BGE 108 Ia 295
 
57. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember 1982 i.S. Gottfried Ritter und Mitbeteiligte gegen Politische Gemeinde Egg und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 4 BV; Willkür. Zone für öffentliche Bauten.
2. Widerspruch zwischen kommunaler Nutzungszone und kantonalem Gesamtplan. Willkür verneint bei der Ausscheidung einer Zone für öffentliche Bauten im Landwirtschaftsgebiet (E. 3).
3. Es ist nicht willkürlich bzw. unverhältnismässig, für eine Sportanlage statt einer Freihaltezone eine Zone für öffentliche Bauten auszuscheiden (E. 4).
 
Sachverhalt
Die Gemeinde Egg will eine Sportanlage mit Fussballplatz, Tennisplätzen und Fitnessanlage bauen. Zu diesem Zweck erklärte die Gemeindeversammlung vom 10. Dezember 1979 ein der Gemeinde gehörendes Grundstück, das bisher dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen war, zur Zone für öffentliche Bauten. Gottfried Ritter und andere Eigentümer von Nachbarliegenschaften erhoben jedoch Einsprache. Ihr Rekurs wurde am 30. Juli 1980 von der Baurekurskommission III des Kantons Zürich gutgeheissen und der Gemeindeversammlungsbeschluss aufgehoben. Daraufhin wandte sich die Gemeinde Egg an den Regierungsrat des Kantons Zürich, der deren Rekurs am 2. September 1981 guthiess und den Beschluss der Baurekurskommission aufhob, soweit er zu beurteilen war. Gegen diesen Entscheid haben Gottfried Ritter und neun Mitbeteiligte staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
 
Erwägungen:
2. a) Der Regierungsrat prüfte im angefochtenen Entscheid, ob die Schaffung einer Zone für öffentliche Bauten abseits vom Siedlungsgebiet der Gemeinde Egg mit § 47 Abs. 1 des zürcherischen Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) vereinbar sei. Nach dieser Bestimmung sind die Bauzonen innerhalb des Siedlungsgebietes auszuscheiden. Der Regierungsrat erklärte ausdrücklich, die Zone für öffentliche Bauten sei als Bauzone zu betrachten, führte dann aber aus, die Vorschrift von § 47 Abs. 1 PBG gelte nicht zwingend für die Zone für öffentliche Bauten. Schon von der Zweckbestimmung her, die auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit Ausschluss des Wohnungsbaus beschränkt sei, würden für diese Zone keine sehr grossen Flächen beansprucht, womit der wesentliche Grund für die Beschränkung von Bauzonen auf Siedlungsgebiet gemäss § 47 PBG entfalle. Hinzu komme, dass der Zweck einer Zone für öffentliche Bauten eine Lage abseits des Baugebietes oft zwingend erheische oder, im Falle gewisser Sportanlagen, nahelege. Der Einzonungsbeschluss widerspreche demnach § 47 Abs. 1 PBG nicht.
Die Beschwerdeführer halten diese Rechtsauffassung des Regierungsrates, die im Widerspruch zum klaren Wortlaut von § 47 Abs. 1 PBG steht, für willkürlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann indes die rechtsanwendende Behörde ohne Willkür vom Gesetzeswortlaut dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Grund und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 106 Ia 211 E. 5, BGE 104 Ia 7 E. 1 mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
§ 47 Abs. 1 PBG unterlässt in sinnwidriger Weise Unterscheidungen, die nach aller Vernunft in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen zu treffen wären, und ist daher augenscheinlich lückenhaft. Es käme wohl niemandem ernsthaft in den Sinn, Zonen für öffentliche Bauten, die etwa für Friedhöfe, Abwasserreinigungsanlagen, Badeanstalten oder Kehrichtverbrennungsanlagen gedacht sind, zwingend innerhalb des Siedlungsgebietes festlegen zu lassen. Indem der Regierungsrat nach der Zweckbestimmung der konkret auszuscheidenden Zone unterschieden und eine Zone für öffentliche Bauten für eine Sportanlage von etwas über 3 ha Fläche ohne besondere Hochbauten von der Regel des § 47 Abs. 1 PBG ausgenommen hat, hat er nicht willkürlich entschieden. Die in Ausfüllung der Gesetzeslücke getroffene Unterscheidung erscheint gegenteils als sinnvoll. Sie steht auch im Einklang mit Art. 3 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979, wonach für öffentliche oder im öffentlichen Interesse liegende Bauten und Anlagen sachgerechte Standorte zu bestimmen sind.
Die Beschwerdeführer rügen jedoch, im Beschluss der Gemeindeversammlung vom 10. Dezember 1979 sei die konkrete Zweckbestimmung der in die Zone für öffentliche Bauten ausgeschiedenen Fläche nicht genannt. Das trifft an sich zu. Doch ergibt sich aus der gesamten kommunalen Entstehungsgeschichte des angefochtenen Beschlusses und wird vom Regierungsrat klar festgehalten, dass die Umzonung in eine Zone für öffentliche Bauten erfolgte, um die bereits konkret geplante Sportanlage zu bauen. Die Gemeinde Egg hat zudem in ihrer Vernehmlassung ausdrücklich erklärt, eine andere Nutzung sei nicht vorgesehen. Es liege vielmehr eine objektive Zweckbegrenzung auf das von Anfang an geplante Vorhaben vor. Dies wird bestätigt durch den Anfang des Jahres öffentlich aufgelegten kommunalen Gesamtplan, der im Plan der öffentlichen Bauten und Anlagen für die "Schürwiese" in Innervollikon die planerische Festlegung "S = geplante Sportanlage" vorsieht; die gegen den Plan eingegangenen Einwendungen werden zur Zeit bereinigt (§ 34 PBG).
b) Die Beschwerdeführer erachten auch die Bauordnung der Gemeinde Egg als verletzt. Art. 35 BauO bestimme die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen für Schulhäuser, Kirchen und Friedhöfe; von Sportstätten sei keine Rede. Die Beschwerdeführer übersehen jedoch, dass die Aufzählung in Art. 35 BauO (... "wie ... usw.") offensichtlich nur beispielhaft und nicht abschliessend zu verstehen ist. Es ist nicht willkürlich, eine Sportanlage der vorliegenden Art bei Art. 35 BauO einzuordnen. Der angefochtene Umzonungsbeschluss ermangelt nicht der gesetzlichen Grundlage.
Gegen diese Rechtsauffassung bringen die Beschwerdeführer keine substantiierte Verfassungsrüge vor. Sie halten § 16 PBG für verletzt, wonach einer Massnahme der Nutzungsplanung grundsätzliche eine Richtplanung voranzugehen hat. Der Regierungsrat erachtet demgegenüber in beschränktem Umfang direkte Nutzungsplanungen für zulässig. Zwingende Voraussetzung sei jedoch, dass die unmittelbare Zonierungsmassnahme losgelöst vom Gesamtzusammenhang der Ortsplanung beurteilbar sowie recht- und zweckmässig sei, wie wenn ihr eine Richtplanung vorangegangen wäre. Die Praxis habe dies in bezug auf zahlreiche Freihaltezonen für Sportzwecke anerkannt. Dieselben Überlegungen gälten auch für die hier streitige Zone für öffentliche Bauten.
Die Hierarchie der Pläne kann, wie der Regierungsrat in überzeugender Weise ausgeführt hat, nicht immer beachtet werden, weil dies unter Umständen dazu führen würde, dass dringende Planungen blockiert würden, was der Gesetzgeber zweifellos nicht wollte. Dabei darf jedoch das Ganze, das geschaffen werden soll, nicht aus den Augen verloren werden. Kantonaler Gesamtplan und kommunaler Siedlungsplan regeln die Nutzung des Bodens nur in den Grundzügen und lassen den Trägern der Nutzungsplanung einen gewissen Planungsspielraum. Der Regierungsrat entschied nicht willkürlich, indem er vorliegend die Schaffung einer Zone für kommunale öffentliche Bauten im Landwirtschaftsgebiet als zulässig erklärte; er kann sich für seine Auffassung auf die parlamentarischen Beratungen des Gesamtplanes stützen. Er durfte auch ohne Willkür annehmen, dass hier die Schaffung der Zone für öffentliche Bauten losgelöst vom Gesamtzusammenhang der Ortsplanung beurteilbar sowie recht- und zweckmässig war, und dass sie nicht weniger sorgfältig als eine Richtplanung vorgenommen worden war.
Diese Auffassung erweist sich als sachlich vertretbar. Die Zone gemäss § 60 PBG und Art. 35 BauO umfasst auch öffentliche Anlagen mit einem geringen Anteil von Hochbauten. Die Freihaltezone gemäss §§ 61 ff. PBG anderseits schliesst gewisse Hochbauten nicht aus. Unter mehreren geeigneten Mitteln kann die planende Gemeinde im Rahmen ihrer Gemeindeautonomie wählen. Dass die Gemeinde vorliegend durch die Wahl der Zone für öffentliche Bauten den Spielraum des ihr zustehenden planerischen Ermessens überschritten hätte, ist - wie der Regierungsrat ohne Willkür entscheiden konnte - nicht anzunehmen. Sie hat auch nicht - sowie dies im Rahmen einer reinen Willkürbeschwerde überprüft werden kann (BGE 106 Ia 260 E. 4a mit Hinweisen) - das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt.