BGer 8C_856/2009
 
BGer 8C_856/2009 vom 24.02.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_856/2009
Urteil vom 24. Februar 2010
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Polla.
 
Verfahrensbeteiligte
H.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 22, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. August 2009.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 12. Februar 2008 verneinte das Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen den Anspruch des 1946 geborenen H.________ auf Arbeitslosenentschädigung ab Antragstellung (1. Dezember 2006), da er nicht vermittlungsfähig sei und auch keinen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten habe. Daran hielt das Amt mit Einspracheentscheid vom 10. Oktober 2008 fest.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 21. August 2009 ab.
C.
H.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem sinngemässen Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm Arbeitslosenentschädigung zuzusprechen.
Das Amt für Arbeit und das Staatssekretariat für Wirtschaft haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zur Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 Abs. 1 AVIG) und zum anrechenbaren Arbeitsausfall (Art. 11 Abs. 1 AVIG) als Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. b und f AVIG) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.2 Zu ergänzen ist, dass andauernd selbstständig erwerbende Personen in der Regel bereits von vornherein vom Arbeitslosentaggeldbezug ausgeschlossen sind. Die Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 123 V 234, wonach eine Überprüfung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung unter dem Gesichtspunkt der rechtsmissbräuchlichen Gesetzesumgehung möglich sein muss, rechtfertigt sich gleichermassen bei selbstständig Erwerbstätigen, welche sich zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung anmelden. Dabei ist massgebend, ob der Status des Selbstständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen und beibehalten wird (Urteile C 9/05 vom 21. Dezember 2005 E. 2.3; 8C_49/2009 vom 5. Juni 2009 E. 4.3).
Nimmt eine versicherte Person während gemeldeter Arbeitslosigkeit eine selbstständige Erwerbstätigkeit auf, zieht dies die Prüfung des Leistungsanspruchs unter den Aspekten des Aufbaus einer auf Dauer angelegten oder nur vorübergehenden Selbstständigkeit und der Vermittlungsfähigkeit nach sich (ARV 2008 S. 312; E. 3.4; Urteil 8C_635/2009 vom 1. Dezember 2009 E. E. 3.2, E. 3.3 und E 3.4.3; vgl. auch zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eines unfreiwillig aus dem Arbeitsverhältnis Ausgeschiedenen vor Anmeldung zum Leistungsbezug: Urteil 8C_81/2009 vom 27. August 2009 E. 3.3 und 3.4).
3.
Streitig ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.
3.1 Nach den sachverhaltlich verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war der Beschwerdeführer seit der Gründung der Firma im April 2005 bis 30. November 2006 als Geschäftsführer mit Einzelunterschrift bei der S.________ GmbH im Umfang von 43% angestellt gewesen, wobei seine Tochter bei einem Stammkapital von Fr. 20'000.- einen Stammanteil von Fr. 11'000.- gehalten hatte. Am .... März 2007 wurde über die Firma der Konkurs eröffnet. Ebenso steht fest, dass der Versicherte davor während rund zehn Jaren (Juni 1988 bis Mai 1999) als einzelzeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied der Firma X.________ für Papierwaren amtete und nach deren Konkurs das Einzelunternehmen H.________ Papierwaren gründete und bis zu dessen Konkurs am .... Mai 2005 führte. Im Januar 2007 nahm der Beschwerdeführer sodann seine selbstständige Erwerbstätigkeit unter den Firmenbezeichnungen Y.________.ch by H.________ und Z.________ by H.________ auf.
3.2 Die Vorinstanz erkannte, dass ein eigentlicher Bruch zwischen der bisherigen Tätigkeit der S.________ GmbH und der jetzigen selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht auszumachen sei. Beispielweise stelle das Produkt "Z.________ Antirutschpapier" ein Kernprodukt der S.________ GmbH und des unter Z.________ by H.________ geführten Geschäfts dar und unter der Firmenbezeichnung Y.________.ch by H.________ sei mit Rechnungsstellung am 20. Februar 2007 eine Lieferung von "Z.________ Antirutschpapier" (noch) im Auftrag S.________ GmbH an die R.________ Verpackung GmbH erfolgt. Zudem sei sämtliches Know-Know der S.________ GmbH in die neuen Unternehmungen Y.________.ch by H.________ und Z.________ by H.________ geflossen. Das kantonale Gericht zog hieraus den Schluss, für das bisherige bei der S.________ GmbH ausgeübte Pensum, welches einzig gegen das Risiko Arbeitslosigkeit versichert gewesen sei, fehle es an einem anrechenbaren Arbeitsausfall, da der Versicherte dieses vollumfänglich für die Ausübung seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit einsetze. Weil er sodann nicht gewillt sei, diese Tätigkeit aufzugeben, sei er zudem vermittlungsunfähig.
3.3
3.3.1 Was in der Beschwerde hiegegen vorgebracht wird, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz Verfahrensvorschriften verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt oder eine Rechtsverletzung begangen haben soll. Nicht stichhaltig ist sodann der Einwand, die Firmen Y.________.ch by H.________ und Z.________ by H.________ hätten als wesentlichen Unterschied zur früheren S.________ GmbH keine eigene Produktionsanlagen. Dies mag aus wirtschaftlichen und unternehmerischen Gesichtspunkten wesentlich sein, aus rechtlicher Sicht ist dies jedoch ohne Belang. Auch bei nicht vollkommen identischem Geschäftsbereich der Einzelunternehmungen Y.________.ch by H.________ und Z.________ by H.________ mit demjenigen der früheren Firma, ist im beschwerdeführerischen Vorgehen dennoch eine - mit einmonatigem Unterbruch im Dezember 2006 - Weiterführung seiner bisherigen Tätigkeit in neuer Rechtsform zu sehen.
3.3.2 Mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer nach dem Gesagten mit Beendigung der Geschäftsführertätigkeit (am 30. November 2006) seine arbeitgeberähnliche Stellung vor der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung aufgegeben und diese Tätigkeit in neuem rechtlichen Kleid der selbstständigen Erwerbstätigkeit nach einem Monat gemeldeter Arbeitslosigkeit wieder aufgenommen hat, ist der Leistungsanspruch unter den Aspekten des Aufbaus einer auf Dauer angelegten oder nur vorübergehenden Selbstständigkeit und der Vermittlungsfähigkeit zu prüfen (E. 2.2 hievor).
In Würdigung des Umstands, dass der Versicherte seit 1988 über zwei Jahrzehnte mit fliessendem Übergang zwischen den einzelnen Unternehmungen mit jeweiliger Übernahme von Kundenstamm und Auftragsdaten sowie dem Know-Know der Firmen als Selbstständigerwerbender oder zumindest - wie bei der S.________ GmbH - als arbeitgeberähnliche Person im Bereich Handel, Verarbeitung und Entwicklung von Papierprodukten tätig gewesen war, ist nicht mehr eine bloss vorübergehende Selbstständigkeit während der Dauer der Arbeitslosigkeit anzunehmen. Vielmehr geht aus dem beruflichen Lebenslauf hervor, dass der Status des Selbstständigerwerbenden mit dem Ziel dauernder wirtschaftlicher und unternehmerischer Unabhängigkeit aufgenommen und auch beibehalten wurde. Überdies gab der Beschwerdeführer im Erhebungsbogen zur selbstständigen Erwerbstätigkeit vom 1. Oktober 2007 an, nicht bereit zu sein, diese wieder aufzugeben. Damit fehlt es an der Bereitschaft zur Annahme einer Dauerstelle als Arbeitnehmer, was zur Vermittlungsunfähigkeit führt. Die verbal geäusserte Vermittlungsbereitschaft des Beschwerdeführers vermag bei der vorliegenden Konstellation nicht zu überzeugen.
Sodann hat der Versicherte zwar durch den Arbeitsunterbruch von einem Monat grundsätzlich einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten, was aber nichts am fehlenden Leistungsanspruch ändert: Hier gilt es die ständige Rechtsprechung zu beachten, wonach eine versicherte Person, die bis zum Zeitpunkt, auf den sie anderweitig disponiert hat, nur während kurzer Zeit einsetzbar gewesen wäre, auf dem in Betracht fallenden Arbeitsmarkt in der Regel nicht vermittelbar ist (BGE 126 V 520 E. 3a S. 522 mit Hinweisen).
3.4 Soweit der Beschwerdeführer auch letztinstanzlich mit dem Einwand, er habe sich seit der Anmeldung zum Leistungsbezug in Treu und Glauben auf die Aussagen der RAV-Personalberatung gestützt, eine Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht nach Art. 27 ATSG geltend macht, hat das kantonale Gericht diesen bereits zutreffend entkräftet. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen. Ergänzend ist lediglich festzuhalten, dass ihm spätestens mit Beratungsgespräch vom 29. März 2007 klar sein musste, dass seine Vermittlungsfähigkeit seitens der Arbeitslosenkasse angezweifelt wurde und die Entscheidkompetenz hierüber nicht bei der zuständigen RAV-Beratung, sondern beim Amt für Arbeit lag. Damit lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kein Leistungsanspruch begründen (BGE 131 V 472 E. 5 S. 480; 131 II 636 E. 6.1; 129 I 170 E. 4.1).
Sofern schliesslich eine übermässig lange Dauer des Verwaltungsverfahrens gerügt wird, ist dem entgegenzuhalten, dass eine allfällige Rechtsverzögerungsbeschwerde an das kantonale Versicherungsgericht zu richten gewesen wäre (Art. 56 Abs. 2 ATSG; BGE 130 V 90 E. 2 S. 92). Auf die Beschwerde kann diesbezüglich nicht eingetreten werden. Es bleibt damit bei der Verneinung eines Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit.
4.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. Februar 2010
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Polla