BGHSt 44, 91 - Konkurrenzen Anstiftungsversuch/Anstiftung
Der fehlgeschlagene Versuch der Anstiftung zur Tötung eines Menschen ist gegenüber einer späteren, auf einem neuen Entschluß beruhenden Anstiftung zum Versuch der Tötung eine rechtlich selbständige Handlung und damit in der Regel auch eine andere Tat im prozessualen Sinn (Abgrenzung zu BGHSt 8, 38 und BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3).
StGB §§ 30 Abs. 1 Satz 1, 26, 53 Abs. 1
1. Strafsenat
 
Urteil
vom 5. Mai 1998 g.H.
- 1 StR 635/96 -
Landgericht Rottweil
 
Aus den Gründen:
I.
1. Dem Einwand des Strafklageverbrauchs liegt zugrunde, daß der Angeklagte bereits aufgrund des Senatsurteils vom 19. März 1996 (BGHSt 42, 86 ff.) im Schuldspruch rechtskräftig wegen versuchter Anstiftung zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt worden ist.
a) Diese frühere Verurteilung beruht im wesentlichen auf folgendem Geschehen:
Der Angeklagte wurde wegen Kapitalanlagebetrugs im Rahmen von Geschäften seiner Firma P. GmbH in Deutschland verfolgt. Er wich in die USA aus, wo er mit einer gleichnamigen "Corporation" seine Geschäfte fortsetzte. Dort sann er auch darauf, seinen Bruder G. H. und den Polizeibeamten R. aus Rache für deren Beiträge zu seiner Strafverfolgung durch einen gedungenen Täter töten zu lassen. In der Zeit zwischen dem 23. Januar und dem 3. Februar 1993 bestimmte der Angeklagte deshalb im Beisein des Zeugen S. seinen "Sicherheitschef" H. dazu, daß dieser einen Mörder beauftragen solle. H. sagte dies zu und sandte durch Telefax einen schriftlichen Auftrag zur Tötung von G. H. an G. in der Schweiz. G. lehnte das Ansinnen jedoch ab. H. unternahm danach keine weiteren Anstrengungen, einen Mörder zu beauftragen.
b) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in dem bezüglich der Mitangeklagten Ge., He., C. und M. bereits das Senatsurteil vom 7. Oktober 1997 - 1 StR 635/96 - ergangen ist, ist das nachfolgende Geschehen:
Ende Februar 1993 erkannte der Angeklagte, daß die an H. erteilten Aufträge nicht ausgeführt worden waren. "Nachdem ihm zur Gewißheit geworden war, daß diese auch nicht mehr zur Ausführung kommen würden, wurde ihm klar, daß er eine neue, völlig andere Lösung würde finden müssen". Deshalb suchte er einen anderen Mittelsmann, um durch diesen einen oder mehrere Mörder gegen Entgelt beauftragen zu lassen. Er erteilte deshalb seinem Mitarbeiter Ge. der um sein Wohlwollen bemüht war, kurz vor dem 28. Februar 1993 oder an jenem Tage "nochmals dieselben Aufträge - erweitert nun um den Auftrag, auch ... R. zu töten". Später wurde auch der Zeuge S. in den Tötungsauftrag einbezogen, weil dieser als Zeuge des ersten Tötungsauftrags an H. gefährlich geworden war.
Ge. schaltete He. ein, dieser wiederum L., der seinerseits den Auftraggebern C. und M. als Täter vermittelte. Diese sollten Angriffe durch Sprengfallen mit Handgranaten an den Autos der Tatopfer ausführen.
Am 17. April 1993 fuhren C. und M. zur Wohnung von S. Dort sicherte C. den Tatort ab, während M. eine Handgranate unter S.'s Auto befestigte und mittels einer Zugleitung mit einem Rad verband. Bei einer Radumdrehung sollte so der Zündring der Granate gelöst werden. S. entdeckte jedoch später die Sprengfalle, die entschärft werden konnte.
In der Nacht vom 4. zum 5. Mai 1993 fuhren die Attentäter zu R.'s Haus. C. stand Schmiere, während M. eine Handgranate unter dem Auto anbrachte, das vor einer Garage neben R.'s Haus geparkt war. Die Mittäter nahmen an, daß die Garage zum Haus von R. gehöre und es sich um dessen Fahrzeug handele. Tatsächlich war es das Fahrzeug des Nachbarn St. Die daran angebrachte Sprengfalle versagte.
Der Angeklagte und dessen Mittelsmänner Ge. und He. wünschten danach die Fortsetzung der Tathandlungen, doch waren C. und M. dazu nicht mehr bereit.
Soweit G. H. und R. getötet werden sollten, bei denen es zu keiner Ausführungshandlung der Tat kam, wurde das Verfahren nach § 154 a StPO beschränkt.
2. Das Landgericht hat ein Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit verneint. Bei der Bestimmung von H. und derjenigen von Ge. zur Beauftragung von Mördern handele es sich um verschiedene Taten im prozessualen Sinne, auch wenn eines der in Aussicht genommenen Tatopfer (R.) von beiden Tötungsaufträgen erfaßt worden sei. Es lägen auch im Sinne des materiellen Rechts tatmehrheitlich begangene Anstiftungshandlungen vor.
Die Revision des Angeklagten wendet unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, die bereits abgeurteilte versuchte Anstiftung sei gegenüber der späteren Anstiftung zum Versuch der Tat subsidiär. Deshalb liege auch nur eine Tat im prozessualen Sinne vor.
II.
Die schon abgeurteilte versuchte Anstiftung des Angeklagten gegenüber H. und die nachfolgende Anstiftung zum Versuch des Mordes sind als getrennt beurteilbare Lebenssachverhalte verschiedene Taten im prozessualen Sinn (vgl. BGHSt 13, 21, 25 f.; 41, 385, 388; 43, 96, 99). Materiellrechtlich besteht Tatmehrheit im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB. Subsidiarität liegt nicht vor.
1. Der fehlgeschlagene Anstiftungsversuch stellt gegenüber der Beteiligung an der versuchten Tat eine rechtlich selbständige Handlung im Sinne des § 53 Abs. 1 StGB dar. Zwar blieb das Ziel des Angeklagten, seinen Bruder und R. töten zu lassen, dasselbe. Die Anstiftung zum Versuch des Mordes beruhte jedoch nach dem Fehlschlag der versuchten Anstiftung zum Mord auf einem neuen Tatentschluß. Dies führt auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tatmehrheit der beiden Anstiftungshandlungen des Angeklagten.
Der Bundesgerichtshof sieht zwar in einem mehraktigen Geschehen mit gleicher Angriffsrichtung auch bei Wechsel des Angriffsmittels durch denselben Täter eine tatbestandliche Handlungseinheit, nimmt aber an, daß der Fehlschlag eines Versuchs eine Zäsur bildet (BGHSt 40, 75 ff.; 41, 368, 369 mit Anm. Beulke/Satzger NStZ 1996, 432 f. und mit Anm. Puppe JR 1996, 513 ff.; 43, 381 ff.). Für das Verhältnis des Fehlschlags des Beteiligungsversuchs zur Beteiligung am Versuch einer Tat kann hinsichtlich der Frage, ob Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit vorliegt (§§ 52, 53 StGB), nichts anderes gelten.
2. Liegt nach diesen Grundsätzen Tatmehrheit vor, ist regelmäßig auch von mehreren Taten im prozessualen Sinn auszugehen (vgl. BGHSt 13, 21, 25 f.; 35, 14, 19; 36, 151, 154; 43, 96, 99). Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel (s. dazu BGHSt 43, 96, 99) fehlen hier. Vielmehr spricht zusätzlich für das Vorliegen verschiedener Taten, daß das Ziel durch andere Anstifter und durch andere Haupttäter erreicht und darüber hinaus nunmehr auch S. getötet werden sollte. Auch damit hatte das Tatbild eine so wesentliche Änderung erfahren, daß allein wegen der teilweisen Identität des Handlungsziels nicht von einem einheitlichen Lebenssachverhalt, einer Tat im prozessualen Sinne, gesprochen werden kann. Damit kommt es nicht mehr auf die von der Revision aufgeworfene Frage an, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, nach der bei Vorliegen eines zeitweiligen Verfahrenshindernisses bezüglich eines Teils einer einheitlichen Tat der Strafklageverbrauch beschränkt ist (vgl. RGSt 56, 161, 166; BGHSt 15, 259, 260; s. a. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. Einl. Rdn. 173), was hier im Hinblick auf die der Entscheidung des Landgerichts im ersten Verfahren nachfolgende Zustimmung des Außenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika zur Auslieferung des Angeklagten auch hinsichtlich seiner weiteren Anstiftungshandlungen denkbar gewesen wäre.
3. Die von der Revision angenommene Subsidiarität der versuchten Anstiftung zum Mord gegenüber der Anstiftung zum Versuch des Mordes setzt voraus, daß "die Handlung" im weiteren Verlauf des einheitlichen Geschehens verschiedene Stadien durchlaufen hatte, daß also aus der Handlung, die die versuchte Anstiftung zum Mord darstellt, eine Anstiftung zum Versuch des Mordes oder gar eine Anstiftung zum Mord wurde. Dies ist früherer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die nie aufgegeben wurde (insofern auch nicht durch BGHSt 9, 131, 133), zweifelsfrei zu entnehmen. Der Senat verweist auf BGHSt 1, 131, 135; 6, 308, 311.
Die Entscheidung BGHSt 8, 38 sagt nichts anderes. Dort hatte der Täter anfangs vergeblich um Mitwirkung eines Dritten als Mittäter geworben, die Tat dann jedoch zusammen mit anderen Mittätern selbst begangen. Seine eigene Täterschaft war indes von Anfang an vorgesehen gewesen. Seine Vorbereitungshandlung durch den fehlgeschlagenen Versuch der Gewinnung eines Mittäters mündete deshalb in die eigene Tatbegehung. In solchen Fällen (s. a. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3) wird zwar durch die anfängliche Beteiligungshandlung des späteren Täters ergänzendes Unrecht begangen, indem eine weitere Person in das Tatgeschehen verstrickt wird. Der Strafgrund des Beteiligungsversuchs besteht in der konspirativen Bindung mehrerer Beteiligter, so daß die Handlung gegenüber anderen Vorbereitungshandlungen eines Alleintäters eine größere Gefährlichkeit aufweist (vgl. BGHSt 10, 388, 389 f.; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 30 Rdn. 1; Lackner, StGB 22. Aufl. § 30 Rdn. 1; Roxin in LK 11. Aufl. § 30 Rdn. 3; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 30 Rdn. 1; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT 5. Aufl. § 65 I 2; Schindler, Die Strafbarkeit der Vorbereitung in rechtsstaatlicher Sicht 1969 S. 235). Deshalb könnte angenommen werden, das Unrecht des Beteiligungsversuchs sei auch nicht vollständig in demjenigen der späteren Alleintäterschaft oder Mittäterschaft neben anderen Tatgenossen enthalten. Doch liegt in solchen Fällen wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Täterschaft vor Beteiligungsversuchen auch die Annahme von Subsidiarität nicht fern. Welcher dieser Möglichkeiten zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.
Der vorliegende Fall liegt anders, weil der Angeklagte durch verschiedene Anstiftungshandlungen jeweils weitere Personen in das Tatgeschehen verstrickt und die Tatbegehung nie selbst als Täter versucht hat. Dann liegt Subsidiarität wesentlich weniger nahe als bei Zusammentreffen verschiedener Anstiftungshandlungen. Der Senat geht in diesem Fall von rechtlich selbständigen Anstiftungshandlungen mit jeweils eigenem Unrecht aus.
Auch in der neueren Literatur ist, zumindest für die hier vorliegende Konstellation, die Annahme anzutreffen, es liege keine Subsidiarität der versuchten Anstiftung gegenüber einer weiteren Handlung aufgrund eines neuen Entschlusses vor (zum vorliegenden Fall Geppert NStZ 1998, 190, 191; vgl. im übrigen Cramer in Schönke/Schröder, a.a.O. § 30 Rdn. 38; Samson in SK-StGB § 30 Rdn. 4; a.A. Roxin in LK 11. Aufl. § 30 Rdn. 55).
III.
Der Senat hat, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen des 2. Strafsenats in BGHSt 8, 38 f. und des 3. Strafsenats in dessen Urteil vom 15. Mai 1995 - 3 StR 419/91 (= NJW 1992, 2903, 2905 = BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 1 Konkurrenzen 3; in BGHSt 38, 291 insofern nicht abgedruckt), bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob deren Rechtsprechung der vorliegenden Entscheidung entgegensteht und ob gegebenenfalls daran festgehalten werde (NStZ 1998, 189 f. mit Anm. Geppert). Nach den Antworten der anderen Strafsenate ist eine Vorlage der Sache an den Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs nicht geboten (wird näher ausgeführt).