BGer 1P.1/2001
 
BGer 1P.1/2001 vom 25.04.2001
[AZA 0/2]
1P.1/2001/boh
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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25. April 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber Forster.
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In Sachen
Firma X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Stephan A. Buchli, Stauffacherstrasse 35, Postfach, Zürich,
gegen
Bezirksanwaltschaft Winterthur, Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
betreffend
Art. 26, Art. 30, Art. 36 BV (Beschlagnahme,
Verwertung und Vernichtung von Hanfpflanzen), hat sich ergeben:
A.-Die Bezirksanwaltschaft Winterthur führt eine Strafuntersuchung gegen A.________, B.________, C.________ und D.________ wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, sie hätten über die Firma X.________ Handel mit illegalen Hanfprodukten (Marihuana, Haschisch) betrieben. Anlässlich einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahme vom 30. Oktober 2000 wurden mehrere Hundert Hanf-Topfpflanzen sowie grosse Mengen getrocknete Hanfprodukte sichergestellt. Gegen die Eigentümerin der beschlagnahmten Ware, die Fa. X.________, wurde ein Einziehungsverfahren eingeleitet.
B.-Am 22. November 2000 erliess die Bezirksanwaltschaft Winterthur folgende Beschlagnahme- und Verwertungsverfügung:
"4. Die durch die Kantonspolizei Zürich am 30. Oktober
2000 im Keller des Ladengeschäftes 'Firma
X.________' festgestellten und seither sichergestellten
Topfpflanzen (...) werden als Beweismittel
und zur Einziehung beschlagnahmt.
5. Die durch die Kantonspolizei Zürich (...) sichergestellten
Trockenblumen und Blütenstengel (...)
werden als Beweismittel und zur Einziehung beschlagnahmt.
6. Die Kantonspolizei Zürich wird beauftragt, für die
Sicherung und weitere Pflege der Pflanzen vor Ort
bis zu deren Verwertung oder Vernichtung zu sorgen.
7. Die Kantonspolizei Zürich wird beauftragt, für die
sofortige Verwertung der Pflanzen als Industriehanf
einen Abnehmer zu suchen, der jede missbräuchliche
Verwendung ausschliessen kann.
8. Wird kein Abnehmer gefunden, sind die Hanfpflanzen
durch die Kantonspolizei Zürich ab dem 29. November
2000 zu vernichten.. "
C.-Gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft Winterthur rekurrierten B.________ und die Fa. X.________ an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Den Rekurs der Fa.
X.________ wies die Staatsanwaltschaft mit Entscheid vom 30. November 2000 ab, während auf das Rechtsmittel von B.________ nicht eingetreten wurde. Die Staatsanwaltschaft erwog, "dass es ständiger Praxis der Untersuchungsbehörden im Kanton Zürich" entspreche, "ohne Unterhalt leicht verderbliche oder unverhältnismässig hohe Kosten zur Lagerung verursachende Ware zu verwerten bzw. zu vernichten (Weisungen der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich für die Untersuchungsführung, Ziff. 43.4)".
D.-Gegen den Rekursentscheid der Staatsanwaltschaft gelangte die Fa. X.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 29. Dezember 2000 an das Bundesgericht.
Die Bezirksanwaltschaft Winterthur und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragen mit Vernehmlassungen vom 29. Januar bzw. 1. Februar 2001 je die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Als Eigentümerin der beschlagnahmten Ware, deren Vernichtung im angefochtenen Entscheid angeordnet wird, ist die Beschwerdeführerin in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen und zur Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG).
Gemäss Darstellung der kantonalen Behörden wurden die beschlagnahmten Hanfprodukte "am 6. Dezember 2000 vernichtet".
Der Umstand, dass die Vernichtung bereits vollzogen wurde, lässt das aktuelle praktische Rechtsschutzinteresse im vorliegenden Zusammenhang nicht dahinfallen (vgl.
BGE 125 I 394 E. 4b S. 397 mit Hinweisen).
b) Die Beschwerdeführerin beantragt die Feststellung, dass der angefochtene Entscheid verfassungswidrig sei.
Nachdem die Vernichtung bereits vollzogen wurde, könnte der verfassungsmässige Zustand (im Falle der materiellen Begründetheit der Beschwerde) mit der blossen Aufhebung des angefochtenen Entscheides nicht wiederhergestellt werden. Das erhobene Rechtsbegehren erweist sich daher unter dem Gesichtspunkt der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde als zulässig (BGE 124 I 327 E. 4b S. 332 f.).
c) Der angefochtene Beschlagnahme- und Verwertungsentscheid ist als anfechtbarer Zwischenentscheid mit drohendem nicht wieder gutzumachendem Nachteil (im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG) zu betrachten (BGE 126 I 97 E. 1b S. 101).
2.-Die Beschwerdeführerin rügt namentlich, der angefochtene Entscheid verstosse "gegen die Garantie des verfassungsmässigen Richters gemäss Art. 30 BV", entbehre einer gesetzlichen Grundlage und verletze die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV).
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich begründet.
Wie das Bundesgericht bereits in mehreren Urteilen festgestellt hat, hält die durch den Untersuchungsrichter angeordnete Vernichtung von Hanfernten und Hanfwarenbeständen im Rahmen einer vorsorglichen strafprozessualen Zwangsmassnahme vor der Verfassung nicht stand. Es fehlt dafür nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage im formellen Gesetz (StPO/ZH). Eine solche Massnahme, die einer strafrechtlichen Einziehung und Vernichtung im Sinne von Art. 58 Abs. 2 StGB gleichkäme, müsste ausserdem durch einen Richter und in einem Verfahren angeordnet werden, welches vor Art. 30 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK standhält (Urteile vom 10. April 2001 i.S. I. GmbH, E. 3 - 4 [1P. 775/2000], sowie vom 5. Februar 2001 i.S. E., E. 5 [1P. 679/683/2000], i.S.
O., E. 4 [1P. 695/2000], sowie i.S. W. und C., E. 4 [1P. 699/ 2000], je gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich).
3.-Bei dieser Sachlage ist die Beschwerde als offensichtlich begründet gutzuheissen (Art. 36a Abs. 1 lit. c OG) und der angefochtene Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 30. November 2000 aufzuheben, soweit er die Beschwerdeführerin betrifft. Die Verfassungswidrigkeit der angeordneten strafprozessualen Zwangsmassnahme braucht aufgrund des in Erwägung 2 Dargelegten nicht eigens im Dispositiv festgestellt zu werden (vgl. dazu BGE 124 I 327 E. 4 S. 332).
Praxisgemäss werden dem unterliegenden Kanton keine Gerichtskosten auferlegt (vgl. Art. 156 Abs. 2 OG). Er hat indessen der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.-In Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wird der angefochtene Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 30. November 2000 aufgehoben, soweit er die Beschwerdeführerin betrifft.
2.-Für das Verfahren vor Bundesgericht werden keine Kosten erhoben.
3.-Der Kanton Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.
4.-Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Bezirksanwaltschaft Winterthur und der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. April 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: