BGE 133 III 180
 
21. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH, B. und C. gegen D. Holding AG (Berufung)
 
4C.334/2006 vom 7. Februar 2007
 
Regeste
Aktienrecht; Quorum für das Gesuch um Einsetzung eines Sonderprüfers.
 
Sachverhalt


BGE 133 III 180 (181):

Die D. Holding AG (Beklagte) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Kanton Freiburg. Ihr Aktienkapital beträgt Fr. 1'700'000.- und ist eingeteilt in 17'000 Namenaktien.
Die A. GmbH (Klägerin 1) und B. (Kläger 2) sind Aktionäre der Beklagten. Sie unterbreiteten dem Verwaltungsrat im Hinblick auf die Generalversammlung vom 20. November 2004 diverse Fragen. Nachdem Dr. F. für den Verwaltungsrat der Beklagten die Fragen an der Generalversammlung vom 20. November 2004 beantwortet hatte, stellte die Klägerin 1 den Antrag, über bestimmte Fragenkomplexe eine Sonderprüfung gemäss Art. 697a ff. OR durchzuführen. Die Generalversammlung lehnte den Antrag ab.
Am 21. Februar 2005 ersuchten die Klägerin 1, der Kläger 2 sowie C. (Kläger 3) und G. beim Präsidenten des Zivilgerichts des Seebezirks um Anordnung einer Sonderprüfung. Die Kläger hielten im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs insgesamt 2'087 Namenaktien. Nachdem G. am 2. Februar 2006 den Rückzug seiner Klage erklärt hatte, vertraten die verbleibenden Kläger noch 556 Namenaktien. Mit Urteil vom 15. Februar 2006 wies der Zivilgerichtspräsident die Klage auf Sonderprüfung infolge fehlender Aktivlegitimation ab. Der Appellationshof des Kantonsgerichts Freiburg wies die dagegen eingereichte Berufung der Kläger 1-3 am 21. August 2006 ab, soweit er darauf eintrat.
Gegen dieses Urteil erhoben die Kläger 1-3 Berufung ans Bundesgericht. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
 
Aus den Erwägungen:
3.1 Aktivlegitimiert sind nach Art. 697b Abs. 1 OR Aktionäre, welche - von der hier nicht zur Diskussion stehenden Alternative abgesehen - mindestens 10 % des Aktienkapitals vereinigen. Mit dem Quorum soll sichergestellt werden, dass eine repräsentative Minderheit der Aktionäre das Anliegen unterstützt (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 3. Aufl. 2004, § 16 N. 26; WEBER, Basler Kommentar, N. 2 zu Art. 697b OR; vgl. auch FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, § 35 N. 41 ff.). Die Kläger stellen zu Recht

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nicht in Frage, dass die Vorinstanz zutreffend den Nachweis ihrer Aktionärseigenschaft ebenso wie der formellen Voraussetzung, dass sie mindestens 10 % des Aktienkapitals halten, verlangt hat. Sie halten jedoch daran fest, es sei hinreichend, wenn diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs erfüllt seien, auch wenn sie vor dem Entscheid über die Anordnung der Sonderprüfung entfallen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz vertraten die Kläger zusammen mit einem weiteren Aktionär im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs mehr als 10 % des Aktienkapitals der Beklagten. Nach dem Klagerückzug des weiteren Aktionärs im Laufe des Verfahrens halten die verbleibenden Kläger dagegen nur mehr 3,27 % des Aktienkapitals.
3.2 Aus dem Wortlaut von Art. 697b Abs. 1 OR ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger nichts für ihre Ansicht, dass das Quorum im Zeitpunkt des Entscheides über die Einsetzung eines Sonderprüfers nicht mehr erfüllt sein müsse. Denn während nach Absatz 1 dieser Bestimmung Aktionäre, die zusammen mindestens 10 % des Aktienkapitals vertreten, innert dreier Monate den Richter ersuchen können, einen Sonderprüfer einzusetzen ([...] des actionnaires représentant 10 % au moins du capital-actions peuvent, dans les trois mois, demander au juge la désignation d'un contrôleur spécial; [...] può essere chiesta, entro il termine di tre mesi, da azionisti che rappresentino insieme almeno il 10 per cento del capitale azionario), regelt Absatz 2 dieser Bestimmung den Anspruch der Gesuchsteller auf Einsetzung des Sonderprüfers. Die Gesuchsteller haben danach Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers, wenn sie eine Gesetzes- oder Statutenverletzung sowie eine dadurch bewirkte Schädigung der Gesellschaft oder der Aktionäre glaubhaft machen. Aus dem Wortlaut von Art. 697b Abs. 1 OR ergibt sich insofern nur, dass für die fristgerechte Einreichung des Gesuches ein Quorum der Aktionäre schon erforderlich ist. Dass dieses Quorum im Zeitpunkt der Einsetzung des Sonderprüfers durch den Richter nicht mehr erforderlich sein sollte, ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 697b Abs. 1 OR nicht, zumal diese Bestimmung die Voraussetzungen für die Einsetzung des Sonderprüfers durch den Richter nicht abschliessend regelt.
3.3 Hat die Generalversammlung den Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung abgelehnt, steht das Antragsrecht nicht mehr jedem Aktionär als Individualrecht zu. Das Antragsrecht an den Richter ist vielmehr als Minderheitenrecht ausgestaltet (FELIX HORBER, Die

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Informationsrechte des Aktionärs, Zürich 1995, S. 386 f. N. 1193; ANDREAS CASUTT, Die Sonderprüfung im künftigen schweizerischen Aktienrecht, Diss. Zürich 1991, § 8 N. 16). In der Gesetzesvorbereitung gehörte die Frage zu den umstrittensten, ob der einzelne Aktionär, wenn er mit seinem Antrag in der Generalversammlung unterlegen ist, an den Richter gelangen kann, um eine Sonderprüfung bewilligen zu lassen. Sie wurde vom Parlament verneint (BÖCKLI, a.a.O., § 16 N. 24). Zur richterlichen Einsetzung eines Sonderprüfers bedarf es danach einer Minderheit der Aktionäre, die sich entweder durch eine minimale absolute oder durch die hier umstrittene relative Mindestbeteiligung am Aktienkapital der Gesellschaft auszeichnet (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 35 N. 41 f.). Da mit dem Quorum eine gewisse Repräsentanz des Anliegens der Minderheitsaktionäre gewährleistet werden soll, muss dieses Erfordernis zwar nicht während der ganzen Dauer der Sonderprüfung, aber doch bis zur Einsetzung des Sonderprüfers durch das Gericht erfüllt sein (WEBER, a.a.O., N. 3 zu Art. 697b OR; CASUTT, a.a.O., § 8 N. 26, setzt daher den Moment der Gesuchstellung mit dem Moment des richterlichen Entscheids darüber gleich; ihm folgend DOMINIK VOCK, Prozessuale Fragen bei der Durchsetzung von Aktionärsrechten, Diss. Zürich 2000, S. 48). Denn das Verfahren auf Einleitung der Sonderprüfung durch die gerichtliche Einsetzung des Sonderprüfers wird erst mit dem richterlichen Entscheid abgeschlossen (HORBER, a.a.O., S. 399 N. 1225; CASUTT, a.a.O., § 8 N. 1 ff./51).
3.4 Die Sonderprüfung soll dem Informationsdefizit abhelfen, das dadurch entsteht, dass die Minderheitsaktionäre kaum Möglichkeiten haben, an Interna der Gesellschaft heranzukommen (BGE 123 III 261 E. 2a S. 263 f.; vgl. auch Urteil 4C.278/2006 vom 20. Dezember 2006, E. 3.3). Während sie den Aktionären die erforderlichen Informationen zur Ausübung ihrer Rechte verschaffen soll, stellt sie für die Gesellschaft eine Belastung dar, denn sie ist stets mit der Offenlegung vertraulicher Informationen verbunden, behindert den normalen Geschäftsablauf und verursacht unproduktive Arbeit (CASUTT, a.a.O., § 8 N. 50 und § 3 N. 6). Den Ausgleich zwischen den widerstrebenden Interessen hat der Gesetzgeber so getroffen, dass im Falle der Ablehnung einer Sonderprüfung durch die Generalversammlung nur eine qualifizierte Minderheit der Aktionäre die Einsetzung eines Sonderprüfers gegen den Willen der Mehrheit beim Gericht durchsetzen kann. Diesem vom Gesetzgeber gewollten Interessenausgleich entspricht, dass die qualifizierte Minderheit

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während des Verfahrens auf Anordnung der Sonderprüfung und Einsetzung des Sonderprüfers - und damit wenigstens bis zum Beginn der Prüfung - an ihrem Anliegen festhalten muss. Dass die Aktivlegitimation als materiellrechtliche Voraussetzung eines bundesrechtlichen Anspruchs im Zeitpunkt des richterlichen Entscheides gegeben sein muss, bestreiten die Kläger im Übrigen nicht (BGE 130 III 248 E. 2 S. 251 f., BGE 130 III 550 E. 2 S. 551; BGE 118 Ia 129 E. 1 S. 130; BGE 114 II 345 E. 3a S. 346). Das Quorum, das die zur Stellung des Gesuchs um Sonderprüfung massgebende Aktionärsminderheit definiert, gehört zu den Voraussetzungen der Aktivlegitimation (vgl. Urteil 4C.412/2005 vom 23. Februar 2006, E. 3). Wenn die Kläger mit ihrer Behauptung, es handle sich um eine formelle Voraussetzung, vorbringen wollten, das Quorum sei als - bundesrechtliche - Prozessvoraussetzung zu qualifizieren, würde dies zu ihren Gunsten übrigens nichts ändern. Denn auch Prozessvoraussetzungen müssen in der Regel im Zeitpunkt des Entscheides noch gegeben sein (vgl. VOGEL/SPÜHLER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, 7. Kap. N. 85).
3.5 Dass ausländische Regeln zur Sonderprüfung teilweise die danach erforderlichen Quoren im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung genügen lassen und ausdrücklich deren Wegfall vor dem Entscheid über die Anordnung der Sonderprüfung als unbeachtlich erklären, vermag die Auslegung des geltenden schweizerischen Rechts nicht zu beeinflussen. Denn rechtsvergleichend mögen ausländische Regelungen zur Auslegung des geltenden schweizerischen Rechts insbesondere dann gewinnbringend beigezogen werden, wenn sie dem schweizerischen Gesetzgeber als Vorbild gedient haben, ohne dass im Konkreten eine Abweichung festzustellen ist, oder wenn eine bewusste Harmonisierung mit ausländischen Rechtsordnungen angestrebt worden ist (vgl. BGE 129 III 335 E. 6 S. 350). Dafür fehlen hier für die von den Klägern angeführte holländische Rechtsordnung jegliche Anhaltspunkte. Die Beklagte führt im Gegenteil aus, dem schweizerischen Gesetzgeber habe für das Institut der Sonderprüfung die deutsche Regelung als Vorbild gedient. Diese beantwortet die hier umstrittene Frage aber gerade nicht im Sinne der Kläger. Angesichts der uneinheitlichen Regelung der Frage in den von den Klägern angeführten ausländischen Rechtsordnungen kann jedenfalls für die Auslegung des geltenden schweizerischen Rechts daraus nichts für die von den Klägern befürwortete Lösung abgeleitet werden.


BGE 133 III 180 (185):

3.6 Die Vorinstanz hat Art. 697b OR zutreffend ausgelegt, wenn sie das Quorum gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung als Voraussetzung der Aktivlegitimation der Aktionärsminderheit im Zeitpunkt des richterlichen Entscheides über die Anordnung einer Sonderprüfung und die Einsetzung eines Sonderprüfers als erforderlich erachtete.