BVerfGE 9, 174 - Politisch Verfolgter
1. Enthält der Beschluß gemäß § 29 DAG eine eigene Sachentscheidung, dann ist sie wegen ihres selbständigen Charakters mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar. Wegen des inneren Zusammenhangs der in dem selben Auslieferungsverfahren ergehenden Sachentscheidungen greift die rechtzeitig gegen den Beschluß nach § 29 Abs. 1 DAG erhobene Verfassungsbeschwerde auch die ursprüngliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung an.
2. Politisch Verfolgter kann in Ausnahmefällen auch jemand sein, der erst während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland die Tatsachen schafft, die eine politische Verfolgung in dem Lande befürchten lassen, das die Auslieferung begehrt.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 4. Februar 1959
-- 1 BvR 193/57 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des jugoslawischen Staatsangehörigen M. gegen die Beschlüsse des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 19. November 1956, 19. März 1957 und 26. März 1957 -- Ausl. 9/55 (1183) -.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL:
Die Beschlüsse des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 19. November 1956, 19. März 1957 -- Ausl. 9/55 (1183) -- verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG; sie werden aufgehoben.
Die Sache wird an das Oberlandesgericht in Düsseldorf zurückverwiesen.
 
Gründe:
I.
1. Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, richtete im September 1954 im Auftrage einer Belgrader Firma einen Pavillon für eine Ausstellung in München ein. Von dieser Reise, die er mit Zustimmung der jugoslawischen Behörden unternahm, kehrte er nicht nach Jugoslawien zurück, sondern verblieb in der Bundesrepublik Deutschland. Am 20. Oktober 1954 bat der Beschwerdeführer bei der Stadtverwaltung in Krefeld um Asyl und Anerkennung als ausländischer Flüchtling. Zur Begründung gab er an, er lehne die gegenwärtige jugoslawische Regierung und ihre Maßnahmen auf Grund seiner Herkunft und seiner politischen Überzeugung ab; wegen dieser Einstellung sei er im Falle seiner Rückkehr nach Jugoslawien gefährdet.
Am 5. Februar 1955 erhob der Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes für die Stadt Belgrad gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen einer Reihe von Straftaten, die er in den Jahren 1952 und 1953 als kaufmännischer Direktor des staatlichen Verlagsunternehmens "NIN" begangen haben soll; die Straftaten wären nach deutschem Recht als Unterschlagung, Betrug, Untreue und Urkundenfälschung zu werten.
Wegen dieser Taten hat die jugoslawische Regierung durch Note vom 4. August 1955 um Auslieferung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Sie hat sich bereit erklärt, den Grundsatz der Spezialität zu wahren, so daß der Beschwerdeführer "wegen einer anderen strafbaren Handlung oder anderer Tatsachen als derjenigen, im Hinblick auf welche seine Auslieferung bewilligt wird, weder gerichtlich noch sonstwie verfolgt wird und daß seine persönliche Freiheit nicht beschränkt wird".
Der Beschwerdeführer, der die ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen bestreitet, widersprach der Auslieferung und berief sich auf das ihm als politisch Verfolgtem zustehende Asylrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG.
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Düsseldorf erklärte durch Beschluß vom 19. November 1956 die Auslieferung für zulässig, weil der Beschwerdeführer weder eine politische noch eine mit einer solchen in Zusammenhang stehende kriminelle Tat im Sinne des § 3 Abs. 1 DAG begangen habe und auch die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht vorlägen. Ein gemäß § 29 DAG gestellter Antrag des Beschwerdeführers, über die Zulässigkeit der Auslieferung aufs neue zu beschließen, wurde durch Beschluß des 1. Strafsenates des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 19. März 1957 als unbegründet verworfen; das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers enthalte "keine neuen Umstände", die "die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Auslieferung ... in Zweifel setzen".
Auf eine erneute Eingabe des Beschwerdeführers beschloß der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Düsseldorf am 26. März 1957, die Eingabe gebe dem Senat keinen Anlaß, von seinem Beschluß vom 19. März 1957 abzugehen.
Der gemäß der Asylverordnung vom 6. Januar 1953 (BGBl. I S. 3) und dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560) gestellte Antrag des Beschwerdeführers, ihn als ausländischen Flüchtling anzuerkennen, ist von der Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Nürnberg, vom Beschwerdeausschuß dieser Bundesdienststelle, vom Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden; eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die von dem Beschwerdeführer erhobene Revision steht noch aus.
2. Der Beschwerdeführer hat am 13. April 1957 Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des 1. Strafsenates des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 19. November 1956, 19. März 1957 und 26. März 1957 erhoben, durch die er sich in seinem Grundrecht aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt fühlt. Er behauptet, auf Grund folgender Tatsachen genieße er als politisch Verfolgter Asylrecht und dürfe deshalb nicht ausgeliefert werden:
Er habe im September 1954 in München das Mißfallen des dortigen jugoslawischen Konsuls erregt, weil er den Ausstellungspavillon angeblich nicht prächtig genug ausgestattet und mit jugoslawischen Emigranten Verbindung aufgenommen habe. Er müsse deshalb damit rechnen, daß er bei einer Rückkehr nach Jugoslawien politisch verfolgt werde.
Er gehöre ferner der Mixed Service Organisation (MSO), einer Hilfsorganisation der britischen Armee in Deutschland, an; diese setze sich aus ehemaligen jugoslawischen Kriegsgefangenen und aus Angehörigen serbischer Truppeneinheiten zusammen, die auf der Seite der deutschen Wehrmacht gekämpft hätten. Diese seien Todfeinde des Tito-Regimes. Auch habe er sich im August 1955 bei dem Serbischen Nationalbund in der Bundesrepublik Deutschland, einer gegen den Kommunismus und das Tito-Regime gerichteten Vereinigung der Serben, angemeldet und sei einige Wochen später in diese nationale serbische Organisation aufgenommen worden. Wegen der Zugehörigkeit zu diesen beiden Organisationen müsse er bei einer Rückkehr in seine Heimat für Leib und Leben fürchten.
Schließlich sei in Jugoslawien möglicherweise bekannt geworden, daß er während des Krieges in einem deutschen Arbeitsdienst für den damaligen Wehrmachtsender Belgrad tätig gewesen sei. In diesem Fall habe er bei einer Rückkehr eine Bestrafung wegen Kollaboration zu erwarten.
3. Gemäß § 94 BVerfGG ist der Bundesregierung und der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen Gelegenheit zur Äußerung über die Verfassungsbeschwerde gegeben worden. Beide haben zu einigen durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen Stellung genommen.
Über den Eintritt des Beschwerdeführers in den Serbischen Nationalbund und über die Bedeutung dieser Organisation hat das Bundesverfassungsgericht durch Vernehmung des Generalsekretärs des Serbischen Nationalbundes Duzan Sedlar als Zeugen Beweis erhoben und den Beschwerdeführer gehört. Ferner hat es bei dem Bundesminister des Innern Auskunft über die politische Bedeutung dieser Vereinigung eingeholt.
4. Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sie sich gegen den Beschluß vom 19. März 1957 richtet, durch den gemäß § 29 DAG die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der Auslieferung als unbegründet verworfen worden sind.
Nach § 29 DAG hat das Gericht auf Antrag des Staatsanwalts oder des Verfolgten aufs neue zu beschließen, wenn nachträglich Umstände eintreten, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Auslieferung noch bestehen. Dieser Beschluß ist nichts anderes als eine formale Wiederholung der früheren Entscheidung, wenn er den Antrag als unzulässig verwirft, weil keine neuen Umstände vorgetragen worden sind. Er ist mehr als eine solche Wiederholung, nämlich eine eigene Sachentscheidung, wenn das Gericht neue Umstände zu würdigen hatte. Daran ändert auch nichts, daß diese nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet gewesen sind, die Zulässigkeit der Auslieferung auch nur in Zweifel zu ziehen, so daß der Antrag als unbegründet zu verwerfen war. Durch die Zulassung einer erneuten Entscheidung will das Gesetz der wirklichen Rechtslage Geltung verschaffen und vorweg durch das Gericht Fragen abschließend klären, von denen das nachfolgende Verfahren zur Bewilligung der Auslieferung durch die Regierung abhängig ist.
Enthält der Beschluß gemäß § 29 DAG eine eigene Sachentscheidung, dann ist sie wegen ihres selbständigen Charakters mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar. Wegen des inneren Zusammenhangs der in demselben Auslieferungsverfahren ergehenden Sachentscheidungen greift die rechtzeitig gegen einen Beschluß nach § 29 Abs. 1 DAG erhobene Verfassungsbeschwerde auch die ursprüngliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung an.
Der mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Beschluß vom 19. März 1957 enthält eine eigene Sachentscheidung, weil er den vom Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 1 DAG gestellten Antrag nicht als unzulässig, sondern als unbegründet verwirft. Die rechtzeitig gegen diesen Beschluß erhobene Verfassungsbeschwerde ergreift somit auch den Beschluß vom 19. November 1956, der die Auslieferung für zulässig erklärt.
Ob auch der Beschluß vom 26. März 1957 eine eigene Sachentscheidung enthält, kann dahingestellt bleiben.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Der Auslieferung des Beschwerdeführers nach Jugoslawien steht sein Recht auf Asyl nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG entgegen.
1. Das Asylrecht wird nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG den politisch Verfolgten gewährt.
Die Verfassung hat den Begriff des politisch Verfolgten nicht abgegrenzt. Der Entstehungsgeschichte des Art. 16 GG läßt sich hierfür nur wenig entnehmen. In den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde vornehmlich erörtert, ob das Asylrecht auch Gegnern der freiheitlichen Demokratie zu gewähren sei, ob es über den Schutz vor Auslieferung hinausgehe und in welchem Verhältnis das Grundrecht auf Asyl zum Völkerrecht stehe. Übereinstimmung bestand aber darüber, daß es nicht geboten sei, das Asylrecht eng zu fassen oder auf einen bestimmten Personenkreis zu begrenzen. Das Asylrecht wurde allgemein als das Recht bezeichnet, "das dem Ausländer gewährt wird, der in seinem eigenen Land nicht mehr leben kann, weil er durch das politische System seiner Freiheit, seines Leben oder seiner Güter beraubt wird" (PR, 18. Sitzung des HA vom 4. Dezember 1948 -StenBer. S. 217 f. -; 44. Sitzung des HA vom 19. Januar 1949 -StenBer. S. 582 ff. -). Von gleichen Gedanken gingen auch die Regelungen aus, die das Asylrecht in den Verfassungen mehrerer deutscher Länder damals bereits gefunden hatte (Art. 105 Verfassung des Freistaates Bayern; Art. 7 Satz 2 Verfassung des Landes Hessen; Art. 16 Abs. 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz).
Schon diese Erwägungen legen es nahe, den Begriff des politisch Verfolgten nicht eng auszulegen. Eine weite Auslegung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG entspricht nicht nur dem Geist, in dem er konzipiert worden ist, sondern auch der Situation, für die er gemünzt war. Sie ist gekennzeichnet durch tiefgreifende gesellschaftspolitische und weltanschauliche Gegensätze zwischen Staaten, die wesensverschiedene innere Strukturen entwickelt haben. In einer Reihe von Staaten wird zur Durchsetzung und Sicherung politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen die Staatsgewalt in einer Weise eingesetzt, die den Grundsätzen freiheitlicher Demokratie widerspricht. Das Grundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG sollte auch dieser Notlage Rechnung tragen; dem muß seine Auslegung entsprechen.
Der Begriff des politisch Verfolgten kann sich daher nicht nur nach der Art der etwa begangenen Tat bestimmen. Das Asylrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht auf die sog. politischen Verbrecher im Sinne des Deutschen Auslieferungsgesetzes beschränkt, also auf Personen, deren Auslieferung wegen einer mit Art. 3 Abs. 1 DAG bezeichneten Straftat begehrt wird. Unter Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG fallen vielmehr auch die wegen nichtpolitischer Straftaten Verfolgten, "wenn diese im Falle ihrer Auslieferung in ihrem Heimatstaat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen ihrer persönlichen Freiheit ausgesetzt wären" (vgl. BGHSt 3, 392 [395]).
Politisch Verfolgter kann auch jemand sein, der erst während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland die Tatsachen schafft, die eine politische Verfolgung in dem Lande befürchten lassen, das die Auslieferung begehrt. Jedoch kann es sich hierbei nur um Ausnahmefälle handeln, an die ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist; denn es muß vor allem verhindert werden, daß Ausländer nachträglich die Voraussetzungen des Asylrechts nur schaffen, um den Schutz dieses Rechtes für eine kriminelle Tat zu erschleichen.
Im übrigen kann das Asylrecht der "politisch Verfolgten" auch dann bestehen, wenn die durch das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 und die Asylverordnung vom 6. Januar 1953 bestimmten Voraussetzungen der Eigenschaft als "politischer Flüchtling" nicht gegeben sind. Deshalb sind Entscheidungen, die eine Anerkennung als politischer Flüchtling versagen, für die Frage der Asylgewährung an politisch Verfolgte nicht präjudiziell.
Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem allgemeinen Völkerrecht stehen der hier entwickelten weiten Auslegung nicht entgegen. Denn dieses Recht enthält keinen Satz, der die Asylgewährung auf politische Verbrecher oder solche Personen beschränkt, deren Tat in Verbindung mit einer politischen Straftat steht.
Die Zusicherung der Spezialität der Strafverfolgung, die früher eine wesentliche und grundsätzlich ausreichende Garantie gegen politische Verfolgung Ausgelieferter darstellte, besitzt diese Effektivität heute nicht mehr. In einer Reihe von Staaten hat die Politisierung weiter Lebensbereiche, die Benutzung des materiellen Strafrechts zur Sicherung und Durchsetzung sozialer und politischer Umwälzungen die Grenze zwischen "kriminellen" und "politischen" Straftaten verwischt. Hier bieten auch Gerichtsverfassung und -verfahren vielfach nicht mehr die Garantie, daß bei politischen Gegnern die Begrenzung der Strafverfolgung durch den Grundsatz der Spezialität so verstanden wird, wie die freiheitliche demokratische Rechtsordnung ihn verstanden wissen will. Selbst ergänzende Zusicherungen vor der Auslieferung könnten kaum wirksam ausschließen, daß bei der Strafzumessung politische Zwecke maßgebenden Einfluß erlangen. Damit entfällt der Schutz, den der Grundsatz der Spezialität gegen Verfolgungen auch wegen solcher Taten bieten soll, die der Ausgelieferte erst nach dem Verlassen seines Heimatlandes begangen hat.
Wenn dennoch ein Auslieferungsverkehr selbst mit Staaten fortbesteht, die erklärte Vertreter eines gegensätzlichen Rechtssystems sind, so ist die Beachtung der oben dargelegten Umstände bei jeder Entscheidung über eine Auslieferung verfassungsrechtlich geboten. Grundsätzlich wird hier in allen Fällen, die nicht eindeutig nur krimineller Natur sind, die Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehen; sie ist um so größer, je mehr sich der Ausliefernde in Widerspruch zu den in seinem Heimatland herrschenden politischen Maximen gesetzt hat oder setzt.
2. Die Befürchtung des Beschwerdeführers, daß schon auf Grund seiner in der Zugehörigkeit zum Serbischen Nationalbund zum Ausdruck kommenden politischen Überzeugung bei einer Rückkehr nach Jugoslawien Verfolgungsmaßnahmen der dargelegten Art gegen ihn ergriffen werden, ist berechtigt.
Der Serbische Nationalbund ist nach den glaubwürdigen Angaben des Zeugen Sedlar eine in Jugoslawien nach der Machtergreifung durch die Kommunistische Partei verbotene Vereinigung. Sie ist später von den im Ausland lebenden Nationalserben wieder gegründet worden und besitzt heute Landesgruppen in allen Ländern, in denen "nationalbewußte Serben" wohnen. Der Serbische Nationalbund hat sich nach seinem Statut vom 26. November 1955 den allgemeinen Kampf gegen den Kommunismus, insbesondere auch gegen die bestehende jugoslawische Regierung, und die Fürsorge für diejenigen Serben zum Ziel gesetzt, die als politische Flüchtlinge und politisch Verfolgte im Ausland leben. Angehörige der Kommunistischen Partei oder prokommunistischer Organisationen können nicht Mitglieder des Bundes sein; auch bescholtene oder kriminelle Personen werden nicht aufgenommen. In der Bundesrepublik Deutschland sind die meisten Angehörigen dieser Vereinigung ehemalige serbische oder jugoslawische Offiziere. Etwa 85% der Mitglieder sind ehemalige Kriegsgefangene, die in Deutschland geblieben sind und aus politischen Gründen nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wollen. Unter ihnen befinden sich auch solche, die gegen jugoslawische Partisanen, insbesondere gegen Tito und seine Anhänger gekämpft haben, ferner Serben, die im zweiten Weltkrieg von der Gestapo gefangengenommen und nach Deutschland gebracht worden sind; die übrigen sind im wesentlichen jugoslawische Emigranten. Zum Präsidenten ist im Jahre 1958 ein früherer Richter des Kassationshofes in Belgrad gewählt worden. Der Charakter des Serbischen Nationalbundes in der Bundesrepublik kommt besonders deutlich in der auf seinem I. Kongreß am 3. Juli 1955 gefaßten Resolution zum Ausdruck, in der es u. a. heißt:
    "1. Der Kongreß dankt den Vereinten Nationen für den den politischen Flüchtlingen geliehenen Rechtsschutz, der Deutschen Bundesrepublik für das erwiesene Asylrecht und die Achtung der Konvention der Vereinten Nationen, sowie den Internationalen Organisationen für die den politischen Flüchtlingen erwiesene moralische Unterstützung.
    2. Der Kongreß drückt s. H. König Peter II. seine tiefste Dankbarkeit aus für seine Bemühungen um die Unterstützung der Flüchtlinge, sowie für die Verteidigung der in der Heimat durch das kommunistische Regime bedrohten demokratischen Rechte.
    ...
    8. In dem halben Jahrhundert ihres Bestehens war die Serbische Nationalwehr Trägerin des serbischen nationalen Freiheitsgedankens. Ihr historischer Weg dient auch uns in der Fremde als Vorbild bei der Verteidigung der serbischen Interessen und der serbischen Freiheit.
    Im unbeirrbaren Glauben an die Auferstehung der Freiheit des serbischen Volkes entbietet der I. Kongreß der Serbischen Nationalwehr (des Serbischen National-Bundes) in der Deutschen Bundesrepublik dem gesamten serbischen Volke, sowohl in der vom Kommunismus unterjochten Heimat als auch in der ganzen freien Welt, seine brüderlichen Grüße und versichert es seiner treuen Liebe."
Eine so ausgeprägt antikommunistische, auch gegen die gegenwärtige Ordnung in Jugoslawien gerichtete Zielsetzung muß dazu führen, daß in der kommunistischen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien Mitglieder dieser Organisation als politische Gegner betrachtet und verfolgt werden.
Der Beschwerdeführer muß daher damit rechnen, daß er bei seiner Rückkehr als politischer Gegner angesehen wird und Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist. Diese Gefahr wird für ihn noch dadurch vergrößert, daß er der MSO angehört, deren Mitglieder nach den getroffenen Feststellungen im Fall unfreiwilliger Rückkehr nach Jugoslawien einer akuten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt sind.
Es haben sich auch keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß der Beschwerdeführer dem Serbischen Nationalbund nur beigetreten ist, um im Hinblick auf die drohende Auslieferung sich auf das Asylrecht also politisch Verfolgter berufen zu können. Dem steht schon entgegen, daß der Beschwerdeführer bereits am 20. Oktober 1954, also noch ehe ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet war, um Asyl und Anerkennung als ausländischer Flüchtling nachgesucht hat. Hinzu kommt, daß er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei seinem Eintritt in den Serbischen Nationalbund nicht gewußt hat, welche Bedeutung seiner Zugehörigkeit zu dieser nationalen serbischen Vereinigung in einem Auslieferungsverfahren zukommen würde.
3. Da der Beschwerdeführer politisch Verfolgter ist, genießt er gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in der Bundesrepublik Asyl und darf nicht an Jugoslawien ausgeliefert werden.
Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 26. November 1956 und 19. März 1957 verletzen somit das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und müssen aufgehoben werden.
Der Beschluß des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 26. März 1957 wird damit gegenstandslos.
Die Sache ist an das Oberlandesgericht in Düsseldorf zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).