BVerfGE 3, 213 - Entlassung von Nationalsozialisten
1. Der in Art. 131 GG umschriebene Personenkreis wird nicht dadurch unzulässig erweitert, daß das G 131 an Stelle der Worte "aus anderen ... Gründen ausgeschieden sind", die Worte gebraucht: "aus anderen ... Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben".
2. Die Nachprüfung der Auslegung einfacher Gesetze durch die Gerichte ist dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen Urteile im allgemeinen entzogen. Es ist kein Revisionsgericht. Sein Prüfungsrecht setzt erst dann ein, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, die Unrichtigkeit der Auslegung einer Norm liege gerade darin, daß ihr ein verfassungswidriger Sinn gegeben werde.
3. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, daß zur persönlichen Unabhängigkeit eines Richters seine Anstellung auf Lebenszeit erforderlich sei, besteht nicht.
 
Urteil
des Ersten Senats vom 17. Dezember 1953
-- 1 BvR 335/51 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Prof. Dr. med. Willy K., Facharzt für Chirurgie.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A. -- I.
Der Beschwerdeführer war durch Vertrag mit der Stadt Hannover vom 28./29. August 1936 als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses I (Nordstadt) in Hannover angestellt. Mit Schreiben des Oberbürgermeisters vom 9. Mai 1945 wurde er auf Anweisung der britischen Militärregierung fristlos entlassen. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
    "Auf Anordnung der englischen Militärregierung entlasse ich Sie mit sofortiger Wirkung aus Ihrem Anstellungsverhältnis bei der Stadtverwaltung. Damit zugleich erlöschen alle Nebenbeschäftigungen, Aufträge und Vollmachten, die Ihnen im Zusammenhang mit Ihrem Anstellungsverhältnis übertragen sind.
    Auf Grund derselben Anordnung untersage ich Ihnen den Zutritt zu Ihrer Dienststelle einschließlich aller Büros, Zweigstellen und Ämter.
    Über Ansprüche, die Ihnen im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus Ihrem Anstellungsverhältnis gegenüber der Stadtverwaltung zustehen, hat die englische Militärregierung nachstehende Bestimmung getroffen:
    ,Personen, die entlassen worden sind, sind nicht berechtigt,irgendwelche Vermögensvorteile seitens der Unternehmen oder Behörde, aus denen sie ausgeschieden sind, zu erhalten, jedoch mit Ausnahme von (a) solchen Beträgen, zu denen sie vertraglich durch ordnungsmäßig abgeschlossene Verträge oder Vereinbarungen berechtigt sind und mit Ausnahme von Aktien oder anderen Beteiligungen, die sie vor ihrer Entlassung besaßen, und mit Ausnahme von (b) Abfindungssummen, die nicht den normalen Betrag übersteigen dürfen, der normaler Weise von solchen Behörden oder Unternehmen aus Gründen dieser Art für die Dauer von zwei Monaten gezahlt zu werden pflegen. Alle diese Beträge und andere Werte irgendwelcher Art, die Personen auf diese Weise empfangen oder zu denen sie auf Grund solcher Verträge oder Vereinbarungen berechtigt sind, sowie Anteile und andere Beteiligungen dieser Art, müssen gesperrt werden.'
    Darüber, ob und in welcher Höhe Ihnen danach Ansprüche zustehen oder eine Abfindungssumme gezahlt werden wird, werden Sie demnächst weitere Nachricht erhalten."
Am 3. November 1948 wurde der Beschwerdeführer vom Schwurgericht Hannover wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt; seine Revision wurde verworfen, er wurde jedoch später amnestiert. Das Schwurgericht hatte den Beschwerdeführer verurteilt, weil er durch Weitergabe einer Anzeige die Strafverfolgung einer Schwesternschülerin seines Krankenhauses wegen "defaitistischer Äußerungen" im Juli 1944 veranlaßt hatte.
Der Beschwerdeführer, der seit 1933 Mitglied der NSDAP gewesen war, erhob im März 1951, nachdem er in die Kategorie V (Entlastete) eingestuft worden war, Klage gegen die Hauptstadt Hannover mit der Begründung, daß sein Vertragsverhältnis nicht rechtswirksam beendet und die Stadt daher verpflichtet sei, auch für die Zeit nach seiner Entlassung das Gehalt zu zahlen. Er verlangte mit der Klage zunächst nur einen Teilbetrag für September 1945 in Höhe von 350.- DM. Zur Begründung trug er vor, die Entlassung sei unwirksam gewesen, weil die Stadtverwaltung den Entlassungsbefehl der Militärregierung nur zu dem Zweck herbeigeführt habe, um sich des Beschwerdeführers zu entledigen, und weil man gegen ihn mit eidesstattlichen Versicherungen und Erklärungen gearbeitet habe, die erschlichen oder unter Druck erzwungen gewesen seien.
Das Arbeitsgericht in Hannover gab der Klage mit Urteil vom 18. April 1951 -- 1 Ca 532/51 II -- statt. Zur Begründung wird ausgeführt, daß der Kläger auf Grund des Befehls der Militärregierung nicht rechtswirksam entlassen, sondern nur vom Dienst suspendiert worden sei. Da die Militärregierung den Entlassungsbefehl nicht aufrechterhalten habe, sei das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht rechtswirksam beendet worden. Auch habe die Beklagte keine Kündigung aus politischen Gründen ausgesprochen.
Die Stadt Hannover legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein und trug vor, daß für die Entlassung des Klägers auch das gegen ihn vorliegende, schon damals bekannte Belastungsmaterial entscheidend gewesen sei, insbesondere seine Zugehörigkeit zur NSDAP, seine freundschaftlichen Beziehungen zu dem Gauleiter L., sein arrogantes Auftreten gegenüber dem Personal des Krankenhauses und die Weitergabe der Anzeige gegen eine Schwesternschülerin. Der Kläger machte im Berufungsverfahren erneut geltend, daß der Befehl der Militärregierung durch Intrigen herbeigeführt worden sei, daß er sich der Weitergabe der Anzeige gegen die Schwesternschülerin unter den gegebenen Verhältnissen nicht habe entziehen können und daß er zu dem Gauleiter keineswegs enge Beziehungen unterhalten habe.
Das Landesarbeitsgericht wies die Klage durch Urteil vom 24. September 1951 -- Sa 284/51 -- ab. Es legt dar, daß der Kläger, der seinen Arbeitsplatz aus anderen als tarifrechtlichen Gründen verloren habe, zu dem Personenkreis gehöre, dessen Rechtsverhältnisse durch das Gesetz zur Ausführung des Artikels 131 des Grundgesetzes vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307: im folgenden: G 131) geregelt würden. Der Streit über die Rechtswirksamkeit der Kündigung sei für den Anspruch des Klägers ohne Belang. Da es nur auf den tatsächlichen Verlust des Arbeitsplatzes "im Zusammenhang mit dem Umbruch, der Auflösung der Wehrmacht, dem Verlust der Ostgebiete, der Herrschaft der Militärregierung, der Entnazifizierung usw." ankomme, sei es unwesentlich, ob der Entlassungsbefehl der Militärregierung von der Beklagten selbst herbeigeführt worden sei. Von einer Nichtigkeit des rein tatsächlichen Entlassungsaktes könne nicht gesprochen werden. Da jedoch die in § 63 G 131 angeordneten Rechtsfolgen "außer an das Tatbestandsmerkmal des Arbeitsplatzverlustes u.a. an das Vorliegen bestimmter, mit der Kapitulation zusammenhängender Gründe geknüpft" seien, frage es sich, ob der Vorwurf des Klägers geeignet sei, das Vorhandensein dieser Gründe in Frage zu stellen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist das nicht der Fall. Es komme bei der Frage, ob das G 131 anzuwenden sei, nicht auf "die Motive des Dienstherrn" an, sondern lediglich auf "das Vorliegen objektiver Tatsachen...die unter den Verhältnissen zur Zeit der Kapitulation den Verlust der Stellung durch den betreffenden Bediensteten verständlich erscheinen" ließen. Es sei deshalb unerheblich, daß die Beklagte nach der Behauptung des Klägers den Befehl der Militärregierung selbst herbeigeführt habe und Intrigen zu seiner Entlassung beigetragen haben mögen. Dieser Vorwurf betreffe nur subjektive Momente. Entscheidend sei allein, "daß in der Zugehörigkeit des Klägers zur NSDAP, in seinen freundschaftlichen Beziehungen zum Gauleiter Lauterbacher und in dem Militärregierungsbefehl Gründe vorgelegen haben, die unter den Verhältnissen der Kapitulation die Entlassung begreiflich machen". Deshalb gelte nach § 63 i.V.m. § 52 Abs. 3 (jetzt § 52 b Abs. 1) G 131 das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit dem Ablauf des 8. Mai 1945 als beendet. Er habe daher aus seinem früheren Arbeitsverhältnis keine Ansprüche gegen die Beklagte, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung und aus § 826 BGB, da § 77 G 131 andere als die in diesem Gesetz zuerkannten Ansprüche ausdrücklich ausschließe. Damit sei nicht gesagt, daß "lediglich die vertraglichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber betroffen werden, Ansprüche, die auf Gesetz, z. B. auf Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung oder unerlaubter Handlung beruhen, dagegen ohne Einschränkung geltend gemacht werden" könnten.
II.
Der Beschwerdeführer hat gegen das ihm am 24. Oktober 1951 zugestellte Urteil am 24. November 1951 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er beantragt, das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückzuverweisen. Er rügt die Verletzung der Grundrechte aus Art. 3, 14 und 101 GG.
Zur Begründung führt er zunächst aus, daß § 63 G 131 durch die Verwendung der Worte "ihren Arbeitsplatz verloren haben" statt der in Art. 131 GG gebrauchten Worte "ausgeschieden sind" gegen diese Verfassungsbestimmung verstoße und dadurch auch Art. 14 GG verletze; denn auf Dienstverhältnisse, die lediglich durch willkürliche Handlung des Arbeitgebers beendet worden seien, beziehe sich Art. 131 GG nicht.
Im übrigen vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß § 77 G 131 Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht ausschließe und das Landesarbeitsgericht deshalb durch seine falsche Auslegung die Grundrechte aus Art. 3 und Art. 14 GG verletzt habe. Sei jedoch die Auslegung des Landesarbeitsgerichts richtig, so bewirke § 77 G 131 selbst eine entschädigungslose Enteignung und damit eine Verletzung des Art. 3 GG.
Endlich meint der Beschwerdeführer, er sei seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Denn der Vorsitzende der Kammer des Landesarbeitsgerichts sei kein unabhängiger Richter im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG, weil er -- gemäß den Vorschriften des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 -- Deutsches Arbeitsgerichtsgesetz -- vom 30. März 1946 (ABl. KR S. 124) -- nur auf Zeit angestellt sei.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß § 94 BVerfGG der Bundesregierung, dem Bundestag, dem Bundesrat und der Stadt Hannover Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Bundestag und Bundesrat haben sich nicht geäußert. Die Bundesregierung vertritt die Ansicht, daß zu den in § 77 Abs. 1 G 131 genannten "Ansprüchen aus dem früheren Dienst- oder Arbeitsverhältnis" Ansprüche aus unerlaubter Handlung nicht gehören. Das Landesarbeitsgericht sei deshalb von einer rechtsirrigen Auffassung ausgegangen. In keinem Falle bewirke die in § 63 in Verbindung mit §§ 62 und 77 G 131 getroffene Regelung einen Verstoß gegen Art. 14 GG. Die Stadt Hannover hält die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß § 77 G 131 auch Ansprüche des Arbeitnehmers aus § 826 BGB ausschließe, für zutreffend.
In der mündlichen Verhandlung waren die Bundesregierung und der Beschwerdeführer vertreten.
 
B. -- I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg erschöpft, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit einem Rechtsmittel nicht angefochten werden konnte.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Der Beschwerdeführer gehört zu dem Personenkreis, dessen Rechtsverhältnisse durch das G 131 geregelt worden sind. Für die Anwendung des Art. 131 GG und des G 131 kommt es nicht darauf an, ob das Dienstverhältnis rechtswirksam, bei einem Angestellten also in der Regel durch Kündigung, beendet worden ist. Vielmehr ist unter "Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen" grundsätzlich auch ein tatsächliches Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst ohne den Willen des Betroffenen zu verstehen (BGHZ 1, 274 [286]). Wenn der Bundesgesetzgeber deshalb in Ausführung des Art. 131 GG anstelle der Worte "aus anderen als ... tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind" die Worte gebraucht: "ihren Arbeitsplatz ... verloren haben" (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der ursprünglichen, § 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a der neuen Fassung), so stellt dies keine unzulässige Erweiterung des in Art. 131 GG umschriebenen Personenkreises dar.
2. Der Beschwerdeführer greift mit der Verfassungsbeschwerde zunächst den Inhalt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts an; er meint, das Gericht habe den § 77 G 131 unrichtig ausgelegt und diese unrichtige Auslegung habe zu einer Verletzung seiner Grundrechte geführt.
Die Nachprüfung der Auslegung einfacher Gesetze durch die Gerichte ist dem Bundesverfassungsgericht im allgemeinen entzogen; es ist kein Revisionsgericht. Sein Prüfungsrecht setzt erst dann ein, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, die Unrichtigkeit der Auslegung liege gerade darin, daß der Norm ein verfassungswidriger Sinn gegeben werde. Auch in diesem Fall kann jedoch eine Verfassungsbeschwerde nur Erfolg haben, wenn die Entscheidung auf der in diesem Sinne unrichtigen (verfassungswidrigen) Auslegung beruht und dadurch Grundrechte verletzt. Das ist hier nicht der Fall.
Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts betrifft § 77 G 131 nicht nur "die vertraglichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber", sondern auch solche Ansprüche, "die auf Gesetz, z. B. auf Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigter Bereicherung oder unerlaubter Handlung" beruhen. Daher könne der Beschwerdeführer weder Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 826 BGB) noch aus positiver Vertragsverletzung geltend machen. Es sei deshalb unerheblich, aus welchen Rechtsvorschriften der Beschwerdeführer seine Ansprüche herleite, da nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a in Verbindung mit § 52 b Abs. 1 G 131 sein Arbeitsverhältnis als mit Ablauf des 8. Mai 1945 erloschen gelte und § 77 Abs. 1 G 131 ihm alle weiteren Ansprüche entziehe.
Die Auslegung des § 77 G 131 durch das Landesarbeitsgericht ist mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht unvereinbar. Aus ihr ließe sich jedoch möglicherweise als allgemeine Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgern, daß Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, aus ihrem früheren Arbeitsverhältnis auch dann keine Ansprüche herleiten könnten, wenn der Verlust des Arbeitsplatzes durch eine unerlaubte Handlung des Arbeitgebers ohne jeden Zusammenhang mit dem Zusammenbruch und den damaligen politischen Verhältnissen eingetreten wäre. Bei dieser Anschauung könnte möglicherweise das Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt werden; denn es würden dann durch § 77 G 131 möglicherweise Ansprüche abgeschnitten werden, deren Wegfall durch Sinn und Zweck des Art. 131 GG nicht gefordert wird. Darüber hinaus könnte Art. 3 GG verletzt werden, weil Ansprüche, die mit den "typischen Endigungsgründen" nicht in Zusammenhang stehen, nur zu Lasten der Arbeitnehmer, nicht aber zu Lasten der Arbeitgeber beseitigt wären.
Die Frage, ob eine solche Auslegung des § 77 G 131 mit der Verfassung im Einklang steht, braucht jedoch hier nicht entschieden zu werden. Denn das Urteil beruht auf einer solchen Auslegung nicht. Das Landesarbeitsgericht hat nicht Ansprüche des Beschwerdeführers aus unerlaubter Handlung oder positiver Vertragsverletzung aberkannt, die in keinem Zusammenhang mit einem der von Art. 131 GG vorausgesetzten typischen Endigungsgründe stehen. Es hat vielmehr angenommen, daß für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Beschwerdeführers eine Reihe derartiger Endigungsgründe objektiv vorlag, und zwar -- außer dem Entlassungsbefehl der Militärregierung -: die Parteizugehörigkeit des Beschwerdeführers, seine Freundschaft mit dem Gauleiter, die Weiterleitung der Anzeige gegen die Schwesternschülerin und die endgültige Ablehnung der Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers durch die Stadt Hannover.
Da nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehrere typische Endigungsgründe vorliegen, hat das Gericht es für unerheblich gehalten, ob einer dieser Gründe, nämlich der formelle Entlassungsbefehl der Militärregierung, durch ein gegen den Vertrag oder § 826 BGB verstoßendes Verhalten der Stadt herbeigeführt worden ist. Das Landesarbeitsgericht hat damit offenbar sagen wollen, daß die festgestellten übrigen Endigungsgründe auch dann einen Verlust des Arbeitsplatzes herbeigeführt hätten, wenn die Militärregierung ohne die angeblichen Intrigen die Entfernung des Beschwerdeführers -- abweichend von der Behandlung aller anderen Nationalsozialisten der Stadtverwaltung -- nicht gefordert hätte. Das Landesarbeitsgericht hat also den auf § 826 BGB und auf positive Vertragsverletzung gestützten Anspruch des Beschwerdeführers deshalb abgewiesen, weil der Verlust des Arbeitsplatzes durch typische, auch nicht "getarnte" Gründe herbeigeführt worden sei und § 77 G 131 in solchem Falle alle Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließe. Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut des § 77 G 131 vereinbar und wird durch Sinn und Zweck dieser Vorschrift gedeckt.
Die verfassungsrechtliche Frage, ob § 77 G 131 bei dieser Auslegung Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt, ist vom Bundesverfassungsgericht zu prüfen. Sie ist zu verneinen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob die Dienstverhältnisse aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit dem Zusammenbruch am 8. Mai 1945 ohne weiteres erloschen sind, für die Beamten im Urteil vom 17. Dezember 1953 -- 1 BvR 147/52 -- unter C I 1 c und d bejaht. Für die Angestellten hat das Gericht im Urteil vom gleichen Tage -- 1 BvR 323/51 -- unter C I die Frage dahingestellt gelassen; auch hier braucht sie nicht entschieden zu werden. Denn die Stadt Hannover hat das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers aus wichtigem Grunde rechtswirksam gekündigt, da sie -- auch abgesehen von dem formellen Befehl der Militärregierung -- nach dem unstreitigen Sachverhalt seine Weiterbeschäftigung abgelehnt hat.
Hierzu war sie berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet. Denn nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates war es selbstverständliche Pflicht aller Behörden und öffentlichen Verwaltungen, ihren Personalkörper möglichst weitgehend von Nationalsozialisten zu säubern und die auf diese Weise frei gewordenen Arbeitsplätze mit demokratisch zuverlässigen Personen zu besetzen. Eine neue öffentliche Verwaltung konnte nach der Kapitulation nur in bewußter Abkehr vom Nationalsozialismus aufgebaut werden (vgl. BVerfGE 2, 105 [110]).
Die Stadt Hannover konnte deshalb den Beschwerdeführer entlassen, da er der NSDAP angehört und durch sein Verhalten den Verdacht begründet hatte, aktiver Nationalsozialist zu sein. Die Kündigungserklärung ist mindestens darin zu sehen, daß die Stadt die Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers trotz der von ihm behaupteten Fürsprache des Stadtkommandanten von Hannover im Mai 1945 abgelehnt und dies dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht hat. Da diesem mithin für September 1945 in keinem Falle Ansprüche aus seinem früheren Vertrag zustanden, kann in der auf § 77 G 131 gestützten Abweisung seiner Klage keine Grundrechtsverletzung gefunden werden.
3. Der Beschwerdeführer fühlt sich auch durch das Verfahren des Landesarbeitsgerichts in seinen Grundrechten verletzt. Er macht geltend, das angefochtene Urteil verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 GG. Da die im Angestelltenverhältnis stehenden Vorsitzenden der Kammern beim Landesarbeitsgericht Hannover nicht unabhängige Richter im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG seien, müßten die mit solchen Richtern besetzten Kammern als Ausnahmegerichte angesehen werden; wer vor einem solchen Gericht Recht suchen müsse, werde seinem gesetzlichen Richter entzogen.
Diese Rüge greift nicht durch:
a) Die Organisation der Arbeitsgerichtsbarkeit beruhte bis zum Inkrafttreten des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl. I S. 1267) in der britischen Zone auf dem Kontrollratsgesetz Nr. 21 vom 30. März 1946 (ABl. KR S. 124). Die Verfassungsbeschwerde richtet sich daher mittelbar gegen dieses Gesetz, indem sie behauptet, das Landesarbeitsgericht maße sich durch seine Tätigkeit auf Grund dieses Gesetzes rechtsprechende Gewalt gegenüber dem Beschwerdeführer an und bewirke dadurch unmittelbar, daß er durch ein Ausnahmegericht seinem gesetzlichen Richter entzogen sei. Da jedoch das Kontrollratsgesetz als Besatzungsrecht auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz nicht geprüft werden darf (vgl. BVerfGE 1, 9 [11]; 2, 181 [199, 205 ff.]), ist die Verfassungsbeschwerde insoweit nicht zulässig.
b) Die auf der Grundlage des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 errichteten Landesarbeitsgerichte sind auch keine Ausnahmegerichte. Dieser Begriff umfaßt nur solche Gerichte, die in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individuell bestimmter Fälle berufen sind (vgl. Bonner Komm., Art. 101 GG Anm. II; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Aufl. 1933, Art. 105 Anm. 3; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 5. Aufl. 1951, S. 33; Kern, Gerichtsverfassungsrecht, 1948, S. 75).
c) Da das Landesarbeitsgericht Hannover nach gesetzlicher Bestimmung allgemein als Berufungsinstanz für arbeitsrechtliche Klagen gegen die Stadtgemeinde Hannover örtlich und sachlich zuständig ist (Art. II und X KRG Nr. 21 in Verbindung mit § 64 Abs. 2 ArbGG und §§ 511 ff. ZPO), ist es für den Beschwerdeführer der "gesetzliche Richter". Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt daher nicht vor.
d) Der Beschwerdeführer macht schließlich geltend, ein Gericht könne nicht "gesetzlicher Richter" gemäß Art. 101 Abs. 1 GG sein, wenn es nicht ausschließlich mit "unabhängigen Richtern" im Sinne des Art. 97 GG besetzt sei.
Daran ist richtig, daß alle Richter "unabhängig" sein müssen, also nicht an Weisungen gebunden sein dürfen. Diese sachliche Unabhängigkeit ist allen Richtern in Art. 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantiert. Sie war auch den auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 gebildeten Arbeitsgerichten gewährleistet, da nach Art. III dieses Gesetzes jede Einflußnahme der Arbeitsverwaltung auf die Rechtsprechung verboten war. Die persönliche Unabhängigkeit der Vorsitzenden der Arbeitsgerichte und ihrer Stellvertreter folgte daraus, daß sie nach Art. VII Abs. 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 während ihrer Amtsdauer nur in einem besonderen Disziplinarverfahren aus dem Amt entfernt werden konnten. Ein verfassungsrechtlicher Grundsatz, daß zur persönlichen Unabhängigkeit eines Richters darüber hinaus eine Anstellung auf Lebenszeit erforderlich wäre, besteht nicht. Denn aus Art. 97 Abs. 2 Satz 2 GG folgt unmittelbar, daß Gerichte auch mit Richtern besetzt werden können, die nicht auf Lebenszeit angestellt sind (vgl. Bonner Komm., Art. 97 Anm. II 3 i S. 110). Deshalb kann die Tatsache, daß die Vorsitzenden der Landesarbeitsgerichte und ihre Stellvertreter nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 21 nicht Beamte auf Lebenszeit zu sein brauchten, nicht die Annahme rechtfertigen, daß sie nicht unabhängige Richter im Sinne des Art. 97 Abs. 1 GG waren.