BGE 134 III 145
 
26. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
5A_513/2007 vom 18. Dezember 2007
 
Regeste
Art. 125 ZGB; nachehelicher Unterhalt.
 
Sachverhalt


BGE 134 III 145 (145):

X. und Y. heirateten 1981. Sie haben die gemeinsamen Kinder A. (1981) und B. (1986). Sie pflegten eine klassische Rollenteilung, bei der die Ehefrau die Kinder grosszog und sich um den Haushalt kümmerte. Seit 2004 leben die Parteien getrennt. Infolge der Trennung nahm die Ehefrau Ende 2005 wieder eine Arbeitstätigkeit auf und erzielt mit einem 80 %-Pensum Fr. 2'955.- netto pro Monat. Der Ehemann verdient Fr. 5'334.- netto pro Monat.
Mit Scheidungsurteil des Bezirksgerichts N. vom 27. Oktober 2006 wurde X. zu nachehelichem Unterhalt von Fr. 1000.- bis April 2007 und von Fr. 895.- für die Zeit danach bis zu seinem Eintritt ins AHV-Alter verpflichtet. Die hiergegen erhobene Appellation wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 6. Juni 2007 ab. Beide kantonalen Instanzen haben der Ehefrau auf der Basis einer Vollzeitstelle ein hypothetisches Einkommen von Fr. 3'690.- angerechnet, was von ihr ausdrücklich anerkannt wird.


BGE 134 III 145 (146):

Gegen das obergerichtliche Urteil hat X. am 12. September 2007 Beschwerde erhoben mit dem Begehren, von der Festsetzung nachehelichen Unterhalts sei abzusehen. In ihrer Vernehmlassung vom 29. Oktober 2007 schliesst Y. auf Abweisung der Beschwerde.
 
Aus den Erwägungen:
Der Berechnungsmodus der hälftigen Überschussteilung wird bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen üblicherweise für den Ehegattenunterhalt während bestehender Ehe gewählt. Für den nachehelichen Unterhalt ist diese Vorgehensweise jedoch in der Regel unpassend. Wird (bei lebensprägender Ehe) der nacheheliche Unterhalt mit dem ehelichen gleichgesetzt, wie es das Obergericht tut, hätte die Scheidung mit Bezug auf das Unterhaltsrecht gar keine Folgen, sondern würden die Ehegatten ungeachtet der Scheidung in finanzieller Hinsicht lebenslänglich gleichgestellt. Darauf gibt Art. 125 ZGB keinen Anspruch; vielmehr endigt die auf Art. 159 Abs. 3 und Art. 163 Abs. 1 ZGB beruhende eheliche Beistands- und Unterhaltspflicht mit der Scheidung (vgl. auch BGE 127 III 289 E. 2a/aa S. 291). An deren Stelle kann nachehelicher Unterhalt gemäss Art. 125 ZGB treten. Hierfür ist bei lebensprägenden Ehen in folgenden drei Schritten vorzugehen (vgl. Urteil 5C.149/2004 vom 6. Oktober 2004, E. 4.2): Vorab ist der gebührende Unterhalt zu bestimmen, wofür die massgebenden Lebensverhältnisse der Parteien festzustellen sind; bei lebensprägender Ehe bemisst sich der gebührende Unterhalt an dem in der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard (zuzüglich scheidungsbedingter Mehrkosten), auf dessen Fortführung bei genügenden Mitteln beide Teile Anspruch haben (BGE 132 III 593 E. 3.2 S. 594 f.), der aber gleichzeitig auch die Obergrenze des gebührenden Unterhalts bildet (BGE 129 III 7 E. 3.1.1 S. 8; Urteil 5C.43/2006 vom 8. Juni 2006, E. 2.2 nicht publ. in BGE 132 III 593). Sodann ist zu prüfen, inwiefern die Ehegatten diesen Unterhalt je selber finanzieren können; der Vorrang der Eigenversorgung ergibt sich direkt aus dem Wortlaut von Art. 125 Abs. 1 ZGB. Ist diese einem Ehegatten vorübergehend oder dauerhaft nicht möglich bzw. zumutbar, so

BGE 134 III 145 (147):

dass er auf Unterhaltsleistungen des anderen angewiesen ist, muss in einem dritten Schritt dessen Leistungsfähigkeit ermittelt und ein angemessener Unterhaltsbeitrag festgesetzt werden; dieser beruht auf dem Prinzip der nachehelichen Solidarität (vgl. BGE 127 III 289 E. 2a/aa S. 291; zur Stufenfolge siehe auch Urteil 5C.244/2006 vom 13. April 2007, E. 2.4.1).
Entgegen den vorstehenden Ausführungen hat das Obergericht die eheliche Lebenshaltung der Parteien nicht festgestellt. Auch ohne dahingehende ausdrückliche Sachverhaltsfeststellung ist aber klar, dass die Lebenshaltung, die eine Person mit einem Einkommen von Fr. 3'690.- bestreiten kann, nicht tiefer liegt, als diejenige, die sich das Ehepaar oder gar der frühere Vierpersonenhaushalt mit Fr. 5'334.- hat leisten können, zumal davon offenbar auch eine gewisse Sparquote abgezweigt worden ist, wie die Ehefrau in ihrer Vernehmlassung mit Hinweis auf die Bildung von Errungenschaftswerten festhält. Kein wesentlich anderes Bild ergibt sich für die sechsmonatige Übergangszeit bis April 2007, welcher das Obergericht sinngemäss noch ein Einkommen der Ehefrau von Fr. 2'955.- zugrunde gelegt hat. Vermag aber die Ehefrau kraft Eigenversorgung am ehelichen Lebensstandard anzuknüpfen, bleibt kein Raum für nachehelichen Unterhalt.
Der angefochtene Entscheid ist demnach aufzuheben und von der Festsetzung nachehelichen Unterhalts ist abzusehen.