BVerfGE 76, 107 - Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen
1. Angriffsgegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde können alle Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen sein, die Außenwirkung gegenüber Gemeinden entfalten.
2. Vor der Erhebung einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde gegen eine untergesetzliche Rechtsnorm ist, soweit statthaft, ein Normenkontrollverfahren durchzuführen. Dieses muß, soll die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde offengehalten werden, binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsnorm eingeleitet werden; mit dessen Abschluß beginnt die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG zu laufen.
3. Ein allgemeiner Eingriff in die kommunale Planungshoheit liegt nicht vor, wenn ein Gesetz den Verordnungsgeber nur zu Einschränkungen der Planungshoheit einzelner Gemeinden in räumlich klar abgegrenzten Gebieten ermächtigt. Die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie erlaubt eine derartige Sonderbelastung einzelner Gemeinden nur, wenn sie durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht erfordert wird (Anschluß BVerfGE 56, 298 [314]).
4. Soweit bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer Planungsentscheidung über Wertungen und Prognosen des Normgebers zu befinden ist, hat das Bundesverfassungsgericht seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 23. Juni 1987
-- 2 BvR 826/83 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Stadt Wilhelmshaven, ... gegen a) die Regelungen in Abschnitt B 1.5 des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen ... .
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen, soweit sie gegen die Regelungen in Abschnitt B 1.5 des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen - Teil I - (Anlage zu Artikel II des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung sowie über die Feststellung des Landes- Raumordnungsprogramms Niedersachsen - Teil I - vom 1. Juni 1982, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsbl. S. 123) gerichtet ist.
Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Beschwerdeführerin (Stadt Wilhelmshaven) wendet sich mit ihrer Kommunalverfassungsbeschwerde gegen die Regelungen des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen, durch die ein erheblicher Teil ihres Gebiets als Vorrangstandort für großindustrielle Anlagen ausgewiesen wird.
I.
Teil I des Raumordnungsprogramms ist als Gesetz erlassen worden (Anlage zu Art. II des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung sowie über die Feststellung des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen - Teil I - vom 1. Juni 1982, GVBl. S. 123-130). In dessen Abschnitt B 1.5 ist allgemein geregelt, daß aufgrund raumstruktureller Erfordernisse "Vorrangstandorte für großindustrielle Anlagen "festgelegt werden können und an diesen Standorten alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen mit der vorrangigen Zweckbestimmung vereinbar sein müssen.
Teil II des Raumordnungsprogramms ist durch Beschluß des Landesministeriums festgestellt und von dem Minister des Innern im Ministerialblatt bekanntgemacht worden (Bekanntmachung vom 16. Juni 1982, Nds.MBl. S. 717-724). In dessen Abschnitt C 206 ist die konkrete Gebietsausweisung enthalten: Knapp ein Drittel des Gebiets der Stadt Wilhelmshaven ist darin als Vorrangstandort für großindustrielle Anlagen ausgewiesen mit der Verpflichtung, daß "an diesen Standorten ... für die Ansiedlung von Großindustrie, die auf eine Lage am seeschifftiefen Fahrwasser angewiesen ist, die erforderlichen Flächen bereitzustellen" sind.
II.
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer im Mai 1983 erhobenen Verfassungsbeschwerde zunächst nur die Regelungen des als förmliches Gesetz erlassenen Teils I des Raumordnungsprogramms angegriffen. Gegen die Regelungen des Teils II des Raumordnungsprogramms leitete sie im April 1983 ein Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO bei dem Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein; erst nachdem dieses den Antrag durch Urteil vom 11. April 1986 (ZfBR 1986, S. 287) abgewiesen hatte, hat sie im Dezember 1986 ihre Verfassungsbeschwerde auf die Regelungen des Teils II erstreckt.
1. In ihrer Verfassungsbeschwerdeschrift vom 25. Mai 1983 hat die Beschwerdeführerin allgemein gerügt, daß Abschnitt B 1.5 des Teils I des Raumordnungsprogramms mit Art. 28 Abs. 2 GG unvereinbar sei: Die Regelungen griffen dadurch unzulässig in die kommunale Planungshoheit ein, daß sie die Grundlage für die Festlegungen des Teils II bildeten, der erhebliche Teile des Stadtgebiets verplane und ihr faktisch keinen eigenen Entscheidungsspielraum belasse.
Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 1983 hat die Beschwerdeführerin ergänzend ausgeführt, daß die Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Raumordnung die Regelungen des Teils I über die Festlegung von "Vorranggebieten und Vorrangstandorten" nicht decke, weil diese auf unter Umständen sehr trennscharfe Gebietsausweisungen angelegt seien und nicht mehr übergeordnete Vorgaben im Sinne einer "Raumordnung" darstellten. Faktisch würden Teilbereiche einer Kommune ihrer Planungshoheit entzogen, wie sich ganz deutlich an der Festlegung der Vorrangstandorte für großindustrielle Anlagen in Teil II des Raumordnungsprogramms zeige. Diese Ausweisung erfasse knapp ein Drittel ihres Stadtgebietes, faktisch sogar etwa die Hälfte, weil die Ausweisung in weitere Bereiche der Stadt ausstrahle. Soweit sie in erheblichem Maße binnenwärtig ausgedehnt sei, halte sie sich auch nicht mehr im Rahmen des Erfordernisses der Standortsicherung "am seeschifftiefen Fahrwasser". Schließlich sei die gesamte Festlegung auch nicht erforderlich gewesen, weil sie - die Beschwerdeführerin - ohnehin schon von sich aus in weiten Bereichen gleichgerichtete Planungsvorstellungen gehabt habe. Gleichwohl sei sie durch die staatliche Planung belastet: Diese habe eine andere Qualität als die eigene kommunale Planung, insbesondere sei der Kommune eine eigenverantwortliche Planung in Zukunft verwehrt, und in manchen Bereichen ließen sich durchaus auch andere Planungen denken.
2. In seinem Urteil vom 11. April 1986 (ZfBR 1986, S. 287) führte das Oberverwaltungsgericht zur Begründung der Abweisung des Normenkontrollantrages aus:
Der Normenkontrollantrag sei zwar gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zulässig; denn Teil II des Raumordnungsprogramms, der nicht die Form einer Rechtsverordnung aufweise, sei eine "andere im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift". Der Antrag sei aber nicht begründet. Die Festlegung des Vorrangstandortes für großindustrielle Anlagen sei nicht zu beanstanden:
Die ihr zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung ergebe sich aus § 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung (Bekanntmachung der Neufassung vom 10. August 1982, GVBl. S. 339) in Verbindung mit dem als Gesetz erlassenen Teil I des Raumordnungsprogramms. Diese Regelungen seien nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber dürfe die Exekutive ermächtigen, ausnahmsweise und in räumlich streng abgegrenzten Gebieten die Planungshoheit einzelner Gemeinden einzuschränken (vgl. BVerfGE 56, 298 [312 f.]). Dem dabei zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei Rechnung getragen: Schutzwürdige überörtliche Interessen (vgl. BVerfGE a.a.O., S. 314) seien gegeben, da Gegenstände der Vorrang-Ausweisung nur Aufgaben von höchster landesweiter Bedeutung sein könnten. Die landesgesetzliche Ermächtigung lasse auch ausreichend Abwägungsstoff für die konkretisierende Fach- und Bauleitplanung übrig.
Auch die aufgrund dieser landesgesetzlichen Ermächtigung getroffenen Festlegungen in Teil II des Raumordnungsprogramms zu Lasten der Beschwerdeführerin seien nicht zu beanstanden. Die Festlegung des Vorrangstandortes für großindustrielle Anlagen am seeschifftiefen Fahrwasser sei mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung vereinbar: Gemeinden mit seltenen und landesweit wichtigen Standortqualitäten müßten Beschränkungen ihrer Planungshoheit aufgrund schutzwürdiger überörtlicher Interessen hinnehmen. Die Entscheidung über die Nutzung solcher Standortvorteile gehöre nicht mehr zu den Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises. Durch die Festlegung des Vorrangstandortes werde die Entwicklung im Gebiet der Beschwerdeführerin auch nicht in eine völlig andere Richtung gedrängt; die Ansiedlung von Industrie am seeschifftiefen Fahrwasser entspreche weithin ihren eigenen bisherigen planerischen Vorstellungen. Ihr bleibe auch noch ausreichend Raum für eine kraftvolle und substantielle Betätigung ihrer Planungshoheit.
Dieses Urteil wurde der Beschwerdeführerin am 31. Juli 1986 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 1986 hat sie ihre Verfassungsbeschwerde auf die Regelungen in Abschnitt C 206 des Teils II des Raumordnungsprogramms erstreckt und dabei zur Begründung der Unvereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 GG auf ihre bisherigen Ausführungen und ihr Vorbringen im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Bezug genommen.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat sich für die Niedersächsische Landesregierung der Ministerpräsident geäußert. Er hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Weder die im Teil I noch die im Teil II des Raumordnungsprogramms getroffenen Regelungen verletzten das Recht der Beschwerdeführerin auf Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, denn sie ließen den Kernbereich der Selbstverwaltung unangetastet. Aus Abschnitt B 1.5 des Teils I lasse sich noch nicht ableiten, welche Gemeinden überhaupt von einer späteren Vorrangfestlegung und in welcher Weise sie betroffen würden. Auch die im Teil II des Raumordnungsprogramms gekennzeichneten Vorranggebiete und Vorrangstandorte, die unter Mitwirkung der betroffenen Gemeinden festgelegt worden seien, stellten keinen unzulässigen Eingriff in die kommunale Planungshoheit dar. Wie das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil (ZfBR 1986, S. 287 [288, 289]) zutreffend ausgeführt habe, handele es sich um herausragende Standortqualitäten am seeschifftiefen Fahrwasser, an deren langfristiger Sicherung ein landesweites wichtiges Interesse bestehe und deren Nutzung grundsätzlich nicht zum örtlichen Wirkungskreis gehöre, deren Festlegung im übrigen aber der Gemeinde noch hinreichend Spielraum für eine eigenständige Planung belasse.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie gegen die Regelungen des Teils I des Raumordnungsprogramms gerichtet ist. Im übrigen ist sie zwar zulässig; sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I.
Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den als förmliches Gesetz erlassenen Teil I des Raumordnungsprogramms gerichtet ist, unterliegt erheblichen Zweifeln, ob die Beschwerdeführerin den Anforderungen des § 92 BVerfGG entsprochen hat. Eine ausreichend substantiierte Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, daß der Beschwerdeführer sich mit dem als verfassungswidrig angegriffenen Rechtsakt auseinandersetzt und seine Beanstandungen binnen der Beschwerdefrist im einzelnen darlegt (vgl. BVerfGE 9, 109 [114 f.]; vgl. auch BVerfGE 23, 242 [250]). Ob die Verfassungsbeschwerdeschrift vom Mai 1983 diesen Anforderungen Rechnung trägt, kann indes dahingestellt bleiben. Denn die Beschwerdeführerin ist durch die von ihr angegriffenen Regelungen des Teils I des Raumordnungsprogramms schon nicht unmittelbar betroffen, wie es für die Zulässigkeit von Rechtssatzverfassungsbeschwerden erforderlich ist.
Das Erfordernis des unmittelbaren Betroffenseins ist bei der Kommunalverfassungsbeschwerde zwar insofern abzuschwächen, als die Gemeinde nicht darauf verwiesen werden kann, zunächst Vollziehungsakte, die der Umsetzung oder sonstigen Konkretisierung der Rechtsnorm dienen, abzuwarten und gegen diese im Verwaltungsrechtsweg vorzugehen; denn solche Akte könnte die Kommune nicht mehr mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angreifen, weil diese nur als Rechtssatzverfassungsbeschwerde zulässig ist (vgl. BVerfGE 71, 25 [35 f.]). Das Unmittelbarkeits-Erfordernis behält aber insofern Bedeutung, als es der Kommune verwehrt, ein Gesetz anzugreifen, das noch der Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung bedarf, um vollziehbar zu sein: Die Gemeinde muß den Erlaß der Rechtsverordnung abwarten, sie kann im Rahmen der gegen diese gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerde auch die verfassungsgerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage erreichen (vgl. BVerfGE a. a. O., S. 36). Nichts anderes gilt bei der Konkretisierung eines Gesetzes durch andere untergesetzliche Rechtsnormen, soweit gegen diese die Kommunalverfassungsbeschwerde eröffnet ist.
Nach diesen Maßstäben ist die von der Beschwerdeführerin erhobene Verfassungsbeschwerde insoweit unzulässig, als sie gegen die Regelungen des Teils I des Raumordnungsprogramms gerichtet ist. Die hierin enthaltenen und von der Beschwerdeführerin angegriffenen Vorschriften über Vorrangstandorte für großindustrielle Anlagen weisen als solche noch keinerlei konkreten Bezug zum Gebiet der Beschwerdeführerin auf. Sie bestimmen nur abstrakt mit einem solchen Vorrangstandort verbundene rechtliche Wirkungen und enthalten die Ermächtigungsgrundlage für die konkretisierenden Festlegungen, die in Abschnitt C 206 des Teils II erfolgt sind. Diese Regelungen des Teils II können ihrerseits mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angegriffen werden, wie im folgenden (unter II. 1) dargelegt ist.
II.
Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen die Festlegungen des Teils II des Raumordnungsprogramms gerichtet ist, ist sie zulässig.
1. Die Regelungen des Teils II des Raumordnungsprogramms stellen einen zulässigen Angriffsgegenstand im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und des § 91 BVerfGG dar.
Als "Gesetz" im Sinne dieser Vorschriften sind alle vom Staat erlassenen Rechtsnormen anzusehen, die Außenwirkung gegenüber einer Kommune entfalten. Dies ist für Rechtsverordnungen bereits in den Entscheidungen BVerfGE 26, 228 (236); 56, 298 (309); 71, 25 (34) ausdrücklich ausgesprochen worden. Es gilt gleichermaßen auch für alle anderen Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen, weil auch bei ihnen der maßgebliche Gesichtspunkt zutrifft, daß andernfalls eine mit der Rechtsschutzfunktion der Kommunalverfassungsbeschwerde unvereinbare Lücke entstünde (vgl. BVerfGE 26, 228 [236]).
Die Regelungen des Teils II des Raumordnungsprogramms sind in diesem Sinne - mit der Kommunalverfassungsbeschwerde angreifbare - untergesetzliche Rechtsnormen. Dieser Qualifizierung steht ihre Bekanntmachung im Ministerialblatt nicht entgegen; Teil II ist als Beschluß der Landesregierung generell - ohne konkret-individuelle Bekanntgabe an die einzelnen Betroffenen - bekanntgemacht worden. Inhaltlich weisen die Regelungen neben Elementen eines Einzelakts auch normative Elemente auf. Insofern sind sie sonstigen baurechtlichen und raumbezogenen Regelungen, insbesondere Bauleitplänen, vergleichbar; letztere hat der Bundesgesetzgeber von Gesetzes wegen als Satzungen und damit als Rechtsnormen qualifiziert (§ 10 des Baugesetzbuches vom 8. Dezember 1986, BGBl. I S. 2253; ebenso früher § 10 des Bundesbaugesetzes, Bekanntmachung vom 18. August 1976, BGBl. I S. 2257).
2. Das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist ebenfalls erfüllt.
Ein Rechtsweg kann bei untergesetzlichen Rechtsnormen vor allem durch § 47 VwGO eröffnet sein. Daß ein solcher Rechtsweg zunächst erschöpft werden muß, hat das Bundesverfassungsgericht bereits ausgesprochen (vgl. BVerfGE 70, 35 [53 f.]; vgl. auch BVerf- GE 71, 305 [335 f.]). Hiergegen kann nicht eingewendet werden, daß mit der abweisenden Entscheidung die Wirksamkeit der Rechtsnorm im Verhältnis der Parteien zueinander rechtskräftig feststehe (vgl. BVerwGE 68, 306). Diese Bindungswirkung gilt nicht absolut; sie hindert das Bundesverfassungsgericht nicht, die Rechtsnorm noch seinerseits wegen Unvereinbarkeit mit Bundes- (verfassungs) recht für verfassungswidrig und nichtig zu erklären (vgl. BVerfGE 69, 112 [116 ff., insbes. 118]). Die Anwendbarkeit des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG kann nur bei Rechtssatzverfassungsbeschwerden gegen förmliche Gesetze - im Hinblick darauf, daß für die prinzipale Kontrolle förmlicher Gesetze die Verfassungsgerichte ausschließlich zuständig sind - grundsätzlich verneint werden (vgl. hierzu BVerfGE 2, 292 [295]; 3, 34 [36]; vgl. auch BVerfGE 15, 126 [132]; 49, 1 [10]).
Dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung hat die Beschwerdeführerin Rechnung getragen, indem sie vor der Erhebung ihrer Kommunalverfassungsbeschwerde gegen die untergesetzlichen Regelungen des Teils II des Raumordnungsprogramms diese im Wege des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO überprüfen ließ (siehe das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, ZfBR 1986, S. 287).
3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch fristgerecht erhoben worden.
Für die Kommunalverfassungsbeschwerde, die nach den Regelungen des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und des § 91 Satz 1 BVerfGG nur gegen Rechtsnormen gerichtet werden kann, gilt wie für alle Rechtssatzverfassungsbeschwerden die Fristvorschrift des § 93 Abs. 2 BVerfGG. Ist vor Erhebung dieser Verfassungsbeschwerde zunächst gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ein fachgerichtlicher Rechtsweg zu erschöpfen, so muß der Beschwerdeführer innerhalb der für diesen Rechtsweg bestimmten Frist das fachgerichtliche Verfahren einleiten. Ein solcher Rechtsweg wird durch die §§ 40, 47 VwGO eröffnet. In diesem Verfahren ist eine Antragsfrist nicht vorgesehen, doch ergibt sich aus Sinn und Zweck des § 93 Abs. 2 BVerfGG, daß das fachgerichtliche Verfahren - soll die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde offengehalten werden - innerhalb der in § 93 Abs. 2 BVerfGG vorgesehenen Jahresfrist eingeleitet werden muß. Dieser Fristbestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß Verfassungsbeschwerden, die sich unmittelbar gegen die Gültigkeit von Gesetzen (Rechtsnormen) richten, nicht beliebig, sondern nur innerhalb eines begrenzten Zeitraumes zulässig sein sollen. Mit Abschluß des fachgerichtlichen Verfahrens beginnt die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG zu laufen.
Diesen Fristanforderungen hat die Beschwerdeführerin Rechnung getragen: Sie hat binnen eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Teils II des Raumordnungsprogramms das Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO eingeleitet und nach dessen Abschluß wiederum binnen der nunmehr erneut in Lauf gesetzten Jahresfrist die Rechtssatzverfassungsbeschwerde erhoben.
4. Die Beschwerdeführerin ist durch die von ihr angegriffenen Regelungen des Teils II des Raumordnungsprogramms auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Zweifel daran, daß die Regelungen sie selbst und gegenwärtig betreffen, sind nicht ersichtlich. Aber auch das Unmittelbarkeits-Erfordernis (hierzu vgl. oben I.) ist erfüllt:
Die Ausweisung von Vorrangstandorten für großindustrielle Anlagen auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin bedarf - anders als die abstrakteren Regelungen des Teils I (vgl. oben I.) - weder rechtsnotwendig noch nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einer weiteren Umsetzung oder sonstigen Konkretisierung durch andere Rechtsnormen. Ob hingegen eine weitere Umsetzung durch Einzelakte noch aussteht, bedarf keiner Prüfung; denn ein solcher Gesichtspunkt könnte der Zulässigkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde nicht entgegengehalten werden (vgl. oben I. und BVerfGE 71, 25 [35 f.]).
5. Schließlich ist die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und § 91 Satz 1 BVerfGG auch deshalb dann zulässig, weil mit ihr ein Sachverhalt dargetan wird, aufgrund dessen der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG betroffen sein könnte (vgl. BVerfGE 71, 25 [36 f.]).
Die Beschwerdeführerin hat mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Regelungen des Teils II des Raumordnungsprogramms die Möglichkeit eines Eingriffs in ihre örtliche Bauleitplanung dargetan. Diese zählt zum Umkreis der Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises der Gemeinde (vgl. BVerfGE 50, 195 [201]); als hoheitliche Befugnis unterfällt die Bauleitplanung dem Schutzbereich der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 56, 298 [310, 317 f.]), unabhängig davon, ob und inwieweit sie auch zum unantastbaren Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung gehört (offengelassen in BVerfGE 56, 298 [312 f.]).
6. Die gegen die Regelungen des Teils II gerichtete Kommunalverfassungsbeschwerde scheitert ferner nicht an der Subsidiaritätsklausel des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b letzter Halbsatz GG und des § 91 Satz 2 BVerfGG. Nach Art. 42 der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung und § 13 des niedersächsischen Gesetzes über den Staatsgerichtshof kann eine Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung beim Staatsgerichtshof nicht erhoben werden (vgl. BVerfGE 59, 216 [225]).
III.
Soweit die Verfassungsbeschwerde mithin zulässig ist, ist sie jedoch unbegründet. Die Regelung in Abschnitt C 206 des Teils II des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen verletzt das Recht der Beschwerdeführerin auf Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht.
1. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG darf der Staat die Selbstverwaltung der Gemeinden nicht nur durch förmliche Gesetze, sondern auch durch untergesetzliche Rechtsnormen ausgestalten und einschränken, die auf einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht für Rechtsverordnungen bereits ausgesprochen (BVerfGE 26, 228 [237]; 56, 298 [309]). Es gilt in gleicher Weise für andere Arten von untergesetzlichen Rechtsnormen und damit auch für das vorliegende Raumordnungsprogramm. Voraussetzung bleibt freilich auch insofern, daß diese auf einer hinreichenden, mit dem Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG übereinstimmenden Ermächtigung beruhen. Daß die gesetzliche Ermächtigung zu Teil II des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen in den §§ 4, 5 des Niedersächsischen Gesetzes über Raumordnung und Landesplanung (NROG) i. d. F. vom 10. August 1982 (GVBl. S. 339) i. V. m. Teil I des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt ist, hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend dargelegt (ZfBR 1986, S. 287).
2. Die ermächtigende gesetzliche Regelung ist ihrerseits mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar.
a) Hiernach können aufgrund raumstruktureller Erfordernisse "Vorrangstandorte für großindustrielle Anlagen" festgelegt werden; im Falle einer solchen Festlegung müssen an diesen Standorten alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen mit der vorrangigen Zweckbestimmung vereinbar sein. Damit wird die Freiheit der Beschwerdeführerin zur Bauleitplanung beschränkt.
b) Der darin liegende Eingriff in die Planungshoheit der Beschwerdeführerin verletzt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nicht.
Diese Bestimmung gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Der Vorbehalt "im Rahmen der Gesetze" überläßt dem Gesetzgeber (und dem hinreichend ermächtigten Verordnungs- oder Plangeber) die Ausgestaltung des Bereichs gemeindlicher Selbstverwaltung nicht beliebig; er findet seine Grenze am Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Hiernach darf der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung durch den Gesetzgeber nicht ausgehöhlt werden (BVerfGE 1, 167 [174 f.]; 38, 258 [278 f.]). Was zum Kernbereich zählt, läßt sich nicht allgemein, sondern nur von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung vor allem der geschichtlichen Entwicklung und der verschiedenen historischen Erscheinungsformen der kommunalen Selbstverwaltung feststellen (BVerfGE 11, 266 [274 f.]; st. Rspr.).
Ob und inwieweit die Planungshoheit zum unantastbaren Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung gehört, ist in der Literatur umstritten; der Senat hat dies in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 1980 offengelassen (BVerfGE 56, 298 [312 f.] m. w. N.). Auch der vorliegende Rechtsstreit erfordert keine Entscheidung dieser Frage. Denn Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG als eine Garantie der Einrichtung "Kommunale Selbstverwaltung" gewährleistet den Wirkungskreis der Gemeinden in ihrem Kernbereich nur institutionell, nicht ohne weiteres auch individuell (vgl. unten c). Gesetzliche Einwirkungen auf die Selbstverwaltung lediglich einzelner Gemeinden können verfassungsrechtlich daher zulässig sein, wenn sie diesen Gemeinden bestimmte Selbstverwaltungsrechte teilweise entziehen. Auf diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, daß ein allgemeiner Eingriff in die kommunale Planungshoheit nicht vorliegt, wenn ein Gesetz den Verordnungsgeber nur ausnahmsweise zu Einschränkungen der Planungshoheit einzelner Gemeinden in räumlich klar abgegrenzten Gebieten ermächtigt (vgl. BVerfGE 56, 298 [313]).
Auch hier handelt es sich nur um einen konkreten Eingriff in die Planungshoheit einzelner Gemeinden. Dabei ist unerheblich, ob der Gesetzgeber die betroffenen Gemeinden schon selbst im Blick hatte oder ihre Auswahl weitgehend dem Ermessen des Verordnungs- oder Plangebers anheimgab. Jedenfalls die Ermächtigung zur Festlegung von Vorrangstandorten im Abschnitt B 1.501 des Teils I des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen sieht einen konkreten Zugriff nur auf einzelne Gemeinden vor. Das ergibt sich schon aus dem Begriff des Vorrangstandortes; dessen Ausweisung dient der Erfüllung von Einzelaufgaben überörtlicher, nach Auslegung des Oberverwaltungsgerichts landesweiter Bedeutung.
c) Das bedeutet nicht, daß die betroffenen Gemeinden einem solchen Zugriff schutzlos preisgegeben wären. Auszugehen ist hier von dem Gedanken, daß ihnen im Vergleich zu anderen Gemeinden eine Sonderbelastung auferlegt wird. Diese darf zunächst nicht willkürlich sein, muß also einen zureichenden Grund in der Wahrung überörtlicher Interessen besitzen. Freilich genügt nicht jedes überörtliche Interesse. Vielmehr muß der Eingriff in die Planungshoheit der einzelnen Gemeinde gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein. Die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie erlaubt mithin eine Einschränkung der Planungshoheit einzelner Gemeinden nur, wenn und soweit diese durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht erfordert werden (vgl. BVerfGE 26, 228 [241, 244 f.]; 56, 298 [313 f.]).
Soweit die gesetzliche Ermächtigung zur Festlegung von Vorrangstandorten für großindustrielle Anlagen selbst Voraussetzungen und Wirkungen solcher Festlegungen regelt, ist sie ihrerseits bereits an diesen Maßstäben zu überprüfen. Sie genügt diesen Anforderungen. Sie dient dem überörtlichen Interesse an der Errichtung und dem Betrieb solcher Anlagen. Das Oberverwaltungsgericht hat zudem ausgesprochen, daß Gegenstand der Vorrangausweisung nur Aufgaben von höchster landesweiter Bedeutung sein können (ZfBR 1986, S. 287 [unter 1 bb]). Die staatliche Festlegung von Vorrangstandorten ist zur Sicherung des Raumbedarfs dieser Anlagen fraglos geeignet. Sie ist hierzu in dem vom Gesetz gezogenen Rahmen auch erforderlich. Zum einen kommt nach der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht eine Vorrangsausweisung nur in Betracht, wenn sie für die raumstrukturelle Landesentwicklung "zwingend erforderlich" ist (ZfBR 1986, S. 287 [unter 1 aa]). Zum anderen ist das Zusammenspiel von Abschnitt B 1.202 und Abschnitt B 1.5 des Teils I des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen zu beachten. Nur wenn und soweit den Gemeinden selbst die räumliche Zusammenfassung von Bereichen auch für solche Gewerbeansiedlungen, die in ihrer Bedeutung oder in ihrem Umfang über die Gemeinde hinaus wirken, an geeigneten Standorten wegen des Gewichts des überörtlichen Interesses nicht überlassen bleiben kann, besteht Raum für den staatlichen Eingriff. Schließlich ist die Ermächtigung auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere bleibt Raum für eine Abwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 56, 298 [315 f.]; OVG Lüneburg, ZfBR 1986, S. 287); erst im Einzelfall muß sich erweisen, ob dem jeweiligen Raumordnungsbelang auch angesichts der prinzipiellen gemeindlichen Autonomie zu Recht der Vorrang vor dieser eingeräumt worden ist (vgl. unten 3.).
d) Nach allem kann eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Ermächtigungsregelung nicht festgestellt werden.
3. Auch die Regelungen in Abschnitt C 206 des Teils des Landes- Raumordnungsprogramms Niedersachsen sind mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar.
a) Durch diese Bestimmungen wird knapp ein Drittel des Gemeindegebietes der Beschwerdeführerin als "Vorrangstandort für großindustrielle Anlagen" festgelegt und bestimmt, daß "an diesen Standorten ... für die Ansiedlung von Großindustrie, die auf eine Lage am seeschifftiefen Fahrwasser angewiesen ist, die erforderlichen Flächen bereitzustellen" sind; aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich ergänzend, daß alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der Beschwerdeführerin mit der festgelegten vorrangigen Zweckbestimmung vereinbar sein müssen. Dies bedeutet nach der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht, daß jedenfalls eine mit der Sicherung der erforderlichen Flächen unvereinbare Planung ausgeschlossen ist (ZfBR 1986, S. 287 [289]).
b) Dieser unmittelbare Zugriff auf die freie Ausübung der Planungshoheit der Beschwerdeführerin ist an den oben unter 2.c) entwickelten Maßstäben zu überprüfen. Es kommt also auch und gerade hier darauf an, ob überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Eingriff auch im Einzelfall erfordern (vgl. BVerfGE 56, 298 [314]). Dabei ist freilich zu beachten, daß bei einer Planungsentscheidung der vorliegenden Art dem Normgeber gesetzlich eine Gestaltungsbefugnis und damit die Kompetenz eingeräumt ist, die erforderliche Abwägung selbst vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht kann nicht seine eigene Abwägung an die Stelle derjenigen des Normgebers setzen; es hat nur zu prüfen, ob sich diese in den verfassungsrechtlich vorgezeichneten Grenzen hält. Hierfür ist maßgebend, ob der erhebliche Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und ob anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind. Soweit hierbei über Wertungen und Prognosen zu befinden ist, hat das Bundesverfassungsgericht seine Nachprüfungen darauf zu beschränken, ob diese Einschätzungen und Entscheidungen offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen. Nur unter diesen Einschränkungen kann es schließlich die Regelung im Ergebnis daraufhin überprüfen, ob sie das Willkürverbot beachtet und verhältnismäßig ist, insbesondere der Bedeutung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 50, 195 [202]; 56, 298 [319 ff.]).
c) Die Überprüfung der fraglichen Regelungen des Teils II des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen an diesen Maßstäben ergibt keinen Anlaß zu Beanstandungen:
Das Gebot, den für die beabsichtigte Planung erheblichen Sachverhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln, umfaßt insbesondere die Pflicht des Normgebers, die individuell betroffene Gemeinde anzuhören. Diese Pflicht ist Ausfluß der Selbstverwaltungsgarantie wie des Rechtsstaatsgebotes (BVerfGE 50, 195 [202 f.]; 56, 298 [320 ff.]). Ihr wurde hier Genüge getan; die Beschwerdeführerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt (vgl. Nds. Landtag, Sten. Ber., 68. Sitzung, 9/8986). Auch im übrigen bestehen keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte oder unvollständige Sachverhaltsermittlung; die Beschwerdeführerin selbst behauptet einen derartigen Mangel nicht.
Der Normgeber hat weiterhin alle sachlich beteiligten Belange und Interessen berücksichtigt und umfassend und nachvollziehbar gegeneinander abgewogen (vgl. LTDrucks. 9/2602, insb. S. 22 f., 23 f., 26, 33 f., 47 f.; Sten. Ber., 68. Sitzung, 9/8975 ff., insb. 8982 f., 83. Sitzung, 9/11 127 ff., insb. 11 132 f., 11 137 f.; vgl. auch OVG Lüneburg, ZfBR 1986, S. 287 [288]).
Ferner ist nicht erkennbar, daß die Einschätzungen und Entscheidungen des Normgebers offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar oder mit der verfassungsrechtlichen Ordnung unvereinbar wären. Er hat angenommen, daß die Ansiedlung von Großindustrie für die raumstrukturelle Entwicklung des Landes von herausragender Bedeutung sei. Während es im Binnenland der eigenen Planung der Gemeinden überlassen bleiben könne, hierfür benötigte Flächen bereitzustellen, müsse das Land für solche großindustrielle Anlagen, die auf Zugang zum seeschifftiefen Fahrwasser angewiesen sind, die erforderlichen Flächen selbst sichern; denn es gebe landesweit nur fünf solche Standorte, die deshalb für derartige Industrieansiedlungen dringend benötigt würden. Das Bundesverfassungsgericht kann diese Einschätzungen nur in dem aufgezeigten eingeschränkten Umfang gerichtlich nachprüfen. Anlaß zu Beanstandungen gibt es insoweit nicht.
Schließlich ist auch das Ergebnis der Planungsentscheidung - der konkrete Eingriff in die Planungshoheit der Beschwerdeführerin - verfassungsrechtlich bedenkenfrei.
Zur Sicherung der dargestellten überörtlichen Interessen ist es fraglos geeignet und erforderlich, im Wege des staatlichen Eingriffs in die Planungshoheit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu nehmen, aus eigener Kompetenz für das betroffene Gebiet abweichende Planziele festzulegen oder zu verfolgen. Daß der Normgeber insoweit auch die Einbeziehung diesseits der inneren Deichlinie gelegener Flächen und dabei des sogenannten Sengwarden-Landes für erforderlich gehalten hat, kann ebenfalls verfassungsgerichtlich nicht beanstandet werden. Damit soll die Ansiedlung von Industriebetrieben mit großem Raumbedarf sowie - nach Maßgabe einer gestuften gemeindlichen Nutzungsartfestsetzung - von gewerblichen Nebenbetrieben, aber auch die Planung der erforderlichen Erschließungs-, Versorgungs- und Immissionsschutzeinrichtungen ermöglicht werden.
Der Eingriff ist aber auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Der Normgeber hat insbesondere der Bedeutung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie Rechnung getragen und beanstandungsfrei angenommen, daß der Eingriff der Beschwerdeführerin - auch unter Berücksichtigung des Anteils der erfaßten Flächen an ihrem Gesamtgebiet - zumutbar sei. Denn Gemeinden mit derart seltenen oder gar einmaligen Standortvorteilen unterliegen schon von ihrer geographischen Lage her einer gewissen "Situationsgebundenheit". Demzufolge hält sich die staatliche Vorrangausweisung in der Linie der geschichtlichen Entwicklung der Beschwerdeführerin. Sie entspricht auch in vielen Bereichen deren eigenen planerischen Vorstellungen und weicht lediglich im Sengwarden-Land von diesen ab. Auch hier aber läßt die Festlegung des Vorrangstandortes noch substantiellen Raum für konkretisierende Fach- und Bauleitplanungen (vgl. OVG Lüneburg, ZfBR 1986, S. 287 [288 f.]).
d) Das Bedenken schließlich, die Vorrangausweisung werde ausufernd angewendet, kann nicht der Norm, sondern muß dem Anwendungsakt entgegengehalten werden. Dies wäre gegebenenfalls Sache fachgerichtlicher Überprüfung. Auch bei der Anwendung der Norm müssen die vom Oberverwaltungsgericht herausgearbeiteten Einschränkungen sowie das verfassungsrechtliche Erfordernis schutzwürdiger überörtlicher Interessen genau beachtet werden.
 
C.
Diese Entscheidung ist im Ergebnis einstimmig ergangen.
Zeidler, Niebler, Steinberger, Träger, Mahrenholz, Böckenförde, Klein, Graßhof