BGE 109 IV 129
 
35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Juni 1983 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden gegen V. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
Regeste
Art. 262 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Störung des Totenfriedens.
 
Sachverhalt


BGE 109 IV 129 (129):

A.- V. suchte an drei Wochenenden der Monate Mai, Juni und Juli 1977 den Friedhof Daleu in Chur auf und verstellte Grabplatten und Kränze, ohne indessen einen Schaden zu verursachen. Im September 1977 entwendete er von einem Grabstein ein vergoldetes Kreuz. Anlässlich weiterer Friedhofsbesuche behändigte er eine Blumenschale, einen Kerzenbehälter mit einem kleinen Kreuz sowie Blumen, die er seiner Mutter brachte.
B.- Der Kreisgerichtsausschuss Chur sprach V. am 18. November 1982 des Diebstahls im Sinne von Art. 137 Ziff. 1 StGB sowie weiterer Delikte schuldig. In Berücksichtigung einer hochgradig verminderten Zurechnungsfähigkeit verurteilte er ihn zu fünf Monaten Gefängnis. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben und V. in Anwendung von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Anstalt eingewiesen. Von der Anklage der Störung des Totenfriedens (Art. 262 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) wurde V. freigesprochen. Die von der Staatsanwaltschaft gegen diesen Freispruch erhobene Berufung wies der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 20. Januar 1983 ab.
C.- Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses führt die Staatsanwaltschaft eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des V. wegen Störung des Totenfriedens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Gemäss Art. 262 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt. Die Tathandlung wird wie in Art. 261 Abs. 1 und 3 StGB mit Verunehren (profaner, profanare) umschrieben. Davon

BGE 109 IV 129 (130):

erfasst werden Angriffshandlungen, wie etwa das Zerstören und Beschädigen, eventuell auch das Verunreinigen von Gräbern, Grabsteinen und Urnen, aber auch das Verüben von beschimpfendem Unfug auf einem Friedhof (HAFTER, Besonderer Teil II, S. 470; THORMANN/VON OVERBECK, N 5 zu Art. 262 StGB, N 14 zu Art. 261 StGB; STRATENWERTH, Besonderer Teil II, S. 213, 215). Der Täter muss überdies in roher Weise gehandelt haben. Diese Wendung bezieht sich auf das äussere Benehmen und Vorgehen des Täters, nicht aber auf dessen Beweggründe oder Gesinnung (vgl. BGE 86 IV 23 E. 4 zum Ausdruck "in gemeiner Weise"). Bestraft werden soll somit nicht jeder Unfug auf einem Friedhof (vgl. Prot. II. ExpKomm. Bd. 4 S. 345), sondern nur der erhebliche und brutale Angriff auf das Pietätsgefühl (THORMANN/VON OVERBECK, N 5 zu Art. 262 StGB; STRATENWERTH, a.a.O. S. 215). Als Beispiele erwähnen THORMANN/VON OVERBECK das rücksichtslose Ausgraben von Leichen oder die krasse Verunstaltung des Grabschmuckes.
Die Vorinstanz hat V. demnach schon aus objektiven Gründen zu Recht von der Anklage der Störung des Totenfriedens freigesprochen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.