BVerfGE 45, 363 - Revision Ablehnungsgesuch
1. Die Vorschrift des § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB genügt den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 GG.
2. a) Die Auslegung des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, das die Richterablehnung betreffende Rechtsmittel sei seiner Natur nach eine Beschwerde, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
b) § 304 Abs. 4 StPO bewirkt die Unzulässigkeit einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts, mit der es die Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen hat (§ 28 Abs. 2 StPO). Diese Regelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
c) Die Verwerfung einer Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts mit der Begründung, eine solche Revision könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO) zu Unrecht verworfen habe, steht mit der Verfassung im Einklang.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 21. Juni 1977
-- 2 BvR 308/77 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn H ... - Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Franz Dimbeck, Ulrich Schroth, Margaretenanger 7, Lohof - gegen a) den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 5. Januar 1977 - 3 StR 433/76 (L) -, b) das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. Mai 1976 - 5 StE 1/75 -.
 
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft im wesentlichen die Fragen, ob § 94 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 StGB dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG genügt und ob die Verwerfung einer gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts eingelegten Revision mit der Begründung, ein solches Rechtsmittel könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen habe, mit der Verfassung im Einklang steht.
I.
1. Die Vorschrift des § 94 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (BGBl. I S. 2) lautet:
    § 94
    (1) Wer ein Staatsgeheimnis
    1. einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder
    2. sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
    (2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
    1. eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet, oder
    2. durch die Tat die Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.
2. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 19. Mai 1976 u. a. wegen eines Verbrechens des fortgesetzten Landesverrats in einem besonders schweren Fall unter Anwendung des § 94 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt. Die Revision des Beschwerdeführers wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 5. Januar 1977 gemäß § 349 Abs.2 StPO als unbegründet verworfen. Der Bundesgerichtshof stellte dabei auf eine entsprechende Rüge des Beschwerdeführers hin fest, daß die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil des Oberlandesgerichts grundsätzlich nicht darauf gestützt werden könne, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO) zu Unrecht verworfen. Zur Begründung verwies der Bundesgerichtshof darauf, daß die Anfechtung eines solchen Beschlusses nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO grundsätzlich nur mit der sofortigen Beschwerde möglich sei. Das Rechtsmittel gegen "Ablehnungsbeschlüsse" bleibe seiner Natur nach auch dann eine Beschwerde, wenn es - soweit es die Ablehnung eines erkennenden Richters betrifft - in der Form einer revisionsrechtlichen Verfahrensrüge eingelegt werde, da sich insoweit aus Gründen der Zweckmäßigkeit lediglich der Instanzenzug ändere. Die Frage der Zulässigkeit einer Anfechtung sei in den Fällen des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht anders zu beantworten als in denjenigen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO. In beiden Fällen sei Anfechtungsvoraussetzung die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, diese sei aber bei einem Beschluß des im ersten Rechtszug zuständigen Oberlandesgerichts kraft Gesetzes (§ 304 Abs. 4 StPO) ausgeschlossen. Daher sei der erstinstanzielle Beschluß eines Oberlandesgerichts über die Ablehnung eines erkennenden Richters auch der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluß des Bundesgerichtshofs und die vorangegangene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und 103 Abs. 2 GG, des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG sowie des "Gebots der Systemgerechtigkeit". Hierzu führt er aus:
1. Die Vorschrift des § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB, auf der seine Verurteilung beruhe, verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber wende in § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB die sogenannte Leitbildtechnik nicht richtig an, denn die Einführung des Begriffs "besonders schwerer Nachteil" sei nicht geeignet, ein Leitbild für die Ausfüllung des Merkmals "besonders schwerer Fall" zu bieten. Eine allgemeine Umschreibung des gemeinten Täterverhaltens ("besonders schwerer Fall") könne nicht durch eine weitere allgemeine Umschreibung ("besonders schwerer Nachteil"), die überdies nicht praktikabel sei, exemplifiziert werden. Es müsse vielmehr ein konkreter Beispielsfall gegeben werden. Der Gesetzgeber habe bei der Formulierung des § 94 Abs. 2 StGB auch keine Begriffe verwendet, die in der Rechtsprechung schon seit längerem präzisiert gewesen seien. Dem Gebot, daß der Tatbestand um so genauer gefaßt werden müsse, je höher die Strafdrohung sei, werde die Fassung des § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB ebenfalls nicht gerecht. Das erhebliche Strafdrohungsgefälle zwischen § 94 Abs. 1 StGB und § 94 Abs. 2 StGB werde in § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB tatbestandlich lediglich durch das vage Wort "besonders" (ergänze: schwerer Nachteil) aufgefangen. Dies sei - weil das Tatbestandsmerkmal "schwerer Nachteil" bereits in § 94 Abs. 1 StGB verwendet werde - nicht geeignet, den richterlichen Entscheidungsspielraum einzugrenzen.
Art. 103 Abs. 2 GG verbiete zwar nicht "die Verwendung flüssiger Begriffe". Der Begriff des "besonders schweren Nachteils" biete im Vergleich zu § 94 Abs. 1 StGB, in dem schon auf den schweren Nachteil abgestellt werde, aber nicht das Minimum an Information, das auch bei Verwendung flüssiger Begriffe verlangt werden müsse.
Ob § 94 Abs. 2 StGB nur eine Strafzumessungsregel sei, könne dahinstehen; auch bei Strafzumessungsregeln gelte das Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit.
2. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, eine Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, das Gericht habe ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen, sei mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Die Bestimmungen der Strafprozeßordnung ließen eine von der Auffassung des Bundesgerichtshofs abweichende Auslegung zu. § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO besage nichts darüber, ob das nach dieser Vorschrift statthafte Rechtsmittel als Beschwerde oder Revision zu qualifizieren sei. Die Rüge, ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter sei zu Unrecht verworfen worden, gelte dem Urteil selbst. Die revisionsgerichtliche Überprüfung von Urteilen schließe § 304 Abs. 4 StPO aber nicht aus.
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleiste den Anspruch des Rechtsuchenden auf richterliche Neutralität und Distanz zur Sache. Diese Garantie werde nur dann wirksam, wenn ihre Einhaltung im konkreten Fall von einem nicht mit Tatfragen befaßten, höheren Gericht überprüft werden könne.
Auch das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG fordere jedenfalls dann, wenn das Gesetz die Anfechtbarkeit des Urteils vorsehe, daß Neutralität und Distanz des Richters durch die Rechtsmittelinstanz überprüfbar seien.
Der Bundesgerichtshof durchbreche das revisionsrechtliche System, wenn er - wie hier - für bestimmte Gesetzesverletzungen spezielle, in den §§ 333 ff. StPO nicht vorgesehene Zulässigkeitsvoraussetzungen aufstelle. Es gebe auch keinen hergebrachten Grundsatz, wonach Beschlüsse der Obergerichte nicht der Beschwerde unterlägen.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, den Landesregierungen und dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
1. Für die Bayerische Staatsregierung hat sich der Bayerische Staatsminister der Justiz wie folgt geäußert:
Die Verfassungsbeschwerde sei unbegründet.
a) Die Strafzumessungsvorschrift des § 94 Abs. 2 StGB, dessen Satz 2 Nr. 2 das Gericht im vorliegenden Fall die Strafe entnommen habe, verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Sie enthalte keine unbestimmte Strafdrohung, sondern - in Form eines Beispiels, das die Anwendung des erhöhten Strafrahmens weder gebiete noch hindere - die gesetzliche Konkretisierung eines "besonders schweren Falles". Da der Gesetzgeber bei der Formulierung von Strafnormen auf die Verwendung ausfüllungsbedürftiger Wertbegriffe angewiesen sei, bestünden weder gegen Vorschriften, die unter Verzicht auf Regelbeispiele eine Strafschärfung für "besonders schwere Fälle" anordneten, noch gegen Bestimmungen, die durch Regelbeispiele mit ausfüllungsbedürftigen Wertbegriffen Hinweise auf das Vorliegen eines "besonders schweren Falles" gäben, verfassungsrechtliche Bedenken.
b) Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Revision des Beschwerdeführers könne nicht darauf gestützt werden, daß das Bayerische Oberste Landesgericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen habe, beruhe auf einer willkürfreien Auslegung der §§ 28 Abs. 2, 304 Abs. 4 StPO, die ihrerseits mit dem Grundgesetz vereinbar seien. Weder aus dem Gleichheitssatz noch aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus Art. 19 Abs. 4 GG folge, daß gegen jede strafrichterliche Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben sein müsse. Der Gesetzgeber habe Beschlüsse nach § 28 Abs. 2 StPO im Rahmen seines Ermessungsspielraums bewußt nicht in den Ausnahmekatalog des § 304 Abs. 4 StPO aufgenommen. Dafür gebe es sachgerechte Gründe. Umstände, die es dem Gesetzgeber verbieten würden, bei derartigen Beschlüssen vom Grundsatz der Nichtanfechtbarkeit abzugehen, seien nicht ersichtlich.
2. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für unbegründet:
a) § 94 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB verletze nicht das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Der "besonders schwere Fall" im Sinne dieser Vorschrift sei durch die sich aus § 94 Abs. 1 StGB ergebenden Abgrenzungen sowie durch die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zum Begriff des "besonders schweren Falles" hinreichend bestimmt. Wenn § 94 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB die Gefahr eines besonders schweren Nachteils voraussetze, so sei damit notwendig ein Nachteil gemeint, der über die in § 94 Abs. 1 StGB abgegrenzten schweren Fälle deutlich hinausgehe. Für die Annahme eines besonders schweren Falles komme es darauf an, ob die Tat bei Berücksichtigung aller Umstände die erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden und deshalb vom Gesetzgeber für den Spielraum des ordentlichen Strafrahmens schon bedachten Straftaten an Strafwürdigkeit so übertreffe, daß dieser Strafrahmen zur Sühne nicht ausreiche.
b) Gegen die Ansicht des Bundesgerichtshofs, eine Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter zu Unrecht verworfen habe, bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die §§ 28 Abs. 2, 304 Abs. 4 StPO gestatteten keine andere Auslegung. Hieran habe sich auch durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. September 1969 (BGBl. I S. 1582) nichts geändert. Die genannten Bestimmungen der Strafprozeßordnung seien mit dem Grundgesetz vereinbar.
Das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG gebiete nicht, gegen jede Entscheidung eines Strafrichters ein Rechtsmittel zu eröffnen.
Allein die Auslegung, die der Bundesgerichtshof den §§ 28 Abs. 2, 304 Abs. 4 StPO gegeben habe, entspreche dem System der Strafprozeßordnung. Dieser sei ein durchgreifendes Prinzip, wonach gegen jede tatrichterliche Entscheidung über eine Richterablehnung ein Rechtsmittel zulässig sei, unbekannt. Es entspreche einem hergebrachten Grundsatz des deutschen Strafverfahrensrechts, daß die von - ausschließlich mit Berufsrichtern besetzten - Oberlandesgerichten erlassenen Beschlüsse und Verfügungen dem Rechtsmittel der Beschwerde regelmäßig nicht unterlägen. Von diesem Prinzip, in das sich der angegriffene Beschluß systemgerecht einfüge, normiere § 304 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz StPO eine Reihe genau umschriebener und eng auszulegender Ausnahmen. Bei den in jüngster Zeit wiederholt erfolgten Änderungen und Ergänzungen jenes Katalogs seien Beschlüsse nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht berücksichtigt worden.
3. Die Bundesregierung hat im Hinblick auf die von ihr für zutreffend gehaltenen Ausführungen des Generalbundesanwalts von einer eigenen Stellungnahme abgesehen.
4. Die übrigen eingangs genannten Stellen haben von der ihnen gegebenen Gelegenheit zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten oder in diesen gleichgestellten Rechten.
I.
Die Vorschrift des § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB entspricht den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 GG.
1. Art. 103 Abs. 2 GG fordert, daß die Strafbarkeit eines Verhaltens "gesetzlich bestimmt" ist. Der Einzelne soll nicht nur von vornherein wissen können, was strafrechtlich verboten ist, sondern auch, welche Strafe ihm für den Fall eines Verstoßes gegen jenes Verbot droht (BVerfGE 25, 269 [285]; 26, 41 [42]; 37, 201 [207]). Diesem Verfassungsgebot wird § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB gerecht; die Verwendung der Rechtsfigur "besonders schwerer Fall" ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Gebot der Gesetzbestimmtheit gilt sowohl für den Straftatbestand (Tatbestandsbestimmtheit - nullum crimen sine lege) als auch für die Strafandrohung (nulla poena sine lege). Ob wegen der unterschiedlichen Funktionen der einzelnen Normbestandteile (Tatbestandsbestimmung und Rechtsfolgenbestimmung) unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots unterschiedliche Anforderungen an die gesetzgeberische Ausgestaltung des jeweiligen Normteils gestellt werden müssen (vgl. hierzu Schönke-Schröder, StGB, IS.Aufl., § 1 Rdnr. 32), kann hier ebenso auf sich beruhen wie die Kontroverse über die dogmatische Einordnung der Rechtsfigur "besonders schwerer Fall". Denn unabhängig davon, ob man diese Rechtsfigur dem Bereich der Strafbemessungsregeln oder demjenigen der Strafvoraussetzungen zuordnet, ist hier dem Bestimmtheitsgebot genügt.
Das Gebot der Bestimmtheit des Gesetzes darf nicht übersteigert werden; die Gesetze würden sonst zu starr und kasuistisch und könnten der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden. Diese Gefahr läge nahe, wenn der Gesetzgeber stets jeden Tatbestand bis ins letzte ausführen müßte (BVerfGE 14, 245 [251]). Das Strafrecht kann deshalb nicht darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht allgemeingültig umschrieben werden können und mithin in besonderem Maße einer Deutung durch den Richter bedürfen. Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit bedeutet also nicht, daß der Gesetzgeber gezwungen ist, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven, exakt erfaßbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben (BVerfGE 4, 352 [358]; 11, 234 [237]; 28, 175 [183]). Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht sind deshalb nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden. Gegen die Verwendung derartiger Klauseln oder Rechtsbegriffe bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen läßt, so daß der Einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen.
2. Diesen Anforderungen wird § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB gerecht. In § 94 Abs. 1 StGB ist der Unwerttypus des Landesverrats eindeutig festgelegt. Aus dieser Vorschrift kann der Einzelne ersehen, welche Verhaltensweise als Landesverrat unter Strafe steht.
§ 94 Abs. 1 StGB bietet der Rechtsprechung eine feste Grundlage für die Auslegung und Anwendung des Absatzes 2 dieser Vorschrift. In § 94 Abs. 2 StGB wird kein neuer, von § 94 Abs. 1 StGB wesensverschiedener Unwerttypus gebildet; vielmehr bezieht sich die Rechtsfigur "besonders schwerer Fall" in § 94 Abs. 2 StGB auf den in § 94 Abs. 1 StGB umrissenen Tatbestand. Was unter einem "besonders schweren Fall" im Sinne des § 94 Abs. 2 StGB zu verstehen ist, wodurch also die Absätze 1 und 2 der Vorschrift über den Landesverrat voneinander abgegrenzt werden, läßt sich anhand der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien und der Bestimmung des § 46 StGB, die bei der Ausfüllung dieses Begriffes herangezogen werden kann (Dreher, StGB, 36. Aufl., § 46 Rdnr. 40), unschwer ermitteln. Danach liegt ein besonders schwerer Fall nur vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint, weil der ordentliche Strafrahmen angesichts der besonderen Strafwürdigkeit der Tat nicht ausreicht (vgl. u.a. RGSt 69, 164 [169]; BGHSt 2, 181 [182] und 5, 124 [130]; Dreher, a. a. O., § 46 Rdnr. 40). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 94 Abs. 2 StGB zwei Beispiele genannt, die zusätzliche Hinweise dafür geben, unter welchen Voraussetzungen ein besonders schwerer Fall vorliegt; nämlich dann, wenn der Täter eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet oder wenn er durch die Tat die Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. Bei dieser Rechtslage ist das materiale Kriterium der "besonderen Schwere" des Falles hinreichend deutlich gemacht, um eine sichere Rechtsanwendung zu garantieren.
Die durch § 94 Abs. 2 StGB angedrohte Strafe begegnet unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG offensichtlich keinen Bedenken.
II.
Bei der Auslegung und Anwendung des § 94 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 StGB auf den vorliegenden Fall sind Grundrechtsverstöße nicht erkennbar.
III.
Die Verwerfung der Revision des Beschwerdeführers mit der Begründung, die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Oberlandesgerichts könne grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht ein Ablehnungsgesuch gegen einen erkennenden Richter (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO) zu Unrecht verworfen habe, steht mit dem Grundgesetz im Einklang.
1. a) Nach § 28 Abs. 2 StPO ist gegen einen Beschluß, durch den die Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, sofortige Beschwerde zulässig; betrifft die Entscheidung einen erkennenden Richter, so kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden. Ob bereits der Wortlaut dieser Bestimmung zu der Auslegung zwingt, das Gesetz wolle auch im Falle des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO das die Richterablehnung betreffende Rechtsmittel als Beschwerde behandelt wissen, kann dahinstehen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem angegriffenen Beschluß angenommen, das Rechtsmittel nach § 28 Abs. 2 StPO bleibe seiner Natur nach auch dann eine Beschwerde, wenn es sich, weil die angefochtene Entscheidung einen erkennenden Richter betreffe, gegen das Urteil wende und demgemäß in der Form der revisionsrechtlichen Verfahrensrüge eingelegt werde. Diese Deutung des einfachen Rechts ist ersichtlich frei von Willkür und begegnet auch unter anderen Gesichtspunkten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; sie bindet deshalb das Bundesverfassungsgericht.
b) Behält danach das Rechtsmittel, welches das Gesetz dem Betroffenen zur Anfechtung des eine Richterablehnung verwerfenden oder zurückweisenden Beschlusses zur Verfügung stellt, auch im Falle des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO den Charakter einer Beschwerde, so unterliegt seine Zulässigkeit notwendig den Voraussetzungen des § 304 StPO. Nach Absatz 4 dieser Bestimmung ist gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte keine Beschwerde zulässig; lediglich in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, kann gegen bestimmte, im Gesetz einzeln aufgeführte Entscheidungen dieser Gerichte Beschwerde eingelegt werden. Dabei handelt es sich - wie der Wortlaut der Norm und die bei ihrer Formulierung angewendete Gesetzgebungstechnik zeigen - um eine den Grundsatz der Unanfechtbarkeit durchbrechende, die Anfechtungsmöglichkeit abschließend regelnde Ausnahmevorschrift, die einer erweiternden Auslegung oder entsprechenden Anwendung auf ähnlich gelagerte Fälle unzugänglich ist. Daraus folgt, daß eine Beschwerde gegen eine im Katalog des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht ausdrücklich aufgeführte erstinstanzliche Entscheidung eines Oberlandesgerichts nicht zulässig ist. Diese allein mögliche Deutung des § 304 Abs. 4 StPO entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. die Begründung zu Art. 2 Nr. 12 des Entwurfs eines Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen, BRDrucks. 62/69, S. 11; 147. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, Deutscher Bundestag, 5. Wp., StenBer. S. 3359; Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses, BTDrucks. V/4269, S. 6). Zu den danach unstatthaften Rechtsmitteln gehört die Beschwerde gegen eine Entscheidung, durch die ein im ersten Rechtszug zuständiges Oberlandesgericht die Ablehnung eines Richters als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen hat (§ 28 Abs. 2 StPO).
2. Diese Regelung ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
a) Weder Art. 19 Abs. 4 noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip gewährleisten einen Instanzenzug (BVerfGE 11, 232 [233], ständige Rechtsprechung).
b) Der Ausschluß der Beschwerde in den geschilderten Fällen verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgeführt, daß die Systemwidrigkeit einer gesetzlichen Regelung, die Verletzung der "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indiziere (BVerfGE 34, 103 [115] mit weiteren Nachweisen). Hier fehlt es jedoch an der Voraussetzung einer solchen Systemwidrigkeit. Die vom Beschwerdeführer angegriffene Regelung fügt sich nahtlos in das strafprozessuale Gefüge der Bestimmungen über die Anfechtbarkeit obergerichtlicher Entscheidungen und über Richterablehnungen befindender Gerichtsentscheide ein.
Im deutschen Strafverfahrensrecht gilt seit langem der Grundsatz, daß Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte nicht mit der Beschwerde anfechtbar sind (vgl. schon § 346 Abs. 3 der Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 [RGBl. S. 253 ff.]). Diese Regelung trägt einerseits dem Rang, der den Oberlandesgerichten und ihren Entscheidungen zukommt, andererseits dem Bedürfnis nach einer Entlastung des Bundesgerichtshofs Rechnung. Hieran hat das Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. September 1969 (BGBl. I S. 1582), durch das § 304 Abs. 4 StPO neu gefaßt worden ist, nichts geändert.
Der Strafprozeßordnung liegt auch nicht das Prinzip einer grundsätzlichen Anfechtbarkeit tatrichterlicher Entscheidungen über Richterablehnungen zugrunde. Ein Teil solcher Entscheidungen ist überhaupt oder doch grundsätzlich nicht (§§ 28 Abs. 1, 30 StPO), ein anderer nur eingeschränkt anfechtbar (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO). Lediglich in den Fällen des § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO ermöglicht das Gesetz die zwar fristgebundene, im übrigen aber uneingeschränkte Anfechtung mit der sofortigen Beschwerde.
c) Die angegriffene Regelung begegnet unter dem Gesichtspunkt des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG offensichtlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. Die Anwendung jener Regelung auf den vorliegenden Fall läßt ebenfalls keinen Verfassungsverstoß erkennen.
(gez.) Dr. Zeidler Dr. Rinck Wand Dr. Rottmann Dr. Niebler Dr. Steinberger