BGE 146 IV 201
 
20. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A., B. und Mitb. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt und Eidgenössische Spielbankenkommission (Beschwerde in Strafsachen)
 
6B_178/2019 und andere vom 1. April 2020
 
Regeste
Art. 70 und 71 StGB; Berechnung der Ersatzforderung im Zusammenhang mit Vermögenswerten, welche im Rahmen eines illegalen Pokerturniers gewonnen wurden.
 
Sachverhalt


BGE 146 IV 201 (202):

A. Mit Strafbescheid vom 19. Januar 2012 verurteilte die Eidgenössische Spielbankenkommission (nachfolgend: ESBK) R. wegen Organisierens und gewerbsmässigen Betriebs von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken zu einer Busse von Fr. 4'500.-. Dabei warf sie R. konkret vor, in der Zeit vom 3. Juni 2010 bis 9. März 2011 einen Pokerturnier-Club betrieben und den Spielern Utensilien zum Glücksspiel abgegeben bzw. bereitgestellt zu haben.
B. Nachdem der Strafbescheid vom 19. Januar 2012 in Rechtskraft erwachsen war, erliess die ESBK gegen zahlreiche Personen, welche an den von R. betriebenen Pokerturnieren teilgenommen hatten, einen Einziehungsbescheid. Darin wurden die Turnierteilnehmer jeweils verpflichtet, dem Bund eine Ersatzforderung zu bezahlen.
Ein Teil dieser Einziehungsbescheide erging Ende 2012 und im Februar 2013. Weitere Bescheide waren zu diesem Zeitpunkt bereits vorbereitet worden.


BGE 146 IV 201 (203):

C. Gegen die Ende 2012 bzw. im Februar 2013 ergangenen Einziehungsbescheide wurde von mehreren Einziehungsbetroffenen Einsprache erhoben. Dabei wurde teilweise verlangt, dass aus prozessökonomischen Gründen ein Pilotprozess durchgeführt werde. Die ESBK hiess diesen Antrag gut und führte das gewünschte Verfahren anhand des Einsprechers S. durch. Die bereits eingeleiteten Einziehungsverfahren und die bereits erhobenen Einsprachen wurden informell sistiert und das Pilotverfahren abgewartet, welches mit dem unangefochtenen Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 21. Oktober 2014 seinen Abschluss fand.
Im April 2016 stellte die ESBK weiteren Einziehungsbetroffenen einen Einziehungsbescheid zu.
D. Die von verschiedenen Einziehungsbetroffenen gegen die Einziehungsbescheide erhobenen, im Pilotprozess noch nicht behandelten Einsprachen, wies die ESBK mit separaten Einziehungsverfügungen vom 14. Oktober 2016 ab und bestätigte die von ihr zuvor verfügten Ersatzforderungen.
Daraufhin stellte ein Teil der Einziehungsbetroffenen ein Begehren um gerichtliche Beurteilung.
E. In der Folge verpflichtete das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt (Einzelgericht) einen Grossteil der Einziehungsbetroffenen, welche die Beurteilung durch das Gericht verlangt hatten, zur Bezahlung einer Ersatzforderung an den Bund in unterschiedlicher Höhe, wobei die jeweiligen Forderungen mehrheitlich weniger als Fr. 10'000.- betrugen.
F. Gegen diese separat ergangenen Verfügungen erhoben sowohl die ESBK wie auch diverse Einziehungsbetroffene Beschwerde beim Appellationsgericht Basel-Stadt. Dieses vereinigte die verschiedenen Verfahren. Mit Entscheid vom 2. Oktober 2018 (bzw. Rektifikat vom 5. Februar 2019) hiess es die Beschwerde der ESBK teilweise gut und legte die Höhe der an den Bund zu bezahlenden Ersatzforderungen für einen Teil der Einziehungsbetroffenen neu fest. Im Übrigen wies es die Beschwerden in Bestätigung der angefochtenen Verfügungen ab.
G. Gegen den Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 2. Oktober 2018 führen A., B., C., D., E., F., G., H., I., J., K., L., M., N., O., P. und Q. (gesamthaft nachfolgend: Beschwerdeführer) je Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragen jeweils, der Entscheid

BGE 146 IV 201 (204):

des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 2. Oktober 2018 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie keine Ersatzforderungen an den Bund zu bezahlen haben. Ihre Beschwerden seien zu einem Verfahren zu vereinigen. O. und P. ersuchen mit Eingabe vom 20. März 2019 um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
H. Das Appellationsgericht Basel-Stadt und die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt lassen sich innert Frist nicht vernehmen. Die ESBK verweist auf ihre bisherigen Eingaben und den Entscheid der Vorinstanz und verzichtet im Übrigen darauf, eine Vernehmlassung einzureichen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut.
 
Aus den Erwägungen:
8.1 Die Vorinstanz bejaht das Vorliegen eines hinreichenden Deliktskonnexes zwischen der Anlasstat und den von den Beschwerdeführern erzielten Gewinnen. Sodann führt sie im Wesentlichen aus, dass es sich bei Verstössen gegen die Spielbankengesetzgebung um eine generelle Normwidrigkeit handle. Die den Beschwerdeführern zugeflossenen Vermögensvorteile seien als Ganzes rechtswidrig entstanden, weshalb für die Berechnung der Ersatzforderung grundsätzlich auf das Bruttoprinzip abzustellen sei. Im Weiteren könne die Rechtsgleichheit unter den Turnierteilnehmern nur bei Anwendung des Bruttoprinzips bewahrt werden. Denn mit dem Bruttoprinzip stehe der Gewinner gleich da, wie jener Spieler, der zwar einen Spieleinsatz geleistet, aber keinen Gewinn erzielt habe. Beide hätten ihren ganzen Einsatz verloren. Würde jedoch nach dem Nettoprinzip für die Einziehung beim Gewinner der Spieleinsatz vom Gewinn abgezogen werden, so hätte dieser - anders als der Nichtgewinner - wenigstens jenen Einsatz zurückerhalten, der zu seinem Gewinn geführt hat. Zudem würde nicht nur zwischen Gewinnern und Nichtgewinnern, sondern auch zwischen jenen, die viele Einsätze geleistet haben, bis sie einen Gewinn einfahren konnten, und jenen, die mit wenigen Einsätzen Gewinne erzielt haben, eine Ungleichbehandlung geschaffen. Der Vielgewinner könnte viele Einsätze abziehen und hätte gesamthaft gesehen nur wenige Einsatzgelder verloren. Jene Person, die viel gespielt jedoch nur selten, aber vielleicht sehr viel

BGE 146 IV 201 (205):

gewonnen habe, hätte demgegenüber eine schlechtere persönliche Bilanz. Die Anwendung des Nettoprinzips würde damit zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Turnierteilnehmer führen. Ob es zulässig sei, den mit der Bussgeldhöhe zum Ausdruck gebrachten Unrechts- und Schuldgehalt der Anlasstat oder den subjektiven Tatbestand auf Seiten der von der Einziehung betroffenen Person in die Verhältnismässigkeitsüberlegungen einzubeziehen, könne schliesslich offenbleiben. Diese Aspekte würden jene der Gleichbehandlung jedenfalls nicht überwiegen. Soweit die Beschwerdeführer geltend gemacht hätten, dass die Ersatzforderung uneinbringlich sei bzw. ihre wirtschaftliche Existenz ernsthaft gefährde, habe das Erstgericht nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass diesen Vorbringen mit der Erlaubnis einer Ratenzahlung hinreichend begegnet werden könne. Auf deren Ausführungen könne verwiesen werden. Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit sei folglich auch im Rahmen von Art. 71 Abs. 2 StGB Rechnung getragen worden. In Anwendung des Bruttoprinzips seien damit im Ergebnis die gesamten, im Deliktszeitraum erzielten Gewinne, ohne Abzug der Einsatzgelder einzuziehen.
8.2 Dass ein zureichender Deliktskonnex zwischen der Anlasstat und den im Zeitraum vom 6. Juli 2010 bis zum 9. März 2011 erzielten Gewinnen besteht, wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Ebensowenig stellen sie in Abrede, aus der Anlasstat direkt begünstigt zu sein. Sie bringen jedoch zusammengefasst vor, dass die Vorinstanz die Ersatzforderung zu Unrecht nach dem Bruttoprinzip berechnet und damit das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt habe. So habe diese bei ihrer Verhältnismässigkeitsprüfung zahlreiche entscheidrelevante Umstände, wie etwa die Tatsache, dass ihnen als blosse Teilnehmer des Pokerturniers kein strafrechtliches Verschulden angelastet werden könne, ausser Acht gelassen. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Gegebenheiten gebiete sich aus Gründen der Verhältnismässigkeit eine Einziehung nach dem Nettoprinzip. Das von der Vorinstanz vorgebrachte Argument der Rechtsgleichheit sei nicht stichhaltig. Turnierteilnehmer, welche im fraglichen Deliktszeitraum keinen Gewinn erzielt hätten, seien keine Einziehungsbetroffene. Ein Vergleich zwischen Einziehungsbetroffenen und Nichteinziehungsbetroffenen sei daher nicht sachgerecht. Unter den Einziehungsbetroffenen werde die Rechtsgleichheit auch bei Anwendung des Nettoprinzips gewahrt. Eine über den tatsächlichen Gewinn hinausgehende Ausgleichseinziehung sei nicht erforderlich,

BGE 146 IV 201 (206):

um den Zweck der Einziehung, dass sich die Straftat nicht lohnen dürfe, zu erreichen. Die Gefahr, dass bei einer Teilnahme an einem illegalen Pokerturnier nachträglich lediglich der tatsächliche Gewinn eingezogen werde, reiche vollends aus, um die Teilnahme an einem illegalen Pokerturnier zu verhindern. Der Gesetzgeber habe die Teilnahme an Pokerturnieren bewusst nicht strafrechtlich verfolgen wollen, weil das SBG ja gerade den Schutz der Spieler bezwecke. Sollte in casu mehr als die tatsächlichen Gewinne bei den Einziehungsbetroffenen eingezogen werden, würde den Pokerturnierteilnehmern mit der Einziehung bzw. mit der Ersatzforderung nichts anders als eine Busse auferlegt, welche in gewissen Fällen sogar höher sei, als die Busse, welche R. für das Organisieren und Betreiben der Pokerturniere erhalten habe. Für die Berechnung der Ersatzforderung sei vorliegend einzig das Nettoprinzip sachgerecht. Abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz seien daher sämtliche von den Beschwerdeführern im Deliktszeitraum vom 6. Juli 2010 bis zum 9. März 2011 geleisteten Spieleinsätze und Rakes von den von ihnen erzielten Gewinnen abzuziehen.
 
Erwägung 8.3
8.3.1 Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs. 1 StGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe (Art. 71 Abs. 1 StGB). Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde (Art. 71 Abs. 2 StGB). Diese Bestimmungen finden mangels abweichender Vorschriften im Spezialgesetz auch Anwendung auf die Einziehung von Vermögenswerten, die durch Widerhandlungen gegen das Spielbankengesetz erlangt worden sind (Urteil 6B_56/2010 vom 29. Juni 2010 E. 3.1).
8.3.2 Hinsichtlich des Umfangs der Einziehung stellt sich die Frage, ob der gesamte, dem Betroffenen im Zusammenhang mit der Straftat zugeflossene Vermögenswert, ohne Berücksichtigung der dafür vorgenommenen Aufwendungen, abgeschöpft werden soll ("Bruttoprinzip") oder ob lediglich der nach Abzug der Aufwendungen und Gegenleistungen verbleibende Betrag, einzuziehen ist ("Nettoprinzip")

BGE 146 IV 201 (207):

(NIKLAUS SCHMID, in: Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 55 zu Art. 70-72 StGB; JOSITSCH/EGE/SCHWARZENEGGER, Strafrecht II, Strafen und Massnahmen, 9. Aufl. 2018, § 7 S. 242 f.). Aus den Bestimmungen des StGB betreffend die Einziehung von Vermögenswerten und die Ersatzeinziehung durch Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung ergibt sich nicht, ob bei der Berechnung des einzuziehenden Vermögenswerts nach dem Bruttoprinzip oder nach dem Nettoprinzip zu verfahren ist (BGE 141 IV 317 E. 5.8.2 S. 326, BGE 141 IV 305 E. 6.3.3 S. 313; Urteil 6B_728/2010 vom 1. März 2011 E. 4.5.3).
8.3.3 Die Rechtsprechung des Bundesgerichts neigt zur Anwendung des Bruttoprinzips, verlangt aber die Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (BGE 141 IV 317 E. 5.8.2 S. 326, BGE 141 IV 305 E. 6.3.3 S. 313; BGE 124 I 6 E. 4b/bb S. 8 f.; je mit Hinweisen; Urteile 6B_728/2010 vom 1. März 2011 E. 4.5.3; 6B_56/2010 vom 29. Juni 2010 E. 3.2; 6B_697/2009 vom 30. März 2010 E. 2.2). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass bei generell verbotenen Handlungen das Bruttoprinzip anzuwenden ist, während bei an sich rechtmässigem, nur in seiner konkreten Ausrichtung rechtswidrigem Verhalten das Nettoprinzip gelten soll (SCHMID, a.a.O., N. 57 f. und 105 zu Art. 70-72 StGB; TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 6d zu Art. 70 StGB). Andere Autoren raten von jeglichem Schematismus ab und treten dafür ein, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine Wertung vorzunehmen und zu prüfen, ob und inwieweit der gesamte Bruttoerlös der strafbaren Handlung zugerechnet werden kann und inwieweit die Abschöpfung in diesem Umfang vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip standhält (FLORIAN BAUMANN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2019, N. 34 zu Art. 70/71 StGB; GREINER/AKIKOL, Grenzen der Vermögenseinziehung bei Dritten [Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB] - unter Berücksichtigung von zivil- und verfassungsrechtlichen Aspekten, AJP 2005 S. 1351; ausführlich auch SIMONE NADELHOFER DO CANTO, Vermögenseinziehung bei Wirtschafts- und Unternehmensdelikten, 2008, S. 88 ff.). MARCEL SCHOLL (in: Kommentar Kriminelles Vermögen - Kriminelle Organisationen, Bd. I, 2018, § 5 Ersatzforderungen, N. 111 zu Art. 71 StGB) und GÜNTER STRATENWERTH (in: Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 13 Rz. 109 ff.) scheinen grundsätzlich das Nettoprinzip zu befürworten.


BGE 146 IV 201 (208):

8.3.4 Das Bundesgericht sprach sich verschiedentlich für das Bruttoprinzip aus, dies namentlich bei generell verbotenen Verhaltensweisen wie dem illegalen Betäubungsmittelhandel (Urteil 6B_986/2008 vom 20. April 2009 E. 6.1.1), der gewerbsmässigen Hehlerei (Urteil 6B_728/2010 vom 1. März 2011 E. 4.6) oder Geldwäschereihandlungen (Urteil 6S.426/2006 vom 28. Dezember 2006 E. 5), wobei die Einziehung in den genannten Fällen jeweils bei jener Person erfolgte, welche die Anlasstat begangen hatte. Es betonte zudem, dass ein Abzug der Kosten der eigentlichen Straftat bei der Berechnung der Ersatzforderung ausser Betracht fällt (vgl. Urteil 6B_56/2010 vom 29. Juni 2010 E. 3.5 betreffend Kosten für die Anschaffung und den Einbau einer illegalen Software; gleich TRECHSEL/ JEAN-RICHARD, a.a.O., N. 6d zu Art. 70 StGB). Das Nettoprinzip zur Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung brachte es demgegenüber wiederholt bei blossen Übertretungen zur Anwendung. So qualifizierte es die Anwendung des Bruttoprinzips durch Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung im Umfang des erzielten Umsatzes beispielsweise im Falle von Widerhandlungen gegen eine kantonale Heilmittelverordnung durch unzulässige gewerbsmässige Abgabe von Medikamenten in Anbetracht des kantonalen Rechts, des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes und der Natur der Widerhandlung als verfassungswidrig, da unverhältnismässig. Es berücksichtigte dabei, dass Ersatzforderungen bei blossen Übertretungen selten sind, das reine Bruttoprinzip kaum je angewendet wird und der Täter nicht in erster Linie aus Gewinnstreben handelte (BGE 124 I 6 E. 4b/cc und dd S. 10 f.). Es erachtete das Nettoprinzip weiter bei einer als Übertretung geahndeten Widerhandlung gegen das Lotteriegesetz für sachgerecht, dies auch deshalb, weil die fraglichen TV-Gewinnspiele und die Teilnahme daran nicht grundsätzlich verboten waren (Urteil 6B_697/2009 vom 30. März 2010 E. 2.4.1). Zudem hielt es im Urteil 6B_526/2011 vom 20. März 2012 in E. 6.2 dafür, dass der Umstand, dass es sich bei der Anlasstat um eine Übertretung handle und dem Beschuldigten lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen werde, in Anwendung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zu berücksichtigen sei. Auch bei der Berechnung der Ersatzforderung, welche gegen eine sich rechtmässig verhaltende, unmittelbar durch eine Straftat begünstigte Person ausgesprochen wurde, stellte es aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf das Nettoprinzip ab (vgl. BGE 141 IV 317 E. 5.8.2 S. 326 f.; gleich TRECHSEL/JEAN-RICHARD, a.a.O., N. 6d in fine zu Art. 70 StGB).


BGE 146 IV 201 (209):

8.4 Die Rüge der Beschwerdeführer, wonach die Vorinstanz bei der Frage, ob vorliegend auf das Brutto- oder auf das Nettoprinzip abzustellen sei, nicht alle entscheidrelevanten Umstände berücksichtigt hat, ist begründet.
Glücksspiele sind Spiele, bei denen gegen Leistung eines Einsatzes ein Geldgewinn oder ein anderer geldwerter Vorteil in Aussicht steht, der ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt (Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken [SBG; AS 2000 677]). Das Organisieren und gewerbsmässige Betreiben von Glücksspielen ausserhalb konzessionierter Spielbanken stellt nach Art. 56 Abs. 1 lit. a SBG eine Übertretung dar, welche mit Haft oder Busse zu bestrafen ist. Nicht strafbar macht sich jedoch, wer an solchen Spielen nur teilnimmt. Die von der Einziehung betroffenen Beschwerdeführer trifft insofern kein strafrechtliches Verschulden. Sie gingen weder einer illegalen Tätigkeit nach, noch haben sie im Zusammenhang mit dem illegalen Pokerturnier anderweitig gegen strafrechtliche Bestimmungen verstossen. Die Einziehung nach dem reinen Bruttoprinzip ist vor diesem Hintergrund abzulehnen. Mit den Beschwerdeführern hätte die Vorinstanz den Umstand, dass den Einziehungsbetroffenen kein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, in ihre Verhältnismässigkeitsprüfung mit einbeziehen müssen (vgl. zur Relevanz dieses Kriteriums: BGE 141 IV 317 E. 5.8.2 f. S. 326 ff.).
8.4.3 Der Sinn und Zweck der Einziehung bzw. der Ersatzforderung liegt vielmehr im Ausgleich deliktischer Vorteile. Mit den Einziehungsbestimmungen soll verhindert werden, dass der Täter oder der Begünstigte im Genuss eines durch eine strafbare Handlung erlangten Vermögensvorteils bleibt. Strafbares Verhalten soll sich nicht lohnen. Daraus ergibt sich nicht zwingend die Anwendung des Bruttoprinzips. Strafbares Verhalten lohnt sich unter Umständen auch schon dann nicht, wenn der Täter den Nettoerlös nicht behalten darf (BGE 141 IV 317 E. 5.8.3 S. 328; Urteil 6B_697/2009 vom 30. März 2010 E. 2.3 mit Hinweis). Dies ist, wie die Beschwerdeführer zutreffend vorbringen, vorliegend der Fall. Um an einem vom T. Club organisierten Pokerturnier einen Gewinn zu erzielen, mussten die Beschwerdeführer am betreffenden Spiel teilnehmen und hierfür einen Buy-in, bestehend aus einem Spieleinsatz und einer Rake, bezahlen. Das Buy-in stellte damit eine notwendige Voraussetzung für die Erlangung der einziehbaren Vermögenswerte und damit eine Aufwendung dar. Damit sich das Pokerturnier für den Gewinner nicht gelohnt hat, reicht es, eine Ersatzforderung in der Höhe des erzielten Turniergewinns abzüglich des geleisteten Buy-ins festzulegen.