BVerfGE 21, 261 - Arbeitsvermittlungsmonopol
1. Inländischen juristischen Personen des Privatrechts kann für ihre Erwerbstätigkeit das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG zustehen.
2. Die Ausdehnung des Arbeitsvermittlungsmonopols auf Arbeitnehmer Überlassungsverträge durch § 37 Abs. 3 AVAVG ist mit dem Grundrecht der freien Berufswahl nicht vereinbar.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 4. April 1967 auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 1967
- 1 BvR 84/65 -
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Firma ...- Bevollmächtigte. Rechtsanwälte ... gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 1964 - IV ARBf 4/64 -, mittelbar gegen § 37 Abs. 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 321)
Entscheidungsformel:
1. Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 1964 - IV ARBf 4/64 - verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht Hamburg zurückverwiesen.
2. § 37 Absatz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (Bundesgesetzbl. I Seite 321) ist nichtig.
 
Gründe
I.
1. In das Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (siehe hierzu das Urteil vom 4. April 1967 - 1 BvR 126/65 -) sind die Arbeitnehmer- Überlassungsverträge einbezogen; § 37 Abs. 3 AVAVG bestimmt:
    Als Arbeitsvermittlung gilt ferner die Zuweisung von Arbeitnehmern, deren Arbeitskraft der Zuweisende regelmäßig dritten Personen für eine Beschäftigung zur Verfügung stellt, ohne selbst die Arbeit auf eigene Rechnung ausführen zu lassen und ohne selbst die Ausrüstung mit den erforderlichen Werkzeugen für die zugewiesenen Arbeitskräfte zu übernehmen.
2. Die Beschwerdeführerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH in Hamburg ein Unternehmen, als dessen Gegenstand im Handelsregister u. a. die Ausführung von kaufmännischen Sonderaufgaben und von Schreibarbeiten eingetragen ist. Tatsächlich führt sie selbst keine Büro- und Schreibarbeiten aus. Vielmehr wirbt sie durch Annoncen und Postwurfsendungen Frauen, die für Büroarbeiten verschiedener Art geeignet sind, aber eine Dauertätigkeit nicht ausüben wollen, als ihre "freien Mitarbeiterinnen" und stellt sie aushilfsweise ihren Kunden zur Verfügung, die entsprechende Bürokräfte zur endgültigen Anstellung durch Anzeigen suchen und auf diese Weise der Beschwerdeführerin bekannt werden. Auch in anderen Fällen, insbesondere während der Beurlaubung oder Erkrankung einer Dauerangestellten, überläßt die Beschwerdeführerin ihren Kunden auf deren Wunsch eine Mitarbeiterin, die die gleichen Arbeiten wie eine entsprechende eigene Angestellte des Betriebs verrichtet. Die Beschwerdeführerin darf sie jedoch jederzeit abberufen.
Sobald sich die Notwendigkeit einer solchen Aushilfstätigkeit durch die Einstellung einer neuen Dauerangestellten, die Rückkehr vom Urlaub oder das Ende der Krankheit einer Angestellten erledigt hat, kehrt die Mitarbeiterin wieder zur Beschwerdeführerin zurück; sie endgültig anzustellen, ist dem Kunden bei Verwirkung einer Vertragsstrafe von 5000 DM untersagt. Die Beschwerdeführerin selbst erhält von den Kunden ein "Honorar", das im Jahre 1963 etwa 5,20 bis 6,00 DM je Stunde betrug, und zahlt an die Mitarbeiterin einen geringeren Stundenlohn, zu der bezeichneten Zeit von etwa 3,50 DM; früher, mindestens bis zum Abschluß des Ausgangsverfahrens, überließ sie ihr auch die Aufbringung der vollen Beiträge zu den sozialen Versicherungen und die Abführung der Lohnsteuer.
In der geschilderten Tätigkeit der Beschwerdeführerin liegt nach Ansicht der Bundesanstalt eine Arbeitsvermittlung im Sinne von § 37 Abs. 3 AVAVG. Sie hat daher die Beschwerdeführerin aufgefordert, ihre Tätigkeit einzustellen. Darauf hat diese vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auf die Feststellung geklagt, daß ihre Tätigkeit nicht gegen Bestimmungen des AVAVG verstoße. Einen Antrag nach § 54 Abs. 1 Satz 1 AVAVG, sie im Rahmen ihrer Tätigkeit mit der etwa vorliegenden Arbeitsvermittlung zu beauftragen, hat sie nicht gestellt.
Gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und einen ihrer Angestellten schwebt wegen unerlaubter Arbeitsvermittlung nach § 210 AVAVG ein Strafverfahren, das bis zur Erledigung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde ausgesetzt ist.
3. Das Sozialgericht und das Landessozialgericht haben übereinstimmend in der geschilderten Tätigkeit der Beschwerdeführerin eine Arbeitsvermittlung im Sinne von § 37 Abs. 3 AVAVG gesehen und daher die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen. Die Vereinbarkeit des allgemeinen Monopols der Bundesanstalt mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG bejaht das Landessozialgericht mit eigenen Ausführungen und im Hinblick auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 1961 (BGHSt 17, 137) und des Bundessozialgerichts vom 14. Februar 1964 [BSG 20, 169]; auf die Besonderheit der Vorschrift des § 37 Abs. 3 AVAVG geht es nicht näher ein. Die Revision hat es nicht zugelassen.
4. Dieses Urteil des Landessozialgerichts bekämpft die Beschwerdeführerin in erster Linie wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Diesem Grundrecht widerspreche schon das allgemeine Arbeitsvermittlungsmonopol, erst recht aber seine Ausdehnung auf Arbeitnehmer-Überlassungsverträge. Zudem genüge die Bestimmung des § 37 Abs. 3 AVAVG wegen ihrer Unklarheit nicht rechtsstaatlichen Erfordernissen; bei richtiger Auslegung und bei zutreffenden tatsächlichen Feststellungen finde sie auf den Gewerbebetrieb der Beschwerdeführerin keine Anwendung.
5. Die Bundesregierung und die Bundesanstalt halten sowohl das allgemeine Arbeitsvermittlungsmonopol als auch seine Ausdehnung auf Arbeitnehmer-Überlassungsverträge für verfassungsmäßig. Diese seien schon ihrem Wesen nach Arbeitsvermittlung; ihre besondere Erwähnung in § 37 Abs. 3 AVAVG solle den Begriff der Arbeitsvermittlung vernünftig abgrenzen und eine sonst mögliche Umgehung des Monopols verhindern. Die Arbeitnehmerverleihbetriebe führten für die Arbeitnehmer zu den gleichen Mißständen wie das Gewerbe des Arbeitsvermittlers. Außerdem würden die überlassenen Arbeitnehmer weitgehend des arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Schutzes beraubt. Für die Arbeitgeber würden die Personalkosten erhöht. Der erforderliche Überblick über den Arbeitsmarkt und seine Kontrolle würden verhindert.
Dieser Rechtsauffassung hat sich das Bundessozialgericht mit im wesentlichen gleichen Erwägungen angeschlossen; bis zum Jahre 1957 seien Arbeitnehmer-Überlassungsverträge wegen der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse praktisch nicht vorgekommen.
Der Deutsche Industrie- und Handelstag kommt nach umfassenden Ermittlungen zu dem folgenden Ergebnis:
    "1. Arbeitnehmer-Überlassungsverträge im Sinne von § 37 Abs. 3 AVAVG kommen nur selten vor. Sie sind schon ihrem Umfang nach kaum geeignet, das Arbeitsvermittlungsmonopol zu umgehen. Im übrigen kommen sie, wenn überhaupt, regelmäßig nur für die Zuweisung von Aushilfskräften, nicht aber von Dauerkräften in Betracht.
    2. Die Umfrage hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß Arbeitnehmer-Überlassungsverträge zu einer Ausbeutung der einem anderen Betrieb überlassenen Arbeitnehmer geführt hätten oder führen könnten. Es versteht sich, daß die Betriebe für fremde, ihnen zugewiesene Arbeitskräfte mehr aufwenden müssen als für eigene, da sonst dem zuweisenden Unternehmer kein Gewinn verbliebe. Indessen sind näher begründete Klagen darüber, daß dies zu einer wesentlichen Überteuerung der Arbeitsvergütung geführt hätte, nicht bekanntgeworden, was wiederum damit zusammenhängen mag, daß regelmäßig nur Aushilfs- und keine Dauerkräfte zugewiesen werden."
Mit einer Bezugnahme hierauf hat sich die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände begnügt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die Vorschrift des § 37 Abs. 3 AVAVG für verfassungsmäßig.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Die Rechtsform der Beschwerdeführerin steht der Geltendmachung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG jedenfalls für das hier zur Rede stehende Begehren nicht entgegen. Allerdings kann eine juristische Person nicht einen Beruf im Sinne einer Lebensaufgabe, in der sich die menschliche Persönlichkeit voll ausformt und vollendet, ausüben (BVerfGE 7, 377 [397]). Indes ist in der Berufsfreiheit auch die Freiheit enthalten, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe zu betreiben. Jedenfalls insoweit, als eine bestimmte Erwerbstätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann, ist das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
2. Der Rechtsweg ist erschöpft. Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kennt das Sozialgerichtsgesetz nicht.
III.
Die Verfassungsmäßigkeit des allgemeinen Vermittlungsmonopols ist in dem auf die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 126/65 ergangenen Urteil vom 4. April 1967 festgestellt. Daraus folgt jedoch noch nicht die Verfassungsmäßigkeit seiner Erweiterung durch § 37 Abs. 3 AVAVG.
1. Eine solche Erweiterung ist freilich dann überhaupt nicht gegeben, wenn der zugewiesene Arbeitnehmer in den Betrieb der "dritten Person" - in der Regel eines Unternehmers - derart eingeordnet wird, daß er nach der ganzen Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen - wenn auch nur auf kurze Dauer - deren Arbeitnehmer wird. Dies würde genügen, um ein Arbeitsverhältnis i. S. des § 37 Abs. 1 AVAVG zu begründen. Dabei ist es unwesentlich, daß der zugewiesene Arbeitnehmer gleichzeitig an ein irgendwie geartetes Vertragsverhältnis zu dem zuweisenden Unternehmer gebunden bleibt. In einem solchen Falle liegt eindeutig eine von dem Monopol erfaßte Arbeitsvermittlung vor; die Vorschrift des § 37 Abs. 3 AVAVG ist dann praktisch bedeutungslos.
2. Soll die Vorschrift nicht etwas Selbstverständliches besagen und daher überhaupt entbehrlich sein, so kann sie nur den Sinn haben, daß auch dann eine Arbeitsvermittlung fingiert wird, wenn der zu 1 erörterte Sachverhalt nicht vorliegt. Dies ist nur dann denkbar, wenn der Zugewiesene in den Betrieb der dritten Person nicht als deren Arbeitnehmer eingeordnet wird, sondern lediglich in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu dem zuweisenden Unternehmer verbleibt. Den regelmäßigen Abschluß von Arbeitnehmer- Überlassungsverträgen mit diesem Inhalt in das Monopol der Bundesanstalt einzubeziehen, ist jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
3. Wie in dem Urteil vom 4. April 1967 - 1 BvR 126/65 - ausgeführt ist, richtet das allgemeine Arbeitsvermittlungsmonopol ein objektives Hindernis für die Wahl des Berufs des selbständigen Arbeitsvermittlers auf und ist nur deshalb mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil es für den Schutz eines überragenden Gemeinschaftsguts unerläßlich ist. Auch seine Ausdehnung auf den regelmäßigen Abschluß von Arbeitnehmer-Überlassungsverträgen (in dem oben zu 2 gekennzeichneten Sinne) richtet ein objektives Hindernis für die Wahl derjenigen gewerblichen Tätigkeit auf, die - wie die der Beschwerdeführerin - Überlassungsverträge der bezeichneten Art zum Gegenstand hat, und kann daher vor Art. 12 Abs. 1 GG nur Bestand haben, wenn sie zum Schutze eines überragenden Gemeinschaftsguts notwendig ist. Dieses Erfordernis ist hier aber nicht erfüllt.
4. Die Gefahr, das Arbeitsvermittlungsmonopol könne durch die Überlassung eigener Arbeitnehmer an andere umgangen werden, könnte daraus entnommen werden, daß Arbeitnehmer- Überlassungsverträge mit der Arbeitsvermittlung gewisse wirtschaftliche Funktionen gemeinsam haben. In beiden Fällen werden Arbeitnehmer, die nicht den Weg der Selbstsuche gehen können oder wollen, einer Beschäftigung in Betrieben zugeführt, die ihrerseits die fremde Hilfe in Anspruch nehmen, um die gewünschte Arbeitskraft zu finden.
Andererseits bestehen wichtige Unterschiede: Die Arbeitsvermittlung ist - vergleichbar der Tätigkeit des Maklers - letztlich darauf gerichtet, daß zwischen einem eine Arbeit suchenden Arbeitnehmer und einem einen Arbeitsplatz anbietenden Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zustande kommt. Dementsprechend erschöpft sie sich darin, daß der Vermittler einen arbeitsuchenden Arbeitnehmer einem Arbeitgeber mit dem Ziele der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zuführt; mit dieser Tätigkeit, insbesondere mit dem etwaigen Abschluß eines Arbeitsvertrags, findet sie ihr Ende. Beim Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag dagegen sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Überlassenden und dem überlassenen Arbeitnehmer von anderer Art; sie sind nicht auf einen einzelnen Fall beschränkt, sondern sind von Dauer und bleiben insbesondere während der Zeit, in der der Arbeitnehmer in dem fremden Betrieb tätig wird, weiter bestehen.
Bei diesen Unterschieden sind Arbeitnehmer-Überlassungsverträge kein geeignetes Mittel, um die Arbeitsvermittlung in nennenswertem Umfang zu umgehen. Offenbar ist der Raum, innerhalb dessen sie die wirtschaftliche Funktion der Arbeitsvermittlung ersetzen könnten, sehr begrenzt; sie sind überhaupt nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn ein Betrieb aus gewissen Gründen, z. B. wegen des Ausfalls eines ständigen Arbeitnehmers infolge Urlaubs, Krankheit oder Kündigung oder wegen vorübergehender, aber dringender Arbeiten mit den eigenen Arbeitskräften nicht auskommt. Dafür, daß in Betrieben längere Zeit hindurch fremde Arbeitnehmer tätig sind, die ihnen von anderen Unternehmern überlassen sind, weiterhin nur zu diesen Unternehmern in Rechtsbeziehungen stehen und der Weisungsbefugnis des Unternehmers, in dessen Betrieb sie tatsächlich arbeiten, nicht unterstehen, spricht kaum eine Lebenserfahrung.
Freilich werden die aufgezeigten Unterschiede in der Wirklichkeit nicht immer offen zutage liegen. Etwaige tatsächliche Zweifel zu klären, bleibt dann, wie auch sonst, die Aufgabe der zuständigen Gerichte. Das Bedürfnis, ihnen diese Aufgabe dadurch zu erleichtern, daß schon das Gesetz durch die Ausdehnung des Begriffs der Arbeitsvermittlung eine eindeutige Grenze zieht, kann es aber nicht rechtfertigen, die Wahl eines Berufs überhaupt zu verbieten. Arbeitnehmer-Überlassungsverträge erschweren der Bundesanstalt eine Statistik sowie die Beobachtung und Kontrolle des Arbeitsmarktes nicht in höherem Umfang, als es bei Arbeitsverträgen der Fall ist, die ohne ihre Mitwirkung zustande kommen.
Hinzu kommt, daß Arbeitnehmer-Überlassungsverträge ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis erfüllen können. Sie mobilisieren die Arbeitskraft solcher Arbeitnehmer, die aus verschiedenen Gründen keine Dauerstellung, auch nicht für eine Teilzeitbeschäftigung, annehmen können oder wollen. Dies gilt namentlich für Arbeitskräfte, die einerseits auf eine besonders elastische Gestaltung der Arbeitszeit Wert legen, andererseits, wenn sie zur Verfügung stehen, sofort in einer ihren individuellen Fähigkeiten entsprechenden Weise eingesetzt werden möchten und durch die Beziehung zu dem ihnen bekannten, zuweisenden Unternehmer gesichert sein wollen.
5. Ebensowenig überzeugen die weiteren Gründe, die zur Rechtfertigung der Einbeziehung der Arbeitnehmer-Überlassungsverträge in das Vermittlungsmonopol angeführt werden. Danach werden mit dieser Maßnahme Ziele verfolgt, die an sich berechtigt sein mögen; indes können sie durch mildere Maßnahmen als durch den stärksten Eingriff in das Recht der freien Berufswahl erreicht werden.
Die arbeitsrechtliche Lage der überlassenen Arbeitnehmer mag in mancher Hinsicht zu Zweifeln Anlaß geben. Ihr Kündigungsschutz mag in gewissen Fällen unklar sein (vgl. die Ausführungen des Abgeordneten Sabel in der Sitzung des Bundestags vom 14. November 1956 - Sten.Ber. BT II S. 9396 -). Die tarifliche Vergütung, soweit eine solche überhaupt in Frage kommt, der Urlaub sowie sonstige arbeitsrechtliche Ansprüche können ihnen leicht vorenthalten werden. Alles dies klarzustellen ist aber, wie auch in sonstigen Streitfällen, Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, deren Anrufung Sache der Arbeitnehmer ist. Von den Gerichten ist weiter die vom Landessozialgericht aufgeworfene Frage zu entscheiden, ob die überlassenen Arbeitnehmer in der Verwertung ihrer Arbeitskraft durch andere Maßnahmen, wie etwa die Vereinbarung besonders hoher Vertragsstrafen mit den dritten Personen, übermäßig beeinträchtigt werden.
Die Sorge dafür, daß die Arbeitgeber die Beiträge zu den sozialen Versicherungen für die zugewiesenen Arbeitnehmer ordnungsmäßig abführen, liegt ebenso wie bei allen Unternehmen den Trägern dieser Versicherungen, die Entscheidung im Streitfall den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ob. Die Entscheidung darüber, ob Vergütungen, die für die Leistungen der überlassenen Arbeitnehmer aufzubringen sind, noch tragbar oder überteuert sind, kann der Selbstverantwortung der Unternehmer, denen die Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, überlassen bleiben.
6. Auch die geschichtliche Entwicklung läßt die Ausdehnung des Vermittlungsmonopols auf die Arbeitnehmer-Überlassungsverträge nicht als unabweisbar erscheinen. Allerdings bezieht schon das Arbeitsnachweisgesetz vom 22. Juli 1922 die Arbeitnehmer- Überlassungsverträge in die gewerbsmäßige Stellenvermittlung ein; dem ist das ursprüngliche Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 gefolgt. Die Einbeziehung ist dann im Jahre 1935 weggefallen; allerdings machten die damals umfangreicheren Befugnisse der Reichsanstalt, insbesondere der ihr obliegende Arbeitseinsatz, Arbeitnehmer-Überlassungsverträge weitgehend gegenstandslos. Die Notwendigkeit der Wiederherstellung der früheren Regelung durch die Novelle vom 23. Dezember 1956 (BGBl. I S. 1018) für die Zeit ab 1. April 1957 wird weder in der Regierungsvorlage vom 17. Mai 1955 (BT-Drucks. II/1274) noch in dem Ausschußbericht näher begründet; wie die Bundesregierung und die Bundesanstalt eingeräumt haben, sind nach dem Aufhören der Besatzungsherrschaft bis zum 1. April 1957 Mißstände nicht zutage getreten.
7. Da hiernach die Bestimmung des § 37 Abs. 3 AVAVG mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar und daher nichtig ist, braucht auf die weiteren Rügen der Verfassungsbeschwerde nicht mehr eingegangen zu werden.
Das Landessozialgericht, an das die Sache nach § 95 Abs. 2 BVerfGG zurückzuverweisen ist, wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Tätigkeit, die die Beschwerdeführerin entfaltet, die Erfordernisse der Arbeitsvermittlung i. S. des § 37 Abs. 1 AVAVG erfüllt.
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