BGE 147 III 107
 
12. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. Co., Ltd gegen C. Pte. Ltd und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
4A_124/2020 vom 13. November 2020
 
Regeste
Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG; Ausdehnung der Schiedsvereinbarung auf eine Drittperson.
 
Sachverhalt


BGE 147 III 107 (109):

A.
A.a A.B. Co., Ltd (Klägerin, weitere Verfahrensbeteiligte) ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Republik Korea.
C. Pte. Ltd (Beklagte 1, Beschwerdegegnerin 1) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Singapur. D. Ltd (Beklagte 2, Beschwerdegegnerin 2) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Bangladesch/Singapur (der Sitz der Gesellschaft ist umstritten und soll im Verlauf des Schiedsverfahrens geklärt werden).
E.E. Company Ltd, E.F. Ltd, E.G. Ltd undH. Ltd (Beklagte 3-6,Beschwerdegegnerinnen 3-6) sind Gesellschaften mit Sitz in Bangladesch.
A.A. Co., Ltd (im Schiedsverfahren: "the Additional Party", Beschwerdeführerin)ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Republik Korea.
A.b Aufgrund der damals herrschenden Stromknappheit beschloss die Regierung von Bangladesch im Jahre 2009, privat betriebene Kraftwerke zuzulassen. Vor diesem Hintergrund nahmen die Beklagten ihre Tätigkeit im Bereich der Stromerzeugung auf.
Am 15. Juli 2010 schloss die zuständige Behörde von Bangladesch mit der E.E. Company Ltd einen Vertrag über die Lieferung vonStrom ab. Danach verpflichtete sich die E.E. Company Ltd, amStandort V., Bangladesch, in Zusammenarbeit mit der A.B. Co., Ltd ein Kraftwerk zu errichten und zu betreiben.
Am 15. Juli 2010 schloss die A.B. Co., Ltd (als Lieferantin) mit der C. Pte. Ltd (als Bestellerin) und der E.E. Company Ltd (als Garantin) einen Vertrag ab, mit dem sich Erstere gegen ein Entgelt von USD 24'265'000. - zur Planung, Beschaffung, Herstellung und Lieferung eines Dieselkraftwerks am Standort V. verpflichtete (V. Contract).
Am 8. August 2012 bzw. 22. Januar 2013 schloss die A.B. Co., Ltdzudem als Lieferantin jeweils mit verschiedenen Beklagten drei weitere Lieferverträge ab (W. I Contract, W. II Contract sowie X. Contract).
Die vier Lieferverträge enthalten jeweils die folgende Schiedsklausel:
    "Article 21: Dispute resolution
    Any disputes arising out of this Contract should be settled through friendly negotiation between both Parties. If the Parties cannot reach an agreement by negotiation, the dispute shall be finally settled, to the exclusion of legal proceedings, under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce in Paris by an arbitral tribunal composed of three arbitrators, appointed under such rules.
    The venue of the arbitration shall be Geneva, Switzerland. The arbitration proceedings and the award shall be in English. During the arbitration proceedings, both Parties shall continue to execute their obligations under the Contract except in respect of the matter under arbitration."
Zudem enthalten die Verträge jeweils eine Rechtswahl zugunsten des schweizerischen Rechts.
Die Dieselmotoren für das Kraftwerk sollten von einer Subunternehmerin geliefert werden. Im Nachgang zum Abschluss des V. Contract schlossen daher die A.B. Co., Ltd und dieA.A. Co., Ltd (als Subunternehmerin) am 19. November 2010 einen Liefervertrag ab, mit dem sich Letztere zur Lieferung von sieben Dieselmotoreneinheiten des Typs A.-X. zum Preis von KRW (südkoreanischer Won)14.175 Mia. (entsprechend ca. USD 12 Mio.)verpflichtete (Supply Contract).
Nach Art. 4 des Supply Contract waren die Dieselmotoren der A.B. Co., Ltd am 10. Dezember 2010 zu liefern. Art. 7 sah vor, dass die Abnahme der Motoren im Betrieb der A.A. Co., Ltd erfolgen soll, wobei neben der Bestellerin auch ihren Kunden ein Recht eingeräumt wurde, der Abnahmeprüfung beizuwohnen.
A.c Die Dieselmotorensets wurden in der Folge geliefert und anschliessend im Elektrizitätswerk in V. eingebaut.
Am 12. Juli 2011 teilte die E.E. Company Ltd derA.B. Co., Ltd mit,es seien bei einem Teil der eingebauten Motoren technische Probleme aufgetreten, und sie verlangte umfassende Abklärungen.
Am 20. Juli 2011 antwortete die A.B. Co., Ltd, dasssie mit derSubunternehmerin A.A. Co., Ltd Kontakt aufgenommen habe und dass beide Gesellschaften für die Qualität der Motoren garantieren würden (Beilage R-22: "A.A. and A.B. will guarantee the quality of the engine").
Am 24. Oktober 2011 teilte die Subunternehmerin A.A. Co., Ltd derE.E. Company Ltd mit, ihre Ingenieure hätten die Ursache der technischen Probleme identifizieren können. Zudem sei ihre Unternehmensführung auch bereit, das Kraftwerk V. zu besuchen, um die Qualitätsaspekte gemeinsam zu besprechen.
Am 19. Dezember 2011 schrieb I. - damals Präsident und CEO vonA.B. Co., Ltd und A.A. Co., Ltd - im Namen beider Gesellschafteneinen Brief an die E.E. Company Ltd (Beilage R-25). Darin teilte er mit, es würden spezialisierte Ingenieure zum Kraftwerkentsendet; es werde alles daran gesetzt, die Probleme zu beheben.
Am 27. Dezember 2011 bestätigte ein Vertreter der A.B. Co., Ltd, dass angesichts der im KraftwerkV. bestehenden Probleme drei weitere Spezialisten zum Kraftwerk entsandt würden.
Am 21. März 2012 informierte die A.A. Co., Ltd die E.E. CompanyLtd über die anlässlich der Überprüfung eines Motorenzylinders entdeckten Probleme.Zudem teilte sie mit, dass sie zwischen dem 1. und7. April 2012 eine Überprüfung des gesamten Motors im Kraftwerk V. durchführen werde.


BGE 147 III 107 (110):

Am 14. August 2012 schlossen die A.A. Co., Ltd, die A.B. Co., Ltdund die E.E. Company Ltd eine Vereinbarung über die Lieferung von Ersatzteilen für das Kraftwerk V. durch die A.A. Co., Ltd.
Am 21. August 2012 kam es zu einem E-Mail-Austausch zwischen der Subunternehmerin A.A. Co., Ltd und den Beklagten über den Schaden an einem der Motoren. Dabei forderte die A.A. Co., Ltd die Beklagten auf, ihr die mangelhaften Teile zukommen zu lassen, damit sie die Ursache für den Fehler ermitteln könne.
Zwischen 24. und 26. Februar 2014 fand eine Besprechung betreffend das Kraftwerk V. statt, an der Vertreter der Beklagten, der A.B.Co., Ltd und der A.A. Co., Ltd teilnahmen. Am 29. September 2014kam es zu einem weiteren solchen Treffen, an dem weitere technische Fragen besprochen wurden.
Den Parteien gelang es nicht, ihre Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Die Beklagten weigerten sich in der Folge, ihren Zahlungsverpflichtungen aus den abgeschlossenen Lieferverträgen (V. Contract, W. I Contract, W. II Contract sowie X. Contract) gegenüber der A.B. Co., Ltd nachzukommen.
B. Am 5. März 2018 leitete die A.B. Co., Ltd ein Schiedsverfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagten ein.
Die Beklagten verlangten in der Folge, die Subunternehmerin A.A. Co., Ltd sei als Partei in das Schiedsverfahren einzubeziehen, da sie diese im Rahmen des Schiedsverfahrens neben der Klägerinfür angeblich erlittene Schäden ins Recht fassen wollten.
DieA.A. Co., Ltd bestritt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts.
Am 3. Dezember 2018 beschloss das Schiedsgericht, das Verfahren zunächst auf die Frage der Zuständigkeit betreffend die Subunternehmerin A.A. Co., Ltd zu beschränken.
Mit Schiedsentscheid (Partial Final Award on Jurisdiction) vom 24. Januar 2020 erklärte sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Genf bezüglich der von den Beklagten aus dem V. Contract gegen die A.A. Co., Ltd erhobenen Ansprüche für zuständig (Dispositiv-Ziffer 1). Hinsichtlich der von den Beklagten gegen diese erhobenen Ansprüche aus dem W. I Contract, dem W. II Contract sowie dem X. Contract erklärte sich das Schiedsgericht demgegenüber für nicht zuständig (Dispositiv-Ziffer 2)

BGE 147 III 107 (111):

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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die A.A. Co., Ltd dem Bundesgericht, es sei Dispositiv-Ziffer 1 des Teilschiedsspruchs des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Genf vom 24. Januar 2020 aufzuheben und es sei die Unzuständigkeit desSchiedsgerichts über die Beschwerdeführerin festzustellen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Klägerin hat auf eine aktive Beteiligung am Verfahren verzichtet.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde hebt das Bundesgericht Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenenSchiedsentscheids vom 24. Januar 2020 auf und weist die Sache zur Klärung weiterer Fragen an das Schiedsgericht zurück.
(Zusammenfassung)
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 3.1
Die Gültigkeit in inhaltlicher Hinsicht wie auch die objektive Tragweite einer Schiedsvereinbarung beurteilt sich gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG nach dem von den Parteien gewählten, dem auf die Streitsache, insbesondere dem auf den Hauptvertrag anwendbaren oder dem schweizerischen Recht (BGE 140 III 134 E. 3.1; BGE 138 III 29 E. 2.2.2). Ebenfalls gemäss Art. 178 Abs. 2 IPRG beurteilt sich die subjektive Tragweite einer Schiedsklausel (BGE 145 III 199 E. 2.4 S. 202; 134 III 565 E. 3.2 S. 567; BGE 129 III 727 E. 5.3.1 S. 736). Das

BGE 147 III 107 (112):

Schiedsgericht hat die Schiedsklausel in Art. 21 des V. Contractnach schweizerischem Recht ausgelegt und beurteilt, ob die Klauselauch für die Beschwerdeführerin gelte. Die Parteien gehen übereinstimmend von der Anwendbarkeit der Auslegungsgrundsätze des schweizerischen Rechts aus.
Die Auslegung einer Schiedsvereinbarung folgt den für die Auslegung privater Willenserklärungen allgemein geltenden Grundsätzen. Massgebend ist danach in erster Linie der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien (BGE 142 III 239 E. 5.2.1; BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138; BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71 mit Hinweisen). Diese subjektive Auslegung beruht auf Beweiswürdigung, die der bundesgerichtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen ist (BGE 142 III 239 E. 5.2.1 mit Hinweisen). Steht bezüglich der Schiedsvereinbarung kein tatsächlich übereinstimmender Wille der Parteien fest, so ist diese nach dem Vertrauensprinzip auszulegen, d.h. der mutmassliche Wille ist so zu ermitteln, wie er vom jeweiligen Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste (BGE 142 III 239 E. 5.2.1; BGE 140 III 134 E. 3.2; BGE 138 III 29 E. 2.2.3). Bei der Auslegung einer Schiedsvereinbarung ist deren Rechtsnatur zu berücksichtigen; insbesondere ist zu beachten, dass mit dem Verzicht auf ein staatliches Gericht die Rechtsmittelwege stark eingeschränkt werden. Ein solcher Verzichtswille kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht leichthin angenommen werden, weshalb im Zweifelsfall eine restriktive Auslegung geboten ist (vgl. BGE 144 III 235 E. 2.3.4 S. 246; BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 139; BGE 138 III 29 E. 2.3.1; BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680 f.).
3.2 Das Schiedsgericht wies zunächst darauf hin, dass die Argumente für eine Bindung der Beschwerdeführerin an die Schiedsklausel

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auf grund eines Vertretungsverhältnisses ("agency"), eines Durchgriffs ("lifting of the corporate veil") oder gestützt auf die "Group of Companies"-Theorie von den Beschwerdegegnerinnen im Laufe des Schiedsverfahrens fallengelassen worden seien. Ein Anschein der Vermischung der Sphären von Konzerngesellschaften, wie er in BGE 137 III 550 ff. angenommen wurde, falle im zu beurteilenden Fall ausser Betracht: Auch wenn die Beschwerdeführerin und dieKlägerin ähnliche Firmen führten, verfügten sie über verschiedene Geschäftssitze, Fabriken bzw. Standorte und hätten lediglich während eines Jahres teilweise dieselbe Unternehmensführung gehabt. Zudem unterschieden sich etwa auch die E-Mail-Adressen der Mitarbeiter der beiden Gesellschaften eindeutig voneinander. Zu prüfen sei demgegenüber, ob sich eine Ausdehnung der Schiedsvereinbarung daraus ergeben könne, dass sich die Beschwerdeführerin derart in den Abschluss und den Vollzug des Hauptvertrags (d.h. des V. Contract) eingemischt habe, dass darin nach Treu und Glauben eine Zustimmungserklärung zur Schiedsklausel zu erblicken sei.
Es sei nachgewiesen, dass Vertreter der Beschwerdeführerin am ersten Treffen zwischen der E.-Gruppe und den A.-Mitgliedernim Sommer 2009 anwesend gewesen seien. Der Präsident der J. Co. Ltd., der Herrn E. mit A. bekanntgemacht habe, habe in seiner Korrespondenz mit Herrn E. ausdrücklich auf den Motor "X." und auf die "X. factory in Y. [...] located in Z." verwiesen, bei der es sich einzig um die Beschwerdeführerin handeln könne, zumal nicht umstritten sei, dass der fragliche Motor von ihr hergestellt werde. Die Anwesenheit und/oder Teilnahme der Beschwerdeführerin an diesem ersten Treffen sei demnach erwiesen.
Die Beschwerdeführerin habe zudem Anhang IV zum V. Contract geliefert, der die Garantiewerte ("Guarantee Values") und das Leistungstestverfahren ("Performance Test Procedure") des von ihr hergestellten Motors enthalte. Damit sei sie am Abschluss des Vertragsbeteiligt gewesen. Nach Unterzeichnung des V. Contract vom 15. Juli 2010 hätten Vertreter der Gruppe der Beschwerdegegnerinnen und eine Behördendelegation aus Bangladesch die Werke der Beschwerdeführerin zur Prüfung der Motoren besucht. Während der Installationsphase habe die Beschwerdeführerin verschiedene Teile derim Kraftwerk V. montierten Motoren ersetzt oder angepasst. Insbesondere seien im Juli 2011 Fachkräfte der Beschwerdeführerin zumKraftwerk V. entsandt worden, um einzelne Teile zu ersetzen. Wennes zu einem Problem mit den Motoren gekommen sei, habe die

BGE 147 III 107 (114):

Beschwerdeführerin ihre Ingenieure an den Standort V. geschickt, um die Mängel zu beheben, wie auch die Beispiele vom 19. November und 27. Dezember 2011 zeigten. Zudem habe die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit bei den Motoren aufgetretenen Mängeln einige ihrer Berichte direkt den Beschwerdegegnerinnen geschickt und habe mitunter auch Korrespondenz direkt mit diesen geführt.
Diese Elemente, so das Schiedsgericht weiter, reichten je für sich genommen nicht aus für eine Ausdehnung der Schiedsvereinbarungauf die Beschwerdeführerin. Gemeinsam betrachtet führten diese Umstände jedoch zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe sich in den Abschluss und den Vollzug des V. Contract in einem Ausmasseingemischt, dass die Vertragsparteien darin nach Treu und Glaubendie Absicht hätten erblicken können, an die in diesem Vertrag enthaltene Schiedsklausel gebunden sein zu wollen. Insbesondere halte es das Schiedsgericht für bedeutsam, dass eines der wesentlichen technischen Dokumente des V. Contract von der Beschwerdeführerin stamme. Obwohl dies einleuchte, zumal die Beschwerdeführerin für die Motoren verantwortlich gewesen sei, sehe Art. 2 des V. Contract Folgendes vor: "Supplier agrees to sell and deliver the Equipment and services, as required by andin accordance with the Appendices mentioned above". Mit anderen Worten sehe der V. Contract eigens vor, dass der die Motoren betreffende Teil des Vertrags in Übereinstimmung mit den Vorgaben erfüllt werdenmüsse, die von der Beschwerdeführerin stammten. Vor diesem Hintergrund sei das Schiedsgericht nicht überzeugt, dass die Beschwerdeführerin vom Inhalt des V. Contract - so insbesondere von der Schiedsklausel - keine Kenntnis gehabt habe. Die von den Beschwerdegegnerinnen beigebrachten Dokumente wiesen eher auf das Gegenteil hin. So sehe etwa die nach dem Supply Contract zwischen der Beschwerdeführerin und der A.B. Co., Ltd getätigte Bestellung eigens vor, dass die Zahlungs- und Gewährleistungsbedingungen denjenigen des Vertrags zwischen der A.B. Co., Ltd und dem Endnutzer ("end user") d.h. den Beschwerdegegnerinnen 1 und 3, entsprächen.Das Schiedsgericht gehe daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin am Abschluss des V. Contract beteiligt gewesen sei und von dessen Inhalt samt Schiedsklausel Kenntnis gehabt habe.
In Bezug auf die Beteiligung der Beschwerdeführerin am Vollzug des V. Contract sei insbesondere zu bemerken, dass bei

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aufgetretenen Qualitätsproblemen der Motoren jeweils Fachkräfte und Ingenieure der Beschwerdeführerin entsandt worden seien, um dieseProbleme zu beheben, wobei die entsandten Personen direkt mit den Beschwerdegegnerinnen kommuniziert hätten. Diese Handlungen bestätigten, dass die Qualität der gemäss dem V. Contract gelieferten Motoren zur Verantwortung der Beschwerdeführerin gehört, wovon die Beschwerdegegnerinnen berechtigterweise ausgegangenseien. Massgebend für diese Betrachtung seien die von den Beschwerdegegnerinnen eingereichten Beilagen R-22 und R-25. Bei diesen handle es sich um wichtige Dokumente, aus denen die Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 nach Treu und Glauben auf die Mitwirkung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der nach dem V. Contract gelieferten Motoren hätten schliessen können. Gemäss BeilageR-22 bestätigten Vertreter der A.B. Co., Ltd am 20. Juli 2011, nachdem sie mit Vertretern der Beschwerdeführerin gesprochen hatten, gegenüber den Beschwerdegegnerinnen bezüglich des V. Contract, sie werde zusammen mit der Beschwerdeführerin für die Qualität der Motoren garantieren ("A.A. and A.B. will guarantee the quality of the engine"). Zudem habe die A.B. Co., Ltd bestätigt, dass die Beschwerdeführerin für die Probleme an der Kurbelwelle von Motor Nr. 2 am Standort V. die Gewährleistung übernehme. Darauf sei am 19. Dezember 2011 der von I. - damals Verwaltungsratspräsident und CEO von A.B. Co., Ltd und A.A. Co., Ltd - im Namenbeider Gesellschaften verfasste Brief an die E.E. Company Ltd (Beilage R-25) gefolgt. Dieses Schreiben sei besonders bedeutsam, weiles von einem Vertreter beider Gesellschaften stamme und ausdrücklich im Namen beider verfasst worden sei. Darin habe I. (i) einen Kommunikationsweg im Falle von Problemen angeboten, (ii) die Entsendung von Ingenieuren zur Behebung der aufgetretenen Probleme aufgezeigt, (iii) sich für Qualitätsprobleme entschuldigt und (iv) versprochen, das Bestmögliche zu unternehmen (" [to] take care of this matter with our best attention").
Die A.B. Co., Ltd habe in ihrem E-Mail ausdrücklich festgehalten, dass sie sich mit der Beschwerdeführerin abgesprochen habe ("regarding this matter, we had talket with A.A."), womit deren Kenntnis nachgewiesen sei. Es gebe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass darin ihre Ermächtigung an die A.B. Co., Ltd zum Ausdruck komme, die fraglichen Zusicherungen abzugeben. Das auf Treu undGlauben beruhende Verständnis der Beschwerdegegnerinnen werdeauch durch das Schreiben vom 19. Dezember 2011 gestützt, in dem

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I. nicht zwischen der A.B. Co., Ltd und der Beschwerdeführerin unterschieden, sondernim Namen beider Gesellschaften geschrieben habe. Aus diesen Gründen sei davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin in den Abschluss und den Vollzug des V. Contractin einer Weise eingemischt habe, dass die anderen Vertragsparteien in guten Treuen auf eine Zustimmung zur darin enthaltenen Schiedsklausel hätten schliessen dürfen. Bezüglich der anderen Lieferverträge (W. I Contract, W. II Contract sowie X. Contract) lägen demgegenüber keine entsprechenden Hinweise vor, weshalb dasSchiedsgericht zur Beurteilung der darauf gestützten Ansprüche nicht zuständig sei.
Ob sich eine Zuständigkeit des Schiedsgerichtsinfolge einer Übertragung vertraglicher Rechte und Pflichten der A.B. Co., Ltdauf die Beschwerdeführerin nach Art. 17 des V. Contract ("Assignment")oder gegebenenfalls aufgrund vonArt. 364 Abs. 2 ORergeben könnte, liess das Schiedsgericht angesichts der von ihm aus anderen Gründen bejahten Zuständigkeit offen.
3.3.1 Nach dem Grundsatz der Relativität vertraglicher Verpflichtungen bindet eine Schiedsklausel in einem Schuldvertrag grundsätzlich nur die Vertragsparteien. Allerdings bejaht das Bundesgericht seit langem, dass eine Schiedsklausel unter gewissen Voraussetzungen auch Personen binden kann, die den Vertrag nicht unterzeichnet haben und darin auch nicht erwähnt werden, wie etwa bei der Abtretung einer Forderung, bei einer (einfachen oder kumulativen) Schuldübernahme oder bei einer Vertragsübernahme (BGE 145 III 199 E. 2.4 S. 202; BGE 134 III 565 E. 3.2 S. 567 f.; BGE 129 III 727 E. 5.3.1 S. 735). Auch bei einem Dritten, der sich in den Vollzug eines Vertrags mit einer Schiedsklausel einmischt, wird sodann angenommen, er habe der Schiedsklausel durch konkludentes Handeln zugestimmt (BGE 145 III 199 E. 2.4 S. 202; BGE 134 III 565 E. 3.2 S. 568; BGE 129 III 727 E. 5.3.2 S. 737). Dies hat das Schiedsgericht grundsätzlich zutreffend erkannt.


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3.3.2 Wie die Beschwerdeführerin jedoch zu Recht vorbringt, ist im zu beurteilenden Fall zu beachten, dass es sich bei ihr um eine Zulieferantin der A.B. Co., Ltd handelte, die in Anhang I des V. Contract ("Vendor List") im Übrigen ausdrücklich als Verkäuferin bzw. Lieferantin eines Teils des zu liefernden Werks - nämlich der Dieselmotoren - aufgeführt ist. Lieferte sie als Subunternehmerin die benötigten Motoren für das nach dem Hauptvertrag geschuldete Kraftwerk, vermag auch nicht zu überraschen, dass diein Anhang IV des V. Contract enthaltenen Garantiewerte ("Guarantee Values") und Leistungstestverfahren ("Performance Test Procedure") für diese Motoren von ihr stammten bzw. mit den Bestimmungen in ihrem Liefervertrag mit der A.B. Co., Ltdübereinstimmten. Dies anerkennt im Grundsatz auch das Schiedsgericht; soweit es darin dennoch eine Einmischung in den Vertragsabschluss erblicken will, die für eine Zustimmung zur Schiedsklausel im V. Contract sprechen soll, kann ihm nicht gefolgt werden. Zudem liegt auf der Hand, dass im Rahmen des fraglichen Grossprojekts neben den Gewährleistungsregeln auch dieZahlungsbedingungen des Supply Contract mit denjenigen des Hauptvertragsin Einklang gebracht wurden.Eine Einmischung in den Vertragsabschluss liegt ebenso wenig in dem im angefochtenen Entscheid erwähnten Umstand, dass am ersten Treffen mit den Beschwerdegegnerinnen im Sommer 2009 auch Vertreter der Beschwerdeführerin anwesend waren bzw. für die Beschwerdegegnerinnen offenbar bereits früh ein bestimmter Motorentyp der Beschwerdeführerin im Vordergrund stand. Der V. Contract wurde in der Folge einzig zwischen A.B. Co., Ltd einerseits und den Beschwerdegegnerinnen 1 und 3 abgeschlossen; die Beschwerdeführerin war nicht Vertragspartei. Nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid bestand auch kein Anschein der Vermischung der Sphären zwischen der A.B. Co., Ltd und der Beschwerdeführerin; vielmehr liessen sich die beiden Gesellschaften trotz ähnlicher Firmen und einerzeitweiligen Überschneidung der Unternehmensführungen klar auseinanderhalten, was auch in der Beschwerdeantwort nicht mehr in Frage gestellt wird.
Den Beschwerdegegnerinnen musste demnach bewusst sein, dass es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um eine Partei des V. Contract handelte, sondern um eine Zulieferantin der A.B. Co., Ltd für bestimmte Bestandteile des bestellten Kraftwerks, nämlich die Dieselmotoren, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist. In ihrer Rolle als Subunternehmerin war sie

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erwartungsgemäss auch in den Vollzug des Hauptvertrags eingebunden, indem sie einen bedeutsamen Teil des von der A.B. Co., Ltd geschuldetenDieselkraftwerks lieferte. Angesichts der Bedeutung dieser Komponenten erscheint es nicht als ungewöhnlich, wenn Vertreter der Beschwerdegegnerinnen im Nachgang zum Abschluss des Hauptvertrags einem Test der Dieselmotoren im Werk der Beschwerdeführerin beiwohnten.Art. 7 des Supply Contractzwischen der Beschwerdeführerin und der A.B. Co., Ltd sah denn auch eigens vor, dass Vertreter der Beschwerdegegnerinnen zur Teilnahme an der Inspektion der Motoren im Betrieb der Beschwerdeführerin berechtigt waren. Entgegen dem angefochtenen Entscheid kann wederdarin noch im Umstand, dass die Beschwerdeführerin verschiedene Motorenkomponenten im Kraftwerk V. ersetzte, eine Einmischung in den Vollzug des V. Contract im Sinne einer konkludenten Zustimmung zur darin enthaltenen Schiedsklausel erblickt werden. Die im Schiedsentscheid erwähnten Massnahmen der Beschwerdeführerinzur Nachbesserung, nachdem bei den gelieferten Dieselmotoren Probleme aufgetreten waren, erfolgten in ihrer Rolle als für die Motoren verantwortliche Unterlieferantin. Es gehörte zu ihrerAufgabe als Subunternehmerin, solche Garantiearbeiten direkt beim Endkunden durchzuführen, worauf in der Beschwerde zutreffend hingewiesen wird.
Damit unterscheidet sich der zu beurteilende Sachverhalt grundlegend von demjenigen, der dem in der Beschwerdeantwort verschiedentlich ins Feld geführten BGE 129 III 727 E. 5.3 zu Grunde lag: In diesem Entscheid war die Drittperson, auf welche die fragliche Schiedsvereinbarung ausgedehnt wurde, nicht vertraglich in die Abwicklung des Hauptvertrags eingebunden, sondern beeinflusste vielmehr die Führung zweier beteiligter Gesellschaftenin Bezug auf die Leitung eines Bauprojekts, das auf einem von der Drittperson (indirekt) gehaltenen Grundstück und mit einer auf sie ausgestellten Baugenehmigung realisiert wurde, und mischte sich auch inanderer Weise in den Vollzug des betroffenen Werkvertrags ein (E. 5.1.1 und 5.3.2). Es lässt sich aus dem in der Beschwerdeantworterwähnten Entscheid daher nichts zugunsten der Beschwerdegegnerinnen ableiten.
Vor dem Hintergrund der vertraglichen Rollenverteilungim Rahmen des fraglichen Infrastrukturprojekts konnte auch die Mitteilung der A.B. Co., Ltd vom 20. Juli 2011 (Beilage R-22), wonach die Beschwerdeführerin für die Qualität der Motoren garantiere, nicht

BGE 147 III 107 (119):

als Einmischung der Beschwerdeführerinin dem Sinne verstanden werden, dem V. Contract bzw. der in Art. 21enthaltenen Schiedsvereinbarung als Partei beitreten zu wollen.Angesichts der vertraglichen Einbindung der Beschwerdeführerin als Subunternehmerin gestützt auf ihren Liefervertrag mit der A.B. Co., Ltd vom 19. November 2010 durften die Beschwerdegegnerinnen ausserdem das im Namen dieser beiden Gesellschaften verfasste Schreiben vom 19. Dezember 2011(Beilage R-25), in dem der damalige Verwaltungsratspräsident und CEO insbesondere versprach, zur Behebungder aufgetretenen Probleme das Bestmögliche zu unternehmen(" [to] take care of this matter with our best attention") nach Treu und Glauben nicht als klare Willensäusserung der Beschwerdeführerin verstehen, der Schiedsklausel im V. Contract zuzustimmen und damit gegenüber den Beschwerdegegnerinnen auf die staatliche Gerichtsbarkeit zu verzichten. Den Beschwerdegegnerinnen musste angesichts der getroffenen vertraglichen Regelungen zur Erstellung des Kraftwerks im Gegenteil bewusst sein, dass die Beschwerdeführerin als Subunternehmerin nicht Vertragspartei des V. Contract und auch nicht an die in Art. 21 enthaltene Schiedsklausel gebunden war.
Ob sich die schiedsgerichtliche Zuständigkeit gegebenenfallsauseinerÜbertragung der fraglichen Verpflichtungen der A.B. Co., Ltdan die Beschwerdeführerin nach Art. 17 des V. Contract ("Assignment")ergibt, wie die Beschwerdegegnerinnen behaupten, lässt sichaufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid nicht überprüfen.Das Schiedsgericht hat die Frageangesichts der von ihm aus einem anderen Grund - zu Unrecht - bejahten Zuständigkeit offengelassen; es hat dabei auch nicht abschliessend geklärt, inwiefern die entsprechenden Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen im Schiedsverfahren rechtzeitig erfolgten und diese damit zu hören gewesen wären. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache zur Klärung dieser Fragen an das Schiedsgericht zurückzuweisen.