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Urteilskopf

140 V 449


57. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Schweizerische Bundesbahnen SBB (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_289/2014 vom 18. August 2014

Regeste

Art. 3 Abs. 2 FamZG; Ziff. 103 Abs. 2 Gesamtarbeitsvertrag 2011 der SBB; Anspruch auf Kinderzulagen.
Bei den Kinder- und Ausbildungszulagen gemäss Gesamtarbeitsvertrag der SBB (GAV SBB) handelt es sich nicht um Familienzulagen im Sinne des FamZG, sondern um andere Leistungen (E. 1.1).
Der Anspruch auf Kinderzulagen knüpft an das Arbeitsverhältnis bei der SBB an. Ob der Ansatz für ein Kind (Ziff. 103 Abs. 2 lit. a GAV SBB) oder für jedes weitere Kind (Ziff. 103 Abs. 2 lit. b GAV SBB) massgebend ist, richtet sich nach der Anzahl zulagenberechtigter Kinder in der Haushalts- oder Familiengemeinschaft der bezugsberechtigten Person (E. 4.3-4.6).

Sachverhalt ab Seite 450

BGE 140 V 449 S. 450

A. Der 1975 geborene A. ist Angestellter der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Er ist Vater einer im Jahre 2002 geborenen Tochter (B.) aus erster Ehe. Für seine im Februar 2012 geborene Tochter aus zweiter Ehe (C.) ersuchte er um Ausrichtung von Familienzulagen. Mit Verfügung vom 7. November 2012 setzte die SBB den Anspruch des A. ab 1. Februar 2012 auf monatlich Fr. 205.- fest. Der Konzernrechtsdienst SBB bestätigte diese Verfügung am 2. Juli 2013.

B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 11. März 2014 ab.

C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. beantragen, die SBB sei unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu verpflichten, ab Februar 2012 die Differenz zwischen den zugesprochenen Kinderzulagen von jährlich Fr. 2'460.- und
BGE 140 V 449 S. 451
den ihm zustehenden Kinderzulagen in Höhe von jährlich Fr. 3'840.- zu bezahlen, zuzüglich Zins von 5 Prozent seit 1. März 2012.
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die SBB schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. hat dazu am 13. Juni 2014 Stellung genommen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Der Beschwerdeführer macht gestützt auf Ziff. 103 Abs. 2 des Gesamtarbeitsvertrages 2011 der SBB (nachfolgend: GAV SBB) einen Anspruch auf höhere als die zugesprochenen Kinderzulagen geltend. Bei dieser Zulage handelt es sich nicht um Kinder- oder Ausbildungszulagen im Sinne des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (FamZG; SR 836.2), sondern um andere Leistungen, welche gemäss Art. 3 Abs. 2 Satz 4 FamZG nicht als Familienzulagen im Sinne dieses Gesetzes gelten (vgl. KIESER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Familienzulagen, 2010, N. 151 zu Art. 3 FamZG). Es liegt somit keine sozialversicherungsrechtliche, sondern - da es sich um Zulagen an Angestellte der SBB handelt - eine personalrechtliche Streitigkeit vor.

1.2 Da die Höhe der Zulage im Streit liegt, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. g BGG ist demnach nicht gegeben. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit zulässig, wenn der Streitwert wenigstens Fr. 15'000.- beträgt (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG) oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 85 Abs. 2 BGG).

1.3 Der Streitwert bestimmt sich gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG nach den Begehren, welche vor Vorinstanz streitig geblieben sind. Vor Vorinstanz war ein höherer Anspruch auf Kinderzulagen streitig. Die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids enthält keine Angaben zum Streitwert (vgl. Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG). Lautet ein Begehren nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert nach Ermessen fest (Art. 51 Abs. 2 BGG). Als Wert wiederkehrender Nutzungen oder Leistungen gilt der Kapitalwert. Bei ungewisser oder unbeschränkter Dauer gilt als Kapitalwert der zwanzigfache Betrag der einjährigen Nutzung oder Leistung, bei Leibrenten jedoch der
BGE 140 V 449 S. 452
Barwert (Art. 51 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer macht die Differenz zwischen den zugesprochenen Kinderzulagen von jährlich Fr. 2'460.- (Fr. 205.- monatlich) und den geforderten Kinderzulagen von jährlich Fr. 3'840.- (Fr. 320.- monatlich), also Fr. 1'380.- jährlich, bis März 2027, nebst Zins seit 1. März 2012, geltend. Der kapitalisierte Wert übertrifft damit den für die Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse erforderlichen Betrag (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2. Auf das Personal der SBB finden gemäss Art. 15 des Bundesgesetzes vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG; SR 742.31) die Bestimmungen des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) Anwendung (Abs. 1). Der Bundesrat kann die SBB ermächtigen, das Anstellungsverhältnis im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen abweichend oder ergänzend zu regeln (Abs. 2). Nach Art. 31 Abs. 1 BPG (in der seit 1. Januar 2009 in Kraft stehenden Fassung) regelt der Bundesrat die Leistungen, die den Angestellten für den Unterhalt ihrer Kinder in Ergänzung zu den Familienzulagen nach den Familienzulagenordnungen der Kantone ausgerichtet werden. Der Bundesrat hat in Art. 10 der Rahmenverordnung vom 20. Dezember 2000 zum Bundespersonalgesetz (Rahmenverordnung BPG; SR 172.220.11) die Familienzulagen und ergänzenden Leistungen wie folgt geregelt: Der Arbeitgeber richtet der angestellten Person die Familienzulage nach dem Familienzulagengesetz aus (Abs. 1). Ist die Familienzulage tiefer als der massgebende Betrag nach Absatz 3, so richtet der Arbeitgeber der angestellten Person ergänzende Leistungen gemäss den Ausführungsbestimmungen zum BPG aus. Das FamZG ist auf die ergänzenden Leistungen sinngemäss anwendbar (Abs. 2). Die Familienzulage und die ergänzenden Leistungen betragen zusammen pro Jahr mindestens: a. 3'800 Franken für das erste zulagenberechtigte Kind; b. 2'400 Franken für jedes weitere zulagenberechtigte Kind; c. 3'000 Franken für jedes weitere zulagenberechtigte Kind, welches das 16. Altersjahr vollendet hat und in Ausbildung steht (Abs. 3). Der Anspruch auf ergänzende Leistungen erlischt mit dem Anspruch auf die Familienzulage (Abs. 4). Die Rahmenverordnung BPG bestimmt gemäss deren Art. 1 Abs. 1 den Rahmen, innerhalb dessen die Arbeitgeber Ausführungsbestimmungen erlassen (Art. 37 BPG) oder Gesamtarbeitsverträge abschliessen (Art. 38 BPG).
BGE 140 V 449 S. 453
Die SBB hat ihren Regelungsauftrag gemäss Art. 31 BPG in ihrem GAV erfüllt (PETER HELBLING, in: Bundespersonalgesetz, 2013, N. 13 Fn. 6 zu Art. 31 BPG). Der GAV SBB stützt sich auf Art. 15 SBBG und das BPG (Ziff. 1 Abs. 2 GAV SBB). Finden sich weder in den genannten Vorschriften noch im GAV Regelungen, so ist das OR subsidiär anwendbar. Unter der Überschrift "Familienzulagen" hält Ziff. 103 GAV SBB fest: Die Familienzulagen richten sich nach dem FamZG (Abs. 1). Bei der SBB gelten für die Kinder- und Ausbildungszulagen folgende Mindestansätze: a. für ein zulagenberechtigtes Kind Fr. 3'840.- pro Jahr; b. für jedes weitere zulagenberechtigte Kind bis 16 Jahre und für erwerbsunfähige Kinder Fr. 2'460.- pro Jahr; c. ab zweitem zulagenberechtigtem Kind für Kinder in Ausbildung bis zum vollendeten 25. Altersjahr Fr. 3'000.- pro Jahr (Abs. 2).

3. Streitig ist, ob die Kinderzulage für die Tochter aus zweiter Ehe nach Massgabe von Ziff. 103 Abs. 2 lit. a GAV SBB zu bemessen ist, wovon der Beschwerdeführer ausgeht, oder ob Ziff. 103 Abs. 2 lit. b GAV SBB zur Anwendung kommt, was Vorinstanz und Beschwerdegegnerin bejahen.
Die Vorinstanz hat erwogen, aus dem Wortlaut der Bestimmung ergebe sich klar, dass mit "ein" in lit. a das erste zulagenberechtigte Kind gemeint sei. Zwar sage die Norm nichts darüber aus, nach welchen Kriterien dieses zu bestimmen sei. Jedoch liege es auf der Hand, dass mit der Abstufung die Kosten ausgeglichen werden sollen, die für ein erstes Kind aufgrund der erforderlichen Neuanschaffungen am höchsten seien. Bei zusätzlichen Kindern entstünden Synergieeffekte, weshalb für diese tiefere Beiträge ausgerichtet würden. Unter Hinweis auf das Vorgehen der Beschwerdegegnerin prüfte die Vorinstanz - ausgehend vom Verbot des Doppelbezugs gemäss Art. 6 FamZG in Verbindung mit der in Art. 7 FamZG vorgesehenen Prioritätenordnung bei konkurrierenden Ansprüchen -, welche Person Anspruch auf die Beiträge erheben kann. Da die Beiträge für die Tochter C. dem Beschwerdeführer auszurichten sind, knüpft sie daran an und zieht weiter die zu ihm bestehenden Kindesverhältnisse heran. Dies führte sie zum Schluss, dass dieser insgesamt zwei zulagenberechtigte Kinder hat (eines aus erster und eines aus zweiter Ehe), auch wenn er für die ältere Tochter aus erster Ehe keine Kinderzulagen erhält. Daraus leitete die Vorinstanz ab, die jüngere Tochter C. sei als zweites zulagenberechtigtes Kind im Sinne von
BGE 140 V 449 S. 454
Ziff. 103 Abs. 2 lit. b GAV SBB zu betrachten, weshalb - ungeachtet der tatsächlich gelebten Familienverhältnisse - der dafür vorgesehene Zuschlag geschuldet sei. Das sich an der Prioritätenordnung des Familienzulagengesetzes und der Anzahl Kinder der betroffenen Person orientierende Vorgehen führt laut Vorinstanz zu jeweils gleichen Ergebnissen und gewährleistet eine verhältnismässig einfache Umsetzung, welche keine aufwändigen Abklärungen im Einzelfall und keine laufenden Anpassungen an sich verändernde tatsächliche Gegebenheiten (Betreuung, Arbeitsverhältnis usw.) erfordert.

4.

4.1 Der Beschwerdeführer rügt eine verfassungswidrige Auslegung (Art. 8 Abs. 1, Art. 10 und 15 sowie Art. 41 Abs. 1 lit. c BV) von Ziff. 103 Abs. 2 GAV SBB durch die Vorinstanz. Zur Begründung führt er aus, Ziff. 103 Abs. 2 lit. a GAV SBB sei mit Blick auf Art. 10 Abs. 3 lit. a Rahmenverordnung BPG auszulegen. Gegenüber der SBB sei er allein für seine im Februar 2012 geborene Tochter C. zulagenberechtigt im Sinne des GAV. Für diese habe er daher Anspruch auf eine Kinderzulage in Höhe von jährlich Fr. 3'840.- gemäss Ziff. 103 Abs. 2 lit. a GAV SBB. Der Entstehungsgeschichte der Norm sei zu entnehmen, dass für alle beim Bund und bei den Bundesbetrieben beschäftigten Personen ein Mindeststandard gelten soll. Wer Kinderzulagen beziehe, solle für das erste Kind Anspruch auf eine gegenüber dem absoluten Minimum von jährlich Fr. 2'400.- um Fr. 1'400.- erhöhte Zulage erhalten (vgl. Art. 10 Abs. 3 lit. a Rahmenverordnung BPG). Für jedes weitere zulagenberechtigte Kind (vgl. Art. 10 Abs. 3 lit. b Rahmenverordnung BPG) sei der Betrag niedriger. Sinn und Zweck des höheren Zulagenbetrags für das erste zulagenberechtigte Kind sei es, die im einzelnen Haushalt anfallenden Kosten für den Kindesunterhalt wenigstens zum Teil abzugelten. Diesem sozialen Motiv, welches auch Art. 10 Abs. 3 der Rahmenverordnung BPG zugrunde liege, werde nicht nachgelebt, wenn einem wiederverheirateten Vater, der einen neuen Haushalt gegründet habe, die höhere Zulage für das erste bei ihm wohnende Kind verweigert werde. Diese Auslegung führe zur einfach zu handhabenden Lösung, dass die SBB für das erste Kind, für welches sie eine Familienzulage auszurichten habe, immer den höheren Ansatz von mindestens Fr. 3'840.- leisten müsse.

4.2 Bei der Auslegung der normativen Bestimmungen des GAV SBB sind die Regeln der Auslegung von Gesetzen heranzuziehen (BGE 136 III 283 E. 2.3.1 S. 284; vgl. auch BGE 130 V 18 E. 4.2 S. 30;
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STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 15 zu Art. 356 OR).
Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der massgeblichen Norm. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach der wahren Tragweite der Bestimmung gesucht werden, wobei alle Auslegungselemente zu berücksichtigen sind (Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zugrunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Entstehungsgeschichte ist zwar nicht unmittelbar entscheidend, dient aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Namentlich zur Auslegung neuerer Texte, die noch auf wenig veränderte Umstände und ein kaum gewandeltes Rechtsverständnis treffen, kommt den Materialien eine besondere Bedeutung zu. Vom Wortlaut darf abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Sind mehrere Auslegungen möglich, ist jene zu wählen, die der Verfassung am besten entspricht. Allerdings findet auch eine verfassungskonforme Auslegung ihre Grenzen im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung (BGE 138 II 440 E. 13 S. 453, BGE 138 II 557 E. 7.1 S. 565; BGE 138 IV 232 E. 3 S. 234; BGE 138 V 17 E. 4.2 S. 20; BGE 137 III 217 E. 2.4.1 S. 221).

4.3 Nach Wortlaut und Systematik des GAV SBB gilt der Grundsatz, dass ein zulagenberechtigtes Kind einen höheren Anspruch begründet als jedes weitere zulagenberechtigte Kind bis 16 Jahre. Der Ausdruck "zulagenberechtigt" deutet darauf hin, dass der Anspruch auf Zulagen gemäss GAV SBB Anknüpfungspunkt bildet. Wer bei den SBB angestellt ist und mindestens ein zulagenberechtigtes Kind gemäss GAV SBB hat, erhält eine Zulage gemäss Ziff. 103 Abs. 2 GAV SBB.

4.4 Das FamZG, auf welches sich die Familienzulagen gemäss Ziff. 103 Abs. 1 GAV SBB stützen, umschreibt Begriff und Zweck der Familienzulagen in Art. 2 wie folgt: Familienzulagen sind einmalige oder periodische Geldleistungen, die ausgerichtet werden, um die finanzielle Belastung durch ein oder mehrere Kinder teilweise auszugleichen. Die Zulagen beziehen sich somit auf die finanzielle Belastung durch den Unterhalt von Kindern und bezwecken einen zumindest teilweisen Ausgleich der damit verbundenen Kosten. Grundsätzlich wird zwischen direkten und indirekten
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Kinderkosten unterschieden. Die direkten Kinderkosten umfassen alle den Kindern zuzuordnenden zusätzlichen Ausgaben des Haushalts. Als indirekte Kinderkosten gilt der für die Betreuung und Erziehung aufgewendete, monetär bewertete Zeitaufwand. Schätzungen zufolge betragen in der Schweiz die durchschnittlichen Kinderkosten für ein erstes Kind 18 Prozent des Haushaltseinkommens und für weitere Kinder rund die Hälfte. Die indirekten Kosten belaufen sich ungefähr auf denselben Betrag (vgl. Botschaft vom 18. Februar 2004 zur Volksinitiative "Für fairere Kinderzulagen!", BBl 2004 1313, 1320 Ziff. 3.1.2; KIESER/REICHMUTH, a.a.O., N. 10 zu Art. 2 und N. 20 zu Art. 5 FamZG; vgl. auch BGE 122 V 125 E. 4a S. 130). Degressive Ansätze bei den Kinderzulagen - wie sie Ziff. 103 Abs. 2 GAV SBB für die Angestellten der SBB enthält - berücksichtigen die effektive Belastung der Haushaltsausgaben durch mehrere Kinder. Progressive Ansätze - wie sie einige Kantone vorsehen - haben demgegenüber den Zweck, kinderreichen Familien besonders wirksam zu helfen (KIESER/REICHMUTH, a.a.O., N. 20 zu Art. 5 FamZG). Sinn und Zweck der Abstufung des Zulagenbetrages nach Anzahl Kinder würde nicht nachgelebt, wenn einem wiederverheirateten Vater, der einen neuen Haushalt gründet, die höhere Zulage für ein bei ihm wohnendes zulagenberechtigtes Kind verweigert würde. Dies spricht dafür, den Entscheid, ob der Ansatz für ein Kind (Ziff. 103 Abs. 2 lit. a GAV SBB) oder für jedes weitere Kind (Ziff. 103 Abs. 2 lit. b GAV SBB) massgebend ist, nach der Anzahl zulagenberechtigter Kinder in der Haushalts- oder Familiengemeinschaft der bezugsberechtigten Person zu richten.

4.5 Ein wesentliches Merkmal der Familienzulagenordnung liegt in deren zivilstandsneutraler Ausgestaltung. Die Tatsache einer Änderung der Familienkonstellation (namentlich durch Scheidung) allein wirkt sich daher auf den grundsätzlichen Zulagenanspruch nicht aus, da sich dadurch am Kindesverhältnis, das regelmässig Anspruchsvoraussetzung ist, nichts ändert. Zu beeinflussen vermag die Scheidung oder Trennung indessen allenfalls die Frage, an wen die Zulage inskünftig auszurichten ist (PETRA FLEISCHANDERL, in: FamKomm Scheidung, Bd. II: Anhänge, 2. Aufl. 2011, N. 310 in Anh. Soz; MARCO REICHMUTH, Familienzulagen bei Scheidung und weiteren Familienkonstellationen, AJP 2012 S. 752). Soweit jedoch der Zulagenanspruch nicht an das Kind geknüpft wird, sondern an die erwerbstätige Person, welche die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, entfällt die Möglichkeit einer wesentlichen Vereinfachung der
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Anspruchskonkurrenz (KIESER/REICHMUTH, a.a.O., N. 35 zu Art. 7 FamZG). Der vorliegend zur Diskussion stehende GAV SBB knüpft an das "zulagenberechtigte Kind" und damit an das Arbeitsverhältnis bei der SBB an. Im Urteil 8C_758/2012 vom 6. Dezember 2012 hat das Bundesgericht die Frage der Verfassungsmässigkeit der degressiven Konzeption einer (ausserhalb des FamZG geregelten) Unterhaltszulagenordnung ohne Berücksichtigung des Umstandes, ob die Kinder in einem oder in mehreren Haushalten leben, offengelassen. Wie der Beschwerdeführer zu Recht festhält, würden er und seine Familie im Ergebnis benachteiligt, wenn ihm die höhere ergänzende Kinderzulage für das erste Kind aus zweiter Ehe verweigert würde und er erst dann die ergänzenden Leistungen erhielte, wenn seine geschiedene Ehefrau für die früher geborene Tochter aus erster Ehe keine Kinderzulagen mehr bezöge. Die sich an der Reihenfolge der Auszahlung der Kinderzulagen orientierende Auslegung der Vorinstanz trägt der finanziellen Belastung des Familienhaushalts des Beschwerdeführers nicht Rechnung und benachteiligt damit seine von der traditionellen Familienordnung abweichende Lebensgemeinschaft. Sie kann sich zudem weder auf den Wortlaut noch auf Sinn und Zweck des GAV SBB stützen.

4.6 Die Auslegung unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck führt somit zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf Kinderzulagen gestützt auf Ziff. 103 Abs. 2 lit. a GAV SBB hat. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen.

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Sachverhalt

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Referenzen

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