BGE 109 III 27
 
8. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 4. Februar 1983 i.S. Schmid und Mitbeteiligte (Rekurs)
 
Regeste
Art. 260 SchKG: Verzicht des Abtretungsgläubigers auf die Konkursforderung.
 
Sachverhalt


BGE 109 III 27 (28):

Die Rekurrenten, Dr. René Schmid, Ristaro GmbH und Smith + Spencer Ass. Ltd. liessen sich im Konkurs der Garamond Druck AG die Prozessführungsbefugnis im Schiedsgerichtsprozess der Josef Müller AG gegen die Konkursitin abtreten. Am 7. August 1980 teilte Dr. Schmid für sich selbst und im Auftrage der beiden andern heutigen Rekurrenten dem Konkursamt mit, sie verzichteten "vorbehältlich weiterhiniger verrechnungsweiser Geltendmachung" auf ihre Forderung. Gleichzeitig ersuchte er um entsprechende Änderung des Kollokationsplans. Das Konkursamt strich daraufhin die Forderungen dieser drei Gläubiger aus dem Kollokationsplan. Später teilte es dem Obmann des Schiedsgerichts mit, dass den Rekurrenten bezüglich der ursprünglich im Kollokationsplan zugelassenen Forderungen keine Gläubigereigenschaft mehr zukomme und sie demzufolge von der Verfolgung von Rechten der Gemeinschuldnerin gestützt auf Art. 260 SchKG ausgeschlossen seien. Je eine Kopie dieses Schreibens ging an die Rekurrenten als Verfügung darüber, dass die am 20. Juli 1979 an sie erfolgte Abtretung des Anspruchs auf Bestreitung der beim Schiedsgericht im Prozess liegenden Forderung der Josef Müller AG gegen die Gemeinschuldnerin annulliert werde.
Die beiden kantonalen Aufsichtsbehörden wiesen die Beschwerden gegen diese Verfügungen ab. Mit Rekurs ans Bundesgericht beantragen die Rekurrenten, es sei ihnen die Prozessführungsbefugnis zu belassen.
 
Aus den Erwägungen:
1. a) Gemäss Art. 260 Abs. 1 SchKG kann jeder Konkursgläubiger die Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse verlangen,

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auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet hat. Die Rechtsnatur dieser Abtretung ist in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, der Literatur und im obligatorischen Konkursformular Nr. 7 in dem Sinne umschrieben worden, dass es sich um ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis handelt, das Ähnlichkeit mit der Abtretung gemäss Art. 164 ff. OR und dem Auftrag gemäss Art. 394 ff. OR aufweist (BGE 105 III 137 f., BGE 93 III 63, 86 III 157/158, BGE 84 III 43, BGE 61 III 3, BGE 55 III 65, BGE 45 III 159, je mit Hinweisen und Literaturzitaten; FLACHSMANN, Die Abtretung der Rechtsansprüche der Konkursmasse nach Art. 260 SchKG, Zürcher Diss. 1927, S. 6 ff.). Danach wird der Gläubiger durch die Abtretung ermächtigt, den streitigen Rechtsanspruch anstelle der Masse in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und Gefahr geltend zu machen. Damit verbunden ist das Privileg, sich vor allen andern Konkursgläubigern aus dem allfällig erstrittenen Prozessergebnis im Umfange der eigenen Konkursforderung zu befriedigen. Das Prozessmandat erscheint demnach als Mittel zur Herbeiführung einer Vorzugsdeckung der eigenen Konkursforderung (BGE 56 III 70).
Das Prozessführungsrecht gemäss Art. 260 SchKG stellt nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre ein eigentliches Nebenrecht der Konkursforderung dar, das im Sinne des Art. 170 OR dem Schicksal dieser Konkursforderung folgt(BGE 98 III 73, BGE 57 III 100; JAEGER, N. 3 zu Art. 260 SchKG; FRITZSCHE, 2. Aufl. Bd. II, S. 172). Als Substrat muss also eine Konkursforderung vorhanden sein (BGE 55 III 65). Das Prozessmandat kann daher nur mit der Konkursforderung selbst zediert oder verpfändet werden. Umgekehrt fällt diese Abtretung dahin oder muss widerrufen werden, wenn der Schuldner der Konkursmasse beziehungsweise des Konkursiten zahlt, bevor der Abtretungsgläubiger Vorkehren zur Eintreibung der Forderung getroffen hat (BGE 84 III 44) oder der Konkurs selbst widerrufen oder eingestellt wird (BGE 43 III 75, BGE 33 I 242; JAEGER, N. 3 zu Art. 260 SchKG). Desgleichen entfällt die Legitimation zur weiteren Verfolgung des abgetretenen Rechtsanspruchs der Masse, wenn im Kollokationsprozess festgestellt wird, dass eine Konkursforderung gar nie bestanden habe (BGE 55 III 65, BGE 43 III 76 E. c). Stets ist somit vorausgesetzt, dass der Abtretungsgläubiger Konkursgläubiger ist und es auch bleibt.
b) Die Rekurrenten sind der Auffassung, dass ihnen die rechtsgültig erteilte Prozessführungsbefugnis nicht nachträglich

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entzogen oder annulliert werden dürfe, weil sie mit ihrer Konkursforderung aus dem Kollokationsplan ausgeschieden oder für ihre Forderung vollständig befriedigt worden seien. Sie hätten ihre Prozessführungsbefugnis in ihrer Eigenschaft als definitiv kollozierte Konkursgläubiger erhalten. Als solche seien sie auch auf Seiten des Beklagten in den Schiedsgerichtsprozess eingetreten und hätten sich materiell damit befasst. Sie hätten ihre Forderung lediglich zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezogen, womit sie nur ihre Eigenschaft als sogenannte Rangrücktrittsgläubiger dokumentiert hätten. Eine Annullierung einer rechtskräftig und gültig erteilten Abtretung nach Art. 260 SchKG nach Eintritt der Abtretungsgläubiger in den Prozess gebe es nicht. Das sei gesetzlich nicht vorgesehen und wäre auch stossend, nachdem sie das Prozessrisiko bereits auf sich genommen und am Ausgang des Konkurses und des Schiedsgerichtsprozesses ein eminentes Interesse hätten.
c) Die Rekurrenten haben unbestrittenermassen auf ihre kollozierten Forderungen gegenüber der Konkursmasse verzichtet. Diese Forderungen wurden in der Folge im Kollokationsplan gestrichen. Damit haben die Rekurrenten ihre Eigenschaft als Konkursgläubiger und das Recht darauf eingebüsst, die mit der Konkursgläubigereigenschaft verbundenen Ansprüche geltend zu machen. Da das Prozessführungsrecht im Sinne des Art. 260 SchKG ein Nebenrecht der Konkursforderung ist, fiel mit dem Untergang der Konkursforderung durch Verzicht auch das Nebenrecht dahin, und zwar von Rechts wegen, ohne dass es an sich einer Annullierungs- oder Widerrufungsverfügung des Konkursamtes bedurft hätte. Wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt wird, sind die gemäss Art. 260 SchKG abgetretenen Rechte derart an die Konkursforderung gebunden, dass sie nicht als selbständiges Recht, losgelöst von der Forderung, weiterbestehen können (JAEGER, N. 1, 3 zu Art. 260 SchKG; AMONN, S. 358). Die Rekurrenten übersehen zudem, dass die Abtretung der Prozessführungsbefugnis einzig der Befriedigung von Konkursforderungen dient. Dabei haben die Abtretungsgläubiger gemäss Art. 260 Abs. 2 SchKG zwar den Vorrang, sich bei einem allfälligen Prozessergebnis für ihre Forderungen vor den andern Gläubigern zu befriedigen, aber ein allfälliger Überschuss ist an die Masse abzuliefern. Ist keine Konkursforderung mehr vorhanden, so gibt es keinen Grund mehr, dem Abtretungsgläubiger die Weiterführung des Prozesses anstelle der Masse zu gestatten. Der

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"Widerruf" beziehungsweise die Feststellung des Konkursamtes, das Prozessführungsrecht sei dahingefallen, lässt sich deshalb nicht beanstanden. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Rekurrenten das Prozessrisiko bereits auf sich genommen und ein eminentes Interesse am Ausgang des Konkurses und des Schiedsgerichtsprozesses haben. Die Rekurrenten hätten es zudem selbst in der Hand gehabt, dieses Ergebnis zu verhindern.