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Urteilskopf

124 IV 64


11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. April 1998 i.S. B. gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

Regeste

Art. 199 StGB (unzulässige Ausübung der Prostitution); Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen); § 328c StPO/ZH (Androhung der Ungehorsamsstrafe für den Fall der Wiederholung einer bloss mit Busse bedrohten Übertretung); Widerhandlung gegen den Beschluss des Zürcher Stadtrates über die Strassenprostitution.
Art. 199 StGB droht als Blankettstrafnorm bundesrechtlich einheitlich Haft oder Busse für Widerhandlungen gegen kantonale und kommunale Vorschriften über die Ausübung der Prostitution im Sinne dieser Bestimmung an. Art. 199 StGB erfasst auch Widerhandlungen gegen Vorschriften, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits bestanden haben (E. 2).
Soweit der Beschluss des Zürcher Stadtrates Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution enthält, fallen Zuwiderhandlungen unter den Anwendungsbereich von Art. 199 StGB (E. 4c).

Sachverhalt ab Seite 65

BGE 124 IV 64 S. 65
B. wurde mit Verfügung des Polizeirichteramtes der Stadt Zürich vom 5. Februar 1990 wegen Widerhandlung gegen den Beschluss des Zürcher Stadtrates über die Strassenprostitution vom 17. Februar 1972 in Anwendung von dessen Art. 1 lit. a und 2 mit einer Busse von 100 Franken bestraft. In der Verfügung wurde ihr zudem gestützt auf § 328c StPO/ZH für den Wiederholungsfall, d.h. für den Fall einer Missachtung von Vorschriften des genannten Stadtratsbeschlusses in der Zukunft, die Überweisung der Strafakten an das Statthalteramt des Bezirkes Zürich zwecks Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung nach Massgabe von Art. 292 StGB, welcher Haft oder Busse vorsieht, angedroht.
Am 29. April 1996, um ca. 14.30 Uhr, warb B. aus ihrer Parterrewohnung an der Rolandstrasse in Zürich durch das offene Fenster einen vermeintlichen Freier (einen Polizeibeamten in Zivil) an.
BGE 124 IV 64 S. 66
Wegen dieses Vorfalls wurde sie mit Strafverfügung des Statthalteramtes des Bezirkes Zürich vom 12. Juni 1996 wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung (Art. 292 StGB), nämlich die Verfügung des Polizeirichteramtes vom 5. Februar 1990, mit einer Busse von 500 Franken bestraft.
B. beantragte die gerichtliche Beurteilung.
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich sprach B. am 6. Mai 1997 bezüglich des Vorfalls vom 29. April 1996 des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB schuldig und bestrafte sie mit einer Busse von 300 Franken.
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 27. Oktober 1997 die von B. erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab.
B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts und damit auch das Urteil des Einzelrichters seien aufzuheben.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Gemäss Art. 199 StGB ("Unzulässige Ausübung der Prostitution") wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt. Diese Bestimmung ist durch das Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches betreffend die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Sittlichkeit und gegen die Familie, in Kraft seit 1. Oktober 1992, in das StGB aufgenommen worden. Wie schon nach dem früheren Recht (siehe z.B. Art. 206 und 207 aStGB) sollen gewisse störende Begleiterscheinungen der Prostitution strafbar sein. Nach den Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft ist es aber schwierig, der Ausübung der an sich zulässigen Prostitution strafrechtlich wirksame Grenzen zu setzen, weil die Verhältnisse nicht nur von Kanton zu Kanton, sondern nicht selten innerhalb eines Kantons von Ort zu Ort sehr verschieden seien (BBl 1985 II 1009 ff., 1093). Daher wurde insoweit auf eine einheitliche bundesrechtliche Regelung verzichtet. Gemäss den Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft könnte aber ein Verzicht auf die wenig wirksamen Art. 206 ("Anlocken zur Unzucht") und 207 ("Belästigung durch gewerbsmässige Unzucht") ohne ausdrückliche Ermächtigung zu kantonalen Vorschriften als qualifiziertes Schweigen des
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Gesetzgebers aufgefasst werden, mit dem Sinne, dass diese Handlungen straflos zu bleiben hätten. "Sollen die Kantone zu Eingriffen befugt sein, die über blosse polizeiliche Bedürfnisse hinausgehen, und Regelungen treffen können, die nicht am Prinzip der Verhältnismässigkeit scheitern", bedürfe es einer "bundesrechtlichen Rahmenvorschrift" (BBl 1985 II 1094).
Art. 199 des bundesrätlichen Entwurfs ("Unzulässige Ausübung der Prostitution") sah daher vor, dass die Kantone, unter Hinweis auf die Strafdrohung dieser Bestimmung, Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen erlassen und diese Befugnisse den Gemeinden übertragen können (Abs. 1); wer einer solchen Vorschrift zuwiderhandelt, sollte mit Haft oder mit Busse bestraft werden (Abs. 2). Die möglichen Regelungen in bezug auf das störende Umfeld der Prostitution sollen somit nach den Ausführungen in der Botschaft den Gegebenheiten der lokalen Verhältnisse im grösstmöglichen Masse Rechnung tragen, die angedrohten Strafen dagegen müssen bundesrechtlich einheitlich sein (BBl 1985 II 1094). Art. 199 Abs. 1 in der Fassung des bundesrätlichen Entwurfs ("Die Kantone können... Vorschriften... erlassen") kann - wie schon Art. 206 des Entwurfs der Expertenkommission ("Die Kantone sind befugt, Vorschriften ... zu erlassen") - an sich als eine bundesrechtliche Ermächtigungsnorm verstanden werden, und in der bundesrätlichen Botschaft ist denn auch insoweit wiederholt von einer Ermächtigung die Rede.
Art. 199 StGB unterscheidet sich indessen wesentlich vom bundesrätlichen Entwurf. Nach Art. 199 StGB wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer den kantonalen Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution oder über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen zuwiderhandelt. Diese auf dem Antrag der ständerätlichen Kommission beruhende Fassung wurde vom Ständerat und vom Nationalrat diskussionslos angenommen (AB 1987 S 356 ff., 403; AB 1990 N 2252 ff., 2331). Art. 199 StGB enthält entgegen den Ansichten der Beschwerdeführerin und der Vorinstanz nicht eine Ermächtigung an die Kantone zum Erlass von Vorschriften über die Ausübung der Prostitution, sondern er setzt eine diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz der Kantone als selbstverständlich bestehend voraus. Die Kantone (und nach Massgabe von deren Gesetzgebungen die Gemeinden) waren (siehe dazu BGE 99 Ia 504) und sind, unabhängig von Art. 199 StGB, zum Erlass von Vorschriften über Ort, Zeit und Art der Ausübung der
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Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen befugt. Die in den Entwürfen der Expertenkommission und des Bundesrates noch enthaltene Ermächtigung stellte einen unechten Vorbehalt dar, wie auch in einzelnen Vernehmlassungen zum Entwurf der Expertenkommission bemerkt wurde (BBl 1985 II 1094), und war somit überflüssig. Wohl auch aus diesem Grunde hat die ständerätliche Kommission eine abgeänderte Fassung vorgeschlagen, die in der Folge von den Räten diskussionslos angenommen worden ist. Die Bedeutung von Art. 199 StGB erschöpft sich darin, für Zuwiderhandlungen gegen allfällige kantonale Vorschriften in diesem Bereich im Sinne einer Blankettstrafnorm bundesrechtlich einheitlich Haft oder Busse anzudrohen, womit im übrigen auch klargestellt ist, dass die Streichung insbesondere von Art. 206 und 207 aStGB nicht als qualifiziertes Schweigen zu verstehen ist.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Vorschriften des Zürcher Stadtratsbeschlusses über die Strassenprostitution seien unbeachtlich, weil dieser Beschluss nicht in Ausschöpfung einer sich ausschliesslich aus Art. 199 StGB ergebenden Kompetenz, sondern gestützt auf § 74 des zürcherischen Gemeindegesetzes erlassen worden sei, ist daher unbegründet.

3. Die Beschwerdeführerin stellt nicht mehr in Abrede, dass sie durch das ihr zur Last gelegte Verhalten bei der gebotenen teleologischen Auslegung der Vorschriften gegen Art. 2 lit. a des Beschlusses des Zürcher Stadtrates vom 17. Juli 1991 über die Strassenprostitution verstossen hat. Nach dieser Bestimmung ist es - unter Vorbehalt der in Art. 3 geregelten Ausnahmen (betreffend das Gebiet "Niederdorf") - untersagt, sich in der erkennbaren Bereitschaft, der gewerbsmässigen Unzucht nachzugehen, auf Strassen und Plätzen aufzuhalten, an denen Häuser stehen, die nicht ausschliesslich Geschäftszwecken dienen. Allerdings wurde die Beschwerdeführerin nicht gestützt auf den Stadtratsbeschluss gebüsst. Vielmehr wurde sie wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB verurteilt, weil sie durch das ihr zur Last gelegte Verhalten die an sie gerichtete Verfügung vom 5. Februar 1990 missachtet habe, durch welche ihr gestützt auf § 328c StPO/ZH für den Fall eines erneuten Verstosses gegen den Stadtratsbeschluss über die Strassenprostitution die Überweisung an den Strafrichter zwecks Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB angedroht worden ist. Zu prüfen ist somit, ob die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB
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zulässig sei, was in der Nichtigkeitsbeschwerde wie bereits im kantonalen Verfahren unter Berufung auf die Subsidiarität von Art. 292 StGB bestritten wird.

4. Gemäss Art. 292 StGB wird wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen mit Haft oder mit Busse bestraft, wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet. Die Verfügung vom 5. Februar 1990, gegen welche die Beschwerdeführerin nach Ansicht der Vorinstanzen verstossen hat, stützt sich auf § 328c StPO/ZH, der wie folgt lautet:
Wird wegen einer Übertretung im Sinne des § 328 oder wegen einer andern nur mit Busse bedrohten Übertretung eine Busse ausgesprochen, so kann die Behörde für den Wiederholungsfall die Überweisung an den Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams (Art. 292 StGB) androhen.
Durch diese Bestimmung soll offenkundig die Möglichkeit geschaffen werden, für Übertretungen, für welche das kantonale Recht bloss verhältnismässig niedrige Bussen androht, im Wiederholungsfall in Anwendung von Art. 292 StGB eine höhere Busse (bis zu 5'000 Franken) oder gar eine Haftstrafe auszusprechen, was auch geeignet sein kann, den Gebüssten von einer Wiederholung der Tat abzuhalten.
In der Verfügung des Polizeirichteramtes der Stadt Zürich vom 5. Februar 1990 wurde die Beschwerdeführerin wegen Verstosses gegen den Stadtratsbeschluss über die Strassenprostitution (in der damals geltenden Fassung aus dem Jahre 1972) mit 100 Franken gebüsst und zugleich folgendes festgehalten:
"Gestützt auf § 328c StPO wird hiermit für den Wiederholungsfall - sollte also die Verzeigte auch künftig den Stadtratsbeschluss vom 17.02.1972 betreffend die Strassenprostitution missachten - die Überweisung der Strafakten an das Statthalteramt des Bezirks Zürich zwecks Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung nach Massgabe von Art. 292 StGB angedroht, dessen Strafrahmen Haft oder Busse bis zu Fr. 5'000.-- vorsieht."
Da die Beschwerdeführerin am 29. April 1996 wiederum gegen den Stadtratsbeschluss über die Strassenprostitution (in der Fassung vom 17. Juli 1991) verstiess, wurde sie von den Vorinstanzen wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB bestraft.
a) Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre gilt Art. 292 StGB als Auffangtatbestand, der nur subsidiär eingreift, d.h. nur
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dann, wenn der Ungehorsam gegen die Verfügung als solcher, mithin die Tathandlung der Missachtung dieser Verfügung, nicht bereits in einer besonderen Bestimmung des eidgenössischen oder kantonalen Rechts mit Strafe bedroht wird. Die Subsidiarität von Art. 292 StGB bedeutet also nicht, dass die behördliche Androhung von Strafe bei Ungehorsam gegen die von der Behörde erlassene Verfügung und eine Verurteilung nach Art. 292 StGB auch dann und deshalb unwirksam respektive bundesrechtswidrig seien, wenn und weil das durch die Verfügung untersagte Verhalten ohnehin schon gemäss einer generell-abstrakten Norm strafbar ist (siehe zum Ganzen BGE 121 IV 29 E. 2b S. 32 f.). Der zitierte Bundesgerichtsentscheid betraf den Fall einer vorsorglichen Verfügung, durch die dem Adressaten für die Dauer eines hängigen Zivilprozesses unter Hinweis auf Art. 292 StGB untersagt worden war, bestimmte Äusserungen gegenüber Dritten zu tun. Die Androhung der Ungehorsamsstrafe und die Verurteilung nach Art. 292 StGB wegen Ungehorsams waren gemäss den Erwägungen im genannten Bundesgerichtsentscheid zulässig, auch wenn und soweit die Äusserungen, die der Verfügungsadressat in der Folge in Missachtung der Verfügung gegenüber Dritten tat, allenfalls ohnehin schon, etwa als Ehrverletzung und/oder als unlauterer Wettbewerb, strafbar waren. Aus diesem Bundesgerichtsentscheid ist aber nicht abzuleiten, dass jedes bereits durch eine generell-abstrakte Norm verbotene und mit Strafe bedrohte Verhalten von der Behörde voraussetzungslos auch durch eine Individualverfügung unter Hinweis auf Art. 292 StGB untersagt werden könne mit der Folge, dass das fragliche Verhalten nicht (nur) gemäss der generell-abstrakten Norm, sondern (auch) als Missachtung der Verfügung gemäss Art. 292 StGB strafbar ist.
Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann indessen dahingestellt bleiben.
b) Es ist nicht ganz klar, gegen welche Verfügung die Beschwerdeführerin durch ihre erneute Zuwiderhandlung gegen den Stadtratsbeschluss über die Strassenprostitution verstossen haben soll. Die Androhung, im Wiederholungsfall die Akten zur Strafverfolgung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung an den Strafrichter zu überweisen, ist als solche keine Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB. Allerdings wurde der Beschwerdeführerin durch diese Androhung zumindest implizit untersagt, in der Zukunft gegen den Stadtratsbeschluss über die Strassenprostitution zu verstossen bzw. in Missachtung des Stadtratsbeschlusses an verbotenen Orten Freier anzuwerben.
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Ob ein derartiges Verbot eine Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB bzw. Inhalt einer solchen Verfügung sein kann, muss hier ebenfalls nicht geprüft werden. Denn eine Verurteilung der Beschwerdeführerin gemäss Art. 292 StGB fällt jedenfalls aus nachstehenden Gründen ausser Betracht.
c) Als das Polizeirichteramt der Stadt Zürich am 5. Februar 1990 die Beschwerdeführerin wegen Verstosses gegen den damals geltenden Stadtratsbeschluss über die Strassenprostitution (aus dem Jahre 1972) mit 100 Franken büsste und ihr zugleich für den Wiederholungsfall die Überweisung der Strafakten an das Statthalteramt des Bezirks Zürich zwecks Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB androhte, waren Verstösse gegen die Vorschriften des Stadtratsbeschlusses bloss mit Busse bedrohte Übertretungen im Sinne von § 328c StPO/ZH. Diese Rechtslage hat sich aber mit dem Inkrafttreten von Art. 199 StGB betreffend unzulässige Ausübung der Prostitution am 1. Oktober 1992 geändert. Soweit der Zürcher Stadtratsbeschluss Vorschriften über Ort, Zeit oder Art der Ausübung der Prostitution und über die Verhinderung belästigender Begleiterscheinungen enthält, fallen Zuwiderhandlungen - unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, dass die Vorschriften die Ausübung der bundesrechtlich zulässigen Prostitution nicht unverhältnismässig behindern - unter den Anwendungsbereich von Art. 199 StGB, der Haft oder Busse androht. Zwar ist in Art. 199 StGB nur von kantonalen und nicht auch von kommunalen Vorschriften die Rede. Aus den bereits zitierten Gesetzesmaterialien geht aber deutlich hervor, dass auch kommunale Vorschriften betreffend die unzulässige Ausübung der Prostitution von Art. 199 StGB erfasst werden sollen. Die Entwürfe der Expertenkommission und des Bundesrates sahen vor, dass die Kantone ihre Befugnis zum Erlass von Vorschriften über die unzulässige Ausübung der Prostitution den Gemeinden übertragen können, da, wie in der bundesrätlichen Botschaft festgehalten wird, die Verhältnisse nicht selten innerhalb eines Kantons von Ort zu Ort sehr verschieden sind. Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften des Zürcher Stadtratsbeschlusses über die Strassenprostitution sind mithin seit dem Inkrafttreten von Art. 199 StGB am 1. Oktober 1992 nicht mehr bloss mit Busse bedrohte Übertretungen im Sinne von § 328c StPO/ZH, für die nach dieser Bestimmung im Wiederholungsfall eine Strafverfolgung gemäss Art. 292 StGB angedroht werden kann. Solche Zuwiderhandlungen sind vielmehr mit Haft oder mit Busse bedrohte Übertretungen gemäss Art. 199 StGB.
BGE 124 IV 64 S. 72
Damit sind aber seit dem Inkrafttreten von Art. 199 StGB die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, unter denen gemäss § 328c StPO/ZH für den Fall erneuter Zuwiderhandlungen dieser Art die Überweisung der Akten an den Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams (Art. 292 StGB) angedroht werden kann. Die auf § 328c StPO/ZH gestützte Verfügung vom 5. Februar 1990 ist mithin seit dem 1. Oktober 1992 jedenfalls insoweit unbeachtlich, als der Beschwerdeführerin darin für den Fall erneuter Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften des Stadtratsbeschlusses, die als Vorschriften über die Ausübung der Prostitution im Sinne von Art. 199 StGB zu qualifizieren sind, eine Strafverfolgung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB angedroht worden ist.
Die Vorschrift des Zürcher Stadtratsbeschlusses, gegen welche die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten vom 29. April 1996 verstiess, ist offensichtlich eine Vorschrift über den Ort der Ausübung der Prostitution im Sinne von Art. 199 StGB. Sie schränkt die Ausübung der bundesrechtlich zulässigen Prostitution nicht unverhältnismässig ein. Die Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift fällt damit unter den Anwendungsbereich von Art. 199 StGB, ist also eine mit Haft oder Busse bedrohte Übertretung. Für eine solche Übertretung aber kann nicht gestützt auf § 328c StPO/ZH die Überweisung an den Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams (Art. 292 StGB) angedroht werden. Die gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfügung vom 5. Februar 1990 ist somit insoweit jedenfalls aus diesem Grunde unbeachtlich, und eine Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB fällt daher ausser Betracht.
d) Die Beschwerdeführerin hat durch das ihr zur Last gelegte Verhalten vom 29. April 1996 aber im Sinne von Art. 199 StGB kantonalen Vorschriften über den Ort der Ausübung der Prostitution zuwidergehandelt. Art. 199 StGB droht wie Art. 292 StGB Haft oder Busse an.

5. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher im Sinne der Erwägung abzuweisen, dass die Beschwerdeführerin sich zwar entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB, aber der unzulässigen Ausübung der Prostitution im Sinne von Art. 199 StGB durch Zuwiderhandlung gegen Art. 2 lit. a des Beschlusses des Zürcher Stadtrates vom 17. Juli 1991 über die Strassenprostitution schuldig gemacht hat.

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Sachverhalt

Erwägungen 2 3 4 5

Referenzen

BGE: 99 IA 504, 121 IV 29

Artikel: Art. 292 StGB, Art. 199 StGB, § 328c StPO