BVerfGE 74, 69 - Subsidiarität der Gesetzesverfassungsbeschwerde
Zur Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 2. Dezember 1986
-- 1 BvR 1509/83 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart, vertreten durch den Intendanten Prof. Dr. Hans Bausch, Neckarstraße 230, Stuttgart 1, - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. Konrad Redeker, Prof. Dr. Hans Dahs, Dr. Dieter Sellner, Dr. Klaus. D. Becker, Ulrich Keller, Ulrike Börger, Oxfordstraße 24/III, Bonn 1 - gegen § 111 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1971 (GBl. S. 428) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg vom 18. Oktober 1982 (GBl. S. 461).
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
 
Gründe:
 
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich unmittelbar gegen § 111 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg, der seine Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kontrolle des Rechnungshofes unterwirft.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist zur Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen und zum Betrieb von Rundfunksendeanlagen im Gebiet des ehemaligen Landes Württemberg-Baden in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet worden (§ 2 des Gesetzes Nr. 1096 -- Rundfunkgesetz -- vom 21. November 1950 [Württ.-Bad. RegBl. 1951, S. 1]). Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Rundfunkgesetz hat er das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen dieses Gesetzes. Weder das Rundfunkgesetz noch die Satzung des Beschwerdeführers, die nach § 3 Abs. 1 Rundfunkgesetz Bestandteil des Gesetzes ist, sehen eine Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Rechnungshof vor. Sie beschränken sich auf eine interne anstaltsautonome Finanzkontrolle. Die Satzung bestimmt, daß der Jahresabschluß durch einen öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer überprüft und anschließend vom Verwaltungsrat festgestellt wird.
2. Im Zuge der Finanzreform in Bund und Ländern wurde die Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg vom 19. Oktober 1971 (GBl. S. 428) -- LHO -- erlassen. Sie enthält für den Bereich der öffentlichen Verwaltung des Landes in §§ 88 bis 104 Bestimmungen über die Rechnungsprüfung. In diesen sind die Aufgaben des Rechnungshofes, Gegenstand, Inhalt und Art seiner Prüfung, die Auskunfts- und Vorlagepflichten der prüfungsunterworfenen Stellen sowie Inhalt und Adressaten des Prüfungsberichts geregelt. §§ 105 bis 112 LHO enthalten Vorschriften für landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 LHO prüft der Rechnungshof deren Haushalts- und Wirtschaftsführung.
Nach Inkrafttreten der Landeshaushaltsordnung vertrat der Rechnungshof die Ansicht, der Beschwerdeführer sei landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts; seine Haushalts- und Wirtschaftsführung sei daher nach § 111 Abs. 1 LHO zu prüfen. Der Beschwerdeführer trat dem entgegen. Der Landtag schloß sich in der Sitzung vom 28. Mai 1975 der Auffassung des Rechnungshofes an (Verhandlungen des Landtags, 6. WP., S. 5967). Einer Aufforderung des Rechnungshofes, ihm den Jahres- und Geschäftsbericht 1974 sowie den Prüfungsbericht des Wirtschaftsprüfers zu überlassen, kam der Beschwerdeführer jedoch ebensowenig nach wie einem entsprechenden Erlaß des Kultusministers vom 22. Februar 1978, der von der Landesregierung aufgefordert worden war, Aufsichtsmaßnahmen einzuleiten. Eine endgültige Klärung der streitigen Frage wurde nicht erreicht.
3. Die Fraktion der CDU brachte daher im April 1982 einen Gesetzentwurf zur Änderung der Landeshaushaltsordnung ein, durch den klargestellt werden sollte, daß der Beschwerdeführer der Prüfung durch den Landesrechnungshof unterliege. Hierzu sollte in § 111 LHO ein neuer Absatz 3 eingefügt werden, nach dem Absatz 1 auch für den Beschwerdeführer gelte. In der Begründung des Gesetzentwurfes wurde auf die unterschiedliche Auslegung des § 111 Abs. 1 LHO durch Landtag und Landesregierung einerseits und den Beschwerdeführer andererseits hingewiesen. Um die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsunsicherheit zu beseitigen, solle "die Rechtsauffassung des Landtags jetzt in Gesetzesform gefaßt werden" (LTDrucks. 8/2564, S. 3). In den Beratungen des Gesetzentwurfes war umstritten, ob die Prüfungsbefugnis des Rechnungshofes bereits nach der bisherigen Gesetzeslage bestehe oder ob sie erst durch die vorgesehene Änderung des § 111 LHO begründet werde (vgl. Plenarprotokolle des Landtags, 8. WP., S. 4191 ff.).
Die Vorschrift lautet nunmehr in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württemberg vom 18. Oktober 1982 (GBl. S. 461):
    § 111 Prüfung durch den Rechnungshof
    (1) Der Rechnungshof prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung der landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Die §§ 89 bis 99, §§ 102, 103 sind entsprechend anzuwenden.
    (2) ...
    (3) Absatz 1 gilt auch für den Süddeutschen Rundfunk. Zuständige Stellen im Sinne von § 96 sind der Intendant, der Verwaltungsrat und der Rundfunkrat.
Das Gesetz ist am 10. November 1982 in Kraft getreten.
II.
1. Mit seiner am 4. November 1983 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen § 111 Abs. 3 LHO. Er macht geltend, die Befugnis des Rechnungshofes, seine Haushalts- und Wirtschaftsführung zu kontrollieren, verstoße gegen die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Zu der Frage der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde trägt er im wesentlichen vor:
Er werde durch die angegriffene Vorschrift unmittelbar in seiner Rundfunkfreiheit betroffen. Die Jahresfrist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde (§ 93 Abs. 2 BVerfGG) sei gewahrt. Maßgebend für deren Beginn sei nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Landeshaushaltsordnung, sondern derjenige des Änderungsgesetzes: Die Einfügung des Absatzes 3 in § 111 LHO habe die frühere Gesetzeslage grundlegend geändert. Satz 2 der angegriffenen Bestimmung sei völlig neu. Durch Satz 1 sei der Beschwerdeführer im Wege einer konstitutiven gesetzlichen Fiktion für den Bereich der Kontrolle des Rechnungshofs den landesunmittelbaren juristischen Personen gleichgestellt worden. Unstreitig habe gerade die Unklarheit über die frühere Rechtslage den Gesetzgeber zum Erlaß des Änderungsgesetzes veranlaßt. Räume eine gesetzliche Neuregelung ernsthafte Zweifel über den Anwendungsbereich einer bestehenden Gesetzesregelung aus, so werde die Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG neu in Lauf gesetzt.
2. Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde haben sich der Präsident des Landtags von Baden-Württemberg sowie namens der Landesregierung das Staatsministerium Baden-Württemberg geäußert. Der Präsident des Landtags hat hierzu im einzelnen den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens dargestellt. Das Staatsministerium ist der Auffassung, daß durch die Änderung der Landeshaushaltsordnung die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG nicht neu in Lauf gesetzt worden sei; § 111 Abs. 3 LHO habe die bereits zuvor bestehende Rechtslage nur im Wege einer Klarstellung bestätigt.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Zwar ist die Jahresfrist des § 93 Abs. 2 BVerfGG gewahrt. Doch steht der Zulässigkeit der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.
I.
Es kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführer zu den landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu zählen ist und daher bereits nach § 111 Absatz 1 der Landeshaushaltsordnung in der Fassung vom 19. Oktober 1971 der Prüfung durch den Rechnungshof unterlag. Denn die Frist des § 93 Abs. 2 BVerfGG hat in jedem Falle erst mit dem Inkrafttreten des § 111 Abs. 3 LHO begonnen.
Diese Frist wird erneut in Lauf gesetzt, wenn der Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer Norm eindeutiger als bisher bestimmt und ihr damit einen neuen Inhalt gibt (vgl. BVerfGE 11, 351 [359 f.]). Das ist mit der Einfügung der angegriffenen Vorschrift in die Landeshaushaltsordnung geschehen. Der Form nach liegt eine neue Norm vor, weil Artikel 1 des Änderungsgesetzes vom 18. Oktober 1982 den § 111 LHO ergänzt hat. Inhaltlich handelt es sich ebenfalls um eine Neuregelung. § 111 Abs. 3 Satz 2 LHO enthält eine dem früheren Recht unbekannte Sondervorschrift gerade für den Beschwerdeführer, die den Inhalt der in Absatz 1 in Bezug genommenen Vorschriften partiell modifiziert. Aber auch § 111 Abs. 3 Satz 1 enthält materiell eine Neuregelung: Durch diese Bestimmung hat der Gesetzgeber verbindlich festgelegt, daß der Beschwerdeführer wie eine landesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts der Prüfung durch den Rechnungshof unterliegt. Die Landtagsmehrheit hat mit der Vorschrift den Zweck verfolgt, in dem Streit über die Auslegung des § 111 Abs. 1 LHO und damit über dessen Reichweite eine Entscheidung zugunsten der Auffassung des Rechnungshofes herbeizuführen. Wenn der Gesetzgeber selbst es für geboten hielt, den Anwendungsbereich des § 111 Abs. 1 LHO durch eine ergänzende gesetzliche Regelung zu präzisieren, so kann dem Beschwerdeführer nicht entgegengehalten werden, er hätte bereits die Bestimmung des § 111 Abs. 1 LHO mit der Verfassungsbeschwerde angreifen müssen.
II.
1. Der Beschwerdeführer ist durch die angegriffene Bestimmung selbst und gegenwärtig betroffen. Zweifelhaft könnte sein, ob auch das Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit erfüllt ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls dann zu verneinen, wenn es zur Durchführung der angegriffenen Vorschrift eines besonderen Vollzugsaktes bedarf (vgl. BVerfGE 68, 319 [325] m.w.N.). Als ein solcher Vollzugsakt käme hier die Aufforderung des Rechnungshofes in Betracht, ihm Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, oder Auskünfte zu erteilen (§ 95 LHO).
2. Auch eine unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit läßt indessen nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht stets eine abschließende Feststellung der Zulässigkeit der gegen eine Rechtsnorm gerichteten Verfassungsbeschwerde zu (vgl. BVerfGE 68, 319 [325]; 70, 35 [53 f.]; 71, 305 [335]). Die Unzulässigkeit einer solchen Verfassungsbeschwerde kann sich daraus ergeben, daß der Beschwerdeführer, obwohl gegen die Norm selbst kein fachgerichtlicher Rechtsweg eröffnet ist, in zumutbarer Weise einen wirkungsvollen Rechtsschutz zunächst durch Anrufung der Fachgerichte erlangen kann. Dann steht der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Rechtsnorm der Grundsatz der Subsidiarität entgegen (vgl. BVerfGE 71, 305 [336]). So verhält es sich hier.
a) Es gehört zu den Aufgaben eines jeden Gerichts, im Rahmen seiner Zuständigkeit bei Verfassungsverletzungen Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfGE 47, 144 [145]; 68, 376 [380]). Handelt es sich um ein förmliches Gesetz und teilt das Fachgericht die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken, so setzt es das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aus und führt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbei. Im anderen Fall ist gegen die letztinstanzliche Entscheidung die Verfassungsbeschwerde gegeben. Dadurch ist gewährleistet, daß dem Bundesverfassungsgericht nicht nur die abstrakte Rechtsfrage, sondern auch die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch ein für die Materie speziell zuständiges Gericht unterbreitet wird. Insoweit enthält der Grundsatz der Subsidiarität eine generelle Aussage über die Aufgabenverteilung zwischen Bundesverfassungsgericht und Fachgerichten (vgl. BVerfGE 49, 252 [258]; 55, 244 [247]). Er trägt auf diese Weise dazu bei, den Rechtsschutz den besonderen Funktionen von Bundesverfassungsgericht und Fachgerichten entsprechend auszugestalten (vgl. BVerfGE 51, 130 [139]; 69, 122 [125 f.]).
Diese Gesichtspunkte fallen vor allem dann ins Gewicht, wenn das angegriffene Gesetz der Verwaltung oder den Gerichten einen Auslegungs- oder Entscheidungsspielraum läßt; sie gelten aber grundsätzlich auch dann, wenn ein solcher Spielraum fehlt (BVerfGE 58, 81 [104 f.]; 71, 25 [35]; 72, 39 [43 f.]). Auch in diesem Fall fordert der Grundsatz der Subsidiarität, daß zunächst die für das jeweilige Rechtsgebiet zuständigen Fachgerichte eine Klärung darüber herbeiführen, ob und in welchem Ausmaß ein Beschwerdeführer durch die beanstandete Regelung in seinen Rechten betroffen ist und ob die Regelung mit der Verfassung vereinbar ist. Kommen die Fachgerichte hierbei zur Auffassung, die angegriffene Regelung sei verfassungswidrig, so ist hierzu nach Art. 100 Abs. 1 GG zwar die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Dann ist aber auch gewährleistet, daß sich die verfassungsgerichtliche Beurteilung auf umfassend geklärte Tatsachen und auf die Beurteilung der Fachgerichte stützen kann.
b) Dem Beschwerdeführer steht der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg offen, der zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung des § 111 Abs. 3 LHO führt.
Auseinandersetzungen darüber, ob und in welchem Umfang ein Rechnungshof zur Prüfung berechtigt ist, sind nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, für die nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. OVG Münster, NJW 1980, S. 137; OVG Lüneburg, DVBl. 1984, S. 837; ferner BVerwG, DÖV 1986, S. 518). Gegen die Aufforderung des Rechnungshofes, ihm Unterlagen zu übersenden oder Auskünfte zu erteilen, kann der Beschwerdeführer daher die Verwaltungsgerichte anrufen. Sollte in einer solchen Aufforderung kein Verwaltungsakt zu sehen sein, so wäre jedenfalls eine verwaltungsgerichtliche Unterlassungsklage zulässig. In Betracht käme auch eine Klage nach § 43 Abs. 1 VwGO auf Feststellung, daß ein Prüfungsrecht des Rechnungshofes nicht besteht. Der Zulässigkeit einer solchen Klage stünde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1983, S. 2208) nicht entgegen, daß die Entscheidung des Rechtsstreits im wesentlichen von der Gültigkeit des § 111 Abs. 3 LHO abhängt. Da der Rechnungshof gegenüber dem Beschwerdeführer ein Prüfungsrecht behauptet, dürfte der Beschwerdeführer auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung haben.
Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit hätten in diesen Verfahren auch zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Auslegung § 111 Abs. 3 LHO mit höherrangigem Recht, namentlich mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist. Soweit die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG vorliegen, wäre die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Anderenfalls bliebe es dem Beschwerdeführer unbenommen, nach Erschöpfung des Rechtswegs Verfassungsbeschwerde zu erheben.
c) Allerdings darf die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität nicht dazu führen, daß ein effektiver Grundrechtsschutz nicht mehr gewährleistet ist. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht ein Rechtsschutzbedürfnis für eine unmittelbar gegen ein Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise vor Erlaß des Vollzugsaktes bejaht, wenn das Gesetz die Normadressaten bereits gegenwärtig zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt oder schon jetzt zu Dispositionen veranlaßt, die sie nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr korrigieren können, oder wenn der mit dem Grundsatz der Subsidiarität verfolgte Zweck, eine fachgerichtliche Klärung der Sach- und Rechtsfragen herbeizuführen, nicht erreichbar ist (vgl. BVerfGE 72, 39 [44] m.w.N.).
Eine derartige Situation ist hier weder vorgetragen noch erkennbar. Vor einer Aufforderung des Rechnungshofes, ihm Auskünfte zu erteilen oder Prüfungsunterlagen vorzulegen, ist der Beschwerdeführer zu keinerlei Maßnahmen gezwungen. Auswirkungen treten für ihn zunächst nur insoweit ein, als er bei seiner Haushalts- und Wirtschaftsführung die vom Rechnungshof zugrunde gelegten Maßstäbe berücksichtigen wird. Daß ihm bereits hierdurch irreparable Nachteile entstehen könnten, ist nicht anzunehmen.
Bei dieser Sachlage erscheint eine Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg nicht unzumutbar, um so weniger, als der Beschwerdeführer sich vor allem gegen eine pauschale Gleichsetzung mit den landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts wendet. Die Frage, ob und inwieweit eine Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung einer Landesrundfunkanstalt durch den Rechnungshof mit der Freiheit des Rundfunks vereinbar ist, bedarf einer umfassenden Klärung durch geeignete fachgerichtliche Ermittlungen und Bewertungen des Sachverhalts; dabei sind Fragen des einfachen Rechts zu beantworten. Es ist nicht auszuschließen, daß einzelne Maßnahmen des Rechnungshofes bereits gegen die Landeshaushaltsordnung oder sonstiges einfaches Recht verstoßen. Auch wenn dies nicht der Fall ist, können doch die verfassungsrechtlichen Fragen im Verwaltungsgerichtsverfahren deutlichere Konturen gewinnen und können sich Anhaltspunkte für das Ausmaß und die Wirkungen eines etwaigen Eingriffs in die Freiheit des Rundfunks ergeben, die Voraussetzung einer abschließenden verfassungsrechtlichen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht sind.
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