BGE 98 Ib 309
 
45. Urteil vom 28. April 1972 i.S. Eidg. Steuerverwaltung gegen X.
 
Regeste
Wehrsteuer: Einkünfte aus Lebensversicherung, Pensionskassen und ähnlichen Fürsorgeeinrichtungen (Art. 21 bis WStB).
Die Einmaleinlage fällt nicht in die Steuerberechnung.
 
Sachverhalt
A.- Die Y. AG unterhielt eine eigene Personalfürsorgestiftung. Diese hatte mit der "Vita" Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft zugunsten der Angestellten der Stifterin einen Gruppenversicherungsvertrag abgeschlossen, der eine kombinierte Altersrenten- und Todesfallsummenversicherung vorsah. Die Prämien wurden ausschliesslich aus Mitteln der Arbeit geberfirma bezahlt.
Im Jahre 1968 wurde die Stiftung aufgelöst. Gemäss Weisung der Aufsichtsbehörde erhielt nun X., Vizedirektor der Stifterfirma, anstelle seines Anspruches aus der Gruppenversicherung eine sog. Personalvorsorge-Freizügigkeits-Police (PFP) der "Vita" mit einem versicherten Kapital von Fr. 74'701.--, basierend auf einer Einmaleinlage der bisherigen Fürsorgestiftung von Fr. 48'444.-- und fällig beim Tod oder bei Erleben am 1. Januar 1991. Anspruchsberechtigt sind im Todesfall der Reihe nach der Ehegatte, die Kinder, die Eltern, erwerbsunfähige Geschwister und die Erben. Ein Rückkauf der PFP ist nur möglich, falls der Versicherungsnehmer eine volle Invalidenrente gemäss Bundesgesetz über die Invalidenversicherung beanspruchen kann oder auswandert oder den Rückkaufswert für den Einkauf in die Personalfürsorgeeinrichtung eines neuen Arbeitgebers verwenden will. Abtretung, Belehnung und Verpfändung sind ausgeschlossen. X. steht weiterhin im Dienste des Y.-Konzerns.
B.- Die Veranlagungsbehörde zog X. zur Wehrsteuer der 15. Periode (1969/70) heran. Im Einspracheentscheid erfasste sie die ganze von der Personalfürsorgestiftung geleistete Einmaleinlage von Fr. 48'444.-- als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Sie setzte das steuerbare Einkommen auf Fr. 73'500.-- fest und wandte den Rentensatz (Art. 40 Abs. 2 WStB) an.
Auf Beschwerde des Steuerpflichtigen hin erklärte die kantonale Rekurskommission mit Entscheid vom 16. Juli 1971 die Besteuerung der Einmaleinlage für unbegründet und setzte daher das steuerbare Einkommen auf Fr. 49'300.-- herab. Sie nahm an, durch die Aushändigung der PFP sei der untergegangene Anspruch gegenüber der Personalfürsorgestiftung lediglich ersetzt, nicht in eine andere Wertform überführt worden; der Beschwerdeführer habe damit keine Verfügungsgewalt über das Deckungskapital erhalten. Es liege daher keine Realisierung eines Vermögenszuwachses vor. Da der Beschwerdeführer infolge der Weiterführung des Dienstverhältnisses gar nicht in der Lage sei, einer anderen Personalfürsorgeeinrichtung beizutreten, ergebe sich mit der Besteuerung der Einmaleinlage eine stossende Ungleichheit gegenüber anderen Arbeitnehmern, die ihre Abfindung ohne steuerliche Belastung für den Einkauf in eine neue Personalfürsorgeeinrichtung verwenden könnten.
C.- Die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Rekurskommission sei aufzuheben, und das steuerbare Einkommen sei in Wiederherstellung des Einspracheentscheides aufFr. 73'500.-- zu erhöhen. Es wird geltend gemacht, eine von dritter Seite - in diesem Fall von der aufgelösten Personalfürsorgeeinrichtung der Arbeitgeberfirma in Form einer Einmaleinlage - erbrachte Leistung, die zu einem festen Anspruch gegenüber einem Versicherer führe, sei als Bereicherung und damit als steuerbares Einkommen zu betrachten. Daran ändere auch die in der Beschränkung der Rückkaufsmöglichkeit liegende Besonderheit der PFP nichts. Es bestehe, wie das Eidg. Versicherungsamt bestätige, ein Rückkaufswert, der es ausschliesse, dass die Versicherungsleistung bei Eintritt des versicherten Ereignisses besteuert werden könne. Infolgedessen müsse die Einmaleinlage als Vermögenszuwachs steuerlich erfasst werden.
D.- Die kantonale Rekurskommission und X. beantragen Abweisung der Beschwerde.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Das Schicksal der Beschwerde hängt davon ab, ob die im Jahre 1968 für den Beschwerdebeklagten X. errichtete Lebensversicherung als rückkaufsfähig im Sinne des Wehrsteuerrechts zu behandeln ist, wie dies die EStV beantragt, oder nicht. Ist sie rückkaufsfähig, so bleibt nach Art. 21 bis Abs. 3 WStB, 1. Satz, die aus ihr fliessende künftige Kapitalleistung wehrsteuerfrei, während dafür die mit der Begründung des Versicherungsverhältnisses durch die Personalfürsorgestiftung der Arbeitgeberfirma zu Gunsten des Versicherten geleistete Einmaleinlage von diesem als Vermögenszuwachs zu versteuern ist. Wird dagegen die Rückkaufsfähigkeit im Sinne des Wehrsteuerrechts mit der Vorinstanz verneint, gilt der 2. Satz von Art. 21 bis Abs. 3 WStB, und die künftige Kapitalleistung im Todes- oder Erlebensfall ist dannzumal zu versteuern, während die Einmaleinlage steuerfrei bleibt. Dass entweder die Einmaleinlage oder dann die Versicherungsleistung der Wehrsteuer unterliegen muss, ergibt sich aus dem Grundsatz, dass jedes Einkommen einmal, aber auch nur einmal, zu versteuern ist.
2. Es liegt auf der Hand, dass bei einer wörtlichen Anwendung des Art. 21 bis WStB im Sinne der versicherungsrechtlichen Terminologie das mit der PFP geschaffene Vertragsverhältnis als rückkaufsfähige Versicherung bezeichnet werden muss. Die für die PFP typische Beschränkung der Rückkaufsfähigkeit setzt logisch das Vorhandensein einer Rückkaufsfähigkeit und damit eines bestimmten, jederzeit errechenbaren Rückkaufswertes voraus. Für die Annahme, dass die PFP gleich wie die gewöhnlichen, nicht vinkulierten, rückkaufsfähigen Lebensversicherungen zu behandeln ist, spricht ferner die Regelung der Anspruchsberechtigung: Die versicherte Kapitalleistung wird in jedem Fall in vollem Umfang entweder dem Versicherten selbst oder bestimmten Angehörigen oder seinen Erben erbracht, wogegen bei nichtrückkaufsfähigen Versicherungen der Personalfürsorge die Kapitalleistung nur entweder dem Versicherten oder bestimmten Angehörigen (Ehegatten, Kinder, Eltern, erwerbsunfähige Geschwister) zukommt, bei deren Fehlen aber nur mit jener Quote in den Nachlass fällt, die den Eigenleistungen des Versicherten entspricht, während der Rest bei der Versicherungseinrichtung verbleibt. Bei jeder rückkaufsfähigen Versicherung - auch bei der PFP - besteht somit ein fester Rechtsanspruch auf die Versicherungsleistung, während nichtrückkaufsfähige Versicherungen - abgesehen von der Eigenleistung - nur anwartschaftliche Ansprüche verschaffen, deren Umwandlung in Rechtsansprüche (Realisierung) erst bei Erleben oder - im Todesfall - unter der Bedingung des Vorhandenseins versicherter Angehöriger erfolgt. Erst darin sieht denn auch die Wehrsteuerpraxis den eine Besteuerung auslösenden Vermögenszuwachs. Folgerichtig hat die Praxis die Steuerpflicht immer dann bejaht, wenn solche anwartschaftlichen Ansprüche infolge Auflösung des sie begründenden Dienstverhältnisses durch Abfindung oder Umwandlung in eine rückkaufsfähige Lebensversicherung vorzeitig realisiert wurden. Die PFP ist von den schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaften geschaffen worden, um u.a. gerade auch die steuerlichen Nachteile, die sich in solchen Fällen für den Arbeitnehmer ergeben können, zu beheben. Die Wehrsteuerbehörden begünstigen sie insoweit, als sie ihre Aushändigung dann nicht als Realisierung eines Anspruches behandeln, wenn die Police innerhalb eines Jahres für den Einkauf in eine andere Personalversicherungseinrichtung verwendet wird (vgl. Richtlinien der EStV vom 18. Dezember 1969).
a) Wirtschaftlich betrachtet, steht die PFP der nichtrückkaufsfähigen Personalversicherung näher als der üblichen, rückkaufsfähigen Lebensversicherung. Die Beschränkung der Rückkaufsfähigkeit läuft praktisch auf deren Beseitigung hinaus. Der Eintritt einer Vollinvalidität ist vom Willen des Versicherten völlig unabhängig, und der Beitritt zu einer anderen Personalversicherungskasse führt wieder zur Umwandlung in eine nichtrückkaufsfähige Versicherung. Der Rückkauf kann vom Versicherten somit ausschliesslich im Falle der Auswanderung selbst herbeigeführt werden, also mit einem Verhalten, das nur unter ganz besonderen äusseren Umständen überhaupt in Frage kommt. Die PFP verkörpert demnach eine praktisch nichtrückkaufsfähige Lebensversicherung. Dem entspricht auch das auf ihr lastende Verbot der Abtretung, Belehnung oder Verpfändung. Der Versicherungsanspruch ist damit der Verfügung des Versicherten weitestgehend entzogen und dient so, wie die Anwartschaft des Versicherten bei der nichtrückkaufsfähigen Lebensversicherung, der Garantie einer privaten Alters- und Hinterlassenenvorsorge. Dieser sozialpolitische Zweck der PFP in Verbindung mit ihrer besonderen rechtlichen Ausgestaltung rechtfertigt eine steuerliche Gleichbehandlung mit den auch formell nichtrückkaufsfähigen Lebensversicherungen.
b) Dass die grundsätzliche Behandlung der PFP als rückkaufsfähige Lebensversicherung tatsächlich nicht befriedigt, beweist die 1969 eingeführte Praxis der Wehrsteuerbehörden, wonach die Einmaleinlagen nicht als steuerbare Einkünfte des Versicherten im Sinne von Art. 21 bis WStB gelten sollen, wenn sie innerhalb eines Jahres für den Einkauf in eine andere Personalversicherung verwendet werden, eine Praxis, die sich nur mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise begründen lässt. Es wird damit anerkannt, dass der Übergang von der Personalversicherung zur PFP an sich noch keine Realisierung eines Vermögenszuwachses darstellt, sondern dass es von der Weiterverwendung des Kapitals abhängt, ob eine solche angenommen und steuerlich erfasst werden kann oder nicht. Daran ändert die wohl auf praktischen Erwägungen beruhende einjährige Befristung nichts. Unbefriedigend bleibt aber die Gleichstellung der nicht innerhalb eines Jahres für einen Einkauf verwendeten PFP mit den Barabfindungen. Beide werden gleichermassen als wehrsteuerpflichtig behandelt, obwohl der Empfänger der Barabfindung über das Kapital frei verfügen kann, während dies für den Bezüger einer PFP nicht zutrifft.
c) Im Falle des Beschwerdebeklagten tritt dazu noch ein weiteres: Die Begründung des Versicherungsvertragsverhältnisses erfolgte zwangsweise mit der Auflösung der bisherigen Personalfürsorgestiftung; sie war nicht eine Folge freier Willensbetätigung des Versicherten. Auch in dieser Beziehung qualifiziert sich die Umwandlung des Anspruches gegenüber der Personalfürsorgestiftung in eine PFP als blosse Fortsetzung der bisherigen Alters- und Hinterlassenenvorsorge, die auch steuerlich nicht einer Realisierung des Anspruches gleichgestellt werden darf.
4. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist allerdings der Einwand, dass die Behandlung der PFP als nichtrückkaufsfähige Versicherung bei der späteren Erfassung der in diesem Fall steuerpflichtigen Versicherungsleistung im Erlebens- oder Todesfall zu Schwierigkeiten führen kann, indem die Gefahr besteht, dass diese Leistungen der Besteuerung entgehen, weil sie - versicherungsrechtlich korrekt - als solche aus rückkaufsfähiger Versicherung deklariert werden. Diese auch bei der geltenden Praxis beim Tod des Inhabers einer PFP vor Ablauf eines Jahres seit dem Ausscheiden aus einer Personalversicherungskasse eintretenden veranlagungstechnischen Schwierigkeiten vermögen jedoch gegen die Gründe nicht aufzukommen, die sich aus dem Postulat der Rechtsgleichheit im Sinne der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ergeben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.