BVerfGE 4, 144 - Abgeordneten-Entschädigung
1. Der durch Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung von Schleswig- Holstein dem Landtagsabgeordneten zuerkannte Anspruch auf eine Entschädigung gehört zu seinem verfassungsrechtlichen Status; die mit diesem Status verbundenen Rechte kann der Landtagsabgeordnete im Verfassungsstreit geltend machen.
2. Die Bestimmung in § 2 Abs. 4 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes vom 17. Juni 1952, nach der die Aufwandsentschädigung für diejenigen Landtagsabgeordneten entfällt, die gleichzeitig Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.
 
Urteil
des Zweiten Senats vom 16. März 1955
-- 2 BvK 1/54 --
in dem Verfassungsrechtsstreit betreffend die Gültigkeit des § 2 Abs. 4 a des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Entschädigung der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 17. Juni 1952; - Antragsteller: Dr. Curt H., Antragsgegner: Der Schleswig-Holsteinische Landtag, vertreten durch den Präsidenten des Landtages.
Entscheidungsformel:
§ 2 Abs. 4 a des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Entschädigung der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 17. Juni 1952 (GVBl. S. 110) verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung für Schleswig-Holstein und nicht gegen den Gleichheitssatz.
 
Gründe:
 
A.
Der Antragsteller war Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtages von 1950 bis 1954 und Mitglied des Ersten Deutschen Bundestages von Juni 1951 bis September 1953. Er streitet mit dem Schleswig-Holsteinischen Landtag darüber, ob der Landesgesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung der Abgeordneten des Schleswig- Holsteinischen Landtages vom 17. Juni 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein S. 109) folgende Bestimmung erlassen durfte:
    § 2 Abs. 4
    "Die Aufwandsentschädigung entfällt:
    a) für die Dauer der Mitgliedschaft eines Abgeordneten zum Bundestag,..."
Ein Antrag des Antragstellers vom 27. Oktober 1952 auf Zahlung der Aufwandsentschädigung wurde durch Schreiben des Landtagspräsidenten vom 17. November 1952 unter Berufung auf die genannte gesetzliche Bestimmung abschlägig beschieden. Seine hiergegen gerichtete Klage gegen den Schleswig- Holsteinischen Landtag wurde durch Urteil der II. Kammer des Landesverwaltungsgerichts Schleswig vom 18. Februar 1953 wegen Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs abgewiesen. Ein von ihm gegen den Landtag vor dem Zivilgericht angestrengter Rechtsstreit ruht.
Der Antragsteller hat sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt und beantragt,
    1. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung gemäß Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung für Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 (GVOBl. Schl.-H. 1950 S. 3 f.) zu zahlen, ohne Rücksicht auf die Bestimmung des § 2 Abs. 4 a des Gesetzes über die Entschädigung der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 17. Juni 1952 (GVOBl. Schl.-H. 1952 S. 110 f.), da diese Bestimmung nichtig ist;
    2. dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen.
Er hat ausgeführt: Nach Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung hätten die Abgeordneten Anspruch auf eine Entschädigung. Auf diesen Anspruch könne nicht verzichtet werden. Das Gesetz billige den Abgeordneten Aufwandsentschädigungen (§§ 2 und 3), Sitzungsgelder (§ 4), Tage- und Übernachtungsgelder und Erstattung der Fahrtkosten (§§ 5 bis 7) zu und schließe einen Verzicht nur für die Aufwandsentschädigungen aus, nicht dagegen für die Sitzungsgelder usw. Schon hieraus folge, daß nur die Aufwandsentschädigung die im Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung garantierte "Entschädigung" darstelle. Auch sei nur diese ihrem Wesen nach dazu bestimmt, die Unabhängigkeit der Abgeordneten zu sichern. Die gesetzliche Bestimmung, nach welcher diese Entschädigung für die Dauer der Mitgliedschaft eines Abgeordneten zum Bundestag entfalle, entziehe einem solchen Abgeordneten die Entschädigung vollständig, wenn auch der Anspruch auf Sitzungsgelder, Tage- und Übernachtungsgelder und Erstattung von Fahrkosten dadurch nicht berührt würde. Die Entziehung der Entschädigung verstoße gegen Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung; zwar solle "das Nähere" durch Gesetz bestimmt werden, der einfache Gesetzgeber sei aber nicht berechtigt, die Entschädigung zu entziehen.
Sollte dies aber zulässig sein, so verstoße es jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, den Wegfall der Aufwandsentschädigung für die Dauer der Mitgliedschaft zum Bundestag vorzusehen.
Der Antragsgegner hält den Antrag für sachlich unbegründet. Nicht jede Entschädigung werde den Doppelmandataren entzogen, sondern nur die sogenannte Aufwandsentschädigung. Dies verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Der Antragsgegner hat beantragt,
    die Klage als unbegründet abzuweisen, vorsorglich,
    dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
 
B. -- I.
Der Antrag des Antragstellers ist gemäß Art. 99 GG (§ 13 Nr. 10 BVerfGG) i.V.m. Art. 37 Nr. 1 der Landessatzung für Schleswig- Holstein zulässig. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
1. Art. 37 Nr. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein gibt dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz, zu entscheiden "über die Auslegung dieser Landessatzung aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten des Landtages oder der Landesregierung oder anderer Beteiligter, die durch diese Landessatzung oder in der Geschäftsordnung des Landtages oder der Landesregierung mit eigenen Rechten ausgestattet sind". Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG muß der Antragsteller im Organstreit geltend machen, daß er durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen Rechten verletzt sei. Diese gesetzliche Bestimmung ist auch in einem Verfahren, in dem das Bundesverfassungsgericht als Landesverfassungsgericht tätig wird, sinngemäß anzuwenden (BVerfGE 1, 229). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts kann auch der Erlaß eines Gesetzes eine "Maßnahme" darstellen, die Rechte eines am Verfassungsleben "Beteiligten" verletzt. Dies ist dann der Fall, wenn Verfassungsnormen, die dem Bereich des Verfassungslebens angehörende Rechte eines Beteiligten sichern, bei der inhaltlichen Gestaltung gesetzlicher Bestimmungen nicht beachtet worden sind. In einem solchen Falle ist die Frage der Gültigkeit oder Ungültigkeit der gesetzlichen Bestimmung Gegenstand der Verfassungsstreitigkeit.
Eine solche liegt nach dem Vortrag des Antragstellers vor. Denn er begehrt, wie sich aus der Begründung seines Antrages ergibt, die Feststellung, daß die Bestimmung des § 2 Abs. 4 a des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Entschädigung der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages vom 17. Juni 1952 (GVOBl. 1952 S. 110) mit Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung für Schleswig-Holstein und mit dem auch im Landesverfassungsrecht geltenden Gleichheitssatz unvereinbar ist. Er behauptet also, daß eine Maßnahme, nämlich der Erlaß des Gesetzes vom 17. Juni 1952, ihn in den Rechten verletzt habe, die ihm als Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages durch Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung eingeräumt worden sind.
2. ob ein Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtages einen Verfassungsstreit anhängig machen kann (Parteifähigkeit), hängt davon ab, ob er nach Art. 37 Abs. 1 der Landessatzung für Schleswig-Holstein i.V.m. Art. 99 GG und §§ 13 Nr. 10 und 73 BVerfGG als ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Teil eines obersten Landesorgans angesehen werden kann. Diese Frage ist zu bejahen. Das ergibt sich aus den Grundsätzen der liberal- repräsentativen parlamentarischen Demokratie, zu der sich im Bund auch heute noch das Grundgesetz in Art. 38 und den diesem Artikel verfassungsrechtlich zugeordneten Bestimmungen und in Schleswig-Holstein die Landessatzung in den Art. 9 Abs. 2 ff. bekennen.
Die moderne parteienstaatliche Demokratie ist zwar durch Art. 21 GG in Bund und Ländern verfassungsrechtlich sanktioniert (dazu näher BVerfGE 1, 225; 2, 10 ff., 72 ff.; 4, 27 ff.); aber aus den bezeichneten Bestimmungen des Grundgesetzes und der Landessatzung für Schleswig-Holstein ergibt sich, daß die Verfassungen bestimmte Konsequenzen aus der Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten des modernen Parteienstaates, die zu einer Aufhebung des repräsentativen verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten führen würden, nicht haben ziehen wollen. Es wird deshalb dem einzelnen Abgeordneten das Recht garantiert, unmittelbar am Verfassungsleben teilzuhaben. Es wird ihm ein eigener verfassungsrechtlicher Status gewährt; die mit diesem Status verbundenen Rechte können daher im Verfassungsstreit geltend gemacht werden (BVerfGE 2, 164 f.).
3. Aktivlegitimiert, als Verfassungsorgan den vorliegenden Verfassungsstreit anhängig zu machen, ist der Antragsteller jedoch nur, wenn das ihm durch Art. 9 Abs. 3 der Schleswig- Holsteinischen Landessatzung eingeräumte Recht auf Entschädigung zu den verfassungsmäßigen Statusrechten des Abgeordneten gehört. Er muß also geltend machen, daß er durch die behauptete Verfassungswidrigkeit in seiner verfassungsrechtlichen Rechtsstellung beeinträchtigt worden ist (Urteil des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich vom 21. November 1930, Lammers-Simons IV S. 152).
Ursprünglich haben die Abgeordneten ihre Tätigkeit ehrenamtlich und unentgeltlich ausgeübt. Dies entsprach der Auffassung des 19. Jahrhunderts, nach der es mit der Würde, der Unabhängigkeit und dem personalen Eigenwert der Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes unvereinbar gewesen wäre, wenn sie für die Ausübung ihrer politischen Funktionen geldlich entschädigt worden wären. Im Reich erhielt sich diese Auffassung bis zum Jahre 1906. Sie änderte sich, weil man jedermann ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage den Zugang zum Parlament eröffnen wollte. Seit dem Gesetz betreffend die Gewährung einer Entschädigung an die Mitglieder des Reichstags vom 21. Mai 1906 (RGBl. 468) haben so die Abgeordneten des Deutschen Reichstages eine Entschädigung für die Ausübung ihrer parlamentarischen Tätigkeit erhalten.
Der Sinn dieser neuen Bestimmungen war, die Entschließungsfreiheit, die traditionsgemäß zum Wesen des parlamentarischen Repräsentativsystems gehört, zu sichern und damit die Abgeordneten in die Lage zu versetzen, die sich aus ihrem repräsentativen verfassungsrechtlichen Status ergebenden Rechte und Pflichten in Freiheit auszuüben. In diesem Sinne heißt es auch heute noch in Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG, daß die Bundestagsabgeordneten Anspruch auf eine "angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung" haben.
Ohne diesen Bezug auf den repräsentativen Status des Abgeordneten können die Verfassungsbestimmungen über die Aufwandsentschädigung in ihrer grundsätzlichen Bedeutung nicht richtig verstanden werden. Allein die Absicht, den repräsentativen Status des Abgeordneten zu erhalten, erklärt die Übung, nach welcher die Bestimmungen über die Aufwandsentschädigung in die Verfassungen früher aufgenommen worden sind und noch heute aufgenommen werden. Nur so erklärt es sich, daß die Aufwandsentschädigung zum mindesten ursprünglich nicht den Charakter eines Entgelts für geleistete Dienste hatte, und daß es in § 1 des Gesetzes betreffend die Änderung des Artikels 32 der Reichsverfassung vom 21. Mai 1906 (RGBl. 467) heißen konnte: "Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Besoldung beziehen". So erklärt es sich schließlich auch, warum der Anspruch auf Entschädigung unverzichtbar, unübertragbar und unpfändbar ist und allen Abgeordneten - unbeschadet ihres individuellen finanziellen Aufwandes und ihres Vermögens und Einkommens - grundsätzlich in gleicher Höhe zusteht, und warum von vornherein darauf verzichtet wird, die Entschädigung etwa nach dem Maß oder der Qualität der geleisteten Arbeit zu bemessen.
Hiernach wäre es irrig, das Recht auf Aufwandsentschädigung aus seinem inneren Zusammenhang mit dem repräsentativen Gesamtstatus des Abgeordneten lösen und isoliert betrachten zu wollen. Das Recht auf Aufwandsentschädigung gehört zum materiellen Parlamentsrecht. Es ist kein minderes "Hilfsrecht" im Verhältnis zu den eigentlichen Statusrechten. Es kann auch nicht nur als Vermögensrecht angesehen werden.
Im Zuge der in einer Reihe von Staaten zu beobachtenden Entwicklung von der liberal-repräsentativen zur parteienstaatlichen Demokratie scheint in der politisch- gesellschaftlichen Wirklichkeit auch der Charakter der Aufwandsentschädigung sich allmählich zu wandeln. Je mehr nämlich die Abgeordneten von ihrem früheren repräsentativen Status einbüßen, um so weniger wird die Aufwandsentschädigung ihren ursprünglichen Sinn erfüllen können, die Unabhängigkeit des einzelnen Abgeordneten sicherzustellen. Es ist daher kein Zufall, daß die Aufwandsentschädigung in einigen Staaten sich mehr und mehr einem Entgelt für die im Parlament geleisteten Dienste annähert und den Charakter einer Besoldung oder eines Gehalts annimmt.
Angesichts dieser Sachlage kommt es entscheidend darauf an, aus dem anzuwendenden Verfassungsrecht selbst zu ermitteln, welches politische Prinzip - das der liberal-repräsentativen Demokratie oder des demokratischen Parteienstaates - der Abgeordnetenentschädigung das entscheidende Gepräge gibt. Wortlaut und immanenter Sinngehalt der Landessatzung für Schleswig-Holstein sind eindeutig. Die Bestimmung der Landessatzung über die Entschädigung hat bewußt auch in der äußeren Form an die alte Tradition angeknüpft, ebenso wie dies etwa bei den Immunitätsbestimmungen und den Prinzipien der Fall ist, die im Bunde in Art. 38 GG niedergelegt sind. Dieser eindeutige Wille des Verfassungsgesetzgebers muß respektiert werden.
Das vom Antragsteller in dem vorliegenden Verfassungsstreit verfolgte Recht ist hiernach ein solches, das zum verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten gehört.
4. Das Gesetz, durch dessen § 2 Abs. 4 a der Antragsteller sich verletzt fühlt, ist vom 17. Juni 1952 datiert. Der Antrag ist am 16. April 1954 eingegangen. Doch kann der Antrag deshalb nicht als verspätet angesehen werden. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichts (BVerfGE 4, 37) kann der § 64 Abs. 3 BVerfGG, der eine Ausschlußfrist vorsieht, im Verfahren nach §§ 13 Ziff. 10, 73 ff. BVerfGG nicht entsprechend angewandt werden, da die Festsetzung einer bestimmten Antragsfrist für den Organstreit weder begrifflich noch tatsächlich notwendig ist, und es dem Wesen einer Fristvorschrift als einer formalen Ordnungsvorschrift widerspricht, auf gleiche oder ähnlich gelagerte Tatbestände entsprechend angewandt zu werden.
5. Da der Antragsteller als Abgeordneter des Schleswig- Holsteinischen Landtages in dem vorliegenden Verfassungsstreit eigene Statusrechte geltend macht, nimmt er an dem Organprivileg des § 22 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG teil. Er war daher in der Lage, sich selbst vor dem Gericht zu vertreten.
6. Die Tatsache, daß der Antragsteller nicht mehr Bundestagsabgeordneter war, als er den Verfassungsstreit bei dem Bundesverfassungsgericht anhängig machte, und nicht mehr Landtagsabgeordneter, als die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht stattfand, ist unerheblich. Bei einem Streit um die Verletzung von Statusrechten genügt es für die Parteifähigkeit des Antragstellers, daß er zu dem Zeitpunkt, in dem er den Verfassungsstreit anhängig machte, Abgeordneter des Landtages war.
7. Der Landtag ist im vorliegenden Verfassungsstreit passivlegitimiert, da er als Träger der gesetzgebenden Gewalt in Schleswig-Holstein allein den entscheidenden Akt des Gesetzgebungsverfahrens, nämlich die verbindliche Feststellung des Gesetzesinhalts vorzunehmen hat (Art. 9 Abs. 1 der Landessatzung). Die Tatsache, daß noch andere Organe am Gesetzgebungsverfahren beteiligt sind, macht sie nicht zu Mitträgern der Gesetzgebung. Daher genügt es, wenn der Landtag allein als Antragsgegner in Anspruch genommen worden ist.
8. Unerheblich ist, daß nach Einreichung des Antrages der Schleswig-Holsteinische Landtag neu gewählt worden ist, da die Identität einer gesetzgebenden Körperschaft durch die Neuwahl ihrer Mitglieder nicht berührt wird.
II.
Das Begehren des Antragstellers ist jedoch sachlich unbegründet.
Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung erkennt den Abgeordneten einen Anspruch auf eine Entschädigung zu. Über die Art und Höhe der zu gewährenden Entschädigung spricht sich die Landessatzung jedoch nicht aus. Die Verfassung hat es dem Gesetzgeber überlassen, Art und Höhe der verfassungsmäßig garantierten Abgeordnetenentschädigung zu bestimmen und auch das System zu finden, wie eine solche Entschädigung zu gestalten ist. Diese Aufgabe hat der Gesetzgeber durch den Erlaß des Gesetzes vom 17. Juni 1952 erfüllt. Er hat den Abgeordneten durch die Vorschriften der §§ 2 und 3 dieses Gesetzes eine pauschale Aufwandsentschädigung und durch die §§ 4 bis 7 außerdem Ansprüche auf Sitzungsgelder, Tage- und Übernachtungsgelder sowie auf Erstattung von Fahrkosten zugebilligt. Bei beiden Arten von Ansprüchen handelt es sich um die Entschädigung nach Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung. Die Entschädigung der Landtagsabgeordneten im Lande Schleswig-Holstein besteht also in der Gesamtheit der Ansprüche, die den Abgeordneten jeweils nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zustehen. Davon ist die Aufwandsentschädigung (§§ 2 und 3 aaO) nur ein Teil. Auch die anderen Ansprüche, die den Abgeordneten nach dem Gesetz zustehen, haben die Qualität einer Entschädigung im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung von Schleswig-Holstein. Diese Auffassung liegt auch dem Gesetz vom 17. Juni 1952 zugrunde, das in § 1 die Arten der vorgesehenen Entschädigung aufzählt. Es bezeichnet sie alle, also auch Sitzungsgelder, Tagegelder usw. als "Entschädigungen". Daraus ergibt sich, daß das Gesetz sie alle als Unterarten, Teile der in der Landessatzung garantierten Entschädigung auffaßt. Allerdings macht das Gesetz in § 8 Abs. 2 und 3 insofern einen Unterschied zwischen der Aufwandsentschädigung einerseits und Sitzungsgeldern usw. andererseits, als es nur die erstere ausdrücklich für unverzichtbar erklärt. Ob hiernach ein Verzicht auf Sitzungsgelder usw. zulässig sein soll, und ob, falls dies die richtige Auslegung ist, aus der Landessatzung Bedenken gegen die Regelung abzuleiten sind, ist für die Entscheidung des gegenwärtigen Verfassungsstreits ohne Bedeutung. Jedenfalls läßt eine unterschiedliche Behandlung in bezug auf die Verzichtbarkeit nicht den Schluß zu, daß der Gesetzgeber nur die Gewährung der Aufwandsentschädigung als "nähere Regelung" im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung aufgefaßt hat.
Wenn nun § 2 Abs. 4 a des Gesetzes vom 17. Juni 1952 denjenigen Landtagsabgeordneten, die gleichzeitig Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind, einen Anspruch auf die pauschale Aufwandsentschädigung versagt und sie auf die Ansprüche nach §§ 4 bis 7 aaO verweist, so ist ihnen damit der verfassungsmäßige Anspruch auf eine Entschädigung nicht entzogen worden. Dies wäre nur der Fall, wenn entweder nach der Landessatzung ein Anspruch gerade auf eine "Aufwandsentschädigung" garantiert worden wäre, oder wenn diese Abgeordneten nach dem Gesetz überhaupt keine Entschädigung beanspruchen könnten. Beides trifft aber nicht zu. Die Landessatzung verspricht keine "Aufwandsentschädigung" im engeren Sinne des Wortes, sondern überläßt es dem Gesetzgeber, wie er die Entschädigung der Abgeordneten regeln will. Der Gesetzgeber war also nicht gezwungen, den Abgeordneten überhaupt eine "Aufwandsentschädigung" zuzusprechen. Er hätte sich vielmehr, auch ohne die Landessatzung zu verletzen, darauf beschränken können, sie, abgesehen von Tage- und Übernachtungsgeldern und Fahrkostenersatz, durch - entsprechend bemessene - Sitzungsgelder zu entschädigen (vgl. über die Formen der Abgeordnetenentschädigung, Hatschek, Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, 1915 S. 614). Die Nichtgewährung einer "Aufwandsentschädigung" verletzt daher nicht unmittelbar die durch Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung den Abgeordneten gewährleisteten Rechte.
Es ist also davon auszugehen, daß das Gesetz, dessen § 2 Abs. 4 a beanstandet wird, die in der Verfassung garantierte Entschädigung in verschiedene Arten unterteilt und dem Doppelmandatar nur die eine Art Entschädigung, nämlich die Aufwandsentschädigung, versagt. Das Gesetz entzieht nicht die Entschädigung vollständig, sondern es differenziert. Dazu ist es nach Art. 9 Abs. 3 Satz 3 der Landessatzung ("Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt") legitimiert. Es kann also nicht beanstandet werden, daß das Gesetz bei der Bemessung der Entschädigung differenziert, sondern es kann sich nur noch fragen, ob die Art, wie es differenziert, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist.
2. In seinem durch die Landessatzung gewährleisteten Status könnte der Antragsteller nämlich dann verletzt sein, wenn das Entschädigungsgesetz gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dadurch verstoßen würde, daß es die gleichzeitig dem Deutschen Bundestag angehörenden Landtagsabgeordneten gegenüber den anderen Landtagsabgeordneten schlechter stellte.
Der Gesetzgeber ist an den allgemeinen Gleichheitssatz in dem Sinne gebunden, daß er weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandeln darf (BVerfGE 1, 52; 1, 247). Von einer Willkür des Gesetzgebers darf man aber nicht schon dann sprechen, wenn er im Rahmen seines freien Ermessens unter mehreren gerechten Lösungen im konkreten Falle nicht die "zweckmäßigste", "vernünftigste" oder "gerechteste" gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden läßt (BVerfGE 3, 182). Dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand (BVerfGE 2, 281).
Der Antragsteller macht geltend, das Gesetz über die Entschädigung der Landtagsabgeordneten behandle Gleiches ungleich. Er behauptet das Gleichsein aller Landtagsabgeordneten im Hinblick auf ihre Entschädigungsansprüche i. S. des Art. 9 Abs. 3 der Landessatzung. Er führt aus, daß es der Natur des zu regelnden Gegenstandes widerspreche und daher sachwidrig sei, bei der Regelung der verfassungsmäßig verbürgten Entschädigungsansprüche der Abgeordneten zwischen solchen Abgeordneten, die nur dem Landtag angehören und denjenigen, die gleichzeitig Mitglied des Deutschen Bundestages sind, zu differenzieren. Diese Ausführungen sind jedoch unrichtig.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, daß den Landtagsabgeordneten, die als Abgeordnete auch dem Bundestag angehören, die pauschale Aufwandsentschädigung deshalb versagt worden sei, weil sie nach Art. 48 Abs. 3 GG i.V.m. dem Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages vom 15. Juni 1950 (BGBl. S. 215) in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Bundestages ohnehin schon einen Anspruch auf eine angemessene ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung hätten. Durch diesen Anspruch sei die Unabhängigkeit der genannten Abgeordneten schon gesichert, so daß sie eine zusätzliche landesgesetzliche Sicherstellung nicht mehr benötigten.
Über die Zweckmäßigkeit oder Vernünftigkeit der angefochtenen gesetzlichen Regelung sind verschiedene Auffassungen möglich. Darauf kommt es aber nicht an. Der Gleichheitssatz soll Willkür ausschließen. Es darf also nicht willkürlich ungleich behandelt werden, was gleich ist. Das ist hier aber nicht geschehen. Die Auffassung ist vertretbar, daß eine Verschiedenheit gegeben ist, die eine unterschiedliche Behandlung im Gesetz als sachgerecht erscheinen läßt, wenn ein Abgeordneter bereits durch einen Entschädigungsanspruch gegen den Bund in seiner Unabhängigkeit sichergestellt ist. Die angefochtene gesetzliche Regelung kann daher nicht als willkürlich bezeichnet werden. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist somit nicht festzustellen.
III.
Die Beteiligten haben Kostenanträge gestellt. Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts ist nach § 34 Abs. 1 BVerfGG kostenfrei. Ein Anlaß, gemäß § 34 Abs. 3 BVerfGG die Erstattung der Auslagen anzuordnen, besteht nicht.