BGE 133 V 25
 
4. Auszug aus dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i.S. I. gegen C., Swisscanto Freizügigkeitsstiftung der Kantonalbanken und Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
B 68/05 vom 30. August 2006
 
Regeste
Art. 122 Abs. 1 ZGB; Art. 22 Abs. 2 FZG: Teilung der Austrittsleistungen bei Ehescheidung.
 
Sachverhalt


BGE 133 V 25 (26):

A. Mit Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 22. Juni 2004 wurde die am 5. Dezember 1986 zwischen I. und C. geschlossene Ehe geschieden. In Dispositiv-Ziffer 8 des Urteils stellte das Obergericht fest, dass jede Partei Anspruch auf die Hälfte der während der Ehedauer erworbenen, nach FZG zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten habe; dabei sei der WEF-Vorbezug von I. zu berücksichtigen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheides über das Teilungsverhältnis überwies das Obergericht die Streitsache am 18. Oktober 2004 dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zur Aufteilung der Guthaben aus der beruflichen Vorsorge. Das kantonale Verwaltungsgericht räumte den Parteien Gelegenheit ein, Anträge zu stellen und Unterlagen einzureichen, wovon diese mit Eingaben vom 1. Februar (I.) und 17. Februar sowie 11. März 2005 (C.) Gebrauch machten.
Mit Entscheid vom 27. April 2005 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass C. gegenüber der Swisscanto Freizügigkeitsstiftung der Kantonalbanken (im Folgenden: Swisscanto) Anspruch auf eine Austrittsleistung im Betrag von Fr. 64'727.- habe. Ferner wies es die Swisscanto an, innert 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheides vom Freizügigkeitskonto von I. den erwähnten Betrag auf das Freizügigkeitskonto von C. zu überweisen, wobei der genannte Betrag für den Zeitraum vom 26. April 2004 bis 31. Dezember 2004 mit 2,25 % und ab 1. Januar 2005 mit 2,5 % zu verzinsen sei. Sodann verhielt es I. zur Bezahlung einer Parteientschädigung von Fr. 1'000.- an seine geschiedene Ehefrau.


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B. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt I. die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Neuberechnung der seiner geschiedenen Ehegattin zustehenden Austrittsleistung. Er verlangt, dass nur ein Vorbezug für die Wohnung von Fr. 28'000.- statt Fr. 50'000.- angerechnet werde, sowie eine separate Aufteilung des Gewinnanteils von Fr. 37'746.- aus der Auflösung der Vorsorgeeinrichtung seiner früheren Arbeitgeberin, der Firma F. Schliesslich sei der angefochtene Entscheid hinsichtlich der C. zugesprochenen Parteientschädigung aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau nimmt in ablehnendem Sinne Stellung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. C. lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen und um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersuchen, während die als Mitinteressierte beigeladene Swisscanto unter Beilage aktualisierter Berechnungen der zu teilenden Austrittsleistungen beider Parteien auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Aus den Erwägungen:
2. Kommt im Rahmen eines Scheidungsverfahrens keine Vereinbarung über die Teilung der Austrittsleistungen sowie die Art der Durchführung der Teilung zu Stande, so entscheidet das Gericht über das Verhältnis, in welchem die Austrittsleistungen zu teilen sind (Art. 142 Abs. 1 ZGB). Sobald der Entscheid über das Teilungsverhältnis rechtskräftig ist, überweist das Gericht die Streitsache unter Mitteilung der massgebenden Informationen (Art. 142 Abs. 3 Ziff. 1-4 ZGB) von Amtes wegen dem nach dem FZG vom 17. Dezember 1993 zuständigen Gericht (Art. 142 Abs. 2 ZGB), welches gestützt auf den vom Scheidungsgericht bestimmten Teilungsschlüssel die Teilung von Amtes wegen durchzuführen hat (Art. 25a Abs. 1 FZG), wobei die Ehegatten und die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge in diesem Verfahren Parteistellung haben (Art. 25a Abs. 2 FZG).
Gehört ein Ehegatte oder gehören beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge an und ist bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten, so hat laut Art. 122 Abs. 1 ZGB jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der nach dem

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Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten. Gemäss Art. 22 Abs. 1 FZG werden bei Ehescheidung die für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistungen nach den Art. 122, 123, 141 und 142 ZGB geteilt; die Art. 3-5 FZG sind auf den zu übertragenden Betrag sinngemäss anwendbar. Die zu teilende Austrittsleistung eines Ehegatten entspricht der Differenz zwischen der Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Ehescheidung und der Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung (vgl. Art. 24 FZG). Für diese Berechnung sind die Austrittsleistung und das Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung auf den Zeitpunkt der Ehescheidung aufzuzinsen. Barauszahlungen während der Ehedauer werden nicht berücksichtigt (Art. 22 Abs. 2 FZG).
 
Erwägung 3
3.1 Gestützt auf die Angaben der Swisscanto steht fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ehescheidung ein Freizügigkeitsguthaben von Fr. 147'557.- (aufgezinst) und C. ein solches von Fr. 9'546.- (aufgezinst), besassen. Zum Guthaben des Beschwerdeführers addierte die Vorinstanz den von diesem getätigten Vorbezug von Fr. 50'000.- zum Erwerb von Wohneigentum, sodass sich eine zu teilende Austrittsleistung des geschiedenen Ehemannes von Fr. 139'000.- ergab (Fr. 147'557.- minus Fr. 58'577.- [aufgezinstes Freizügigkeitsguthaben bei Eheschliessung] plus Fr. 50'000.- Vorbezug). Das Freizügigkeitsguthaben von C. belief sich zum Zeitpunkt der Scheidung auf Fr. 9'546.-. Aus der hälftigen Teilung des Differenzbetrages von Fr. 129'454.- (Fr. 139'000.- minus Fr. 9'546.-) resultierte gemäss angefochtenem Entscheid der vom Freizügigkeitskonto des Beschwerdeführers auf das Freizügigkeitskonto von C. zu überweisende Betrag von Fr. 64'727.-.
3.2 Der Beschwerdeführer wendet sich in zwei Punkten gegen die Berechnung der Vorinstanz. Er macht geltend, vom Vorbezug von Fr. 50'000.- dürfe nur der Betrag, der tatsächlich für den Erwerb der Wohnung eingesetzt wurde (Fr. 28'000.-), in die Teilung einfliessen, nicht aber der Betrag von Fr. 22'000.-, der für laufende Ausgaben verwendet worden sei. Weiter vertritt er die Auffassung, die bei der Liquidation der Vorsorgeeinrichtung seiner früheren Arbeitgeberin, der Firma F., ausbezahlten freien Mittel seien separat aufzuteilen, weil diese auf der Basis seines gesamten Vorsorgekapitals, somit auch des vor der Ehe erworbenen

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Guthabens, berechnet worden seien. Der auf diese Zeit entfallende Betrag (einschliesslich Zins Fr. 19'864.-) sei vor der Teilung von der Gesamtsumme abzuziehen.
3.3.1 Nach Art. 30c Abs. 6 BVG gilt der Vorbezug (für Wohneigentum) im Falle der Ehescheidung als Freizügigkeitsleistung und wird nach den Art. 122, 123 und 141 ZGB sowie Art. 22 FZG geteilt. Nachdem sich das Obergericht des Kantons Thurgau für die hälftige Teilung ausgesprochen hat, ist auch der Vorbezug in diesem Verhältnis zu teilen. Dass der Vorbezug von Fr. 50'000.- seinerzeit nicht auf das Privatkonto des Beschwerdeführers hätte ausbezahlt werden dürfen (Art. 6 Abs. 2 WEFV [SR 831.411]), hat keinen Einfluss auf die Teilung. Wie das BSV zutreffend feststellt, führt sodann der Umstand, dass der Vorbezug nur teilweise für den Wohnungskauf eingesetzt wurde, zu keiner Abweichung von der hälftigen Teilung: Dem Beschwerdeführer wurde am 15. Januar 1996 von der Personalvorsorgestiftung der Firma F. ein Betrag von Fr. 50'000.- als Vorbezug zur Finanzierung einer Eigentumswohnung ausbezahlt; ein Vorsorgefall ist seither nicht eingetreten, weshalb nach Art. 30c Abs. 6 BVG vorzugehen ist. Die teilweise Zweckentfremdung des Vorbezugs für den Erwerb von Konsumgütern ist somit im vorliegenden Teilungsverfahren ausser Acht zu lassen. Im Übrigen ist nicht einzusehen, weshalb die zweckwidrige Verwendung des Betrages von Fr. 22'000.- sich im Rahmen des vorsorgerechtlichen Ausgleichs zu Lasten der geschiedenen Ehefrau auswirken sollte, nachdem nicht belegt ist, wofür diese Mittel verwendet wurden.
3.3.2 Am 26. Mai 1998 teilte die Firma A. dem Beschwerdeführer mit, die Personalvorsorgestiftung der Firma F. werde liquidiert, wobei freie Mittel verteilt würden. Bezugsberechtigt seien alle Versicherten, die nach dem 1. Januar 1992 ausgetreten sind und mindestens 12 Monate in einem Arbeitsverhältnis standen. Die Berechnungsgrundlage bilde die gesamte Freizügigkeitsleistung (...). Sein Anteil am freien Vermögen betrage Fr. 10'900.-. Am 23. Juli 1998 wurde die Berechnung auf Einsprache des Beschwerdeführers hin korrigiert und der Anteil am freien Vermögen belief

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sich neu auf Fr. 19'890.-. Der Beschwerdeführer macht nun geltend, der aufgezinste Anteil am freien Stiftungsvermögen der liquidierten Vorsorgeeinrichtung der Firma F. dürfe nicht in vollem Umfang als der Teilung unterliegende Freizügigkeitsleistung betrachtet werden, da er bereits vor der Eheschliessung Freizügigkeitsleistungen geäufnet habe, welche als Grundlage für die Ermittlung des ihm zustehenden Anteils an den freien Mitteln aus der Liquidation gedient hätten.
3.3.3 Dieser Einwand ist unbegründet. Von der Teilung nach Art. 122 ZGB werden sämtliche Ansprüche aus den Säulen 2a und 2b erfasst (Urteil vom 26. Januar 2004, B 36/03, teilweise publiziert in FamPra.ch 2004 S. 393). Bei einer Teil- oder Gesamtliquidation der Vorsorgeeinrichtung besteht neben dem Anspruch auf die Austrittsleistung ein individueller oder kollektiver Anspruch auf die freien Mittel (Art. 23 Abs. 1 FZG). Realisiert sich dieser während der Ehe, erhöht sich die Austrittsleistung. Beide Parteien profitieren grundsätzlich hälftig von diesen Mitteln. Eine Aufteilung auf die Zeit vor und während der Ehe ist kaum möglich, weil der Verteilungsplan die Beitragsdauer nicht berücksichtigen muss (SCHWENZER, FamKomm. Scheidung, Bern 2005, N. 24 zu Art. 122 ZGB; THOMAS GEISER, Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, Rz. 2.63, in: Heinz Hausheer [Hrsg.], Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Bern 1999).
3.3.5 Die freien Mittel wurden dem Beschwerdeführer zufolge Liquidation der Vorsorgeeinrichtung der Firma F. im Jahre 1998, während der Ehe, ausbezahlt. Sie wurden nicht auf Grund der

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Beitragsdauer, sondern nach Massgabe der gesamten Freizügigkeitsleistung berechnet. Abgesehen davon, dass die Sichtweise des Beschwerdeführers im Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 Satz 1 FZG keine Stütze findet - können die während der Ehe ausbezahlten freien Mittel doch nicht als Austrittsleistung zuzüglich allfälliger Freizügigkeitsguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung aufgefasst werden -, spricht auch die Tatsache, dass die Höhe der ausbezahlten freien Mittel von der gewählten Berechnungsmethode abhängt, welche, wie im vorliegenden Fall, die Beitragsdauer ausser Acht lassen kann, gegen eine Aufteilung in die Zeit vor und nach der Eheschliessung. Denn in vergleichbaren Fällen sind andere Verteilschlüssel möglich, wie das BSV richtig bemerkt. Je nach Berechnungsgrundlage für die Verteilung der freien Mittel, z.B. unter oder ohne Einbezug von Freizügigkeitsguthaben aus der Zeit vor der Eheschliessung, auf Grund der Dauer der Zugehörigkeit zur Vorsorgeeinrichtung, usw. (vgl. die Zusammenstellung in BGE 128 II 398 f. E. 4.2 und 4.3 mit Hinweisen; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 435 N. 1162), müsste alsdann ein Teil der freien Mittel bei der Berechnung der der Teilung unterliegenden Austrittsleistung ausgeklammert oder berücksichtigt werden, was zwangsläufig zu rechtsungleicher Behandlung der jeweils Betroffenen führen würde, die während der Ehe in den Genuss der Auszahlung freier Mittel gelangen und im Fall der Scheidung je nach gewähltem Berechnungsmodus vorab Anspruch auf einen Teil der ungebundenen Mittel erheben könnten oder nicht.
Dass das Obergericht des Kantons Thurgau im Scheidungsurteil vom 22. Juni 2004 der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung beipflichtete, ist für das Berufsvorsorgegericht sodann nicht verbindlich, da das Scheidungsgericht nach Art. 142 Abs. 1 ZGB nur den Verteilschlüssel festzulegen hat.
Schliesslich ist mit dem BSV darauf hinzuweisen, dass Art. 22 Abs. 3 FZG, wonach Anteile einer Einmaleinlage, die ein Ehegatte während der Ehe aus Mitteln finanziert hat, die unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung von Gesetzes wegen sein Eigengut wären (Art. 198 ZGB), zuzüglich Zins von der zu teilenden Austrittsleistung abzuziehen sind, entgegen der offenbaren Auffassung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Denn bei den freien Mitteln geht es nicht um Einlagen im Sinne von Art. 22 Abs. 3 FZG, sondern um die nicht gebundenen

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Mittel der Vorsorgeeinrichtung, welche den Destinatären bei der Liquidation der Stiftung zugute kommen.
4. Auf dem Gebiet der beruflichen Vorsorge besteht für das kantonale Verfahren kein bundesrechtlich geregelter Anspruch auf Parteientschädigung (vgl. Art. 73 Abs. 2 BVG). Mit dem kantonalen Recht hat sich das Eidgenössische Versicherungsgericht grundsätzlich nicht zu befassen (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 VwVG). Es hat nur zu prüfen, ob die Anwendung der einschlägigen kantonalen Bestimmungen oder - bei Fehlen solcher Vorschriften - die Ermessensausübung durch das kantonale Gericht zu einer Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG), insbesondere des Willkürverbots, geführt hat (BGE 120 V 416 E. 4a; BGE 114 V 205 E. 1a). Der Beschwerdeführer vermag nicht geltend zu machen, inwiefern die Zusprechung einer Parteientschädigung von Fr. 1'000.- im kantonalen Verfahren an die Beschwerdegegnerin willkürlich sein oder anderweitig Bundesrecht verletzen soll. Sein Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheides hinsichtlich der Parteikosten ist unbegründet.