BGE 83 III 89
 
24. Auszug aus dem Entscheid vom 29. August 1957 i.S. Mumenthaler.
 
Regeste
Zwangsvollstreckung unter Ehegatten. Art. 173 ff. ZGB.
 
Sachverhalt


BGE 83 III 89 (89):

Aus dem Tatbestand:
Im Scheidungsprozess der Eheleute Mumenthaler wurden der Ehefrau durch Präsidialverfügung vom 8. Juli 1955 gemäss Art. 145 ZGB monatliche Unterhaltsbeiträge für die Prozessdauer zugesprochen. Mit Urteil vom 13. Oktober 1956 wurde der Prozess durch Abweisung der Klage des Ehemannes beendigt und dieser zu einer Prozessentschädigung

BGE 83 III 89 (90):

von Fr. 1105.50 an die Ehefrau verurteilt. Die Ehegatten leben nach wie vor getrennt, weil der Ehemann sich weigert, die Ehefrau wieder bei sich aufzunehmen.
Diese setzte, ausser rückständigen Unterhaltsbeiträgen, die Prozessentschädigung in Betreibung. Die Beschwerde des Ehemannes wurde in den kantonalen Instanzen abgewiesen, vom Bundesgericht dagegen, soweit die Prozessentschädigung betreffend, gutgeheissen, aus folgenden
 
Erwägungen:
Prozessentschädigungen, die einem Ehegatten gegenüber dem andern zugesprochen werden, fallen zweifellos nicht allgemein unter den Begriff der Beiträge (subsides, sovvenzioni) im Sinn von Art. 176 Abs. 2 ZGB. Sie sind daher grundsätzlich dem Betreibungsverbot des Art. 173 ZGB unterstellt, ebenso wie die Hauptforderung, die den Gegenstand des Prozesses bilden mag, z.B. Kaufpreis, Darlehen usw., sofern nicht eben ein Beitrag im wahren Sinn des Wortes, d.h. eine zur Bestreitung des Lebensaufwandes dienende Leistung, im Streite liegt (vgl. BGE 82 III 4 unten). Trifft letzteres zu, wie z.B. bei Verfügungen gemäss Art. 145 oder 170 Abs. 3 ZGB, so ist dann allerdings nach ständiger Rechtsprechung ebenso wie die Unterhaltsforderung selbst auch die dem unterhaltsberechtigten Ehegatten in derselben Verfügung zugesprochene Prozessentschädigung vom Betreibungsverbote ausgenommen. In solchen Fällen gilt die Prozessentschädigung als eine die Unterhaltsbeiträge ergänzende Nebenleistung, wie denn das betreffende Verfahren zur Erwirkung eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruchs notwendig war. Da ferner vermieden werden soll, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte den ihm hiebei erwachsenen (und nicht durch Vorschüsse des andern gedeckten) Prozessaufwand aus den ihm für andern Bedarf zugesprochenen Beiträgen zu decken habe, wird die Betreibung für die Prozessentschädigung auch dann gestattet, wenn die Beitragspflicht nicht

BGE 83 III 89 (91):

den einzigen Gegenstand, sondern nur einen Teil der gerichtlichen Entscheidung bildete. Deshalb lässt BGE 82 III 1 ff. auch bei gerichtlicher Trennung der Ehe die Betreibung für die einem Ehegatten zugesprochene Prozessentschädigung stets dann zu, wenn das Urteil diesem Ehegatten Unterhaltsbeiträge zuerkennt (sei es für ihn selbst, analog Art. 170 Abs. 3, oder für Kinder, gemäss Art. 156 Abs. 2 ZGB). Und zwar ist daselbst auf S. 6 und 7 ausgeführt, dass die einem Ehegatten im Trennungsurteil neben Unterhaltsbeiträgen zugesprochene Prozessentschädigung ohne weiteres und ohne Vorbehalt in Betreibung gesetzt werden kann, also gleichgültig ob der darauf berechtigte Ehegatte im einzelnen Falle sonst Gefahr liefe, Unterhaltsbeiträge zur Deckung des Prozessaufwandes in Anspruch nehmen zu müssen.
In BGE 82 III 6 wurde noch die weitere Frage aufgeworfen - jedoch unentschieden gelassen - ob die einem Ehegatten gegen den andern zustehende Prozessentschädigung auch dann dem Betreibungsverbot entrückt zu werden verdiene, wenn sie dem betreffenden Ehegatten nicht neben Unterhaltsansprüchen zuerkannt worden ist. Das angefochtene Urteil glaubt dies bejahen zu dürfen, sofern die Ehegatten auch nur tatsächlich getrennt leben, wie im vorliegenden Falle, sodass die bei gemeinsamem Haushalt der Parteien auftauchenden moralischen Bedenken (BGE 63 III 143, worauf BGE 82 III 7 anspielt) sich nicht aufdrängen. Dem ist indessen angesichts der geltenden gesetzlichen Ordnung, die unter Beiträgen gemäss Art. 176 Abs. 2 ZGB eigentlich nur Unterhaltsbeihilfen versteht, nicht beizustimmen. Die für solche Beiträge vorgesehene Befreiung vom Betreibungsverbot lässt sich nur aufProzessentschädigungen ausdehnen, die dem unterhaltsberechtigten Ehegatten eben als Nebenfolge des (u.a.) den Unterhaltsanspruch bestimmenden Urteils gewährt werden und sich damit (einzig oder doch teilweise) als Aufwand zur Erwirkung eines vollstreckbaren Unterhaltsanspruches erweisen. Eine weitergehende Vollstreckbarkeit von Prozessentschädigungen

BGE 83 III 89 (92):

unter Ehegatten lässt sich nur als Postulat der Gesetzesrevision verfechten (vgl. W. STOCKER, Zum schweizerischen Ehegüterrecht, ZSR NF 76-1957 S. 362a ff.). Dagegen erscheint es als unzulässig, zu den "Beiträgen" des Art. 176 Abs. 2 ZGB auch solche Prozessentschädigungen zu rechnen, die nicht mit der Zuerkennung von Unterhaltsansprüchen zusammenhängen. So verhält es sich mit den hier von der Ehefrau geltend gemachten Prozessentschädigungen, die den durch Abweisung der Klage des Mannes beendigten Scheidungsprozess betreffen. Das Endurteil gewährt der Ehefrau keine (neuen) Unterhaltsanspüche, somit hat die ihr zugesprochene Prozessentschädigung nichts mit Beiträgen im Sinne von Art. 176 Abs. 2 ZGB zu tun. Die ferner in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge für die Dauer des Scheidungsprozesses beruhen auf einer andern, frühern gerichtlichen Entscheidung und vermöchten eine Ausdehnung der ihnen selbst zukommenden Vollstreckbarkeit nur für einen allenfalls in derselben Entscheidung zugunsten der Ehefrau enthaltenen Kostenspruch zu rechtfertigen, wie er jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Betreibung ist.