BGE 131 IV 16
 
3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
6S.186/2004 vom 5. Oktober 2004
 
Regeste
Art. 197 Ziff. 1 und 3 StGB; Herstellung harter Pornographie zum eigenen Gebrauch.
 
Sachverhalt


BGE 131 IV 16 (17):

Zwischen Ende Mai 1999 und dem 25. Mai 2001 lud X. von Webseiten im Internet pornographische Bilder mit Kindern und Tieren auf die Festplatte seines Personalcomputers herunter. Anschliessend speicherte er die Dateien auf Disketten und auf eine CD. Er erstellte die Kopien ausschliesslich zum Eigengebrauch.
Gestützt auf diesen Sachverhalt sprach das Obergericht des Kantons Solothurn X. am 14. April 2004 in zweiter Instanz vom Vorwurf der Pornographie im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB frei und zog die sichergestellten Bilder und Datenträger zur Vernichtung ein.
Das Obergericht bejahte zwar den Charakter der Bilder als harte Pornographie gemäss Art. 197 Ziff. 3 StGB, doch erachtete es die Tathandlungen des Lagerns und Herstellens als nicht erfüllt. Ein tatbestandsmässiges Lagern verneinte es, weil X. die Bildsammlung ausschliesslich für private Zwecke erstellt hatte, weshalb sein Verhalten nicht im Sinne von BGE 128 IV 25 E. 3a darauf ausgerichtet gewesen sei, harte Pornographie zu verbreiten. Zur Tathandlung des Herstellens nahm es an, das Herunterladen und Speichern von Bildern aus dem Internet, ohne die Daten zu bearbeiten oder sonst wie zu verändern, stelle kein Herstellen dar, weil die zur Speicherung nötigen Schritte rein technischer Natur seien und keine Manipulation an den Bildern selbst erfolge. Zudem bezwecke das Vorgehen einzig die Beschaffung und den Erwerb bestehender Bilder. Das Herunterladen aus dem Internet stelle keine Anfertigung eines weiteren Stücks eines bereits vorfabrizierten Exemplars dar, denn es fehle insoweit an dem für das Herstellen typischen physischen Produktionsvorgang bzw. der handwerklichen Komponente. Bilder im Internet seien bloss virtuell. Es gebe nichts "bereits Vorhandenes" oder "Vorfabriziertes", das man schon besitzen und woraus etwas angefertigt werden könne. Die Datenspeicher seien die Gefässe, die es dem Internetbenützer erst ermöglichten, den heruntergeladenen Dateninhalt zu besitzen und darüber zu verfügen. Das Herunterladen mit dem Herstellen gleichzusetzen würde den Tatbestand überdehnen und damit gegen Art. 1 StGB verstossen. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass der Gesetzgeber das

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Herunterladen von harter Pornographie unter die Tathandlungen der neu in Art. 197 StGB eingefügten Ziffer 3bis habe einreihen wollen. Der neu geschaffene Tatbestand wäre überflüssig und bedeutungslos, falls auch das Herunterladen und Abspeichern als Herstellen gewertet würden. Der Gesetzgeber habe mit der Teilrevision u.a. das Herunterladen von harter Pornographie auf einen Datenträger neu als Besitz strafbar erklären wollen, was er nicht getan hätte, wenn das Herunterladen solcher Bilder aus dem Internet bereits als Herstellen strafbar (gewesen) wäre.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts Solothurn aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Solothurn ersucht um Abweisung der Beschwerde. In seiner Vernehmlassung vom 14. September 2004 beantragt auch X., die Beschwerde abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Das Bundesgericht heisst die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gut.
 
Aus den Erwägungen:
Mit Ziffer I des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2001 (Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität; Verbot des Besitzes harter Pornografie) wurde in Art. 197 StGB eine neue Ziffer 3bis eingefügt, die am 1. April 2002 in Kraft getreten ist (AS 2002 S. 408 f.; BBl 2000 S. 2943). Nach dieser Bestimmung wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft, wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Art. 197 Ziff. 1 StGB, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen

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mit Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt. Da die Handlungen des Beschwerdegegners vor dem Inkrafttreten der Norm begangen wurden, findet diese auf den zu beurteilenden Sachverhalt keine Anwendung.
Als zentrales Rechtsgut des Verbots von Kinderpornographie in Art. 197 Ziff. 3 StGB erscheint die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Insofern handelt es sich bei dieser Vorschrift um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Daneben dient die Bestimmung auch dem Schutz der Erwachsenen. Dem liegt - ähnlich wie beim Tatbestand der Gewaltdarstellungen gemäss Art. 135 StGB - der Gedanke zugrunde, dass sich die im Gesetz genannten Darstellungen und Vorführungen auf den Verbraucher korrumpierend auswirken können, mithin geeignet sind, beim Betrachter u.a. die Bereitschaft zu erhöhen, das Geschehen selbst nachzuahmen. In diesem Sinne weckt der Konsum kinderpornographischer Erzeugnisse die Nachfrage für die Herstellung solcher Produkte und schafft den finanziellen Anreiz zur Begehung von Straftaten. Insofern trägt er mittelbar zum sexuellen Missbrauch von in solchen Machwerken zur Schau gestellten Kindern bei. Die Bestimmung von Art. 197 Ziff. 3 StGB will daher insbesondere auch die potenziellen "Darsteller" harter Pornographie vor sexueller Ausbeutung, Gewalt und erniedrigender bzw. menschenunwürdiger Behandlung bewahren. Auch insoweit geht es letzten Endes in jedem Fall um eine aus dem Konsum harter Pornographie resultierende abstrakte Rechtsgutsgefährdung (vgl. BGE 128 IV 25 E. 3a mit Hinweisen). Das zum Schutzzweck der Norm Gesagte gilt unter geänderten Vorzeichen im Wesentlichen auch für Pornographie mit Tieren.
Nach der Rechtsprechung stellt Art. 197 Ziff. 3 StGB Tathandlungen unter Strafe, von denen die Gefahr der Weiterverbreitung ausgehen kann ("herstellt, einführt"), oder die auf eine Verbreitung harter Pornographie ausgerichtet sind ("lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht"). Dabei erfasst die Bestimmung auch blosse Vorbereitungshandlungen. Verbreitungsabsicht ist als subjektives

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Tatbestandsmerkmal aber nicht erforderlich. Die Tathandlungen des Herstellens und des Einführens sind nicht ausschliesslich deshalb strafbar, weil sie Vorbereitungshandlungen zur Verbreitung der Erzeugnisse sein können. Vielmehr begründet nach der Rechtsprechung auch derjenige, der ausschliesslich im Hinblick auf seinen eigenen Konsum harte Pornographie herstellt oder einführt, jedenfalls eine abstrakte Rechtsgutsgefährdung im oben umschriebenen Sinne. Insbesondere der vom Gesetzgeber hervorgehobene Gedanke der potenziell korrumpierenden Wirkung solcher Erzeugnisse auf den Verbraucher steht dem Ansinnen entgegen, die Strafbarkeit der fraglichen Tathandlungen generell auf die Fälle einzuschränken, in denen der Täter mit Verbreitungsabsicht gehandelt hat. Aus diesem Grund hat das Bundesgericht noch unter der Herrschaft des alten Rechts angenommen, aus der Straflosigkeit des Erwerbs und des Besitzes harter Pornographie zum eigenen Konsum könne nicht geschlossen werden, dass auch das Herstellen und Einführen solcher Erzeugnisse zu diesem Zweck straflos bleiben müssten. Dementsprechend hat es die Einfuhr harter Pornographie auf dem Postweg im Hinblick auf den eigenen Konsum sowie die Herstellung derartiger Erzeugnisse zum eigenen Gebrauch als strafbar erachtet (BGE 124 IV 106 E. 3c).
1.3 Herstellen im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB bedeutet Anfertigen der dort genannten pornographischen Werke. Zu welchen Zwecken dies erfolgt, ist wie bereits dargelegt unerheblich. Hersteller ist zunächst, wer solche Produkte originär erzeugt, z.B. sexuelle Szenen filmt oder fotografiert. Ein Herstellen liegt darüber hinaus aber auch vor, wenn von entsprechenden Vorlagen weitere, inhaltlich identische Stücke angefertigt werden, etwa durch blosses Vervielfältigen oder Kopieren bzw. Duplizieren, oder durch Eingriffe in die Vorlage wie Vergrösserungen, andere inhaltliche Bildverarbeitungen, Kollagen usw. neue, andersartige Werke hervorgebracht werden (in diesem Sinne BGE 128 IV 25 E. 3b). Herstellen umfasst insofern das gesamte von Menschen bewirkte Geschehen, das ein im Tatbestand umschriebenes Endprodukt hervorbringt, sei dies durch Verfassen oder Anfertigen, Verlegen, Drucken, Aufnehmen oder Aufzeichnen usw. oder durch Vervielfältigen, d.h. Anfertigen weiterer Stücke nach einem bereits hergestellten. Ausgehend davon hat das Bundesgericht angenommen, das Fotografieren sowie Entwickeln und Vergrössern bereits vorhandener Bilder erfülle "ebenso wie das blosse Vervielfältigen, d.h. das Anfertigen

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weiterer Stücke eines bereits vorfabrizierten Exemplars, die Tathandlung des Herstellens im Sinne des Tatbestandes" (BGE 128 IV 25 E. 3b). Mit rein elektronischen Kopiervorgängen und der Frage, ob diese als Vervielfältigen im genannten Sinne gelten, hat sich das Bundesgericht bisher nicht befassen müssen.
1.4 Auf welche Weise ein bestehendes Werk (technisch) kopiert wird und welche äussere Beschaffenheit der Mitteilungsträger hat, kann für die Tathandlung des Herstellens nicht erheblich sein. Die auf gewisse Dauer ausgerichtete, gezielt vorgenommene elektronische Speicherung eines Werkes auf die Festplatte eines Personalcomputers, eine Diskette, eine CD-Rom, DVD oder auf andere Datenträger ist daher eine Herstellungshandlung, genau so wie etwa das Einscannen und Abspeichern von Bildern. Das gilt auch für das so genannte "Downloading", d.h. das Abspeichern von Daten durch Herunterladen vom Internet oder von einem Datenträger auf einen anderen Datenspeicher. Bei Computerprogrammen erfolgt die technische Reproduktion unter Zuhilfenahme zumindest einer Datenverarbeitungsanlage mittels Kopiervorgang von einem Datenträger auf ein anderes Speichermedium. Ob dies beispielsweise von einer bestehenden CD-Rom auf eine andere erfolgt oder über Datenleitungen von einem Internet-Server auf einen Datenträger, kann keinen Unterschied machen. Entscheidend ist beim Kopieren nämlich nicht die Art des Vorgangs, sondern der Umstand der Reproduktion und das Kopierergebnis in der Form des mit einem Datensatz beschriebenen Datenträgers. Es wäre denn auch nicht einzusehen, weshalb es darauf ankommen sollte, dass der Datensatz, von dem eine Kopie hergestellt wird, körperlich existiert, etwa in Form von Bildabzügen. Es macht für das Tatunrecht und den Taterfolg keinen Unterschied, ob etwa aus einem Buch mit kinderpornographischen Bildern Kopien hergestellt werden oder dies durch Herunterladen solcher Bilder aus dem Internet auf einen Datenträger erfolgt. Auch die Daten auf einer Webseite im Internet sind nicht bloss "virtuell", wie die Vorinstanz meint, sondern sind zumindest auf einem Internet-Server gespeichert. Das Herunterladen aus dem Internet unterscheidet sich somit nicht vom Kopiervorgang zwischen zwei Datenspeichern.
Daran vermag der seit dem 1. April 2002 in Kraft stehende Art. 197 Ziff. 3bis StGB nichts zu ändern. Wie sich nur schon aus dem Titel der Gesetzesnovelle und der Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes

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(Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität/Verjährung bei Sexualdelikten an Kindern und Verbot des Besitzes harter Pornografie) vom 10. Mai 2000 (BBl 2000 S. 2943) ergibt, zielte die Teilrevision in erster Linie darauf ab, den bis dahin straflosen Besitz bestimmter Arten harter Pornographie unter Strafe zu stellen. Mit der Tatvariante "erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonstwie beschafft oder besitzt" wollte der Gesetzgeber unter anderem sicherstellen, dass die - vor allem elektronischen - Medien, über welche pornographische Darstellungen verbreitet werden, vollständig erfasst werden (Botschaft, a.a.O., S. 2975). Den Gesetzesmaterialien lassen sich hingegen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit der Teilrevision das elektronische Herstellen und Kopieren nunmehr als Erwerben, Beschaffen oder Besitzen gelten und von der privilegierenden Bestimmung der Ziffer 3bis erfasst werden sollte. Der Vorinstanz ist zwar einzuräumen, dass ein Täter, der pornographische Werke aus dem Internet auf einen (eigenen) Datenträger herunterlädt, sich die Daten beschafft und sie anschliessend auch besitzt. In diesen Fällen ist ein Besitz ohne vorgängige Beschaffungshandlung nicht denkbar. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Tatvariante der Beschaffung über elektronische Mittel mit der Qualifikation des Herunterladens von Daten aus dem Internet als Herstellungshandlung gänzlich bedeutungslos würde. Vielmehr ist ein Beschaffen im Sinne der Norm denkbar, ohne dass die Daten gezielt abgespeichert werden bzw. von ihnen eine Kopie gemacht wird, etwa wenn der Täter über ein Passwort dauernden und unbeschränkten Zugang zu einer Webseite mit harter Pornographie erhält und über die Daten frei verfügen kann oder er auf seine Initiative hin eine E-Mail mit strafbarem Datenanhang erhält und die Datei im Eingangsspeicher belässt. Insofern ist bei elektronischen Mitteln ein Herunterladen aus dem Internet oder eine anderweitige elektronische Abspeicherung nicht Voraussetzung für die Strafbarkeit nach Art. 197 Ziff. 3bis StGB.
1.5 Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdegegner kinderpornographische Bilder und solche, die sexuelle Handlungen mit Tieren zeigen, hergestellt hat, indem er sie in elektronischer Form aus dem Internet gezielt auf eigene Datenträger abgespeichert und abgelegt hat. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann angesichts der bereits im Tatzeitraum grossen öffentlichen Sensibilisierung gegenüber der harten Pornographie, v.a. der Kinderpornographie, der Berichterstattung in den Medien darüber sowie des schon

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damals erheblich verstärkten Einsatzes der Strafverfolgungsbehörden und des Gesetzgebers gegen solche Machwerke nicht ernsthaft angenommen werden, der Beschwerdegegner habe die Strafbarkeit seines Tuns nicht für möglich gehalten (dazu BGE 129 IV 238 E. 3.2.2). Dies gilt umso weniger, als vor allem eines von zwei bei den Akten liegenden Tatbildern ein sehr junges Mädchen deutlich unter zehn Jahren zeigt, das von einem Mann vaginal penetriert wird und dabei körperlich und emotional offensichtlich stark leidet.
Der Freispruch des Beschwerdegegners vom Vorwurf der Pornographie im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 StGB verletzt daher Bundesrecht.