BVerfGE 60, 53 - Rundfunkrat
Aus den Grundsätzen des Art. 21 GG ergibt sich kein Recht der politischen Parteien in Schleswig-Holstein, Ansprüche auf Mitwirkung im Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks im Wege des landesverfassungsrechtlichen Organstreits geltend zu machen.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 9. Februar 1982 gemäß § 24 BVerfGG
-- 2 BvK 1/81 --
in dem Verfahren über den Antrag festzustellen, daß die Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein durch die Zustimmung und Einbringung, der Schleswig-Holsteinische Landtag durch die Verabschiedung von Art. I Abs. 1 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) vom 29. Oktober 1980, soweit es sich auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) bezieht, gegen Art. 21 Abs. 1 i.V.m. den Art. 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GG verstoßen haben, Antragsteller: Landesverband Schleswig-Holstein der Freien Demokratischen Partei, vertreten durch den Vorsitzenden, - Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Michael Krenzler, Schreiberstraße 10, Freiburg i.Br. -, Antragsgegner: 1. Die Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein, vertreten durch den Ministerpräsidenten, Landeshaus, Kiel, 2. der Schleswig-Holsteinische Landtag, vertreten durch den Präsidenten, Landeshaus, Kiel.
Entscheidungsformel:
Der Antrag wird verworfen.
 
Gründe:
 
A. -- I.
Die Länder Freie und Hansestadt Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die übereingekommen waren, den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) vom 16. Februar 1955 anders zu fassen, schlossen am 20. August 1980 einen neuen Staatsvertrag.
Durch Gesetz vom 29. Oktober 1980 stimmte der Schleswig-Holsteinische Landtag dem Staatsvertrag zu. Das Gesetz wurde am 29. Oktober 1980 vom Ministerpräsidenten ausgefertigt und am 17. November 1980 im Gesetzblatt und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein verkündet (GVOBl. S. 302).
Die Bestimmungen des Staatsvertrages (StV) haben, soweit hier von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
    "§ 1 Aufgabe und Rechtsform
    (1) Der NDR ist eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts zur Veranstaltung von Rundfunksendungen in den Ländern Freie und Hansestadt Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Sendegebiet).
    (2) Der NDR hat das Recht der Selbstverwaltung. Er gibt sich eine Satzung.
    § 4 Freiheit und öffentliche Verantwortung des Rundfunks
    Der NDR erfüllt seine Aufgabe im Rahmen des geltenden Rechts auf der Grundlage der verfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit unter Mitwirkung der bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Sendegebiet.
    § 5 Programmauftrag
    (1) Der NDR hat den Rundfunkteilnehmern einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm soll der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung dienen.
    (2) Die regionale Gliederung des Sendegebiets ist im Programm angemessen zu berücksichtigen.
    § 6 Programmgrundsätze
    (1) Der NDR ist in seinen Sendungen an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Er trägt zur Verwirklichung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bei.
    (2) Der NDR hat in seinen Programmen die Würde des Menschen zu achten. Er soll dazu beitragen, die Achtung vor Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit sowie vor Glauben und Meinung anderer zu stärken. Die Programme des NDR sollen die internationale Verständigung fördern, für den Frieden und die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit eintreten sowie zur sozialen Gerechtigkeit mahnen. Die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung sind zu achten.
    (3) Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre sind einzuhalten.
    § 7
    (1) Der NDR ist in seinen Sendungen zur Wahrheit verpflichtet. Er hat sicherzustellen, daß
    1. die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Sendegebiet im Gesamtprogramm des NDR angemessen zu Wort kommen können,
    2. das Programm nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient, und
    3. in seiner Berichterstattung die Auffassungen der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden.
    Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairneß und in ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Meinungen zu entsprechen. Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger beizutragen.
    (2) ...
    § 8 Grundsätze für Länderprogramme
    Die Länderprogramme der Funkhäuser sollen insbesondere das öffentliche Geschehen, die politischen Ereignisse sowie das kulturelle Leben in den Ländern darstellen.
    § 15 Besondere Sendezeiten
    (1) Den Parteien und Vereinigungen, für die in den Ländern ein Wahlvorschlag zu den gesetzgebenden Körperschaften der Länder, zum Deutschen Bundestag oder zum Europäischen Parlament zugelassen worden ist, sind angemessene Sendezeiten zur Vorbereitung von Wahlen einzuräumen. Dies gilt bei Kommunalwahlen entsprechend für Parteien und Vereinigungen, die in der gesetzgebenden Körperschaft des jeweiligen Landes vertreten sind oder für die in der Mehrzahl der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Wahlbewerber zugelassen worden sind. Das Nähere wird in Vereinbarungen mit den Parteien und Vereinigungen bestimmt.
    (2) bis (4) ...
    § 17 Zusammensetzung des Rundfunkrats
    (1) Der Rundfunkrat besteht aus mindestens 30 Mitgliedern. Von ihnen entsenden
    1. fünf Mitglieder die in den gesetzgebenden Körperschaften der Länder vertretenen Parteien, und zwar drei aus dem Land Niedersachsen und je eines aus dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg, entsprechend ihrem Stärkeverhältnis nach dem Höchstzahlverfahren d'Hondt; maßgebend sind die Ergebnisse der vorausgegangenen Wahlen zu den jeweiligen gesetzgebenden Körperschaften,
    2. je ein Mitglied jede Partei, die in mindestens zwei der gesetzgebenden Körperschaften der Länder vertreten ist, soweit sie nicht bereits nach Nummer 1 ein Mitglied entsendet,
    3. ein Mitglied die evangelischen Kirchen, und zwar wechselnd die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche und die Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen,
    4. ein Mitglied die römisch-katholische Kirche,
    5. ein Mitglied die jüdischen Kultusgemeinden,
    6. zwei Mitglieder der Deutsche Gewerkschaftsbund,
    7. ein Mitglied die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft,
    8. ein Mitglied der Deutsche Beamtenbund,
    9. zwei Mitglieder die Arbeitgeberverbände, und zwar eines aus dem Bereich der Industrie (a) und eines aus dem Bereich des Handels (b),
    10. ein Mitglied die Handwerksverbände,
    11. ein Mitglied die Bauernverbände,
    12. ein Mitglied die Frauenverbände,
    13. ein Mitglied die Jugendverbände,
    14. zwei Mitglieder die Sportverbände,
    15. ein Mitglied die Vertriebenenverbände,
    16. je ein Mitglied neun weitere gesellschaftlich bedeutsame Organisationen und Gruppen, von denen die gesetzgebende Körperschaft des Landes Niedersachsen fünf und die des Landes Schleswig-Holstein sowie der Freien und Hansestadt Hamburg je zwei bestimmen.
    (2) ...
    (3) Weitere gesellschaftlich bedeutsame Organisationen und Gruppen nach Absatz 1 Nummer 16 können sich bis spätestens vier Monate vor Ablauf der Amtszeit des Rundfunkrats bei den gesetzgebenden Körperschaften der Länder, in deren Gebiet sie wirken, um einen Sitz im Rundfunkrat bewerben. Die gesetzgebende Körperschaft des jeweiligen Landes bestimmt entsprechend den Grundsätzen der Verhältniswahl nach dem Höchstzahlverfahren d'Hondt für jeweils eine Amtsperiode des Rundfunkrats, welcher der Organisationen oder Gruppen, die sich beworben haben, ein Sitz zusteht. Bei dem Verfahren nach Satz 2 sind Listenverbindungen ausgeschlossen.
    (4) und (5) ...
    § 18 Aufgaben des Rundfunkrats
    (1) Der Rundfunkrat soll die Interessen der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Rundfunks vertreten; dabei berücksichtigt er die Vielfalt der Meinungen der Bürger. Er wirkt darauf hin, daß der NDR seine Aufgabe nach diesem Staatsvertrag erfüllt, soweit nicht der Verwaltungsrat zuständig ist.
    (2) Der Rundfunkrat überwacht die Einhaltung der Grundsätze der Programmgestaltung (§§ 5 bis 8) und berät den Intendanten in allgemeinen Programmangelegenheiten. Er kann feststellen, daß einzelne Sendungen gegen diese Grundsätze verstoßen, und den Intendanten anweisen, einen festgestellten Verstoß nicht fortzusetzen oder künftig zu unterlassen.
    (3) Der Rundfunkrat hat ferner folgende Aufgaben:
    1. Erlaß der Satzung,
    2. Wahl und Abberufung des Intendanten und seines Stellvertreters,
    3. Wahl und Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsrats,
    4. Genehmigung des Wirtschaftsplans; dabei kann der Rundfunkrat über den vom Verwaltungsrat festgestellten Gesamtansatz der Aufwendungen nicht hinausgehen,
    5. Genehmigung des Jahresabschlusses,
    6. Entscheidung über die Übernahme von Verpflichtungen im Wert von mehr als 5 Millionen DM bei Verträgen über die Herstellung oder den Erwerb von Programmteilen.
    (4) ..."
Die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hat dem Staatsvertrag durch Gesetz vom 1. Dezember 1980 (GVBl. S. 349), der Niedersächsische Landtag durch Gesetz vom 10. Dezember 1980 (GVBl. S. 481) zugestimmt.
Der Staatsvertrag ist am 1. Januar 1981 in Kraft getreten (§ 42 StV).
II.
1. Der Antragsteller ist der Landesverband Schleswig-Holstein der Freien Demokratischen Partei (FDP). Vier Abgeordnete des Landesverbandes gehören dem Landtag des Landes Schleswig-Holstein an. In den Länderparlamenten von Hamburg und Niedersachsen ist die FDP zur Zeit nicht vertreten.
Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StV steht der FDP ein Entsendungsrecht in den Rundfunkrat des NDR nicht zu, weil sie weder im Schleswig-Holsteinischen Landtag in der erforderlichen Stärke (Nr. 1) noch in mindestens zwei gesetzgebenden Körperschaften der vertragsschließenden Länder vertreten ist (Nr. 2). Sie ist darauf verwiesen, sich nach § 17 Abs. 3 StV unter den "weiteren gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen und Gruppen" (§ 17 Abs. 1 Nr. 16) um einen Sitz im Rundfunkrat zu bewerben.
2. Mit der am 29. April 1981 erhobenen Organklage wendet sich der Antragsteller gegen die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StV getroffene Regelung und beantragt,
    festzustellen, daß die Antragsgegnerin zu Ziff 1 durch die Zustimmung und Einbringung, der Antragsgegner zu Ziff 2 durch die Verabschiedung von Art I Abs. 1 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) vom 29. Oktober 1980, soweit es sich auf § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) bezieht, gegen Art. 21 Abs. 1 i.V.m. den Art. 3 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GG verstoßen haben.
Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:
Der Antrag sei zulässig.
Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Entscheidung über Organstreitigkeiten innerhalb des Landes Schleswig-Holstein ergebe sich aus § 13 Nr. 10 BVerfGG i.V.m. Art. 37 Nr. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein (LS). Obwohl die Landessatzung die politischen Parteien nicht als mögliche Beteiligte eines Organstreits aufführe, seien sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 21 GG, der unmittelbar auch für die Länder gelte, parteifähig im Organstreit nach Art. 37 Nr. 1 LS. Eine politische Partei könne allerdings nur dann Beteiligte im Organstreit sein, wenn sie ihre Rechte auf Teilhabe am Verfassungsleben verfolge. Daß der Antragsteller derartige Rechte geltend mache, könne indes nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich bei den Vorschriften des Staatsvertrages über die Zusammensetzung des Rundfunkrats weder um eine rechtliche Gestaltung des Wahlverfahrens bei allgemeinen Wahlen noch sei die Tätigkeit des Rundfunkrates verfassungsrechtlicher Natur. Bei diesem Einwand werde übersehen, daß die angegriffene Regelung das Recht des Antragstellers auf Gleichbehandlung mit den übrigen im Landtag von Schleswig-Holstein vertretenen Parteien verletze, und daß ihm überdies in Widerspruch zu der bundesrechtlich gesicherten Privilegierung der Parteien lediglich der Status einer von vielen "gesellschaftlich bedeutsamen Organisationen oder Gruppen" im Sinne des § 17 Abs. 1 Nr. 16 StV zuerkannt werde.
Der Rundfunk als Medium und eminenter Faktor der öffentlichen Meinungsbildung sei von der freien öffentlichen Meinungsbildung und politischen Willensbildung, die einen Wesensbestandteil des Verfassungslebens der Bundesrepublik Deutschland darstelle, nicht zu trennen. Daraus folge, daß die in den Kollegialorganen der Rundfunkanstalten vertretenen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen, soweit sie die für die Programmgestaltung des Rundfunks maßgeblichen oder mitentscheidenden Kräfte kontrollierten und gegebenenfalls korrigierten, immer auch an dem für das Verfassungsleben in der Bundesrepublik Deutschland schlechthin konstituierenden Meinungsbildungsprozeß und Willensbildungsprozeß mitwirkten. Bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes übten die Parteien aber, nachdem sie durch Art. 21 GG zu notwendigen Bestandteilen des Verfassungsaufbaus gemacht worden seien, stets Funktionen eines Verfassungsorgans aus. Kämpften sie in diesem Bereich um ihre Rechte, so könnten sie die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status nur im Organstreit geltend machen.
Der Antragsteller sei auch befugt, dem Bundesverfassungsgericht den durch den Antrag umrissenen Streit zur Entscheidung zu unterbreiten. Er werde durch eine Maßnahme der Antragsgegner, zu der der Abschluß eines Staatsvertrages mit dem angegriffenen § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ebenso zu rechnen sei wie der Erlaß des Zustimmungsgesetzes, in seinen Rechten als Verfassungsorgan verletzt.
Die Passivlegitimation ergebe sich für die Landesregierung daraus, daß sie den Staatsvertrag ausgehandelt und abgeschlossen sowie durch Initiative, Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag an dem Zustandekommen dieser Maßnahme mitgewirkt habe; für den Landtag folge sie ohne weiteres daraus, daß er das Gesetz erlassen habe.
3. Der Antrag sei - wie der Antragsteller des weiteren im einzelnen darlegt - auch begründet. Die in § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StV getroffene Regelung verletze sein Recht auf Chancengleichheit bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes. Einer Partei, die im Deutschen Bundestag und im Parlament eines der vertragsschließenden Länder in Fraktionsstärke vertreten sei und in allen drei vertragsschließenden Ländern Landesverbände unterhalte, stehe ein Sitz im Rundfunkrat zu.
III.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag und die Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein halten den Antrag für unzulässig und für unbegründet.
 
B.
Der Antrag ist unzulässig.
I.
1. Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht für Organstreitigkeiten innerhalb des Landes Schleswig-Holstein ergibt sich aus Art. 99 GG, § 13 Nr. 10 BVerfGG i. V. m. Art. 37 Nr. 1 der Landessatzung. Art. 37 Nr. 1 LS bestimmt:
    "Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:
    über die Auslegung dieser Landessatzung aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten des Landtages oder der Landesregierung oder anderer Beteiligter, die durch diese Landessatzung oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Landesregierung mit eigenen Rechten ausgestattet sind."
2. Es handelt sich um einen Streit über ein in der Landesverfassung wurzelndes Rechtsverhältnis. Die in Art. 21 GG niedergelegten Grundsätze gelten nicht nur für den Bereich des Bundes, sondern unmittelbar auch in den Ländern als Landesverfassungsrecht; dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 1, 208 [227]; 4, 375 [378]; 6, 367 [375]; 27, 10 [17]). Ihre angebliche Verletzung rügt der Antragsteller vor allem.
3. Der Antragsteller ist im Organstreit parteifähig. Die politischen Parteien sind zwar weder in Art. 37 Nr. 1 LS und § 73 BVerfGG noch in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG als mögliche Beteiligte eines Organstreits genannt. Das Bundesverfassungsgericht geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß auch die politischen Parteien und deren Untergliederungen (vgl. BVerfGE 14, 121 [129]) "andere Beteiligte" im Sinne dieser Vorschriften sein können, wenn und soweit sie um Rechte kämpfen, die sich aus ihrem besonderen, in Art. 21 GG umschriebenen verfassungsrechtlichen Status ergeben (BVerfGE 4, 27 [31]; 57, 1 [9]). Es hat dies daraus geschlossen, daß Art. 21 GG die politischen Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Instrumente für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und damit in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben hat. Die Parteien sind als die politischen Handlungseinheiten, deren die Demokratie bedarf, um die Bürger zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen so überhaupt erst einen wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen, zu integrierenden Bestandteilen des verfassungsrechtlich geordneten politischen Lebens geworden. Aus dieser verfassungsrechtlichen Stellung hat das Plenum des Bundesverfassungsgerichts die Folgerung gezogen, daß die "organschaftliche" Qualität der politischen Parteien die Form ihrer Teilnahme am verfassungsgerichtlichen Verfahren bestimmt. Wenn sie in dieser Funktion tätig werden und um Rechte kämpfen, die sich aus dieser besonderen Funktion im Verfassungsleben ergeben, können sie die Verletzung ihres verfassungsrechtlichen Status durch ein Verfassungsorgan vor dem Bundesverfassungsgericht nur im Wege des Organstreits geltend machen. Die Verfassungsbeschwerde wäre für sie nach der Struktur des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht das adäquate prozessuale Mittel (BVerfGE 4, 27 [30 f.]; 11, 239 [243]; st. Rspr.).
Die politischen Parteien sind nicht nur im Organstreit auf Bundesebene (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) parteifähig. Da Art. 21 GG nicht nur für den Bereich des Bundes, sondern seine Grundsätze unmittelbar auch in den Ländern als Landesverfassungsrecht gelten, kommt der den politischen Parteien verliehene, in Art. 21 GG umschriebene Status den politischen Parteien auch innerhalb des Landes Schleswig-Holstein zu. Der Antragsteller kann daher als möglicher Streitteil im Organstreit nach Art. 37 Nr. 1 LS ein Verfahren gemäß § 13 Nr. 10 BVerfGG beim Bundesverfassungsgericht anhängig machen (BVerfGE 1, 208 [227 f.]).
II.
Der Antragsteller ist indes nicht befugt, den durch seinen Antrag gekennzeichneten Streit im Wege des Organstreits zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu stellen. Der Antrag ist unzulässig, weil der Antragsteller durch die Versagung des Entsendungsrechtes in dem den politischen Parteien durch Art. 21 GG verliehenen verfassungsrechtlichen Status nicht verletzt sein kann.
1. Ein im Organstreit parteifähiger Antragsteller ist im Einzelfall nur dann zur Anstrengung eines Organstreits befugt, wenn er behauptet, daß der Antragsgegner ein ihm von Verfassungs wegen zustehendes Recht beeinträchtigt hat. Deshalb ist nach § 64 Abs. 1 BVerfGG ein Antrag im Organstreit auf Bundesebene nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten oder Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. In den Vorschriften für das Verfahren nach Art. 99 GG fehlt zwar eine entsprechende Bestimmung. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich aber notwendig aus dem Wesen des Organstreits als eines Verfassungsstreits (BVerfGE 1, 208 [229]). § 64 Abs. 1 BVerfGG gilt daher sinngemäß auch für Organstreitigkeiten innerhalb eines Landes (BVerfGE 4, 144 [147 f.]; 27, 44 [51]). Der Antrag wäre mithin nur dann zulässig, wenn das von dem Antragsteller als verletzt gerügte Recht, ein Mitglied in den Rundfunkrat zu entsenden, ein ihm von Verfassungs wegen zustehendes Recht wäre. Das ist zu verneinen, weil sich das von dem Antragsteller beanspruchte Entsendungsrecht aus dem den politischen Parteien verfassungsrechtlich verbürgten Recht, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, auf das der Antragsteller sich beruft, nicht herleiten läßt.
2. Aufgabe des Rundfunkrates ist es - anders als der Antragsteller meint - nicht an der politischen Willensbildung des Volkes im Sinne des Art. 21 GG mitzuwirken; er hat vielmehr als Organ des NDR im Rahmen des ihm durch den Staatsvertrag zugewiesenen Aufgabenkreises zu seinem Teil zur Verwirklichung und Sicherung der verfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit beizutragen.
Die Rundfunkfreiheit dient - wie alle Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG - der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, und zwar in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung umfassenden Sinne (vgl. BVerfGE 12, 205 [260]; 31, 314 [326]; 35, 202 [222 f.]; 57, 295 [319]). Freie Meinungsbildung vollzieht sich in einem Prozeß der Kommunikation. Sie setzt auf der einen Seite die Freiheit voraus, Meinungen zu äußern und zu verbreiten, auf der anderen Seite die Freiheit, geäußerte Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, sich zu informieren. An dem verfassungsrechtlich geschützten Prozeß freier Meinungsbildung ist der Rundfunk als "Medium" und "Faktor" in besonderem Maße beteiligt. Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch das Medium des Rundfunks verlangt die Freiheit des Rundfunks sowohl von staatlicher Bevormundung wie von anderweitiger einseitiger Einflußnahme. Es muß sichergestellt sein, daß die Vielfalt bestehender Meinungen im Rundfunk zum Ausdruck kommt. Entscheidet der Gesetzgeber sich - wie hier - für eine "binnenpluralistische" Struktur des Veranstalters der Rundfunksendungen, so muß der Inhalt des Gesamtprogramms ausgewogen sein und ein Mindestmaß an Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung aufweisen. Um dies zu erreichen, sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich, die an der Rundfunkfreiheit orientiert und deshalb geeignet sind zu bewirken, was Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisten will (vgl. zu alledem BVerfGE 12, 205 [259 ff.]; 57, 295 [320]).
Die im Staatsvertrag getroffenen Regelungen tragen diesen verfassungsrechtlichen Erfordernissen Rechnung. Der NDR hat den Rundfunkteilnehmern einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, nationale und länderbezogene Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sein Programm soll der Information und Bildung sowie der Beratung und Unterhaltung dienen (§ 5 StV). Er hat sicherzustellen, daß die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Sendegebiet im Gesamtprogramm angemessen berücksichtigt werden. Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairneß und in ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Meinungen zu entsprechen. Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger beizutragen (§ 7 Abs. 1 StV).
Diesem Auftrag ist auch der Rundfunkrat als Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit verpflichtet. Er soll das Interesse der Allgemeinheit auf dem Gebiete des Rundfunks wahren und hat dabei die Vielfalt der Meinungen der Bürger zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StV). An dieser Aufgabe ist seine Zusammensetzung orientiert. Die in § 17 StV getroffene Regelung zielt - in Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen werden darf - darauf ab, die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen in die Tätigkeit des Rundfunkrates einzubeziehen.
Der Rundfunkrat hat neben dem Verwaltungsrat darauf hinzuwirken, daß der NDR die vom Staatsvertrag vorgezeichnete Aufgabe erfüllt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StV). Insbesondere überwacht er die Einhaltung der Grundsätze der Programmgestaltung (§§ 5-8) und berät den Intendanten in allgemeinen Programmangelegenheiten. Er kann feststellen, daß einzelne Sendungen gegen diese Grundsätze verstoßen, und den Intendanten anweisen, einen festgestellten Verstoß nicht fortzusetzen oder künftig zu unterlassen (§ 18 Abs. 2 StV). Der Rundfunkrat hat also die für die Programmgestaltung maßgeblichen Personen und Gremien darauf zu kontrollieren, daß - wie es § 7 Abs. 1 StV fordert - alle bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Gesamtprogramm angemessen zu Worte kommen können, das Programm nicht einseitig einer Partei oder Gruppe, einer Interessengemeinschaft, einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung dient und in der Berichterstattung die Auffassungen der wesentlich betroffenen Personen, Gruppen oder Stellen angemessen und fair berücksichtigt werden. Nicht dagegen ist es Sache des Rundfunkrates, durch Einflußnahme auf die Programmgestaltung seinerseits die individuelle und öffentliche Meinungsbildung in die eine oder andere Richtung zu lenken. Dies gilt nicht nur für den Rundfunkrat in seiner Gesamtheit, es gilt auch für seine Mitglieder. § 19 Abs. 2 StV hebt ausdrücklich hervor, daß die Mitglieder des Rundfunkrates bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit in ihrer Amtsführung an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind.
Die Mitglieder des Rundfunkrates sind nach alledem nicht dazu berufen, das Programm des NDR an den besonderen Zielsetzungen und Auffassungen der politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen, die sie entsenden, auszurichten, um auf diese Weise deren Bestrebungen zu fördern. Die plurale Zusammensetzung des Rundfunkrates soll vielmehr im Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden Information gerade der Gefahr einseitiger Einflußnahme und Programmgestaltung entgegenwirken. Sie soll gewährleisten, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen, Zielsetzungen und Aktivitäten in allen Lebensbereichen im Gesamtprogramm des Rundfunks möglichst vollständig und ausgewogen zum Ausdruck kommt. Dadurch unterscheidet sich die Tätigkeit des Rundfunkrates und seiner Mitglieder von der Mitwirkung der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung i. S. des Art. 21 GG.
Die politischen Parteien fassen die Aktivbürger freiwillig zu politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Beteiligung an der Willensbildung in den Staatsorganen organisatorisch zusammen. Sie nehmen an der politischen Willensbildung des Volkes vornehmlich durch ihre Beteiligung an den Wahlen teil, die ohne die Parteien nicht durchgeführt werden können. Die politischen Parteien sind darüber hinaus Zwischenglieder zwischen dem Bürger und den Staatsorganen, Mittler, durch die der Wille der Bürger auch zwischen den Wahlgängen verwirklicht werden kann. Sie stellen, sofern sie die Parlamentsmehrheit bilden und die Regierung stützen, die wichtigste Verbindung zwischen dem Volk und den politischen Führungsorganen des Staates her und erhalten sie aufrecht. Als Parteien der Minderheit bilden sie die politische Opposition und machen sie wirksam. Die politischen Parteien sammeln die auf die politische Macht und ihre Ausübung gerichteten Meinungen, Interessen und Bestrebungen, gleichen sie in sich aus und formen sie zu Alternativen, unter denen die Bürger auswählen können. Eine solche Tätigkeit setzt die Formulierung politischer Ziele und Vorschläge, auf welche Weise diese erreicht werden sollen, voraus. Die Bürger von der Richtigkeit und Zweckmäßigkeit beider zu überzeugen und für deren Verwirklichung zu werben, macht einen wesentlichen Teil der den politischen Parteien durch Art. 21 GG gestellten Aufgabe aus. Deshalb ist die Mitwirkung der politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes notwendig auch auf eine gezielte Beeinflussung der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung im Sinne der von ihnen entwickelten und vertretenen politischen Auffassungen gerichtet. Aufgabe des Rundfunkrates und seiner Mitglieder ist es dagegen, den Prozeß der freien Meinungsbildung offenzuhalten, indem sie dafür Sorge tragen, daß die Vielfalt der vorhandenen Meinungen und Zielsetzungen in objektiver und ausgewogener Weise durch den Rundfunk vermittelt und das Gesamtprogramm von einseitiger Einflußnahme freigehalten wird. Die Aufgaben der politischen Parteien und des Rundfunkrates unterscheiden sich also nach Ziel und Zweck in grundsätzlicher Weise voneinander. Aus dem den politischen Parteien in Art. 21 GG verbürgten Recht, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, kann daher der von dem Antragsteller geltend gemachte Anspruch, ein Mitglied in den Rundfunkrat zu entsenden, nicht hergeleitet werden. Der Antragsteller streitet nicht um ein Recht, das sich aus seinem besonderen verfassungsrechtlichen Status ergibt. Er kann es daher auch nicht im Organstreit geltend machen.
Zeidler, Rinck, Wand, Rottmann, Niebler, Steinberger, Träger, Mahrenholz