BGE 100 Ia 244
 
35. Auszug aus dem Urteil vom 22. Mai 1974 i.S. VITA Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft gegen Kanton Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
 
Regeste
Art. 4 und 46 Abs. 2 BV.
 
Sachverhalt
Aus dem Sachverhalt:
A.- Das Steuergesetz des Kantons Luzern (Gesetz über die direkten Staats- und Gemeindesteuern = StG) enthält in § 61 Abs. 3 folgende Bestimmung über die Minimalsteuer:
"Die juristischen Personen entrichten an Stelle der ordentlichen Steuern eine Minimalsteuer von 2‰ des Steuerwertes der im Kanton Luzern gelegenen Grundstücke, wenn der Minimalsteuerertrag die nach den §§ 50-59 sich ergebenden Steuern übersteigt. Ausgenommen hievon sind..."
(Die gesetzlichen Ausnahmen sind im vorliegenden Fall ohne Belang.)
B.- Die VITA Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft besitzt im Kanton Luzern keine Betriebsstätte, ist aber Eigentümerin mehrerer Wohnhäuser in Luzern und Kriens, deren Katasterwert total Fr. 14 653 200.-- beträgt.
In der Steuererklärung für die Jahre 1969/70 deklarierte die VITA einen steuerbaren Gesamtgewinn von Fr. 2 422 900.--, ein Verhältniskapital von Fr. 43 718 000.-- und ein steuerbares Gesamtkapital von Fr. 45 696 528.--. In der Beilage zur Steuererklärung berechnete die Gesellschaft nach den Grundsätzen der bundesgerichtlichen Praxis den Anteil des Kantons Luzern am Gesamtgewinn auf Fr. 105 800.-- und den Anteil des Kantons Luzern am steuerbaren Gesamtkapital auf Fr. 375 000.--.
Die Veranlagungsbehörde teilte der VITA in der Folge mit, dass sie an Stelle der ordentlichen Steuern gemäss § 61 Abs. 3 StG eine Minimalsteuer von 2‰ des Katasterwertes der im Kanton Luzern gelegenen Grundstücke zu bezahlen habe; aufgrund des Katasterwertes dieser Grundstücke von Fr. 14 653 200.-- ergab sich eine Minimalsteuer von Fr. 29 306.40.
Die gegen diese Veranlagung erhobene Einsprache wurde abgewiesen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die gegen den Einspracheentscheid eingereichte Beschwerde ebenfalls ab.
C.- Gegen das Urteil des Luzerner Verwaltungsgerichtes vom 28. September 1973 führt die VITA gestützt auf Art. 4 und 46 Abs. 2 BV staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, von der Erhebung einer Minimalsteuer nach § 61 Abs. 3 StG sei abzusehen und die Beschwerdeführerin sei gemäss ihrer Steuererklärung im Kanton Luzern für einen Ertrag von Fr. 105 882.-- und für ein Kapital von Fr. 375 013.-- einzuschätzen.
D.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und die Steuerverwaltung des Kantons Luzern beantragen Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
Aus den Erwägungen:
Zwei ältere Urteile -BGE 40 I 56, BGE 86 I 209 - betreffen die Erhebung einer minimalen Vermögenssteuer auf dem gesamten Wert des Grundeigentums, sofern das nach den allgemeinen Vorschriften berechnete steuerbare Vermögen einer juristischen Person geringer ist. In BGE 40 I 56 wurde eine solche Sonderregelung nicht nur als Verstoss gegen das Doppelbesteuerungsverbot, sondern auch als Verletzung der Rechtsgleichheit betrachtet. In BGE 86 I 209 erklärte das Gericht die dort streitige spezielle Besteuerung des das Grundkapital und die Reserven übersteigenden Wertes der Liegenschaften als mit Art. 4 BV vereinbar, hob aber den angefochtenen konkreten Entscheid wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbotes auf.
In zwei neuern Entscheiden erklärte das Bundesgericht die Minimalsteuer des Kantons St. Gallen (BGE 92 I 439) und jene des Kantons Thurgau (BGE 96 I 64), welche analog der hier zu prüfenden luzernischen Minimalsteuer ausgestaltet sind, als mit Art. 4 BV vereinbar.
a) Ausgehend von der Feststellung, dass der Steuergesetzgeber einen weiten Spielraum des Ermessens hat und dass jede mit sachlichen Gründen vertretbare Regelung vor Art. 4 BV standhält, stützte das Bundesgericht seine neuere Praxis im wesentlichen auf zwei Argumente (BGE 92 I 442, BGE 96 I 66):
aa) Es gibt juristische Personen, die aus bestimmten Gründen nur einen kleinen Gewinn erzielen oder auf die Erzielung eines solchen überhaupt verzichten und ein im Verhältnis zu ihren Aktiven sehr geringes Eigenkapital aufweisen. Bei diesen nicht gewinnstrebigen Genossenschaften und Aktiengesellschaften bringt - nach den überzeugenden Feststellungen in dem 1955 vom eidg. Finanz-und Zolldepartement herausgegebenen Expertenbericht "Zum Problem der gleichmässigen Besteuerung der Erwerbsunternehmungen" (Motion Piller) - weder der ausgewiesene Reinertrag noch das Eigenkapital die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinreichend zum Ausdruck. Eine Steuerordnung, die ausschliesslich auf diese Faktoren abstellt, führt zu einer Privilegierung dieser Körperschaften (Konsumgenossenschaften, Wohnbaugenossenschaften, Immobiliengesellschaften). Will man dies vermeiden, so müssen für die Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andere Kriterien gefunden werden. Der Liegenschaftsbesitz mag innerhalb gewisser Grenzen ein solches Kriterium für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmungen, insbesondere von Immobiliengesellschaften, bilden. Soweit die Minimalsteuer auf dem Grundeigentum einen tauglichen und sachgemässen Weg zur Besteuerung einer anders nicht erfassbaren Ertragskraft darstellt, verstösst sie nicht gegen das Willkürverbot.
Inwiefern und unter welchen Umständen der Wert der Liegenschaften wirklich ein tauglicher Massstab für die anders nicht erfassbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sein kann, wurde in der bisherigen Rechtsprechung nicht näher untersucht (vgl. BGE 92 I 447 E 6b, bb). Im erwähnten Expertenbericht wird der Liegenschaftswert nicht als möglicher Ersatzfaktor für die Besteuerung nicht gewinnstrebiger Unternehmungen vorgeschlagen (Expertenbericht S. 147 ff). IMBODEN (ASA 34 S. 195) bezeichnete die Basler Minimalsteuer auf dem Grundbesitz als eine Objektsteuer, die einem ganz andern Zweckgedanken folge; es soll eine minimale fiskalische Belastung der im Kanton liegenden unbeweglichen Güter sichergestellt werden.
bb) Dieses Motiv des Gesetzgebers wurde vom Bundesgericht in den erwähnten Urteilen ebenfalls als haltbare sachliche Begründung für eine subsidiäre Minimalsteuer auf dem Grundbesitz anerkannt (BGE 92 I 448, BGE 94 I 40, BGE 96 I 67 E 2b). Die Doppelbesteuerungsrechtsprechung hat das Besteuerungsrecht des Liegenschaftskantons seit jeher geschützt (BGE 48 I 358, BGE 51 I 123). Die Kantone können auf dem Liegenschaftswert auch Objektsteuern erheben (vgl. die Angaben BGE 96 I 67). Dass ein Kanton zwar auf eine generelle zusätzliche Objektsteuer verzichtet, aber subsidiär eine Objektsteuer als Minimalsteuer fordert, sofern die ordentlichen Steuern nicht einen gewissen Mindestbetrag erreichen, erscheint im Hinblick auf die mit dem Grundeigentum verbundenen Ausgaben des Gemeinwesens (Infrastrukturkosten) als vertretbar (BGE 96 I 67).
b) Es bleibt zu prüfen, ob diese in der bisherigen Praxis unter dem Aspekt von Art. 4 BV als hinreichend erachteten Gründe für die Erhebung einer Minimalsteuer auf dem Liegenschaftswert auch im vorliegenden Fall zutreffen.
aa) Das Verwaltungsgericht macht geltend, die Beschwerdeführerin verzichte ähnlich wie Konsum- oder Einkaufsgenossenschaften durch teilweise Rückerstattung des Bruttogewinnes an die Versicherten weitgehend auf die Erzielung von Gewinnen; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit komme daher weder im steuerbaren Reingewinn noch im steuerbaren Kapital hinreichend zum Ausdruck; es müsse ein anderes Kriterium zur Bestimmung der Ertragskraft gesucht werden.
Dass private Lebensversicherungsgesellschaften in diesem Sinne als nicht-gewinnstrebig zu bezeichnen seien, wurde bisher noch nie behauptet. Es scheint auch direkt abwegig, die vom Standpunkt der Versicherungsnehmer aus erwünschte Rückerstattung in Form von sogenannten Gewinnanteilen den Lebensversicherungsgesellschaften auf der Ebene des Steuerrechts gewissermassen zum Vorwurf zu machen. Das Argument der fehlenden Gewinnstrebigkeit trifft hier nicht zu. Das Verwaltungsgericht selber schwächt übrigens den von ihm zunächst eingenommenen Standpunkt entscheidend ab, indem es in einer nachfolgenden Erwägung richtig feststellt, dass sich für den Kanton Luzern trotz normaler Ertragsfähigkeit der Beschwerdeführerin deswegen ein geringer steuerbarer Ertrag und ein unbedeutendes steuerbares Kapital ergebe, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes das Deckungskapital als abzugsfähige Schuld behandelt werden müsse und die darauf berechneten Zinsen vom Roheinkommen abzuziehen seien. Es ist also nicht die fehlende Gewinnstrebigkeit, die zum "unbefriedigenden" Resultat der ordentlichen Besteuerung führt, sondern die besondere Art der Anlagetätigkeit und die steuerrechtliche Behandlung der mit dem Versicherungsgeschäft verbundenen Verpflichtungen.
Die Lebensversicherungsgesellschaften haben im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit grosse finanzielle Mittel anzulegen, welche der Sicherstellung des Deckungskapitals dienen. Diese Kapitalanlagen, die dem Sparteil der Prämie entsprechen, müssen für die Zahlung der versicherten Leistung bei Ablauf der Versicherung zur Verfügung stehen. Wie das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zum Doppelbesteuerungsverbot anerkannt hat, stellen die technischen Reserven im Lebensversicherungsgeschäft nicht Reinvermögen des Versicherers dar, sondern bilden, da ihnen feste Ansprüche der Versicherten gegenüberstehen, ein Passivum, einen abzugsfähigen Schuldposten (BGE 54 I 395 E 4c, BGE 57 I 77, BGE 74 I 461). Gemäss der in BGE 93 I 236 aufgestellten Regel ist bei der Besteuerung des Reinertrages auf dem Deckungskapital ein abzugsfähiger Passivzins in der Höhe des durchschnittlichen gesamtschweizerischen Hypothekarzinsfusses zu berechnen. Nach den in der Beschwerdeschrift enthaltenen statistischen Angaben bestehen rund 20% der Kapitalanlagen schweizerischer Lebensversicherungsunternehmungen in Grundstücken. Wenn nun in den Kantonen, in welchen eine Lebensversicherungsgesellschaft ausschliesslich als Grundeigentümerin zu besteuern ist, nach den vom Bundesgericht entwickelten Ausscheidungsprinzipien die Steuerfaktoren "Kapital" und "Reingewinn" im Verhältnis zum Wert der Liegenschaften klein sind, so beruht dies nicht auf einer ungewöhnlichen Art der Finanzierung mit einem übersetzten Fremdkapital-Anteil, sondern ergibt sich aus dem speziellen Zweck der Anlagetätigkeit von Lebensversicherungsunternehmungen. Die Anlagen dienen eben vorwiegend der Sicherstellung des Deckungskapitals; den angelegten Werten steht insoweit ein steuerlich zu berücksichtigender Passivposten gegenüber, und der steuerbare Ertrag wird um den vom Deckungskapital berechneten, ebenfalls der Erfüllung der Versicherungsverträge dienenden Passivzins vermindert. Die Gründe, welche bei sogenannten nicht-gewinnstrebigen Unternehmen im System der Besteuerung juristischer Personen nach Reingewinn und Kapital allenfalls für eine subsidiäre Minimalsteuer auf dem Ersatzfaktor "Liegenschaftswert" angeführt werden können, lassen sich auf die Lebensversicherungsunternehmungen zweifellos nicht übertragen. Die Untersuchungen der Expertenkommission zur Motion Piller bezogen sich auch nicht auf Lebensversicherungsgesellschaften.
Der Einwand, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Lebensversicherungsgesellschaften lasse sich mit den ordentlichen Kriterien der Besteuerung nicht genügend erfassen, trifft nicht zu. Ist das Deckungskapital im Lebensversicherungsgeschäft als Passivum zu qualifizieren und die Abzugsfähigkeit entsprechender Passivzinse steuerrechtlich anzuerkennen, dann kann vernünftigerweise das Resultat dieser Überlegungen nicht mit der Behauptung beiseitegeschoben werden, die sich ergebenden Steuerfaktoren entsprächen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht. Zudem könnte bei einer Lebensversicherungsgesellschaft der Wert der Liegenschaften wohl kaum als taugliches Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezeichnet werden; die Verhältnisse liegen hier anders als bei einer Immobiliengesellschaft.
bb) Wenn die subsidiäre Minimalsteuer auf Grundbesitz sich somit gegenüber Lebensversicherungsunternehmungen nicht als Ersatzbesteuerung wegen ungenügender Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die ordentlichen Steuern rechtfertigen lässt, so bleibt zu prüfen, ob das zweite Argument - die Sicherung eines minimalen Beitrags des Grundeigentums an die Ausgaben des Gemeinwesens - ein nicht willkürliches, sachliches Motiv für diese Besteuerung zu bilden vermag.
Die Frage ist zu bejahen. Es ist mit guten Gründen vertretbar, dass der Liegenschaftskanton einen minimalen Steuerertrag aus dem Grundeigentum auch dann beanspruchen darf, wenn es sich um den der Sicherstellung des Deckungskapitals dienenden Liegenschaftsbesitz einer Lebensversicherungsgesellschaft handelt. Die Argumente, welche allgemein für eine zusätzliche Objektsteuer auf Liegenschaften oder für eine derartige subsidiäre Minimalsteuer angeführt werden können, gelten auch inbezug auf den Immobilienbesitz von Lebensversicherungsgesellschaften. Wohl lässt sich auf Grund der geschilderten Besonderheiten eine Ausnahme von der Minimalbesteuerung begründen, wie sie in § 77b Abs. 3 lit. c des baselstädtischen Steuergesetzes vorgesehen ist. Lehnt ein Gesetzgeber eine solche Ausnahme ab - wie im Kanton Luzern -, so ist dies auf keinen Fall eine gänzlich unhaltbare und daher willkürliche Lösung.
c) ...
4. a) Eine gegen Art. 46 Abs. 2 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger von zwei oder mehreren Kantonen für das nämliche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, zu deren Erhebung ein anderer Kanton zuständig wäre (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem hat das Bundesgericht aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleitet, ein Kanton dürfe einen Steuerpflichtigen nicht deshalb stärker belasten, weil er nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit unterstehe, sondern zufolge seiner territorialen Beziehungen auch noch in einem andern Kanton steuerpflichtig sei. Eine unzulässige Doppelbesteuerung ist daher grundsätzlich gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren auf dem Boden der Reineinkommenssteuer stehenden Kantonen zusammen mehr als sein gesamtes Reineinkommen zu versteuern hat, also mehr als bei Konzentration der Steuerpflicht in einem Kanton (BGE 93 I 241, BGE 66 I 46, BGE 60 I 106 /7, BGE 51 I 126).
b) Durch die Erhebung einer subsidiären Minimalsteuer auf den im Kanton befindlichen Liegenschaften (gemäss § 61 Abs. 3 des luzernischen Steuergesetzes) wird nicht das gleiche Steuerobjekt für die gleiche Periode von zwei Kantonen besteuert. Die Minimalsteuer bezieht sich als subsidiäre Objektsteuer nicht auf Vermögenswerte, deren Besteuerung einem andern Kanton zusteht, sondern beschränkt sich auf die im Kanton gelegenen, der ausschliesslichen Steuerhoheit dieses Kantons unterworfenen Liegenschaften. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich keine Doppelbelastung des gleichen Steuersubstrates, und die Minimalsteuer greift auch nicht in die Steuerhoheit anderer Kantone ein (BGE 94 I 40 /41, BGE 96 I 69). Eine aktuelle oder virtuelle Doppelbesteuerung im oben umschriebenen Sinne liegt daher nicht vor.
c) Hingegen hat die angefochtene Minimalsteuer zur Folge, dass die eine Doppelbesteuerung verhindernden Ausscheidungsgrundsätze teilweise ausgeschaltet werden und dass das im Kanton Luzern gelegene Grundeigentum mit höhern Steuern belastet wird als dem in diesem Kanton geltenden System der Besteuerung juristischer Personen nach Reingewinn und Kapital entsprechen würde. Es ist unbestritten und unbestreitbar, dass die subsidiäre Minimalsteuer, wie sie § 61 Abs. 3 StG regelt, den Grundeigentümer mit Beziehungen zu mehreren Kantonen unter Umständen wesentlich schlechter stellt als den ausschliesslich im Kanton Steuerpflichtigen. Wenn - was im vorliegenden Fall zutreffen dürfte - durch die der Bundesgerichtspraxis entsprechende, ordentliche interkantonale Steuerausscheidung der Kanton Luzern als Kanton der gelegenen Sache Steuerfaktoren zugewiesen erhält, die einen unter der Minimalsteuer liegenden Steuerbetrag ergeben, während die Besteuerung des gesamten Unternehmens im Kanton auf Reingewinn und Kapital beschränkt bliebe und keine Minimalsteuer auslösen würde, dann bedeutet dies eine steuerliche Schlechterstellung wegen der interkantonalen Aufteilung der Steuerpflicht. Das zweite aus Art. 46 Abs. 2 BV sich ergebende Prinzip ist insoweit nicht eingehalten.
In BGE 94 I 40 /41 und BGE 96 I 70 wurde diese Auswirkung einer subsidiären Minimalsteuer auf dem Grundeigentum im interkantonalen Verhältnis erkannt und die Zulässigkeit einer steuerlichen Mehrbelastung als Folge der Aufteilung der Steuerpflicht erörtert. Das Bundesgericht hat bei dieser Frage - wie inbezug auf den sogenannten Ausscheidungsverlust (BGE 93 I 241 E 2, BGE 91 I 397) - dem besondern Grundsatz, dass Liegenschaften dem Liegenschaftskanton zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehalten bleiben sollen, gegenüber dem Verbot einer Schlechterstellung wegen interkantonaler Aufteilung der Steuerpflicht den Vorrang eingeräumt. Diese Einschränkung eines klaren, wohl begründeten Prinzips ist jedoch nicht unbedenklich (vgl. die Kritik der Rechtsprechung betr. Ausscheidungsverlust: STUDER, ZBl 59, S. 44/45; SCHLUMPF, Bundesgerichtspraxis zum Doppelbesteuerungsverbot, 3. Aufl. S. 258; PASCHOUD, L'imposition des immeubles et de leur rendement en droit fiscal intercantonal, p; 142 ss.; DÄTWYLER, Die Behandlung von Unternehmungsliegenschaften im interkantonalen Steuerrecht, S. 100 f). Gegenüber der generellen Objektsteuer (als Hauptsteuer oder Ergänzungssteuer) auf allen Liegenschaften weist die subsidiäre, als Objektsteuer ausgestaltete Minimalsteuer eine besondere Problematik auf: Während sich bei einer allgemeinen Objektsteuer (Grundsteuer) keine Schlechterstellung infolge der interkantonalen Aufteilung der Steuerpflicht ergeben kann, wird durch die subsidiäre Minimalsteuer auf dem Grundeigentum oft in der praktischen Konsequenz das Resultat der interkantonalen Steuerausscheidung zu Gunsten des Liegenschaftskantons und zu Lasten des Steuerpflichtigen, der zu zwei oder mehr Kantonen territoriale Beziehungen hat, "korrigiert".
Nun sprechen allerdings - wie bereits in anderm Zusammenhang ausgeführt wurde - für diese Wahrung eines minimalen Steueranspruches des Ortes der gelegenen Sache Argumente von erheblichem Gewicht. Dies ist auch im Rahmen der Auslegung des Doppelbesteuerungsverbotes zu beachten. Gemeinden und Kantone, welche durch Infrastrukturaufwendungen zur Werterhaltung und Wertvermehrung des Grundeigentums einen wesentlichen Beitrag leisten, haben ein legitimes Interesse, von den Eigentümern der in ihrem Gebiet gelegenen Liegenschaften wenigstens eine minimale Abgabe erheben zu können. Dies lässt sich - ohne Änderung des ganzen Systems der interkantonalen Steuerausscheidung - nur erreichen durch eine steuerliche Mehrbelastung der betreffenden Grundeigentümer. Doch muss der Erhebung subsidiärer, anstelle der ordentlichen Ertrags- und Kapitalsteuern tretender Minimalsteuern im interkantonalen Verhältnis eine Grenze gesetzt werden, da andernfalls die aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleiteten Ausscheidungsregeln durch hohe subsidiäre Minimalsteuern praktisch aus den Angeln gehoben werden könnten (in diesem Sinne schon BGE 96 I 70). Die Limitierung erfolgt zweckmässigerweise durch Festlegung eines Promillesatzes des für die ordentliche Besteuerung massgebenden Liegenschaftswertes, der durch solche Minimalsteuern von Staat und Gemeinde gesamthaft nicht überschritten werden darf. In diesem Sinne erscheint eine Limite von 2‰ des Liegenschaftswertes hier als angemessen.
Die zusätzlichen generellen Objektsteuern auf Liegenschaften (Grundsteuern, Liegenschaftssteuern), die in einzelnen Kantonen (u.a. auch im Kanton Luzern) von sämtlichen Grundeigentümern erhoben werden, sind von dieser Begrenzung nicht betroffen und bei der Ermittlung der zulässigen Maximalbelastung durch Minimalsteuern auch nicht anzurechnen. Zwar liegt diesen Grundsteuern der gleiche Zweck zugrunde wie der hier angefochtenen Minimalsteuer; sie wollen ebenfalls dem mit den Infrastrukturkosten belasteten Ort der gelegenen Sache einen fiskalischen Mindestanspruch sichern. Doch handelt es sich bei der Grundsteuer um eine zusätzlich zu den Staats- und Gemeindesteuern zu bezahlende generelle Objektsteuer, die alle Grundeigentümer innerhalb des Kantons in gleicher Weise trifft; sie ersetzt nicht, wie dies bei der Minimalsteuer der Fall ist, die ordentliche Steuer auf Kapital und Ertrag juristischer Personen, bei deren Festsetzung die aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleiteten Ausscheidungsregeln allenfalls zum Zuge kommen; sie kann insoweit auch nicht zu einer Umgehung des Doppelbesteuerungsverbotes führen, weshalb sie im vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt zu werden braucht.
Die oben festgesetzte Grenze von 2‰ des Liegenschaftswertes bezieht sich nur auf den hier gegebenen Fall, dass die Minimalsteuer ausschliesslich dem Zweck dient, dem Liegenschaftskanton eine minimale fiskalische Belastung des Grundeigentums zu sichern. Wie es sich hinsichtlich der Minimalsteuern verhält, die der Erfassung einer bei ordentlicher Besteuerung nicht erfassbaren wirtschaftlichen Ertragskraft dienen (bei fehlender Gewinnstrebigkeit oder bei ungewöhnlicher Finanzierung des Unternehmens), ist hier nicht zu prüfen.