76, 7743/76, § 26; Urteil vom 27. September 1995, McCann and others v. United Kingdom, Nr. 18984/91, § 26; Urteil vom 19. Dezember 1994, Vereinigung demokratischer Soldaten Österreichs and Gubi v. Austria, Nr. 15153/89, § 27; Marauhn/Merhof, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Aufl. 2013, Kap. 7 Rn. 14; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 70 f.), sowie dem "weiten Eingriffsbegriff", wie er sich in der auf das Grundgesetz bezogenen Rechtsprechung und Dogmatik durchgesetzt hat (vgl. Rn. 51 ff.).
cc) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gilt die unternehmerische Freiheit nicht schrankenlos. Sie kann einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013, Schaible, C-101/12, EU:C:2013:661, Rn. 28; Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C-283/11, EU:C:2013:28, Rn. 45 f.). Allerdings bedürfen sie einer Rechtsgrundlage.
Das Erfordernis einer Rechtsgrundlage für Eingriffe der öffentlichen Gewalt ist dabei als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. September 1989, Hoechst, C-46/87 und C-227/88, Slg. 1989, I-2919 [2924 Rn. 19]) und nunmehr in Art. 52 Abs. 1 GRCh ausdrücklich niedergelegt. Danach muss jede Einschränkung der Ausübung der unternehmerischen Freiheit gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Freiheit achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein sowie den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C-283/11, EU:C:2013:28, Rn. 48).
Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung ergibt sich auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, wonach Beschränkungen der Konventionsrechte "gesetzlich vorgesehen" sein müssen (vgl. Art. 5 Abs. 1 ["auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise"], Art. 6 Abs. 1 ["auf Gesetz beruhend[en]"], Art. 8-11 ["gesetzlich vorgesehen"]; EGMR, Urteil vom 26. April 1979, Sunday Times v. United Kingdom, Nr. 6538/74, §§ 47 ff.; Urteil vom 2. August 1984, Malone v. United Kingdom, Nr. 8691/79, § 66; Urteil vom 25. Mai 1993, Kokkinakis v. Greece, Nr. 14307/88, §§ 37 ff.; vgl. auch Marauhn/Merhof, in: Dörr/Grote/ Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Aufl. 2013, Kap. 7 Rn. 23 ff.; Grabenwarter/Pabel, EMRK, 7. Aufl. 2021, § 18 Rn. 7 ff.; Ehlers, in: ders., Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 76 ff.), sowie aus den Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten, die praktisch durchweg den Vorbehalt des Gesetzes (vgl. BVerfGE 150, 1 [96 ff. Rn. 191 ff. m.w.N.]), die réserve de loi, die riserva di legge oder Vergleichbares kennen (etwa in Estland, vgl. hierzu Narits, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. X, 2018, § 297 Rn. 48 ff.; Finnland, vgl. hierzu Ojanen, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. X, 2018, § 296 Rn. 81; Italien, vgl. hierzu Ridola, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. X, 2018, § 300 Rn. 26; Litauen, vgl. hierzu Sileikis, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. X, 2018, § 299 Rn. 65; Spanien, vgl. hierzu Medina Guerrero, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. X, 2018, § 301 Rn. 34 ff.).
4. Im Ergebnis stimmen die hier einschlägigen verfassungsrechtlichen Maßstäbe des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Wesentlichen überein. Beide erkennen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Bestandteil der Berufsfreiheit an, legen einen weiten Eingriffsbegriff zugrunde und erlauben Beschränkungen nur bei Vorliegen einer wirksamen Rechtsgrundlage.
II.
Weder der Zulassungsbescheid noch die ihn bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Urteile verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh.
Für den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts ist ohne Bedeutung, ob die britische Referenzzulassung rechtmäßig oder rechtswidrig war (1.). Für eine Verletzung der Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh durch die Anerkennung in Deutschland kommt es vielmehr darauf an, ob Heranziehung und Verarbeitung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten Aufgabe des Bundesamts waren und wie weit sein Entscheidungsspielraum und seine Verantwortung dabei reichten, was das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht im Einzelnen ermittelt hat (2.). Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, weil Heranziehung und Verarbeitung der Ökotox-Daten durch das Bundesamt jedenfalls auf einer wirksamen gesetzlichen Grundlage beruhten (3.). Aus diesem Grund scheidet auch eine Verletzung von Art. 14 GG beziehungsweise Art. 17 GRCh sowie von Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus (4.).
1. Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheids ist die Erteilung der Zulassung beziehungsweise Anerkennung von Enroxil in Deutschland im Rahmen eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung im Anschluss an die britische Referenzzulassung von Enroxil vom 9. September 2005. Dieser Bescheid hat für Adressaten und Drittbeteiligte der Referenzzulassung in Großbritannien keinerlei Auswirkungen, und zwar unabhängig davon, ob die dortige Zulassung rechtmäßig oder rechtswidrig war.
Umgekehrt hängt auch die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Anerkennung der britischen Referenzzulassung durch das Bundesamt ungeachtet ihrer Einbettung in ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung grundsätzlich nicht davon ab, ob die britische Referenzzulassung von Enroxil rechtmäßig oder rechtswidrig war, sondern allein von der Beachtung des in den Art. 12 f., Art. 32 ff. Richtlinie 2001/82/EG und § 25b AMG niedergelegten Normprogramms. Weder das Bundesamt noch die den Bescheid bestätigenden Verwaltungsgerichte waren daher gehalten, die britische Referenzzulassung einer eigenen Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit im Ergebnis zu Recht darauf hingewiesen, dass Rechtmäßigkeitsmängel der britischen Zulassungsentscheidung vom Bundesamt nicht zu prüfen waren, sondern die Beschwerdeführerinnen diese mit einer Anfechtung der Referenzzulassung in Großbritannien hätten geltend machen müssen.
2. Dies schließt nicht von vornherein aus, dass der Bescheid des Bundesamts die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh dadurch verletzt, dass das Bundesamt seiner Entscheidung den -- auf von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten beruhenden und von der britischen Zulassungsbehörde auf Nachfrage übersandten -- Beurteilungsbericht zu Baytril zugrunde gelegt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat das konkrete Normprogramm, das bei der Anerkennung der Referenzzulassung eines anderen Mitgliedstaates zu beachten ist, und damit den Umfang der dem Bundesamt obliegenden Prüfpflicht nicht umfassend ermittelt. Es hat dadurch nicht erörtert, welche Konsequenzen ein möglicher Verstoß dagegen für die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen hat. Dies betrifft sowohl die Frage der Reichweite der dem Bundesamt im Verfahren gemäß § 25b Abs. 2 AMG zukommenden (formellen) Prüfbefugnis hinsichtlich der vorgelegten Antragsunterlagen (a) als auch die Frage nach der Reichweite des nationalen (materiellen) Prüfvorbehalts bei der Beurteilung einer schwerwiegenden Gefahr im Sinne von § 25b Abs. 2 AMG und der Heranziehung von Ökotox-Daten in diesem Zusammenhang (b).
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht näher ermittelt, ob das Bundesamt hinsichtlich der vorgelegten Antragsunterlagen eine Prüfpflicht jedenfalls dahingehend trifft, inwieweit es vorliegend zu einer eigenständigen Bezugnahme auf die von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nach § 25b AMG in Verbindung mit § 24b Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 gekommen ist. Eine solche Bezugnahme könnte einen weiteren -- rechtfertigungsbedürftigen -- Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdeführerinnen bewirkt haben.
aa) Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts ist die Erstzulassung von Enroxil am 9. September 2005 durch die britischen Behörden aufgrund eines Antrags erfolgt, der unter Bezugnahme auf die britische Zulassung von Baytril einschließlich der im Jahre 2004 erstellten Ökotox-Daten gestellt worden ist. Die Anerkennung wurde vom Bundesamt unter Heranziehung des von der britischen Zulassungsbehörde gefertigten und auf Nachfrage des Bundesamts um den Beurteilungsbericht zu Baytril ergänzten Beurteilungsbericht zu Enroxil ausgesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht darauf eingegangen, ob es im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens nach Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2001/82/EG in Verbindung mit Art. 25b Abs. 2 AMG zur (formellen) Prüfpflicht des Bundesamts gehört, die vorgelegten Antragsunterlagen auf die Einhaltung der Art. 12 bis 14 Richtlinie 2001/82/EG beziehungsweise § 24b Abs. 1 in Verbindung mit § 23 AMG 2005 zu überprüfen und in diesem Zusammenhang auch eine möglicherweise unzulässige Übermittlung von Daten zu beanstanden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit lediglich festgestellt, dass im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung eine Übermittlung der Antragsunterlagen selbst, die der Zulassung von Enroxil in Großbritannien zugrunde gelegen haben, nicht vorgesehen und insoweit kein Raum für eine "Bezugnahme" auf Unterlagen im Sinne des § 24b AMG sei. Bezugspunkt der Anerkennungsentscheidung sei gemäß Art. 32 Abs. 2 Richtlinie 2001/82/EG die Erstzulassung in Verbindung mit dem gegebenenfalls aktualisierten Beurteilungsbericht.
Ob die (formelle) Prüfpflicht des Bundesamts in der Validierungsphase des Verfahrens sich neben einer reinen Vollständigkeitsprüfung auch darauf erstreckt, die vorgelegten Unterlagen auf Einhaltung der Voraussetzungen von Art. 12 bis 14 Richtlinie 2001/82/EG beziehungsweise § 24b Abs. 1 in Verbindung mit § 23 AMG 2005 zu kontrollieren, oder ob dies ausschließlich Aufgabe des Referenzmitgliedstaates ist, hat es jedoch nicht geklärt.
bb) Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang auch nicht ermittelt, welche Anforderungen die Art. 12 bis 14 Richtlinie 2001/82/EG an die Vorlage von Ökotox-Daten im Einzelnen stellen.
Eine Verpflichtung, Anträgen auf Zulassung von Tierarzneimitteln Ergebnisse von Versuchen physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Art, toxikologischer und pharmakologischer Art sowie klinischer Art beizufügen, sah Art. 12 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe j Richtlinie 2001/82/EG zunächst nur für die Zulassung von sogenannten Referenzarzneimitteln vor. Abweichend hiervon musste ein Antragsteller bei der Zulassung eines Generikums gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchstabe a Richtlinie 2001/82/EG die Ergebnisse toxikologisch-pharmakologischer Versuche und klinischer Untersuchungen nicht vorlegen.
Mit der Änderung der Regelungen durch die Richtlinie 2004/28/EG, die bis zum 30. Oktober 2005 umzusetzen waren, wurde in Art. 12 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe j 4. Spiegelstrich indes die Verpflichtung aufgenommen, einem Zulassungsantrag neben Ergebnissen von pharmazeutischen Versuchen, Unbedenklichkeits- und Rückstandsversuchen und vorklinischen und klinischen Versuchen auch Ergebnisse von Tests zur Bewertung der möglichen Umweltrisiken des Arzneimittels beizufügen. Art. 13 Richtlinie 2001/82/EG wurde so gefasst, dass der Antragsteller bei der Zulassung eines Generikums die Ergebnisse der Unbedenklichkeits- und Rückstandsversuche oder der vorklinischen und klinischen Versuche nicht vorlegen muss (siehe dazu Rn. 3). Eine Möglichkeit der Bezugnahme auf die Ökotox-Daten eines Vorantragstellers wurde dagegen nicht ausdrücklich geregelt.
Vor diesem Hintergrund hatte der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie 2004/28/EG eine Bezugnahme auch auf Ökotox-Daten eines Vorantragstellers zunächst gemäß § 24b Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 zugelassen. Allerdings gelangten die Europäische Kommission und die Europäische Arzneimittelagentur nach einiger Zeit zu der Auffassung, dass eine Bezugnahme auf Unterlagen zur Umweltprüfung auch nach Ablauf der Schutzfristen nicht vorgenommen werden dürfe. Daraufhin wurde die in § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG 2005 vorgesehene Bezugnahmemöglichkeit auf die Ökotox-Daten eines Vorantragstellers zum 23. Juli 2009 gestrichen (vgl. Rn. 7). Ob diese Interpretation der europäischen Behörden und damit die in Deutschland erst 2009 geltende Rechtslage vom Regelungsgehalt der Richtlinie 2004/28/EG tatsächlich zwingend vorgegeben ist, ist durch den Gerichtshof der Europäischen Union bislang nicht geklärt.
b) Auch hinsichtlich möglicher schwerwiegender Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Anwendung von § 25b Abs. 2 AMG nicht im Einzelnen ermittelt, welche Unterlagen vom Bundesamt verwendet werden dürfen, welche Grundrechte insoweit betroffen sind und welche Vorgaben das einfache Recht dazu macht. Es hat insbesondere nicht geklärt, ob das Bundesamt vor dem Hintergrund des ihm gemäß § 25b Abs. 2 AMG zukommenden Entscheidungsspielraums und der damit korrespondierenden (materiellen) Prüfpflicht befugt war, den von der britischen Zulassungsbehörde übersandten Beurteilungsbericht zu Baytril als ausreichende Prüfgrundlage anzusehen.
Gemäß § 25b Abs. 2 AMG steht die Anerkennung der vom Referenzmitgliedstaat erteilten Zulassung auf der Grundlage des von diesem erteilten Beurteilungsberichts unter dem Vorbehalt, dass kein Anlass zu der Annahme besteht, dass die Zulassung des Arzneimittels eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellt. Der mit dem Antrag auf gegenseitige Anerkennung befasste Mitgliedstaat verfügt insoweit über einen, wenn auch begrenzten, Ermessensspielraum (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2008, Synthon BV, C-452/06, EU:C:2008:565, Rn. 41; Urteil vom 19. Juli 2012, Kommission/Frankreich, C-145/11, EU:C:2012:490, Rn. 34 ff.).
Bei der Anerkennung von Enroxil kam dem Bundesamt daher gemäß § 25b Abs. 2 AMG eine eigenständige Verpflichtung zu, eine Gefahr für die Umwelt in Deutschland zu prüfen. Auf welcher Datengrundlage diese Prüfung zu erfolgen hat, hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht geklärt. Offen bleibt insbesondere, ob diese Prüfung anhand des von der britischen Zulassungsbehörde übermittelten Beurteilungsberichts zu Baytril, dem die von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten zugrunde lagen, erfolgen durfte.
Dafür könnte neben dem Umstand, dass sich die Umweltbedingungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat nicht unerheblich unterscheiden, auch sprechen, dass die europäischen Behörden bei der Auslegung von Art. 13 Richtlinie 2001/82/EG und nachfolgend auch der deutsche Gesetzgeber mit der im Jahr 2009 erfolgten Änderung von § 24b AMG (vgl. Rn. 7) eine Bezugnahme auf Unterlagen eines Vorantragstellers zur Umweltprüfung ausgeschlossen haben und offensichtlich davon ausgehen, dass Ökotox-Daten abweichend von sonstigen Antragsunterlagen zu behandeln sind. Welche Konsequenzen daraus für die Auslegung von Art. 32 Richtlinie 2001/82/EG beziehungsweise § 25b Abs. 2 AMG zu ziehen sind, hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht geklärt.
3. Ob die Heranziehung und Verarbeitung der Ökotox-Daten im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts eine selbständige Bezugnahme auf die Ökotox-Daten der Beschwerdeführerinnen als Vorantragsteller im Sinne von § 24b AMG 2005 darstellt, die einen weiteren, der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnenden Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 16 GRCh bewirkt, kann hier allerdings dahinstehen, da dieser durch § 25b in Verbindung mit § 24b Abs. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 jedenfalls gerechtfertigt ist. Dem steht Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG nicht entgegen (a). § 25b in Verbindung mit § 24b Abs. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen und wahrt insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (b).
a) Unabhängig davon, ob und inwieweit § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG 2005 mit Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG in der durch die Richtlinie 2004/28/EG geänderten Fassung vereinbar war, kam dieser Bestimmung der Richtlinie keine unmittelbare Wirkung zu. Sie war im vorliegenden Fall daher nicht in der Lage, § 24b Abs. 1 Satz 1 AMG 2005 zu verdrängen.
aa) Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, sie überlässt den innerstaatlichen Stellen jedoch die Wahl der Form und der Mittel. Richtlinien sind daher grundsätzlich nicht auf unmittelbare Anwendbarkeit angelegt und bedürfen der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann eine Richtlinie jedoch unmittelbare Wirkungen entfalten, wenn die Frist für die Umsetzung abgelaufen ist, ohne dass der Mitgliedstaat diese vollständig und korrekt implementiert hat (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 1986, Marshall, C-152/84, Slg. 1986, I-737 [748 Rn. 46]; Urteil vom 22. Juni 1989, Fratelli Costanzo SpA, C-103/88, Slg. 1989, 1861 [1870 Rn. 29]; Urteil vom 30. April 1996, CIA Security International SA, C-194/94, Slg. 1996, I-2230 [2245 Rn. 42]; stRspr), die in Rede stehende Vorschrift inhaltlich unbedingt und hinreichend genau formuliert ist (vgl. EuGH, Urteil vom 5. April 1979, Tullio Ratti, C-148/78, Slg. 1979, I-1631 [1640 ff. Rn. 9 ff.]; Urteil vom 20. Oktober 1993, Balocchi, C-10/92, Slg. 1993, I-5133 [5142 Rn. 32 ff.]; stRspr) und sie keine Belastungen Dritter enthält.
Richtlinien sind grundsätzlich nur für die Mitgliedstaaten verbindlich und begründen daher in der Regel keine Verpflichtungen für den Einzelnen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmwegen, C-80/86, Slg. 1987, I-3982 [3985 Rn. 9]; Urteil vom 3. Mai 2005, Berlusconi u.a., C-387/02 u.a., Slg. 2005, I-3624 [3654 Rn. 73]). Der Staat kann sich gegenüber dem Einzelnen daher nicht auf die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienbestimmung berufen. Auch eine "horizontale Wirkung" im Verhältnis zwischen Privatpersonen kommt Richtlinien grundsätzlich nicht zu (vgl. Ruffert, in: Calliess/ders., EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 57; Gundel, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, 2017, Art. 288 AEUV Rn. 48, 51). Bloße negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter stehen einer Berufung auf eine Richtlinie gegenüber dem Staat hingegen nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2008, Arcor u.a., C-152/07 u.a., EU:C:2008:426, Rn. 36).
bb) Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG erlaubt es einem Antragsteller, einem Antrag auf Zulassung die Ergebnisse der Unbedenklichkeits- und Rückstandsversuche oder der vorklinischen und klinischen Versuche nicht beizufügen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Art. 5 Richtlinie 2001/82/EG seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Europäischen Union genehmigt ist oder wurde.
Ob im Rahmen eines Antrags auf Zulassung eines Generikums auch auf die Ökotox-Daten des Vorantragstellers zurückgegriffen werden kann, lässt sich Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG demgegenüber nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Dagegen spricht, dass Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG keine ausdrückliche Regelung über die Verwendung der Ökotox-Daten bei der Zulassung und Anerkennung von Generika enthält. Auch in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/28/EG finden sich dazu keine näheren Erläuterungen. Die Europäische Kommission und die Europäische Arzneimittelagentur haben erst einige Zeit nach Inkrafttreten der Richtlinie klargestellt, dass für Ökotox-Daten eine Bezugnahme auf Unterlagen zur Umweltprüfung auch nach Ablauf der Schutzfristen nicht möglich ist (vgl. Rn. 7). Offen ist schließlich, ob die Richtlinie den Inhabern einer Erstzulassung einen Anspruch darauf einräumt -- und angesichts der norminternen Direktiven von Art. 16 und Art. 17 Abs. 2 GRCh möglicherweise einräumen muss --, dass Generika von Konkurrenzunternehmen nur bei Vorlage eigener Ökotox-Daten zugelassen werden; in diesem Fall käme eine unmittelbare Wirkung von Art. 13 Abs. 1 Richtlinie 2001/82/EG zu ihren Lasten nicht in Betracht.
Vor diesem Hintergrund richtete sich die Frage nach der Verwendung von Ökotox-Daten des Rechteinhabers, sofern darin eine selbständige Bezugnahme auf diese Daten durch das Bundesamt als Anerkennungsbehörde bei der Zulassung eines Generikums zu sehen ist, im hier zu entscheidenden Fall nach § 24b Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005. Dieser erlaubte bei der Erstzulassung eines Generikums die Bezugnahme auf Unterlagen des Vorantragstellers auch, soweit mit ihnen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken nachgewiesen wurde, sofern das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren oder vor mindestens acht Jahren zugelassen worden war. Dies galt gemäß § 25b Abs. 1 AMG ebenso im Hinblick auf die Erteilung einer Zulassung in mehr als einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Die Vorschrift war bis zum 23. Juli 2009 in Kraft und somit zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheids des Bundesamts vom 9. November 2006 beziehungsweise des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2007 anzuwenden.
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 25b in Verbindung mit § 24b Abs. 1 Satz 1 und § 23 Abs. 1 Nr. 3 AMG 2005 sind nicht ersichtlich. Der etwaige Eingriff in die Berufsfreiheit und die mit der Heranziehung der von den Beschwerdeführerinnen erstellten Ökotox-Daten zugunsten der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens verbundene Wettbewerbsverzerrung dienen einem Gemeinwohlbelang und wiegen unter dem Gesichtspunkt von Art. 12 Abs. 1 GG nicht besonders schwer.
Mit der in § 24b AMG 2005 ermöglichten Bezugnahme auf Untersuchungsergebnisse des Vorantragstellers verfolgte der Gesetzgeber das legitime Ziel, die Effizienz der Zulassungsverfahren zu erhöhen und unnötige Arzneimittelprüfungen an Menschen und Tierversuche zu vermeiden (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung -- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BTDrucks 10/5112, S. 17 f., 32; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, BTDrucks 10/5732, S. 32). Die Regelung diente jedenfalls der Verbesserung der Verwaltungseffizienz und damit der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bei der Arzneimittelzulassung, denen als Belang des Staatswohls verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. hinsichtlich der Finanzaufsicht BVerfGE 147, 50 [164 Rn. 312]). Ob und inwieweit sie daneben auch zur Vermeidung von Tierversuchen und damit dem in Art. 20a GG normierten Staatsziel des Tierschutzes (vgl. BVerfGE 110, 141 [166]; 127, 293 [328]) dient, oder ob Tierversuche -- wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen -- zur Erstellung der Ökotox-Daten im vorliegenden Fall gar nicht erforderlich sind, kann deshalb dahinstehen.
Die Regelung war auch nicht offensichtlich unzumutbar. Die Eingriffsintensität war gering, zumal § 24b AMG 2005 einen Zugriff auf die Daten des Referenzarzneimittels erst nach Ablauf einer Schutzfrist von acht Jahren erlaubte, in denen der Rechteinhaber sämtliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse uneingeschränkt entsprechend den eigenen Vorstellungen verwenden konnte. Damit hatte der Gesetzgeber den wirtschaftlichen Belangen der Rechteinhaber hinreichend Rechnung getragen.
4. Da der angegriffene Zulassungsbescheid des Bundesamts danach rechtmäßig ist, scheidet im Ergebnis auch eine Verletzung von Art. 14 GG beziehungsweise Art. 17 GRCh sowie von Art. 19 Abs. 4 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus.
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