BGer 5C.71/2003 |
BGer 5C.71/2003 vom 06.05.2003 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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5C.71/2003 /min
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Urteil vom 6. Mai 2003
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II. Zivilabteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Raselli, Präsident,
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Bundesrichter Meyer, Marazzi,
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Gerichtsschreiber Zbinden.
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Parteien
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X.________, Berufungskläger, vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet, Postfach 321, 4005 Basel,
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gegen
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Vormundschaftsbehörde des Kantons Basel-Stadt, Blaues und Weisses Haus, Rheinsprung 16/18, 4001 Basel.
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Gegenstand
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Besuchsrecht,
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Berufung gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 15. Januar 2003.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ (nachfolgend: Vater oder Berufungskläger) und Y.________ heirateten im September 1995. Am 8. Februar 1996 kam deren gemeinsamer Sohn Z.________ zur Welt. Nach der Scheidung im Januar 2001 kam es zwischen den Eltern mehrmals zu Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts des Vaters: Bereits im Sommer desselben Jahres befürchtete die Mutter eine Entführung des Kindes durch den Vater und widersetzte sich daher einer Reise von Vater und Sohn nach Brasilien. Nachdem eine Beistandschaft zur Regelung der Besuchsmodalitäten errichtet worden war, wurde die Mutter im Oktober 2001 erstmals bei der Vormundschaftsbehörde des Kantons Basel-Stadt mit dem Verdacht vorstellig, der Vater missbrauche das Kind sexuell. Als die Abklärungen durch den Heilpädagogischen Dienst keine weiteren Hinweise eines Missbrauchs zu Tage gebracht hatten, berichtete die Mutter nochmals im Februar 2002 über weitere, im gleichen Sinne verdächtige Äusserungen des Kindes. Daraufhin erstattete die Vormundschaftsbehörde Anzeige gegen den Vater. Nach weiteren Auseinandersetzungen zwischen den Eltern über die Ausübung des Besuchsrechtes erliess die Vormundschaftsbehörde eine neue Besuchsrechtsregelung, die den Vater berechtigt, das Kind zweimal im Monat während drei Stunden in Begleitung zu besuchen.
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B.
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Der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 15. Januar 2003 den vom Vater gegen die neue Besuchsrechtsregelung eingereichten Rekurs ab. Das Gericht erwog, die neue, einschränkende Regelung des väterlichen Besuchsrechtes sei eine Folge des im Raume stehenden Verdachtes einer Kindesgefährdung durch sexuelle Übergriffe: Nur diese Regelung - welche übrigens ständiger Praxis entspreche - verhindere einerseits (weitere) Gefährdungen und biete andererseits Gewähr dafür, dass das Kind nicht durch allfällige unpassende Fragen des Vaters in einen Loyalitätskonflikt verwickelt werde. Im Übrigen sei die Glaubwürdigkeit der gegen den Vater erhobenen Vorwürfe nicht im Rahmen der hier diskutierten Einschränkung des Besuchsrechts, sondern der angehobenen Strafuntersuchung zu prüfen.
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C.
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Mit Berufung vom 17. März 2003 verlangt der Vater, das Urteil des Appellationsgerichtsausschusses aufzuheben und das Besuchsrecht im ursprünglich gewährten Ausmass wiederherzustellen. Zur Begründung führt er eine Reihe von Vorkommnissen auf, welche die Einstellung und die Absichten der Kindsmutter seit Rechtskraft der Scheidung zeigen sollen; ferner kritisiert er Entscheidungen und angebliche Unterlassungen der Vormundschaftsbehörde.
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Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Mit dem angefochtenen letztinstanzlichen kantonalen Urteil ist das dem Berufungskläger anlässlich der Scheidung gerichtlich eingeräumte Besuchsrecht seinem Sohn gegenüber erheblich eingeschränkt und damit der persönliche Verkehr zwischen Vater und Sohn neu geregelt worden. Gegen diese Anordnung ist die Berufung an das Bundesgericht zulässig (Art. 44 lit. d und Art. 48 Abs. 1 OG; Urteil 5C.172/2001 vom 3. Januar 2002, E. 1a und 1b). Durch die Einschränkung des Besuchsrechtes ist der Berufungskläger persönlich beschwert. Da die 30-tägige Frist gewahrt ist, kann die Berufung formell an die Hand genommen werden.
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2.
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2.1 Eltern, denen die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das unmündige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr (Art. 273 Abs. 1 ZGB). Dieser dient in erster Linie dem Interesse des Kindes. Oberste Richtschnur für die Ausgestaltung des persönlichen Verkehrs ist immer das Kindeswohl, das anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist. In diesem Sinne hat auch der persönliche Verkehr den Zweck, die positive Entwicklung des Kindes zu gewährleisten und zu fördern. In der Entwicklung des Kindes sind seine Beziehungen zu beiden Elternteilen wichtig, da sie bei seiner Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen können (BGE 122 III 404 E. 3a S. 407; BGE 123 III 445 E. 3b S. 451).
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2.2 Wird das Wohl des Kindes durch den persönlichen Verkehr gefährdet, kann den Eltern das Recht darauf verweigert oder entzogen werden (Art. 274 Abs. 2 ZGB). Gefährdet ist das Kindeswohl, wenn seine ungestörte körperliche, seelische oder sittliche Entfaltung durch ein auch nur begrenztes Zusammensein mit dem nicht obhutsberechtigten Elternteil bedroht ist. Als wichtige Gründe fallen Vernachlässigung, physische und psychische Misshandlung, insbesondere sexueller Missbrauch des Kindes in Betracht (BGE 122 III 404 E. 3b S. 407). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Besuchsrecht dem nicht obhutsberechtigten Elternteil - wie dem Kinde - um seiner Persönlichkeit willen zusteht und ihm daher nicht ohne wichtige Gründe ganz abgesprochen werden darf. Eine Gefährdung des Kindeswohls im Hinblick auf die vollständige Aufhebung des persönlichen Verkehrs ist deshalb nicht leichthin anzunehmen (BGE 111 II 405 E. 3 S. 407). Insbesondere vermag die allfällige Tatsache, dass die Ausübung des Besuchsrechts mit Konflikten verbunden ist, eine vollständige Unterbindung des persönlichen Verkehrs nicht zu rechtfertigen (BGE 118 II 241 E. 2c S. 242; zuletzt bestätigt in Urteil 5C.172/2001 vom 3. Januar 2002, E. 3a/bb).
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3.
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3.1 Die Vorinstanz hat den in Anwendung von Art. 275 Abs. 1 ZGB ergangenen Entscheid der Vormundschaftsbehörde geschützt und dies im Wesentlichen damit begründet, es seien immer noch Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden bezüglich des Verdachts sexueller Handlungen zum Nachteil des Kindes im Gang. Die jüngsten Aussagen des Sohnes seien weder von der Mutter noch vom Kind frei erfunden; deshalb seien weitere Ermittlungen unumgänglich. Die von der Vormundschaftsbehörde getroffene Lösung eines zeitlich beschränkten und begleiteten Besuchsrechts zu Gunsten des Berufungsklägers erscheine in dieser Sachlage angemessen, da eine derartige Ausgestaltung des Besuchsrechts geeignet sei, sowohl allfällige (weitere) Gefährdungen des Kindes als auch die Gefahr eines schweren Loyalitätskonflikts des Kindes zum Berufungskläger auszuschliessen.
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3.2 Der Berufungskläger setzt sich mit den Argumenten der Vorinstanz in keiner Art und Weise auseinander. Er legt mit anderen Worten nicht dar, weshalb das angefochtene Urteil den Interessen des Kindes und seinen eigenen Interessen abträglich wäre, und warum die von der Vorinstanz gewählte Lösung Bundesrecht verletzt. Seine Berufungsschrift erschöpft sich vielmehr in einer ebenso detaillierten wie unbehelflichen Kritik an der Beweiswürdigung der Vormundschaftsbehörde, deren Vorgehen wieder Schritt für Schritt zur Sprache gebracht wird. Dabei übersieht der Berufungskläger wie bereits vor zweiter Instanz, dass im vorliegenden Verfahren lediglich die Frage zu beantworten ist, wie das Besuchsrecht angesichts der konkreten Umstände (und insbesondere des hängigen Strafverfahrens) zu regeln sei, und nicht die weitere Frage, ob der Berufungskläger sich tatsächlich strafbar gemacht habe.
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3.3 Im Berufungsverfahren ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz gebunden, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen, unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen (Art. 63 Abs. 2 OG) oder zu ergänzen sind (Art. 64 OG). Ausgeschlossen ist daher insbesondere eine Überprüfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 111 II 378 E. 3b; 127 III 248 E. 2c S. 252; BGE 126 III 59 E. 2a S. 65). Im Lichte dieser Ausführungen erweist sich die Berufung über weite Strecken als unzulässig, weshalb auf sie in diesem Umfang gar nicht eingetreten werden kann. Ebenso verhält es sich, soweit der Berufungskläger, mindestens inhaltlich, Einwendungen vorbringt, die der Rüge willkürlicher Beweiswürdigung nahe kommen: Zu diesem Zweck hätte er bekanntlich staatsrechtliche Beschwerde einlegen müssen (vgl. Art. 43 Abs. 1 OG).
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4.
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4.1 Will man die formellen Mängel unbeachtet lassen und weiter annehmen, der Berufungskläger rüge überhaupt rechtsgenüglich eine Verletzung von Bundesrecht, kann seiner Berufung kein Erfolg beschieden sein. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Anschuldigungen und Verdächtigungen durch die Kindsmutter zu Lasten des Berufungsklägers auf wackeliger Grundlage stehen und gar nicht glaubhaft sind, sondern lediglich das Ziel verfolgen, die Ausübung des gerichtlich festgelegten Besuchsrechtes zu verunmöglichen, ginge es sowieso nur um Fragen, die zu beantworten nicht (mehr) der Vormundschaftsbehörde obliegt, nachdem die Strafjustiz aufgerufen wurde, sich damit zu beschäftigen. Es ist tatsächlich nicht in Abrede zu stellen (und von der Frage der vermeintlichen Schuld des Berufungsklägers völlig unabhängig), dass uneingeschränkte und unbewachte Besuche seitens des Vaters nicht nur (oder gar primär) die körperliche Unversehrtheit des Kindes gefährden, sondern es in dem Sinne psychisch schwer belasten könnten, falls es auf Grund der tatsächlich herrschenden Situation in einen Loyalitätskonflikt geraten würde. Dabei geht es nicht einmal darum, dem Berufungskläger zu unterstellen, dass er das Kind willentlich in einen solchen Konflikt verwickeln wolle: Es ist nun einmal vorläufig eine Tatsache, dass er mit den aufgeführten Anschuldigungen konfrontiert ist, und es ist damit zu rechnen, dass er - auch nur in der Absicht, mehr in Erfahrung zu bringen - eben das Kind ungewollt belasten könnte. Schliesslich ist auf das öffentliche Interesse, aber auch dasjenige aller Parteien, auch des Berufungsklägers, an einer raschen und definitiven Abklärung der Geschehnisse hinzuweisen.
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4.2 Die von der Vormundschaftsbehörde getroffene und mit dem angefochtenen Urteil bestätigte Lösung entspricht im Ergebnis nicht nur dem Wohl des Kindes, sondern trägt den Interessen des nicht obhutsberechtigten Elternteils ebenso Rechnung, wurde doch von der in der Rechtsprechung (vorne, E. 2.2) kritisierten vollständigen Aufhebung des Besuchsrechts zu Gunsten einer für den Berufungskläger günstigeren Ausgestaltung der Modalitäten abgesehen. Demnach steht das angefochtene Urteil mit dem Bundesrecht ohne weiteres in Einklang.
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5.
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5.1 Im (engen) Rahmen, in welchem auf die vorliegende Berufung eingetreten werden kann, ist sie im Ergebnis abzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des unterliegenden Berufungsklägers (Art. 156 Abs. 1 OG).
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5.2 Aus dem Gesagten erhellt, dass die Berufung - jedenfalls mit der gebotenen Begründung - von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte. Damit ist eine der zwei Voraussetzungen, von denen das Gesetz (Art. 152 Abs. 1 OG; BGE 125 II 265 E. 4b mit Hinweisen) die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abhängig macht, nicht erfüllt, weshalb das einschlägige Gesuch des Berufungsklägers abzuweisen ist.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Berufungskläger auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird dem Berufungskläger, der Vormundschaftsbehörde und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 6. Mai 2003
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Im Namen der II. Zivilabteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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