BVerfGE 7, 358 - Stadtinspektor NRW
1. Der durch Art. 28 Abs. 2 GG auch gegenüber dem Gesetzgeber geschützte Wesensgehalt der Selbstverwaltung wird nicht dadurch angetastet, daß der Staat sich Rechtsentscheidungen über Angelegenheiten der Kommunalbeamten in gewissem Umfang vorbehält.
2. Ein Landesgesetz verstößt dann nicht gegen §§ 63, 23 Abs. 2 G 131, wenn solche staatliche Behörden als "oberste Dienstbehörden" bestimmt werden, die herkömmlich auch in anderen Fällen über personalrechtliche Fragen der Kommunalbeamten entscheiden.
 
Beschluß
des Zweiten Senats vom 29. April 1958
– 2 BvL 25/56 –
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 12 Absatz 1 lit. b des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung des Landesrechts an die Vorschriften des Bundesgesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307) (Änderungs- und Anpassungsgesetz) vom 15. Dezember 1952 (GVBl. S. 423) – Vorlagebeschluß des Landesverwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3. November 1955 – 2 K 221/54 –.
 
Entscheidungsformel:
§ 12 Absatz 1 lit. b des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung des Landesrechts an die Vorschriften des Bundesgesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307) (Änderungs- und Anpassungsgesetz) vom 15. Dezember 1952 (GVBl. S. 423) ist mit § 63 in Verbindung mit § 23 Absatz 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1953 (BGBl. I S. 1287) vereinbar.
 
Gründe:
 
A.
1. Nach § 63 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1953 (BGBl. I S. 1287) – im folgenden: G 131 – findet auf Beamte, Angestellte und Arbeiter der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes im Bundesgebiet, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, § 23 Abs. 2 G 131 entsprechende Anwendung, wenn sie ihr Amt oder ihren Arbeitsplatz aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen verloren haben und noch nicht entsprechend ihrer früheren Rechtsstellung wiederverwendet sind.
§ 23 Abs. 2 lautet:
    Kommt ein Beamter zur Wiederverwendung der Verpflichtung aus den §§ 20 oder 22 schuldhaft nicht nach oder gibt er eine von ihm ausgeübte Zumutbare Tätigkeit ohne wichtigen Grund auf, so kann ihm das Übergangsgehalt (§ 37) von der obersten Dienstbehörde ganz oder teilweise auf Zeit oder Dauer entzogen werden. Gegen die Entziehung ist Klage im Verwaltungsrechtswege zulässig. Beim Vorliegen besonderer Verhältnisse kann das Übergangsgehalt von der obersten Dienstbehörde ganz oder teilweise wieder bewilligt werden. Eine disziplinarrechtliche Verfolgung (§ 9) bei mehrfacher oder besonders schwerer Verletzung der Verpflichtung bleibt unberührt.
Für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt § 12 Absatz 1 des Gesetzes über die Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung des Landesrechts an die Vorschriften des G 131 (Änderungs- und Anpassungsgesetz) vom 15. Dezember 1952 (GVBl. S. 423) – im folgenden: ÄAG –, welche Stelle oberste Dienstbehörde für den in § 63 G 131 bezeichneten Personenkreis ist. Für Kommunalbeamte tritt im Falle einer Entscheidung nach § 23 Abs. 2 G 131 an ihre Stelle die oberste kommunale Aufsichtsbehörde.
§ 12 Abs. 1 lit. b ÄAG lautet:
    Oberste Dienstbehörde im Sinne des Bundesgesetzes ist für den in § 63 des Bundesgesetzes bezeichneten Personenkreis
    a)...
    b) soweit es sich um Angehörige oder Versorgungsberechtigte des öffentlichen Dienstes der Gemeinden, Gemeindeverbände, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts handelt, die für beamtenrechtliche Entscheidungen zuständige Behörde; in den Fällen der §§ 7, 19, 23 und 31 des Bundesgesetzes tritt an ihre Stelle die zuständige oberste Aufsichtsbehörde.
    Die oberste Aufsichtsbehörde kann ihre Befugnisse auf nachgeordnete Behörden übertragen.
Nach § 106 der Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952 (GVBl. S. 283) ist der Innenminister oberste Aufsichtsbehörde. Durch den Dritten Erlaß zur Durchführung der Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1953 (MinBl. S. 142) hat der Innenminister seine Befugnisse aus § 12 ÄAG auf die Regierungspräsidenten übertragen.
2. Der Stadtinspektor z. Wv. Karl K. war am 8. Mai 1945 Beamter auf Lebenszeit der Stadt Mülheim (Ruhr). Nach dem Zusammenbruch wurde er aus politischen Gründen nicht weiterbeschäftigt. Er erhielt von der Stadt ein Übergangsgehalt nach den Vorschriften des G 131. Nachdem der Kläger die ihm von der Stadt Mülheim angebotene vorläufige Unterbringung als Angestellter mit einer Vergütung von monatlich 850 DM brutto nicht angenommen hatte, verfügte der Regierungspräsident in Düsseldorf am 30. August 1954 die endgültige Entziehung des Übergangsgehalts gemäß § 23 Abs. 2 G 131. Gegen diese Verfügung hat der Kläger bei dem Landesverwaltungsgericht Düsseldorf Anfechtungsklage erhoben. Durch Beschluß vom 3. November 1955 hat das Landesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG mit § 63 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 G 131 vereinbar ist.
Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts verstößt § 12 Abs. 1 lit.b ÄAG gegen §§ 63, 23 Abs. 2 G 131, weil für Entscheidungen nach § 23 Abs. 2 G 131 bei Kommunalbeamten z. Wv. entgegen dem Wortlaut des Bundesgesetzes nicht die "oberste Dienstbehörde", sondern die "oberste Aufsichtsbehörde" für zuständig erklärt ist. § 12 sei daher wegen Verstoßes gegen Bundesrecht ungültig.
Der Landesgesetzgeber könne sich für die vom Bundesgesetz abweichende Regelung nicht auf § 60 G 131 berufen. Hier werde lediglich für einige Gruppen der unter Kapitel I G 131 fallenden Personen (z.B. vertriebene Beamte aus den Ostgebieten) die zuständige oberste Landesbehörde als oberste Dienstbehörde bestimmt. Da § 60 in der für die Kommunalbeamten aus dem Bundesgebiet geltenden Verweisungsnorm des § 63 G 131 nicht erwähnt sei, komme eine entsprechende Anwendung des § 60 nicht in Betracht. Oberste Dienstbehörde für die unter Kapitel II G 131 fallenden Kommunalbeamten sei in Nordrhein-Westfalen gemäß §§ 2 und 3 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Januar 1937 (RGBl. I S. 39) in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen der Gemeindeordnung von Nordrhein-Westfalen der Rat der Gemeinde, nicht aber die staatliche Aufsichtsbehörde. Aus § 63 G 131 lasse sich eine bundesgesetzliche Ermächtigung zu einer von § 23 Abs. 2 G 131 abweichenden Regelung des Landesgesetzgebers nicht ableiten.
Falls § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG ungültig sei, habe der Innenminister seine Entscheidungskompetenz auf den beklagten Regierungspräsidenten nicht übertragen können. Der angefochtene Verwaltungsakt sei in diesem Falle von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Der Anfechtungsklage müßte stattgegeben werden, ohne daß eine Prüfung zulässig wäre, ob die angefochtene Verfügung materiell dem geltenden Recht entsprach.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat den Verfassungsorganen des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit gegeben, sich zu der Vorlage zu äußern.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen meint, weil § 63 G 131 nicht auf § 60 verweise, werde für den von § 63 G 131 betroffenen Personenkreis die oberste Dienstbehörde allein durch das Landrecht bestimmt. Der Begriff "oberste Dienstbehörde" unterliege deshalb der Disposition des Landesgesetzgebers. Da auch nach dem allgemeinen Beamtenrecht vielfach die kommunale Aufsichtsbehörde für Entscheidungen über die Rechtsverhältnisse von Kommunalbeamten zuständig sei, habe das Land auch für Entscheidungen nach § 23 Abs. 2 G 131 die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde begründen können. Diese Regelung schließe sich eng an das Vorbild des § 151 DBG an. Art. 28 Abs. 2 GG sei, wie auch das vorlegende Gericht annehme, deshalb nicht verletzt, weil der Wesensgehalt der durch die Verfassung garantierten Selbstverwaltung durch § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG nicht angetastet werde.
Die Bundesregierung hat sich im Gegensatz zur Landesregierung auf den Standpunkt gestellt, daß dem Bund bezüglich der Materie des Art. 131 GG die ausschließliche und nicht nur die konkurrierende Kompetenz zustehe. Zur Frage, ob der Landesgesetzgeber für Entscheidungen nach § 23 Abs. 2 G 131 bei Kommunalbeamten die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde begründen könne, hat sie keine Stellung genommen.
Der Anfechtungskläger ist der Auffassung, daß es für die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts auf die Gültigkeit des § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG nicht ankomme, da die materiellen Voraussetzungen für die Entziehung des Übergangsgehalts nach § 23 Abs. 2 G 131 nicht gegeben seien.
Außerdem hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster zu dem Vorlagebeschluß gemäß § 80 Abs. 4 BVerfGG Stellung genommen. Es vertritt die Ansicht, der Bundesgesetzgeber habe durch das G 131 die an sich bestehende Gesetzgebungskompetenz der Länder für die ihrem Recht unterworfenen Beamten nicht beschränken wollen. Die Befugnis zu der in § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG enthaltenen Regelung folge im Gegensatz zur Ansicht des vorlegenden Gerichts unmittelbar aus § 63 G 131. Diese Vorschrift sei so zu lesen, wie wenn in ihr auf § 60 G 131 verwiesen wäre, so daß der Landesgesetzgeber Bestimmungen darüber habe treffen können, welche Behörde als oberste Dienstbehörde im Sinne von § 63 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 G 131 fungieren solle.
4. Die Entscheidung kann gemäß § 25 Abs. 1 BVerfGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, weil die dem Verfahren allein beigetretene Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf mündliche Verhandlung verzichtet hat.
 
B. – I.
Die Vorlage ist zulässig.
Das umstrittene Landesgesetz ist ein Gesetz im formellen Sinn, das nach Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen worden ist (BVerfGE 1, 184 [195]; 1, 283 [292]). Auf die Gültigkeit der angezogenen Vorschrift kommt es dem vorlegenden Gericht für die Entscheidung über die anhängige Anfechtungsklage an. Das Landesverwaltungsgericht will der Anfechtungsklage bei Ungültigkeit des § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG ohne weitere Prüfung der materiellen Frage stattgeben, weil dann der angefochtene Verwaltungsakt von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei.
II.
§ 12 Abs. 1 lit. b ÄAG ist mit §§ 63, 23 Abs. 2 G 131 vereinbar.
1. Mit dem vorlegenden Gericht und in Übereinstimmung mit der Auffassung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist davon auszugehen, daß die Übertragung der Entscheidungsbefugnis nach § 23 Abs. 2 G 131 auf die oberste Aufsichtsbehörde der Gemeinden nicht in Widerspruch zu dem durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden steht. Selbstverwaltung ist insoweit ein geschichtlich gewordener Begriff, als historischen Entwicklungen in einem gewissen Ausmaß bei der Bestimmung dessen Rechnung getragen werden muß, was unter dem Wesen der Selbstverwaltung zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 1, 167 [178]; VerfGH Nordrhein-Westfalen in OVGE 9, 74 [83] und 11, 149 [150]). Die verfassungsrechtliche Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG schließt daher eine Regelung nicht aus, die auf Grund der geschichtlichen Entwicklung des Kommunalrechts als mit dem Wesen der Selbstverwaltung vereinbar angesehen wird. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Seit jeher werden gewisse disziplinarrechtliche Befugnisse gegenüber Kommunalbeamten von staatlichen Behörden wahrgenommen. § 151 DBG eröffnete grundsätzlich die Möglichkeit, beamtenrechtliche Entscheidungen für Kommunalbeamte von der obersten Dienstbehörde auf die staatlichen Aufsichtsbehörden zu verlagern. Anknüpfend an diese Regelung des § 151 DBG haben auch neuere Landesbeamtengesetze daran festgehalten, daß Entscheidungen über persönliche Verhältnisse der Kommunalbeamten, die sonst den obersten Dienstbehörden obliegen, durch die Aufsichtsbehörden getroffen werden. Das ist insbesondere in Nordrhein-Westfalen der Fall. Gerade solche Entscheidungen, die den Entscheidungen nach §§ 7 und 23 des G 131 entsprechen (Entlassung, Ruhen und Entziehung der Versorgungsbezüge), werden in Nordrhein-Westfalen nicht von der obersten Kommunalbehörde, sondern von der staatlichen Aufsichtsbehörde getroffen. Wenn also § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG die Entscheidungen nach §§ 7 und 23 des G 131 für Kommunalbeamte an die oberste Aufsichtsbehörde verweist, so hält sich diese Regelung im Rahmen dessen, was nach gemeinem deutschen Kommunalbeamtenrecht als zulässige Einflußnahme des Staates auf die Personalverhältnisse der Gemeinden angesehen wird. Der durch Art. 28 Abs. 2 GG auch gegenüber dem Gesetzgeber geschützte Wesensgehalt der Selbstverwaltung (BVerfGE aaO) wird nicht dadurch angetastet, daß der Staat sich gewisse Entscheidungen in beamtenrechtlichen Angelegenheiten vorbehält, um eine.gleichmäßige Handhabung für alle Beamten im Lande zu sichern. Das gilt zum mindesten dann, wenn es sich – wie im vorliegenden Falle – um reine Rechtsentscheidungen handelt.
2. Zu prüfen bleibt, ob der Landesgesetzgeber durch die in § 23 Abs. 2 G 131 enthaltene Bezeichnung "oberste Dienstbehörde" gehindert war, die fraglichen Befugnisse für Kommunalbeamte der staatlichen Aufsichtsbehörde zu übertragen.
a) Nach § 23 Abs. 2 kann unter bestimmten Voraussetzungen die Entziehung des Übergangsgehalts (§ 37 G 131) für Kommunalbeamte aus dem Bundesgebiet von der obersten Dienstbehörde verfügt werden. Weder aus dieser noch aus sonstigen Bestimmungen des G 131 ergibt sich aber, welche Behörde die zuständige "oberste Dienstbehörde" ist. Das G 131 bestimmt zwar in § 60, welche Behörden für verschiedene Beamtenkategorien oberste Dienstbehörden "im Sinne des Kapitels 1" sind. Diese Vorschrift bezieht sich aber nur auf den unter Kapitel I des G 131 fallenden Personenkreis (§§ 1–4b). § 63 hingegen steht im Kapitel II des G 131 ("Sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes"). Er erklärt eine Reihe von Bestimmungen des Kapitels I für entsprechend anwendbar, darunter aber gerade nicht § 60. Im Gegensatz zur Auffassung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen kann daher § 60 für die Beurteilung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage nicht herangezogen werden. Aus der Nichterwähnung des § 60 in § 63 folgt, daß für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Kommunalbeamte, die unter Kapitel II des Gesetzes fallen, kein Raum ist.
Da also das Bundesrecht die zuständige oberste Dienstbehörde nicht bestimmt, gilt insoweit das Landesrecht. Aus dem Landesrecht ergibt sich, welche Behörde die Funktionen der obersten Dienstbehörde gemäß § 23 Abs. 2 G 131 wahrzunehmen hat. Trifft der Landesgesetzgeber eine spezielle, das Bundesgesetz zu Artikel 131 ergänzende Regelung, so fragt es sich, ob und inwieweit er bei der Festlegung der nach § 23 Abs. 2 entscheidenden Behörde durch den in § 23 Abs. 2 verwandten Begriff "oberste Dienstbehörde" gebunden ist.
b) Welche Behörde in Nordrhein-Westfalen für Gemeindebeamte oberste Dienstbehörde ist, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes vom 15. Juni 1954 (GVBl. S. 237) in Verbindung mit § 28 der Gemeindeordnung vom 28. Oktober 1952 (GVBl. S. 283). Danach ist oberste Behörde des Dienstherrn für Kommunalbeamte der Rat der Gemeinde.
Das Landesbeamtengesetz erklärt jedoch in den §§ 43 Abs. 3 Hs. 2, 166 Abs. 4, 174 Abs. 2 und 181 Abs. 1 Satz 2 die oberste Aufsichtsbehörde an Stelle der obersten Dienstbehörde für zuständig, wenn bestimmte schwerwiegende Entscheidungen über die Rechtsverhältnisse von Gemeindebeamten getroffen werden sollen. Auch in disziplinarrechtlichen Angelegenheiten der Kommunalbeamten ist die Mitwirkung der staatlichen Aufsichtsbehörden in §§ 116 ff. der Disziplinarordnung vom 8. Dezember 1953 (GVBl. S. 415) vorgesehen. Ähnlich ist die Rechtslage in anderen Bundesländern. Auch das Bundesbeamtengesetz sieht in § 187 vor, daß bei Beamten einer bundesunmittelbaren Körperschaft die für die Aufsicht zuständige oberste Bundesbehörde sich die Entscheidungen vorbehalten kann, die sonst die oberste Dienstbehörde trifft.
Im Hinblick auf diese landes- und bundesrechtlich vielfach vorgesehene Ersetzung der obersten Dienstbehörde durch die Aufsichtsbehörde kann aus der Verwendung des Begriffs "oberste Dienstbehörde" in § 23 G 131 nicht gefolgert werden, daß der Bundesgesetzgeber damit in die kommunalrechtliche Organisationsgewalt der Länder eingreifen und es den Ländern verwehren wollte, die Zuständigkeit zur Entziehung des Übergangsgehaltes derjenigen Behörde zu übertragen, die überlicherweise nach allgemeinem Landesrecht an Stelle einer kommunalen Behörde ähnliche beamtenrechtliche Entscheidungen für Kommunalbeamte trifft.
Bei dieser Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob der Landesgesetzgeber irgendeine Behörde des Landes als für Kommunalbeamte zuständige oberste Dienstbehörde im Sinne des § 23 Abs. 2 G 131 bestimmen könnte. Ein Landesgesetz verstößt jedenfalls dann nicht gegen die bundesrechtliche Regelung des § 63 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 G 131, wenn solche Behörden für zuständig erklärt werden, die herkömmlich auch in anderen Fällen über personalrechtliche Fragen der Kommunalbeamten entscheiden oder bei solchen Entscheidungen mitwirken. Durch die Bestimmung der obersten Aufsichtsbehörde der Gemeinden als oberste Dienstbehörde im Sinne von § 23 Abs. 2 G 131 ist dieser Rahmen nicht überschritten. § 12 Abs. 1 lit. b ÄAG widerspricht somit nicht den §§ 63, 23 Abs. 2 G 131.