BGer 1P.241/2003
 
BGer 1P.241/2003 vom 02.07.2003
Tribunale federale
{T 1/2}
1P.241/2003 /bie
Urteil vom 2. Juli 2003
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, Bundesgerichtsvizepräsident Nay,
Bundesrichter Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Störi.
Parteien
Elektrakorporation Neuwilen,
v.d. Präsident Paul Näf, Molkereistr. 1, 8566 Neuwilen, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
lic.iur. Hans Ulrich Grauer, Haldenstr. 2,
8280 Kreuzlingen,
gegen
Politische Gemeinde Kemmental, 8573 Alterswilen, vertreten durch den Gemeinderat, dieser wiederum vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Markus Neff, Poststrasse 17, Postfach 841, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570 Weinfelden.
Gegenstand
Gemeindeautonomie,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 19. Februar 2003.
Sachverhalt:
A.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hiess am 19. Februar 2003 die Klage der Politischen Gemeinde Kemmental gegen die Elektrakorporation Neuwilen teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 320'000.-- nebst 4 % Zins seit dem 11. Oktober 2001 zu bezahlen. Es schützte damit im Wesentlichen den Standpunkt der Klägerin, wonach die Ortsgemeinde Neuwilen als ihre Rechtsvorgängerin der Beklagten am 11. Oktober 1991 ein auf öffentlichem Recht beruhendes Darlehen - und nicht einen à fonds perdu-Beitrag, wie die Beklagte vorbrachte, - von Fr. 320'000.-- gewährt habe.
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 15. April 2003 wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV sowie des Willkürverbotes im Sinne von Art. 9 BV beantragt die Elektrakorporation Neuwilen, diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
C.
Das Verwaltungsgericht beantragt in der Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Gemeinde Kemmental beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie eventuell abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein Rechtsmittel zum Schutz der Träger verfassungsmässiger Rechte gegen Übergriffe der Staatsgewalt. Solche Rechte stehen grundsätzlich nur dem Bürger zu, nicht dagegen dem Staat als Inhaber hoheitlicher Gewalt. Öffentlichrechtliche Korporationen - wie Kantone und Gemeinden oder ihre Behörden sowie öffentlichrechtliche Genossenschaften usw. -, die selber als Hoheitsträger handeln, können gegen Hoheitsakte anderer Staatsorgane nicht staatsrechtliche Beschwerde führen. Eine Ausnahme gilt für Gemeinden und andere öffentliche Körperschaften dann, wenn sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen eine Verletzung ihrer durch das kantonale Recht gewährleisteten Autonomie oder Bestandesgarantie zur Wehr setzen. Ausserdem sind öffentlichrechtliche Körperschaften zur staatsrechtlichen Beschwerde allgemein dann legitimiert, wenn sie nicht hoheitlich handeln, sondern sich auf dem Boden des Privatrechts bewegen oder sonstwie, z.B. als Steuer- oder Gebührenpflichtige, als dem Bürger gleichgeordnete Rechtssubjekte auftreten und durch den angefochtenen staatlichen Akt wie eine Privatperson betroffen werden (BGE 125 I 173 E. 1b; 121 I 218 E. 2a; 120 Ia 95 E. 1a).
1.2 Nach § 82 Abs. 1 der Kantonsverfassung des Kantons Thurgau vom 16. März 1987 sorgen die Gemeinden für die Bereitstellung von Energie, wobei sie diese Aufgabe nach der unbestritten gebliebenen Auffassung des Verwaltungsgerichts auch Privaten oder öffentlichrechtlichen Korporationen übertragen können (angefochtener Entscheid E. 2c S. 10 f.). Vor Verwaltungsgericht strittig war, ob die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin 1991 ein Darlehen für oder einen à fonds perdu-Beitrag an die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe, die Gemeinde mit Energie zu versorgen, leistete. Streitgegenstand des kantonalen Verfahrens war somit der Bestand einer öffentlichrechtlichen Forderung gegen die Beschwerdeführerin. Das Verwaltungsgericht hat nach Auffassung der Beschwerdeführerin im angefochtenen Entscheid unter Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Willkürverbotes die Forderung als bestehend beurteilt. Für die Erhebung solcher Rügen mit staatsrechtlicher Beschwerde geht der Beschwerdeführerin indessen nach dem oben Dargelegten die Parteifähigkeit ab, und zwar gleichgültig darum, ob es sich bei ihr um eine juristische Person öffentlichen oder privaten Rechts handelt. Auch im zweiten Fall könnte sie sich nicht über die Beeinträchtigung ihrer öffentlichrechtlichen Aufgabenerfüllung durch das Verwaltungsgericht beschweren (Entscheid des Bundesgerichts 2P.167/1993 vom 10. Mai 1994 in: ZBl 95/1994 S. 531; BGE 112 Ia 356 E. 5a S. 364). Auf die Beschwerde ist daher nicht einzutreten.
2.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Vermögensinteressen verfolgende Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Ausserdem hat sie der Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 OG; Art. 4 ff., Tarif über Entschädigungen der Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht).
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 8'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Politischen Gemeinde Kemmental und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Juli 2003
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: