BGHSt 43, 53 - Wucher durch Lohndumping
1. Zur Frage, ob die Annahme des Landgerichts, es sei anstelle des Amtsgerichts für das angefochtene Urteil sachlich zuständig gewesen, im Revisionsverfahren von Amts wegen oder nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge zu überprüfen ist (Bestätigung BGH NJW 1993, 1607 gegen BGHSt 40, 120).
2. Eine besondere Bedeutung eines Falles i.S.v. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG liegt auch vor, wenn die rasche Klärung einer grundsätzlichen, für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsamen Rechtsfrage durch den Bundesgerichtshof ermöglicht werden soll.
3. Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers zu unangemessen niedrigem Lohn kann Wucher (§ 302 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB) sein.
StPO §§ 6, 269, 344 Abs. 2; GVG § 24 Abs. 1 Nr. 3; StGB § 302 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
1. Strafsenat
 
Urteil
vom 22. April 1997 g.W.
- 1 StR 701/96 -
Landgericht Passau
 
Aus den Gründen:
Der Angeklagte beschäftigte in seinem Bauunternehmen ab 1991/1992 zwei tschechische Grenzgänger als Maurer, die er bis einschließlich Oktober 1993 mit einem Bruttostundenlohn von 12,70 DM entlohnte. Der Tariflohn für Maurer betrug 1993 19,05 DM pro Stunde. Seine übrigen Arbeitnehmer entlohnte der Angeklagte für gleiche Arbeit mit einem Stundenlohn von 21 DM brutto.
Am 31. März 1993 erklärte der Angeklagte gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt wahrheitswidrig, er werde die beiden Maurer ab Mitte April 1993 zu einem Stundenlohn von 21 DM brutto beschäftigen. Daraufhin erhielten diese im Mai 1993 jeweils bis zum Jahresende befristete Grenzgängerkarten durch das Landratsamt und Grenzarbeitserlaubnisse durch das Arbeitsamt. Nach Bekanntwerden der tatsächlichen Arbeitsbedingungen nahm das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnisse im Januar 1994 mit rückwirkender Kraft zurück (§ 45 SGB X).
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse erhob die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Landgericht, wobei sie dem Angeklagten Wucher (§ 302 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB) in Tateinheit mit einem Vergehen gegen § 227 a Abs. 1 AFG vorwarf. Sie vertrat die Auffassung, im Sinne der genannten Vorschrift sei eine fehlende Arbeitserlaubnis einer rückwirkend für unwirksam erklärten Arbeitserlaubnis gleichzusetzen, und maß dieser für die Praxis der Arbeitsverwaltung bedeutsamen Frage eine besondere Bedeutung i.S.v. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG bei. Die Anklageerhebung vor dem Landgericht sollte eine rasche Klärung dieser Frage durch den Bundesgerichtshof ermöglichen.
Das Landgericht hat sich die Erwägungen der Staatsanwaltschaft zur besonderen Bedeutung des Falles in seiner Eröffnungsentscheidung ausdrücklich zu eigen gemacht.
Auf der Grundlage der dem Anklagevorwurf entsprechenden Feststellungen hat die Strafkammer den Angeklagten wegen Wuchers (§ 302 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB) in zwei Fällen (aus subjektiven Gründen erst) ab 31. März 1993 zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Eine Strafbarkeit gemäß § 227 a AFG hat sie unter Berufung auf eine zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (wistra 1996, 238) verneint.
Das Rechtsmittel des Angeklagten bleibt erfolglos.
Für die Entscheidung dieser Frage kommt es nicht darauf an, ob das Landgericht - wie hier - seine Zuständigkeit im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Falles (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG) oder im Hinblick auf die Rechtsfolgenerwartung (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 GVG) bejaht hat. Es ist kein Grund ersichtlich, der eine unterschiedliche Behandlung dieser Fallgestaltungen rechtfertigen könnte.
a) Auszugehen ist von § 269 StPO, wonach das Gesetz aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung und der Prozeßwirtschaftlichkeit die fehlerhafte Annahme seiner Zuständigkeit durch ein Gericht höherer Ordnung im Grundsatz für unbeachtlich erklärt; die weitergehende sachliche Zuständigkeit schließt die weniger weitgehende mit ein. Die Verhandlung vor einem unzuständigen Gericht höherer Ordnung benachteiligt den Angeklagten auch nicht (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 42. Aufl. § 269 Rdn. 1). Dementsprechend führt die fehlerhafte Annahme eines Gerichts höherer Ordnung, es sei anstelle des tatsächlich zuständigen Gerichts niederer Ordnung zur Entscheidung berufen, regelmäßig nicht zu einer Urteilsaufhebung (st. Rspr., vgl. z.B. BGHSt 9, 367, 368; 21, 334, 358; BGH NJW 1993, 1607, 1608; w. Nachw. bei Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 338 Rdn. 32).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt dieser Grundsatz eine Einschränkung, wenn (objektive) Willkür vorliegt (vgl. z.B. BGH GA 1970, 25; BGH NJW 1993, 1607 m.w.N.), also wenn die unzutreffende Annahme seiner Zuständigkeit durch das Gericht höherer Ordnung auf sachfremde oder andere offensichtlich unhaltbare Erwägungen gestützt ist (vgl. BGH NJW 1993, 1608). Diese Einschränkung des Grundsatzes von § 269 StPO beruht darauf, daß bei einer willkürlichen Annahme der Zuständigkeit das Grundrecht gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist. Ob dieses Grundrecht dadurch verletzt worden ist, daß statt des Amtsgerichts das Landgericht entschieden hat, ist nicht nur vom Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin, sondern auch schon vorher im Revisionsrechtszuge zu prüfen (BVerfG NJW 1959, 871, 872; BGH GA 1970, 25).
c) Noch nicht abschließend geklärt ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob in den - seltenen (vgl. BGH GA 1970, 25; BGH NJW 1993, 1608) - Fällen, in denen die Annahme der Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung auf (objektiver) Willkür beruht, ein nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge zu berücksichtigender Verstoß vorliegt (so der 5. Strafsenat in BGH GA 1970, 25 und der erkennende Senat in BGH NJW 1993, 1608; ebenso der 5. Strafsenat für den Fall, daß das Schöffengericht anstelle des zur Entscheidung berufenen Strafrichters (objektiv) willkürlich seine Zuständigkeit angenommen hat, in BGHSt 42, 205), oder ob ein solcher Verstoß ein Verfahrenshindernis darstellt und daher auch ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen ist (so der 4. Strafsenat in BGHSt 38, 172, 176; 40, 120; NStZ 1992, 397).
d) Der Senat hält an der Auffassung fest, daß die Frage einer (objektiv) willkürlichen Zuständigkeitsbegründung durch das Gericht höherer Ordnung nur aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge zu prüfen ist.
Ein Verfahrenshindernis liegt in einem solchen Fall nicht vor.
Bei einem Verfahrenshindernis handelt es sich um einen Umstand, der nach dem ausdrücklich erklärten oder aus dem Zusammenhang gesetzlicher Vorschriften ersichtlichen Willen des Gesetzgebers so schwer wiegt, daß von seinem Vorhandensein oder Fehlen die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängt (BGHSt 36, 294, 295; 35, 137, 140; 33, 183, 186 jew. m.w.N.). Angesichts der weitreichenden Konsequenzen, die mit dem Vorliegen eines Verfahrenshindernisses verbunden sind, muß das Verfahrenshindernis, sei es auch nach vorangegangener Ermittlung der ihm zugrundeliegenden Tatsachen, offenkundig sein (vgl. auch K. Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Einleitung Kap. 11 Rdn. 9 a.E.). Kann der Fehler dagegen erst aufgrund einer Wertung festgestellt werden, liegt in aller Regel kein Verfahrenshindernis vor (BGHSt 32, 345, 351 f. m.w.N.).
An alledem gemessen, erweist sich die willkürliche Annahme seiner Zuständigkeit durch das Gericht höherer Ordnung nicht als Verfahrenshindernis.
Schon allein der Umstand, daß die - bloß - fehlerhafte Annahme seiner Zuständigkeit durch das höhere Gericht keinen Rechtsfehler darstellt, der den Bestand des Urteils gefährdet (vgl. oben 1 a), spricht dagegen, ein Verfahrenshindernis dann anzunehmen, wenn einem in seinen unmittelbaren Auswirkungen - Verhandlung vor dem Landgericht statt vor dem Amtsgericht - identischen Fehler in seltenen Fällen ausnahmsweise besonders schwerwiegende Fehlbeurteilungen zugrundeliegen. Erhärtet wird dieses Ergebnis durch den Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung in § 338 Nrn. 1 bis 4 StPO; diese Regelung zeigt, daß das Gesetz auch in anderen Fällen, in denen ein anderer als der gesetzlich zuständige Richter entschieden hat, (nur) Verstöße sieht, die erst aufgrund entsprechender Verfahrensrügen zu beachten sind. In § 338 Nr. 1 StPO verlangt das Gesetz sogar zusätzlich, daß ein solcher Verstoß regelmäßig bereits in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht geltend gemacht werden muß, damit er mit einer Verfahrensrüge im Revisionsverfahren noch vorgebracht werden kann.
§ 6 StPO ändert an diesem Ergebnis nichts, da diese Bestimmung generell unter dem Vorbehalt von § 269 StPO steht (Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 6 Rdn. 1; Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 6 Rdn. 3; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg a.a.O. § 269 Rdn. 4; Engelhardt in KK 3. Aufl. § 269 Rdn. 5). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die objektiv willkürliche Annahme seiner Zuständigkeit durch das Gericht höherer Ordnung eine Verfassungsverletzung (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellt. Auch dann, wenn Verfahrensverstöße zugleich Verfassungsverstöße enthalten, müssen diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden und dürfen vom Revisionsgericht nicht von Amts wegen berücksichtigt werden (vgl. z.B. BGHSt 19, 273, 277); dies gilt insbesondere auch für einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (BGH StV 1996, 585, 587; BGHSt 26, 84, 90; BGH MDR 1984, 335). Das Rügeerfordernis relativiert das Gewicht der Grundrechtsverletzung nicht, sondern zieht lediglich eine auch im Interesse der Rechtssicherheit gebotene Grenze für deren Geltendmachung und überläßt es dem Beschwerdeführer, ob er sich auf einen Grundrechtsverstoß, der nicht zwingend zu einer unrichtigen Entscheidung geführt haben muß, berufen will oder nicht (vgl. BGHSt 19, 273, 277).
e) Die unterschiedlichen Auffassungen des erkennenden Senats und des 4. Strafsenats zur Frage, ob eine willkürliche Annahme seiner Zuständigkeit durch das höhere Gericht nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge oder von Amts wegen zu beachten ist, führen hier jedoch nicht zu einem Verfahren gemäß § 132 GVG, da die Revision des Angeklagten auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des 4. Strafsenats zu verwerfen wäre (vgl. BGHSt 16, 271, 278; K. Schäfer/Harms in Löwe/Rosenberg a.a.O. § 132 GVG Rdn. 5 m.w.N. in Fn. 17):
Die genannte Erwägung, mit der das Landgericht die Annahme seiner Zuständigkeit begründet hat, geht von einem zutreffenden Ansatz aus. Unbeschadet des Umstands, daß es letztlich auch im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 121 Abs. 2 GVG zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommen könnte, kann das Bedürfnis nach einer alsbaldigen höchstrichterlichen Entscheidung einer Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle bedeutsam ist, die Annahme einer besonderen Bedeutung i.S. v. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG rechtfertigen (BGH NJW 1960, 542, 544; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 24 GVG Rdn. 6 m.w.N.). Bei dieser Sachlage bestünde auch vom Standpunkt des 4. Strafsenats aus kein Anlaß, an der Zuständigkeit des Landgerichts zu zweifeln (vgl. Urt. v. 13. Dezember 1979 - 4 StR 562/79 - GA 1980, 220). Der Umstand, daß es infolge des - zum Zeitpunkt der Zuständigkeitsentscheidung noch nicht absehbaren - weiteren Verfahrensgangs dann doch nicht zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die in Rede stehende Rechtsfrage kommt, ändert an alledem nichts.
2. Die auf die Sachrüge hin gebotene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) § 302 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erfaßt Austauschgeschäfte jeglicher Art (ebenso K. Schäfer/Wolff in LK 11. Aufl. vor § 302 m. Nachw. aus den Gesetzgebungsmaterialien), sofern die Leistung des Opfers für den Täter einen Vermögensvorteil darstellt (K. Schäfer/Wolff a.a.O. § 302 a Rdn. 3). Hierunter fallen auch Arbeitsverhältnisse. Lohnzahlungen sind im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses "sonstige Leistungen" (Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 302 a Rdn. 7). Die geleistete Arbeit ist jedenfalls dann ein Vermögensvorteil, wenn sich der Erfolg der Arbeit wirtschaftlich zugunsten des Arbeitgebers auswirkt (vgl. Lampe in FS für Maurach S. 375, 387). Hiervon ist in aller Regel auszugehen. Besonderheiten, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Daß etwa nur ein Lohnempfänger, der sich einen unangemessen hohen Lohn versprechen oder gewähren läßt, nicht aber ein Arbeitgeber Täter des Wuchers sein könnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (Hohendorf, Das Individualwucherstrafrecht nach dem ersten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von 1976 S. 79, 80; vgl. auch schon RGSt 38, 363, 365).
b) Auch die Annahme eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ob ein Mißverhältnis vorliegt, ergibt sich aus dem für den jeweiligen Einzelfall vorzunehmenden Vergleich des Wertes der Leistung mit dem der Gegenleistung. Maßgebend ist, ob seitens des Täters ein Mißverhältnis vorliegt. Daher sind Vorteile, die dem Täter aus dem wucherischen Geschäft zufließen sollen oder - hier - zugeflossen sind, mit dem Wert seiner Leistung zu vergleichen, während es auf einen Vergleich der Leistung mit den Vorteilen, die sich das Opfer aus dem Geschäft verspricht oder - hier - erlangt, nicht ankommt (BayObLG NJW 1985, 873 m.w.N.). Dementsprechend hatte hier die Frage nach der Kaufkraft, die mit dem ausbezahlten Lohn für die beiden Arbeitnehmer an ihrem Wohnort in Tschechien verbunden war, etwa in Relation zur Kaufkraft des Tariflohns für einen in Deutschland wohnhaften Arbeitnehmer, außer Betracht zu bleiben.
Die Strafkammer hat allein den Wert der Arbeit der Maurer für den Angeklagten mit dem hierfür tarifvertraglich vorgesehenen Lohn gleichgesetzt und ihn mit dem vom Angeklagten tatsächlich gezahlten Lohn verglichen. Damit hat sie einen rechtlich zutreffenden Vergleichsmaßstab zugrundegelegt (vgl. Stree a.a.O. Rdn. 18; Rautenberg in Ulsamer (Hrsg.), LdR Strafrecht/Strafverfahrensrecht 2. Aufl. S. 1218, 1221; allgemein zur Zugrundelegung eines "Marktpreises" BayObLG a.a.O. m.w.N.).
Die Entscheidung, ob im Einzelfall die Ungleichgewichtigkeit von Leistung und Gegenleistung als Mißverhältnis i.S.v. § 302 a Abs. 1 StGB zu bewerten ist, obliegt dem Tatrichter.
Das Revisionsgericht kann das Ergebnis der tatrichterlichen Bewertung nicht durch seine eigene ersetzen, sondern nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt. Dies kann namentlich der Fall sein, wenn der Tatrichter den gebotenen Vergleich nicht vorgenommen oder hierbei unzulässige Maßstäbe angelegt hat oder wenn das Ergebnis des Vergleichs den Begriff des Mißverhältnisses so einengt oder ausdehnt, daß der Grundgedanke des Gesetzes verfehlt wird. Dieser geht dahin, Verhaltensweisen zu unterbinden, die darauf gerichtet sind, Schwächesituationen bei anderen Personen wirtschaftlich auszubeuten und für Leistungen unverhältnismäßig große Vermögensvorteile zu erreichen (Stree a.a.O. Rdn. 2).
Hieran gemessen, überschreitet die getroffene Entscheidung die der tatrichterlichen Beurteilung gezogenen Grenzen nicht und hält daher rechtlicher Überprüfung stand.
Die Strafkammer durfte das Mißverhältnis auch für auffällig halten. Dies ist der Fall, wenn es einem Kundigen, sei es auch erst nach Aufklärung des - oft verschleierten - Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt (BayObLG a.a.O. m.w.N.).
c) Auch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die Unerfahrenheit der beiden tschechischen Arbeitnehmer ausgenutzt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Wie der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen hat, ist Unerfahrenheit im Sinne des Wuchertatbestandes "eine auf den Mangel an Geschäftskenntnis und Erfahrung zurückgehende Eigenschaft des Ausgebeuteten, durch die er sich vom Durchschnittsmenschen unterscheidet" (BGH NJW 1983, 2780, 2781 m.w.N.).Dabei kommt es nicht darauf an, wie weit allgemein eine ins einzelne gehende Kenntnis über den genauen Inhalt der tarifvertraglichen Bestimmungen für das Baugewerbe verbreitet ist; es ist nämlich allgemein bekannt, daß es für die meisten Berufe und jedenfalls für das Baugewerbe tarifvertraglich festgelegte Löhne gibt, über deren genaue Höhe man sich erforderlichenfalls aus allgemein zugänglichen Quellen informieren kann. (Selbst) hierüber waren die Geschädigten aber nicht im Bilde. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des angefochtenen Urteils vertrauten die Geschädigten, die aus einem Land kamen, wo wenige Jahre vor dem Tatzeitraum Löhne und Preise noch staatlich gelenkt waren, darauf, "entsprechend den Sätzen in der Bundesrepublik" bezahlt zu werden.
Dies konnte der Angeklagte sich um so leichter zunutze machen, als die Geschädigten kaum deutsch sprachen und auch mit den Wegen der Arbeitsverwaltung in Deutschland nicht einmal ansatzweise vertraut waren. Dies wiederum erleichterte es dem Angeklagten, gegenüber dem Arbeitsamt falsche Angaben über die Höhe des Lohnes zu machen, die Grundlage dafür waren, daß die Geschädigten Arbeitspapiere erhielten.