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Urteilskopf

104 V 42


9. Urteil vom 19. Januar 1978 i.S. Wili gegen Ausgleichskasse des Kantons Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern

Regeste

Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer während dessen Militärdienst den Lohn bezahlt, steht ihm die Erwerbsausfallentschädigung zu, ohne Rücksicht auf Art und Dauer des Dienstes und ohne Rücksicht darauf, ob der Dienst ganz oder teilweise in die Freizeit fällt oder ob der Dienstpflichtige wegen seiner besonderen Stellung der beruflichen Tätigkeit trotz des Dienstes voll nachkommen kann (Bestätigung der Rechtsprechung).
Art. 5 Abs. 1 EOV. Analoge Anwendung dieser Bestimmung bei der Aufteilung der Einkommensbestandteile im Sinne von Rz 222 der Wegleitung zur EO.

Sachverhalt ab Seite 43

BGE 104 V 42 S. 43

A.- Dr. Wili führt ein Advokaturbüro. Ausserdem ist er seit 1960 nebenamtliches Mitglied des Kriminalgerichts des Kantons Luzern, wofür er eine Jahresbesoldung erhält. Dr. Wili ist in der Militärjustiz eingeteilt. Er leistete im Jahre 1973 37 Tage Dienst als Untersuchungsrichter und vom 1. Januar bis 30. September 1974 15 Tage als Auditor. Diese besoldeten Diensttage bestanden teils aus Kalendertagen, teils aus sogenannten Mühewalttagen (8 Stunden Aktenstudium = 1 Diensttag).
Am 4. Dezember 1974 erliess die Ausgleichskasse die Verfügung betreffend die Erwerbsausfallentschädigung für die von Dr. Wili in der Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. September 1974 geleisteten Diensttage. Danach kommt die Betriebszulage (Art. 8 EOG) Dr. Wili ganz zu, die Grundentschädigung wird dagegen zwischen ihm und dem Kanton Luzern aufgeteilt, und zwar im Verhältnis der Erwerbseinkommen des Dr. Wili als Kriminalrichter einerseits und für seine übrige Tätigkeit anderseits.

B.- Beschwerdeweise liess Dr. Wili beantragen, in Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei die Ausgleichskasse zu verhalten, ihm künftig die gesamte Erwerbsausfallentschädigung für seine Dienstleistungen auszurichten und ihm für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. September 1974 einen Betrag von Fr. 1'390.55 nachzuzahlen; eventuell sei das Beteiligungsverhältnis des Kantons an der Erwerbsausfallentschädigung auf Grund seines Bruttoeinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit (anstelle des Nettoeinkommens) festzulegen. Er machte geltend, aus seiner Tätigkeit als Justizoffizier sei dem Staat keinerlei Nachteil erwachsen, da er sein Amt als Kriminalrichter trotz Militärdienstes absenzen- und lückenlos erfüllt habe. Eine Beteiligung des Arbeitgebers an der Erwerbsausfallentschädigung komme nur in Frage, wenn er infolge der dienstlichen Abwesenheit des Arbeitnehmers auf dessen Arbeitsleistung verzichten müsse. Der von der Ausgleichskasse vorgenommenen Auslegung von Rz 222 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung zur Erwerbsersatzordnung (EO) fehle die gesetzliche Grundlage. Zudem widerspreche es Treu und Glauben, wenn die Verwaltung vom Januar 1973 hinweg eine Aufteilung vornehme, nachdem sie ihm bis Ende 1972 richtigerweise die volle Entschädigung ausgerichtet habe. - Selbst wenn indessen eine Aufteilung zulässig sein sollte, müsste zu deren Berechnung auf das
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Bruttoeinkommen als Anwalt abgestellt werden und nicht auf das Nettoeinkommen, weil sonst der effektive Umfang der Tätigkeit als Anwalt und als Kriminalrichter verzerrt würde.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern korrigierte die Kassenverfügung in einem Nebenpunkt, wies im übrigen aber die Beschwerde ab. Es stützte sich im wesentlichen auf EVGE 1965 S. 212, wonach dem Arbeitgeber die Erwerbsausfallentschädigung ohne Rücksicht darauf zukommt, ob er während des Militärdienstes seines Arbeitnehmers einen materiellen Nachteil erleidet. Was die Aufteilung des Anspruchs auf die Entschädigung anbelangt, erachtete das Gericht die Rz 221 und 222 der Wegleitung zur Erwerbsersatzordnung als gesetzmässig und stellte namentlich fest, dass auf das nach AHVG beitragspflichtige Erwerbseinkommen abzustellen sei. Wenn auch diese Lösung nicht ohne weiteres zu befriedigen vermöge, so entspreche sie doch der gesetzlichen Konzeption, die der generell abstrakten Aufteilung den Vorzug gegeben habe und damit Zweifelsfälle und Untersuchungsmassnahmen auf ein praktikables Mass reduziere. Nicht zu prüfen sei schliesslich, aus welchen Gründen früher dem Kanton Luzern sein Anteil an der Erwerbsausfallentschädigung des Dr. Wili nicht zugekommen sei; denn aus einer abweichenden früheren Praxis allein könnte der Beschwerdeführer ohnehin keinen Rechtsanspruch zu seinen Gunsten ableiten.

C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Dr. Wili die Anträge stellen, in Aufhebung der Kassenverfügung und des kantonalen Entscheides sei die Ausgleichskasse anzuweisen, ihm künftig die gesamte Entschädigung für seine Dienstleistungen auszurichten und ihm für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. September 1974 einen Betrag von Fr. 1'087.85 nachzuzahlen; eventuell sei die Einkommensaufteilung aus selbständiger und unselbständiger Arbeit neu festzusetzen und für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 30. September 1974 als selbständiges Erwerbseinkommen sein Bruttoeinkommen in Anschlag zu bringen. Dr. Wili beharrt auf dem Standpunkt, der Arbeitgeber dürfe nur dann einen Anteil an der Entschädigung beanspruchen, wenn er während des Militärdienstes den Lohn weiter bezahle, obschon der Arbeitnehmer durch den Militärdienst an der Arbeitsleistung verhindert oder zumindest eingeschränkt worden sei; erleide dagegen der Arbeitgeber durch den Militärdienst des Arbeitnehmers keinen materiellen Nachteil, so würde er sich ungerechtfertigt
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bereichern, wenn er einen Anteil an der Erwerbsausfallentschädigung erhielte. Geschädigt sei im vorliegenden Fall nicht der Kanton Luzern als Arbeitgeber, sondern er selber, denn der Militärdienst schränke seine selbständige Erwerbstätigkeit als Anwalt ein; das dadurch reduzierte Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit müsse durch die Erwerbsausfallentschädigung ersetzt werden, was dem Grundgedanken des Gesetzes entspreche. Das Urteil des Verwaltungsgerichts führe zum paradoxen Ergebnis, dass er desto mehr von seiner Entschädigung dem Staate Luzern überlassen müsse, als er mehr Militärdienst leiste. Sollte das Eidg. Versicherungsgericht jedoch an einer Aufteilung festhalten, so müsse für die Ausscheidung der beiden Einkommensteile auf das Bruttoeinkommen als Anwalt abgestellt werden. Ausserdem sei das hypothetische Einkommen hinzuzurechnen, das er als Anwalt erzielt hätte, wenn er nicht hätte Militärdienst leisten müssen. Schliesslich wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu die Frage aufgeworfen, ob nicht richtiger- und gerechterweise auf das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit der Jahre 1973 und 1974 anstelle von 1971 und 1972 abgestellt werden müsse.
Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. a) Laut Art. 19 Abs. 2 EOG wird die Erwerbsausfallentschädigung in der Regel dem Dienstpflichtigen ausgerichtet; ausnahmsweise kommen die Entschädigungen gemäss Art. 4-7 EOG in dem Ausmass dem Arbeitgeber zu, als er dem Dienstpflichtigen für die Zeit des Dienstes Lohn oder Gehalt ausrichtet (Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG).
Die Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung zur Erwerbsersatzordnung (Stand 1. Mai 1972) enthält hiezu in den Rz 220 und 222 folgende Grundsätze...
220 Zahlt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer für die Zeit seiner obligatorischen oder freiwilligen Dienstleistung den vollen Lohn aus, so kommt daher in der Regel die Entschädigung dem Arbeitgeber zu, auch wenn dieser durch die Dienstleistung des Arbeitnehmers keinen materiellen Nachteil erleidet, das heisst der Arbeitnehmer wegen des Dienstes keine Arbeitszeit ausfallen lässt. Dies gilt unabhängig von der Art und Dauer des Dienstes und gleichgültig, ob dieser ganz oder teilweise in die Freizeit des Arbeitnehmers fällt oder ob der Arbeitnehmer wegen seiner besondern
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Stellung der beruflichen Tätigkeit trotz des Dienstes voll nachkommen kann.
222 Ist der Dienstpflichtige gleichzeitig Unselbständigerwerbender und Selbständigerwerbender, so kommt dem Arbeitgeber höchstens der Teil der gesamten Entschädigung zu, welcher dem Erwerbseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit am gesamten Erwerbseinkommen entspricht. Der Restbetrag ist dem Dienstpflichtigen auszubezahlen.
b) Rz 220 stützt sich auf EVGE 1965 S. 212, in welchem Urteil das Gericht in Änderung der bisherigen Rechtsprechung festhielt, dass die Erwerbsausfallentschädigung dem Arbeitgeber in dem Ausmass zukomme, als er dem Dienstpflichtigen während der Zeit des Militärdienstes Lohn zahle, gleichgültig, ob der Dienst ganz oder teilweise in die Freizeit fällt oder ob der Dienstpflichtige wegen seiner besonderen Stellung der beruflichen Tätigkeit trotz des Dienstes voll nachkommen kann. Dem Arbeitgeber stehe daher die Entschädigung zu ohne Rücksicht darauf, ob ihm wegen des Militärdienstes des Arbeitnehmers ein materieller Nachteil erwachse oder nicht. Denn mit der Vorschrift von Art. 1 Abs. 1 EOG, wonach die Erwerbsausfallentschädigung für jeden besoldeten Diensttag ausgerichtet wird, habe das Gesetz eine abstrakte Regelung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit des Einzelfalles getroffen.
Es besteht kein Anlass, heute von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die Durchführbarkeit der EO erfordert in dieser Hinsicht eine abstrakte und schematische Ordnung. Andernfalls müssten im Einzelfall Abklärungen vorgenommen werden, die übermässige Umtriebe verursachen würden und deren Resultat vielfach wenig zuverlässig wäre. Unerheblich ist dabei, ob im Einzelfall eine solche Abklärung noch zu bewerkstelligen wäre. Denn der in EVGE 1965 S. 212 festgehaltene Grundsatz gestattet auch dort keine Ausnahme, wo eine Abklärung ohne unverhältnismässigen Aufwand vielleicht durchführbar wäre und ein dem konkreten Fall besser angepasstes Resultat ermöglichte. Sonst würden jene Dienstpflichtigen rechtlich schlechter gestellt, deren Arbeitsverhältnis eine einfache und zuverlässige Abklärung eben nicht zulässt.
c) Die in Rz 222 der Wegleitung zur EO vorgesehene Aufteilung, die sich auf den Fall von gleichzeitiger selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit bezieht, erweist sich für den Normalfall als sachgerecht, wo der Dienstpflichtige
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durch den Militärdienst an beiden Erwerbstätigkeiten gehindert wird.
Diese Aufteilung ist aber auch dann vorzunehmen, wenn der Dienstpflichtige durch den Militärdienst zwar nicht in der unselbständigen, jedoch umso mehr in der selbständigen Erwerbstätigkeit eingeschränkt wird. Denn nach dem in Erw. 1 b Gesagten darf nicht danach unterschieden werden, ob der Arbeitgeber einen materiellen Nachteil erleidet oder nicht. Eine Sonderlösung scheitert ebenfalls am Erfordernis der Praktikabilität. Denn es ist in solchen Fällen in der Regel nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit abklärbar, ob die militärdienstlichen Verrichtungen die selbständige Erwerbstätigkeit tatsächlich beeinträchtigten oder ob (bzw. allenfalls inwieweit) sie in der Freizeit erledigt werden können.

2. Aus dem Gesagten folgt, dass der hauptberuflich als selbständiger Anwalt und nebenamtlich als Kriminalrichter tätige Beschwerdeführer nicht die volle Erwerbsausfallentschädigung beanspruchen kann, sondern dass diese gemäss Rz 220 und 222 der Wegleitung zur EO zwischen ihm und dem Kanton Luzern aufgeteilt werden muss. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, der von der Ausgleichskasse vorgenommenen Auslegung von Rz 222 der Wegleitung zur EO fehle die gesetzliche Grundlage, ist unbegründet. Nicht stichhaltig ist auch sein Argument, durch geschickte Terminplanung habe der Militärdienst noch nie mit einer Kriminalgerichtssitzung kollidiert und auch an den Vorbereitungen für jene Sitzungen härte ihn seine Tätigkeit als Justizoffizier nie gehindert. Denn das Gesetz will durch die abstrakte Ordnung des Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG in Fällen wie dem vorliegenden vermeiden, dass solche Abklärungen überhaupt vorgenommen werden müssen. Der Grundsatz des Nachteilsausgleichs, auf den sich der Beschwerdeführer im wesentlichen noch beruft, ist durch die heutige gesetzliche Ordnung zur Fiktion geworden, wie schon in EVGE 1965 S. 214 festgestellt worden ist. Der Hauptantrag des Beschwerdeführers muss somit abgewiesen werden.

3. Mit dem Eventualantrag macht der Beschwerdeführer geltend, zur Bestimmung des Umfangs seiner unselbständigen und selbständigen Erwerbstätigkeit und damit des Beteiligungsverhältnisses des Kantons Luzern an der Erwerbsausfallentschädigung dürfe nicht auf sein Nettoeinkommen als Rechtsanwalt abgestellt werden; vielmehr sei das Bruttoeinkommen
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heranzuziehen, weil die Unkosten seines Anwaltsbüros auch während der militärdienstlichen Tätigkeiten weiterliefen. Zudem sei der Betrag seines Anwaltseinkommens um den Einkommensteil aufzuwerten, den er in der Advokatur infolge seiner Tätigkeit als Justizoffizier verloren habe.
Diese Anträge erweisen sich als unbegründet. Art. 5 EOV stellt zur Bemessung der Entschädigungen bei Selbständigerwerbenden auf das gemäss AHVG beitragspflichtige Erwerbseinkommen ab und lässt Raum weder für das Bruttoeinkommen noch für ein im Sinne des Beschwerdeführers aufgewertetes Einkommen. Ausserdem übersieht der Beschwerdeführer, dass die Betriebszulage in der angefochtenen Verfügung nicht aufgeteilt wird, sondern ihm gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG ungeschmälert zukommt; damit wird dem Gesichtspunkt der laufenden Betriebsunkosten hinreichend Rechnung getragen.

4. a) Es fragt sich, wie im vorliegenden Fall die Aufteilung der Erwerbsausfallentschädigung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kanton Luzern im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG in Verbindung mit Rz 222 der Wegleitung zur EO vorzunehmen ist.
Der Beschwerdeführer wirft erstmals in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Frage auf, ob anstelle des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit in den Jahren 1971 und 1972 nicht das 1973 und 1974 erzielte Einkommen mit der 1973 und 1974 ausgerichteten Besoldung für seine Tätigkeit als Kriminalrichter verglichen werden müsste, weil der zufolge Militärdienstes ausgefallene Erwerb zu ersetzen sei.
Die Ausgleichskasse hat dagegen gemäss Art. 5 Abs. 1 erster Satz EOV in der angefochtenen Verfügung das Einkommen, das der Beschwerdeführer in den Jahren 1973 und 1974 als Kriminalrichter erzielt hatte, dem Einkommen aus der Anwaltstätigkeit gegenübergestellt, welches durch die AHV-Beitragsverfügungen für die Beitragsjahre 1973 (Neufestsetzung vom 18. März 1975) und 1974/1975 (vom 25. März 1974) ausgewiesen war. Diese Verfügungen über die persönlichen Beiträge basierten gemäss Art. 22 AHVV auf den Berechnungsjahren 1969/1970 bzw. 1971/ 1972. Die Ausgleichskasse verglich mithin zwei Einkommensteile miteinander, die aus verschiedenen Zeitabschnitten stammen.
Es erweist sich im Normalfall als unmöglich, eine zeitliche Identität der Vergleichsgrundlagen zu erreichen. Zwar wäre es
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denkbar, für die Aufteilung das Anwaltseinkommen aus den Jahren 1973 und 1974 als Grundlage heranzuziehen, um es dem Kriminalrichtereinkommen desselben Zeitabschnitts gegenüberzustellen. Eine solche Lösung ist aber deswegen nicht realisierbar, weil im Zeitpunkt, da die Entschädigung bemessen und ausbezahlt werden muss, in der Regel die entsprechenden AHV-Beitragsverfügungen noch nicht vorliegen. Umgekehrt könnte das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit aus jener Zeitperiode herangezogen werden, auf welcher die AHV-Beitragsverfügungen als Berechnungsperiode basierten. Diese Methode wäre jedoch dort nicht anwendbar, wo die unselbständige Erwerbstätigkeit erst nach der AHV-Bemessungsperiode aufgenommen wird. Zudem ergäbe sich ein Unterschied zwischen den Einkommensgrundlagen, die der Ausscheidung der Einkommensteile im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG in Verbindung mit Rz 222 der Wegleitung zur EO dienen, und denjenigen, die nach Art. 2 ff. EOV zur Bemessung der Entschädigungshöhe massgebend sind.
Ist eine zeitliche Identität der Vergleichsgrundlagen nicht erreichbar, drängt sich eine Regelung auf, die sich an die Bestimmungen anlehnt, welche in den Art. 2 ff. EOV für die Bemessung der Entschädigung niedergelegt ist. Nimmt diese Ordnung aber in Kauf, dass die Grundlagen für die Bemessung der Entschädigung aus verschiedenen Zeitabschnitten stammen, so muss dies auch dann gelten, wenn es darum geht, die Einkommensteile im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG in Verbindung mit Rz 222 der Wegleitung zur EO auszuscheiden. Diese Methode führt bei stabilen Einkommensverhältnissen in der Regel zu keinen stossenden Ergebnissen.
Anders kann es sich indessen verhalten, wenn das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit erheblichen Schwankungen unterworfen ist, insbesondere wenn es seit der für die AHV massgebenden Berechnungsperiode in wesentlichem Masse angestiegen ist. Art. 5 Abs. 1 letzter Satz EOV bestimmt im Rahmen der Bemessung der Entschädigung für Selbständigerwerbende für diesen Fall folgendes: "Ergeht in der Folge eine abweichende Beitragsverfügung für das Jahr der Dienstleistung, so kann der Dienstpflichtige innert 3 Monaten seit der rechtskräftigen Festsetzung des Beitrages die Neubemessung der Entschädigung verlangen. "Es rechtfertigt
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sich, diese Ordnung bei der Ausscheidung der Einkommensteile gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG in Verbindung mit Rz 222 der Wegleitung zur EO analog anzuwenden, denn damit lassen sich untragbare Verzerrungen im Verhältnis der beiden Erwerbstätigkeiten vermeiden.
b) Im vorliegenden Fall erscheint die Behauptung des Beschwerdeführers, sein Einkommen aus der Anwaltstätigkeit habe sich in den Jahren 1973 und 1974 gegenüber früheren Jahren gesteigert, auf Grund der von ihm eingereichten Steuerakten nicht unglaubwürdig... Seine Angaben lassen erwarten, dass die AHV-Beitragsverfügung für 1976/1977, wofür die Berechnungsjahre 1973/ 1974 der 18. Wehrsteuerperiode massgebend sind, erheblich höher ausfallen wird als die der angefochtenen Kassenverfügung zugrunde gelegten AHV-Beitragsverfügungen für 1973 und 1974/1975.
Ob die Verfügung über die für 1976/1977 geschuldeten persönlichen Beiträge bereits ergangen ist, kann den Akten nicht entnommen werden. Diese Frage braucht indessen nicht näher untersucht zu werden, denn der Beschwerdeführer kann sich ohnehin nach dem Gesagten auf die sinngemässe Anwendung von Art. 5 Abs. 1 letzter Satz EOV berufen und eine Korrektur der gemäss Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG in Verbindung mit Rz 222 der Wegleitung zur EO vorzunehmenden Aufteilung der Einkommensbestandteile verlangen. Im Hinblick auf das vorliegende Verfahren hat die Frist von 3 Monaten jedenfalls als eingehalten zu gelten.
c) Die Ausgleichskasse, an welche die Sache in diesem Punkt zurückgewiesen wird, hat gestützt auf die AHV-Beitragsverfügung für 1976/1977 bei der Aufteilung der Einkommensbestandteile den Anteil des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit neu zu berechnen und über die dem Beschwerdeführer für 1973 und 1974 zustehende Erwerbsausfallentschädigung neu zu verfügen...

Dispositiv

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 13. November 1975 sowie die angefochtene Kassenverfügung vom 4. Dezember 1974 aufgehoben. Die Sache wird an die Ausgleichskasse des Kantons Luzern zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4

Dispositiv

Referenzen

Artikel: Art. 19 Abs. 2 lit. c EOG, Art. 2 ff. EOV, Art. 5 Abs. 1 EOV, Art. 8 EOG mehr...