BGE 130 III 450
 
57. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft Y. (Berufung)
 
5C.50/2004 vom 23. Juni 2004
 
Regeste
Bauliche Massnahmen des Stockwerkeigentümers (Art. 712a und 712b ZGB); Änderung der Zweckbestimmung einer Sache (Art. 648 Abs. 2 ZGB).
 
Sachverhalt


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A. X. ist Eigentümer der Stockwerkeinheit Nr. 6 in einer Liegenschaft mit sechs Einheiten. Zu den Wohnungen Nrn. 1-5 gehört jeweils ein Waschküchenabteil im Hochparterre und ein Kellerabteil. Die Stockwerkeinheit Nr. 6 bestand gemäss Begründungsakt und dem Reglement aus 130/1000 Miteigentum am Grundstück mit Sonderrecht an der 2-Zimmer-Wohnung Nr. 6 im 3. Stock, an einem Waschküchenabteil und dem Estrich (Abstellraum) im 3. Stock sowie an einem Kellerabteil.
X. benutzte diese Stockwerkeinheit zunächst als Büro. Im Jahr 1986 gestaltete er den Estrich zu einem Wohnraum um und baute eine

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Nasszelle mit Dusche und WC ein; die Waschküche funktionierte er zu einer Küche um. Dabei durchbrach er die Mauern zwischen der 2-Zimmer-Wohnung und der Waschküche sowie zwischen der Waschküche und dem Estrich. Ferner brachte er im Treppenhausbereich eine zusätzliche Türe an und verschob die Ausziehleiter, die von einer Nische in bzw. neben der Waschküche unter das Dach führt, in Richtung Gangmitte. Schliesslich baute er zusätzlich zwei Dachflächenfenster im Estrich ein.
Die Baukommission ordnete im Jahr 1998, was die Nutzungsänderung und die Einrichtungen in der Waschküche betraf, die Rückführung in den ursprünglichen Zustand an und forderte X. auf, für die übrigen Änderungen (Mauerdurchbrüche, Dachflächenfenster) ein Bewilligungsgesuch einzureichen. Nach einer Änderung der Ausnützungsziffern im Rahmen einer Revision des zürcherischen Planungs- und Baugesetzes (PBG/ZH) wurden die vom Kläger vorgenommenen Eingriffe durch die Baukommission im Jahr 1992 vollumfänglich bewilligt.
An der ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung vom 14. April 1999 fassten die heutigen vier Eigentümer der insgesamt sechs Einheiten mit drei gegen die eine Stimme von X. folgende Beschlüsse:
    Ablehnung der Beanspruchung der durch die PBG-Revision entstandenen erhöhten Ausnutzungsmöglichkeiten im Dachgeschoss durch den Eigentümer des Sonderrechtsanteils Nr. 6;
    Ablehnung der Nutzungsänderung der Nebenräume Waschküche und Estrich im Sonderrechtsanteil Nr. 6 in Wohnräume;
    Verpflichtung des Eigentümers des Sonderrechtsanteils Nr. 6, den ursprünglichen Zustand gemäss Begründungsakt und Reglement wiederherzustellen bezüglich der baulichen Eingriffe ins Gemeinschaftseigentum (Mauerdurchbrüche, Verschiebung Begrenzungsmauern, Einbau Dachflächenfenster);
    Verpflichtung des Eigentümers des Sonderrechtsanteils Nr. 6, im Dachstock den ursprünglichen Zustand gemäss Begründungsakt und Reglement wiederherzustellen bezüglich Abtrennung eines Teils des Treppenhauskorridors (Entfernung Holztüre).
B. Mit Klage vom 12. Mai 1999 verlangte X. die Aufhebung der Beschlüsse vom 14. April 1999. Mit Widerklage vom 30. September 1999 verlangte die Stockwerkeigentümergemeinschaft, X. sei zu befehlen, den ursprünglichen Zustand gemäss Begründungsakt und Reglement wiederherzustellen.


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Mit Urteil vom 27. Februar 2002 hiess das Bezirksgericht Horgen die Klage insoweit gut, als mit dem Beschluss die Nutzungsänderung der Nebenräume abgelehnt worden war, und es verpflichtete X. zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes betreffend Mauerdurchbrüche, Verschiebung der Begrenzungsmauern, Dachflächenfenster und Holztüre.
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, wies die Klage in seinem Urteil vom 13. Januar 2004 vollständig ab und befahl X. in Gutheissung der Widerklage, innert 90 Tagen ab Rechtskraft des Urteils folgende baulichen Massnahmen rückgängig zu machen:
    Mauerdurchbrüche zwischen der 2-Zimmer-Wohnung und der Waschküche sowie zwischen der Waschküche und dem Estrich;
    Verschieben der Begrenzungsmauer im Bereich Waschküche/Treppenhaus/Korridor;
    Einbau der Nasszelle im Estrich;
    Einbau der Dachfenster im Estrich;
    Einbau der Holztüre im Treppenhauskorridor.
C. Gegen den Entscheid des Obergerichts hat X. Berufung erhoben mit den Begehren um Aufhebung des angefochtenen Urteils, um Gutheissung der Klage und um Abweisung der Widerklage, eventualiter um Anweisung der kantonalen Instanzen, ein Beweisverfahren durchzuführen und ein neues Urteil zu fällen. In ihrer Berufungsantwort vom 16. April 2004 hat die Stockwerkeigentümergemeinschaft auf Abweisung der Berufung geschlossen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
 
Aus den Erwägungen:
Das Obergericht hat diesbezüglich für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG), dass auf dem als integrierender Bestandteil der Begründungsurkunde bezeichneten Plan F die Wände zwischen Wohnung, Waschküche und Estrich im Unterschied zu denjenigen innerhalb der Wohnung unkoloriert sind.

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Sodann hat es in diesem Zusammenhang die Begründungsurkunde erwähnt, in der festgehalten wird: "Die zu Sondereigentum im Sinne von Art. 712a Abs. 1 und Art. 712b ZGB ausgeschiedenen Räume sind in dieser Urkunde und damit übereinstimmend mit den Plänen B, C, D, E, F, mit einer Anteilsnummer und verschiedenen Farben gekennzeichnet. Die gemeinschaftlichen Räumlichkeiten und Gebäudeteile sind nicht nummeriert und in den Plänen nicht koloriert."
Wie das Obergericht richtig gefolgert hat, lässt dies keinen anderen Schluss zu, als dass die durchbrochenen bzw. versetzten Wände zwischen der Wohnung und den zugehörigen Nebenräumen im gemeinschaftlichen Eigentum standen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen können in der Begründungserklärung beliebige Teile zu gemeinschaftlichem Eigentum erklärt werden (vgl. Art. 712b Abs. 3 ZGB), und entgegen der Behauptung des Klägers ist die getroffene Lösung auch nicht unvernünftig: Alle sechs Stockwerkeinheiten bestehen aus einer Wohnung und Nebenräumen. Während die Mauern innerhalb der Wohnungen in der Regel zu Sonderrecht ausgeschieden sein müssen, andernfalls der Stockeigentümer von der Befugnis, seine Räume baulich frei auszugestalten, keinen Gebrauch machen könnte, muss dies für die Mauern, welche die Wohneinheit von den ihr dienenden Nebenräumen trennt, nicht der Fall sein, sind jene doch sonderrechtsfähig, ohne dass sie direkt mit der Haupteinheit verbunden sein müssen (MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, N. 66 zu Art. 712b ZGB; REY, Schweizerisches Stockwerkeigentum, 2. Aufl., Zürich 2001, N. 88). Offensichtlich sollte mit der gemäss Begründungsakt festgelegten Aufteilung die Stockwerkeinheit Nr. 6, bei der die Nebenräume im Unterschied zu den anderen Einheiten an die Wohnung angrenzen, keine spezielle Lösung getroffen und deshalb an den Mauern, welche die Wohnung und die Nebenräume umgeben, (ebenfalls) kein Sonderrecht begründet werden.
Der Stockwerkeigentümer ist in der baulichen Ausgestaltung seiner eigenen, d.h. der zu Sonderrecht ausgeschiedenen Räume frei, darf jedoch keinem anderen Stockwerkeigentümer die Ausübung des gleichen Rechts erschweren oder gemeinschaftliche Bauteile,

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Anlagen und Einrichtungen beschädigen oder in ihrer Funktion und äusseren Erscheinung beeinträchtigen (Art. 712a Abs. 2 ZGB). Obwohl diese Bestimmung einzig den Innenausbau betrifft (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 61 zu Art. 712a ZGB), glaubt der Kläger aus der doppelten Unterlassungspflicht ableiten zu können, eigenmächtige Eingriffe seien auch in gemeinsame Teile gestattet, wenn die anderen Stockwerkeigentümer dadurch keine Nachteile erlitten. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden:
Bei den genannten Unterlassungspflichten handelt es sich um unmittelbare gesetzliche Eigentumsbeschränkungen (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 72 zu Art. 712a ZGB). Daraus lässt sich nicht durch Umkehrschluss die Befugnis des Stockwerkeigentümers zu eigenmächtigen Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an gemeinschaftlichen Teilen herleiten, selbst wenn damit keine Beschädigungen oder Beeinträchtigungen verbunden sind. Dies wäre mit der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung in Bezug auf die gemeinschaftliche Teile betreffenden Verwaltungshandlungen und baulichen Massnahmen nicht vereinbar. Diesbezüglich wird in Art. 712g Abs. 1 ZGB auf die Bestimmungen über das Miteigentum (Art. 647a-647e ZGB) verwiesen. Demnach bedürfen nützliche bauliche Massnahmen der Zustimmung der Mehrheit aller Miteigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt (Art. 647d Abs. 1 ZGB), und der Verschönerung und Bequemlichkeit dienende Massnahmen der Zustimmung aller Miteigentümer (Art. 647e Abs. 1 ZGB). Diese Bestimmungen machen keinerlei Vorbehalte zu Gunsten eigenmächtiger baulicher Massnahmen. Unbehilflich ist daher das Argument, die durch die baulichen Massnahmen erfolgte Vergrösserung der Wohnfläche lasse keine übermässigen Immissionen erwarten. Durfte aber der Kläger nicht eigenmächtig in die gemeinschaftlichen Bauteile eingreifen, besteht entgegen seiner Behauptung auch kein Raum für eine Abwägung zwischen den Interessen des bauenden und der anderen Stockwerkeigentümer.
In gleicher Weise verkennt der Kläger die Tragweite von Art. 712a Abs. 2 ZGB, wenn er glaubt, die übrigen Stockwerkeigentümer dürften ihm den Einbau von Dachfenstern nicht verwehren, weil sie als Eigentümer tiefer liegender Wohnungen das Dach gar nicht in dieser Weise nutzen könnten: Das Dach steht von Gesetzes wegen im gemeinschaftlichen Eigentum (Art. 712b Abs. 2 Ziff. 2 ZGB; MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 15 zu Art. 712b ZGB) und Dachfenster prägen das äussere Erscheinungsbild der Liegenschaft, weshalb

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ein Stockwerkeigentümer solche baulichen Massnahmen von vornherein nicht eigenmächtig durchführen darf. Ebenso wenig verfängt die mit Bezug auf die Dachfenster vorgebrachte Argumentation, das Reglement erlaube die Benutzung des gemeinsamen Eigentums, soweit dies mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbar sei: Die Benutzung schliesst vom Wortsinn her eine Veränderung der Sache bzw. einen Eingriff in die Substanz aus; das Reglement geht somit nicht weiter als Art. 712a ZGB.
2.2 Im Einzelnen hat das Obergericht ausgeführt, im Begrün dungsakt und im Reglement werde unter ausdrücklichem Hinweis auf die für die Aufteilung massgebenden, einen integrierenden Bestandteil bildenden Grundrisspläne als Anteil Nr. 6 ein Sonderrecht an der 2-Zimmer-Wohnung mit Waschküchenabteil und Estrich im 3. Stock aufgeführt. Wenn im Begründungsakt und im Reglement die Räume ausdrücklich zu einer Sondernutzung als 2-Zimmer-Wohnung mit den Nebenräumen Waschküche und Estrich ausgeschieden seien, so habe sich der betroffene Eigentümer daran zu halten. Mit den vom Kläger vorgenommenen baulichen Massnahmen sei jedoch aus einer 2-Zimmer-Wohnung mit 68,4 m2 Wohnfläche eine zusammenhängende Wohneinheit von 136 m2 oder

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sogar 149 m2 entstanden. Die grössere und besser ausgebaute Wohnung sei auf eine erweiterte Nutzung durch mehr Personen ausgelegt, was zu tendenziell höheren Immissionen und einer tendenziell erhöhten Inanspruchnahme der Infrastruktur des Hauses (Heizung, Wasser, etc.) führe. Zwar könne der Verteilerschlüssel für die Kosten bzw. könnten die Wertquoten entsprechend angepasst werden; dies ändere aber nichts daran, dass die Nutzungserweiterung durch den Kläger einen massiven Eingriff in die durch den Begründungsakt und das Reglement geschaffene Ordnung und damit in die dort festgelegten Rechte und Pflichten der Stockwerkeigentümer bedeute.
Zum einen kann das Reglement Nutzungsbeschränkungen vorsehen, soweit diese das Sonderrecht des Stockwerkeigentümers in seinem Wesensgehalt nicht aushöhlen (vgl. BGE 111 II 330). Als zulässige Nutzungsbeschränkungen gelten nach der Lehre etwa das Verbot, mit Geräuschen oder Gerüchen verbundene Tätigkeiten auszuüben, grössere Haustiere zu halten oder bestimmte Instrumente zu spielen, nicht aber ein allgemeines Verbot, Besuche zu empfangen (vgl. MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 44 ff. zu Art. 712a ZGB).
Zum andern kann sich eine Nutzungsbeschränkung aber auch daraus ergeben, dass bestimmte Räume ihrer Funktion nach in einem Subordinationsverhältnis zur Haupteinheit stehen (MEIER-HAYOZ/REY, a.a.O., N. 66 zu Art. 712b ZGB; Rey, a.a.O., N. 88). Als der Hauptsache dienende Nebenräume werden sie nach der Verkehrsanschauung denn auch nicht als Zimmer oder zur Nettowohnfläche gezählt, und sie haben auf das Verhältnis der Wertquoten keinen oder nur einen ganz untergeordneten Einfluss. Dennoch unterliegen sie nicht anders als die Haupträume dem Zweck, dem die Liegenschaft oder die einzelne Stockwerkeinheit gewidmet ist. So bringt es beispielsweise der Wohnzweck mit sich, dass Dinge verstaut, Kleider gewaschen oder Fahrzeuge abgestellt werden müssen. Die entsprechenden Nebenräume (Keller bzw. Estrich, Waschküche, Garage) sind jedoch, wie das Obergericht zutreffend festgehalten hat, reglementskonform zu gebrauchen; es geht nicht an, dass ein Stockwerkeigentümer, ohne einen entsprechenden Beschluss der Gemeinschaft zu erwirken, eine Garage dauernd in ein Kinderzimmer oder einen

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Estrich in ein Wohnzimmer umfunktioniert, weil die Nebenräume damit ihrer dienenden Funktion enthoben würden.
2.4 Nichts kann der Kläger schliesslich aus BGE 111 II 330 für sich ableiten: Damals hatte das Bundesgericht die Frage zu beurteilen, ob die reglementarische Vorschrift, einen bestimmten Stockwerkeigentumsanteil nur als Museum und desgleichen nutzen zu dürfen, eine mit dem Bundesrecht zu vereinbarende Nutzungsbeschränkung sei, und zwar vor dem Hintergrund, dass die Liegenschaft als solche für Wohnzwecke bestimmt war und das Reglement die Führung einer ruhigen Büropraxis ausdrücklich zuliess. Das Bundesgericht erachtete die Nutzungsbeschränkung als unverhältnismässig und mit dem gesetzlichen Sonderrecht des Stockwerkeigentümers unvereinbar, und es schützte die Klage des Erwerbers des Stockwerkeigentumsanteils, der darin statt eines Museums eine Anwaltspraxis und einen Verlag zu betreiben beabsichtigte (E. 9 S. 342 oben).
In BGE 111 II 330 ging es um die Möglichkeit, einen Stockwerkeigentumsanteil überhaupt sinnvoll nutzen zu können. Im vorliegenden Fall kann jedoch keine Rede davon sein, dass der Kläger seine 2-Zimmer-Wohnung als das, was sie war, nämlich als 2-Zimmer-Wohnung, nicht sinnvoll hätte nutzen können. Dass hierfür eine Verdoppelung der Wohnfläche notwendig gewesen wäre, behauptet jedenfalls auch der Kläger nicht.