BGE 80 III 28
 
8. Entscheid vom 26. April 1954 i. S. Staat und Stadt Zürich.
 
Regeste
Lohnpfändung (Art. 93 SchKG).
(Anderung der Rechtsprechung.)
 
Sachverhalt


BGE 80 III 28 (29):

In der Betreibung Nr. 62057, die Staat und Stadt Zürich für eine Steuerforderung von Fr. 347.25 gegen Ernst Sennrich-Walti führen, lehnte das Betreibungsamt Zürich 11 eine Lohnpfändung ab, weil der Notbedarf des Schuldners und seiner Familie Fr. 785.50, das Einkommen des Schuldners einschliesslich des Beitrags der erwerbstätigen Ehefrau an die ehelichen Lasten, den es auf 2/3 ihres Verdienstes von Fr. 339.-- festsetzte, dagegen nur Fr. 759.-- betrage. Auf Beschwerde der Gläubiger entschied die untere Aufsichtsbehörde, vom Lohn des Schuldners seien Fr. 40.- pro 14 Tage zu pfänden, weil nach zürcherischem Steuerrecht (§ 8 des Gesetzes über die direkten Steuern vom 8. Juli 1951) der Ehemann den Verdienst der Ehefrau zusammen mit seinem Verdienste zu versteuern habe und nachBGE 58 III 69ff. in Betreibungen gegen den Ehemann für Steuerforderungen, die auch den Arbeitserwerb der Ehefrau beschlagen, bei der Berechnung der pfändbaren Lohnquote der volle Verdienst der Ehefrau zum Verdienste des Mannes hinzugezählt werden müsse. Die kantonale Aufsichtsbehörde, an welche der Schuldner rekurrierte, hat dagegen mit Entscheid vom 11. März 1954 die Verfügung des Betreibungsamtes wiederhergestellt.
Diesen Entscheid haben die Gläubiger unter Berufung auf das erwähnte Präjudiz an das Bundesgericht weitergezogen.
 


BGE 80 III 28 (30):

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
In BGE 58 III 69ff. hat das Bundesgericht erwogen, beim Entscheid darüber, welche Quote vom Lohne des Schuldners nach Art. 93 SchKG gepfändet werden dürfe, sei der Arbeitserwerb der Ehefrau des Schuldners zu dessen Lohn hinzuzurechnen, soweit der Schuldner auf diesen Erwerb einen Rechtsanspruch habe (BGE 57 III 55 und 104). Die den Arbeitserwerb der Ehefrau belastende Steuer stelle, da dieser Erwerb Sondergut sei, jedenfalls im Verhältnis unter den Ehegatten eine Sondergutschuld dar. Falls nach dem Steuerrecht der Ehemann diese Steuer zahlen müsse, sei er also nach Art. 209 Abs. 2 ZGB berechtigt, zu ihrer Zahlung den Arbeitserwerb der Ehefrau heranzuziehen. Wenn die diesen Erwerb treffende Steuer nicht gesondert berechnet werde, bleibe nichts anderes übrig, "als dass für die Eintreibung der einheitlichen Steuerforderung angenommen wird, der Ehemann sei zur Heranziehung des Arbeitserwerbes der Ehefrau im ganzen Umfange der Steuer berechtigt, es wäre denn, dass dies zu offenbarer Unbilligkeit führen würde, was jedoch vorliegend angesichts des nicht hohen Steuerbetrages (Fr. 109.30) nicht der Fall ist."
Diese Schlussfolgerungen halten einer neuen Prüfung nicht stand.
a) Selbst wenn man mit der Vorinstanz daran festhalten wollte, dass die den Arbeitserwerb der Ehefrau belastende Steuer eine Sondergutsschuld der Ehefrau darstelle und der Mann deshalb nach Art. 209 Abs. 2 ZGB berechtigt sei, zur Bezahlung dieser Steuer den Arbeitserwerb der Ehefrau heranzuziehen, müsste doch auf jeden Fall die Annahme aufgegeben werden, Art. 209 Abs. 2 gebe dem Ehemann das Recht, mangels gesonderter Berechnung der erwähnten Steuer den Arbeitserwerb der Ehefrau "im ganzen Umfang der Steuer", also auch für die Zahlung des seinen eigenen Lohn belastenden Anteils, heranzuziehen. Es ist unter keinen Umständen angängig, eine Schuld,

BGE 80 III 28 (31):

die ihrer Natur nach nur zum Teil eine Sondergutsschuld sein kann, zum andern Teil dagegen den Ehemann trifft, der Einfachheit halber ganz als Sondergutsschuld zu behandeln. Ein solches Vorgehen nur für den Fall "offenbarer Unbilligkeit" auszuschliessen, genügt nicht, weil es in jedem Falle nicht nur unbillig, sondern gesetzwidrig ist, das Sondergut der Frau mit einer Mannesschuld zu belasten. Es dürfte daher höchstens der Teil der Steuer, der dem Verhältnis des Frauenverdienstes zum Verdienste beider Ehegatten entspricht, als Sondergutsschuld betrachtet werden.
b) Der in BGE 58 III 69ff. aufgestellte Grundsatz lässt sich aber auch nicht aufrechterhalten, wenn man ihn in diesem Sinne einschränkt.
In Fällen, wo wie hier das Einkommen des Mannes bei weitem nicht ausreicht, um den Notbedarf der Familie zu decken, und daher die Ehefrau gemäss Art. 192 ZGB aus ihrem Arbeitserwerb Beiträge an die ehelichen Lasten erbringen muss, kann zum mindesten der diesem Beitrag entsprechende Teil der ihren Erwerb treffenden Steuer nicht als Sondergutsschuld betrachtet werden. Richtigerweise ist in einem solchen Falle wohl sogar die ganze Steuer als Schuld des Mannes zu erklären; denn es wäre ungereimt und unbillig, wenn der Ehemann von der Ehefrau über ihre Beiträge hinaus auch noch die Vergütung des Steuerbetrages fordern könnte, der auf den zurückbehaltenen Teil ihres Verdienstes entfällt.
Art. 209 Abs. 2 ZGB erlaubt sodann dem Ehemanne nicht, von der Ehefrau den Betrag einer Sondergutsschuld gegenüber einem Dritten zu fordern, bevor er diese Schuld bezahlt hat. Diese Bestimmung sieht vielmehr eine Forderung auf "Ausgleichung" vor, deren Entstehung voraussetzt, dass Sondergutsschulden der Ehefrau aus dem ehelichen Vermögen getilgt "worden" sind.
Selbst wenn man es aber bei der Steuer auf dem Arbeitserwerb der Ehefrau mit einer Sondergutsschuld zu tun haben sollte und der Ehemann nach Art. 209 Abs. 2 ZGB Anspruch darauf hätte, dass die Ehefrau ihm die

BGE 80 III 28 (32):

für die Zahlung einer bei ihm eingeforderten Sondergutsschuld nötigen Mittel zum voraus zur Verfügung stelle, liesse es sich doch nicht rechtfertigen, bei der Lohnpfändung in der Betreibung gegen den Ehemann für eine den Verdienst beider Gatten treffende Steuer den Arbeitserwerb der Ehefrau im vollen Betrag zum Einkommen des Mannes hinzuzurechnen, um dafür zu sorgen, dass der auf diesen Erwerb entfallende Teil der Steuer gedeckt werde. Ansprüche des Mannes auf finanzielle Leistungen der Frau können zwar bei der Lohnpfändung gegen diesen in Betracht fallen, sogar wenn sie als unpfändbar zu gelten haben. Soweit der Notbedarf durch derartige Leistungen gedeckt werden kann, verringert sich der aus dem eigenen Einkommen des Mannes zu deckende Bedarf (BGE 79 III 152 Erw. 2; vgl. BGE 65 III 131 Erw. 2, BGE 78 III 114). Voraussetzung dafür, dass solche Leistungen für die Berechnung der pfändbaren Lohnquote zum Einkommen des Mannes hinzugezählt werden dürfen, ist jedoch, dass der Ehemann darauf unzweifelhaft Anspruch erheben und diesen Anspruch schon während der Ehe durchsetzen kann. Letzteres trifft für den Anspruch auf Beiträge gemäss Art. 192 und 246 ZGB zu (vgl. Art. 246 Abs. 2 und Art. 176 Abs. 2 ZGB), nicht dagegen für den Anspruch auf Leistungen gemäss Art. 209 Abs. 2 ZGB; dieser Anspruch wird zwar schon während der Ehe fällig, kann aber (unter Vorbehalt von Art. 174 ff. ZGB) während der Ehe nicht durch Betreibung geltend gemacht werden (EGGER N. 8 zu Art. 209 ZGB). Der Arbeitserwerb der Ehefrau darf daher bei der Lohnpfändung in einer Betreibung gegen den Ehemann für Steuern, die auch diesen Erwerb beschlagen, wie in einer andern Betreibung gegen den Ehemann nur nach Massgabe der Beitragspflicht gemäss Art. 192 ZGB als Einnahmequelle des Schuldners in Rechnung gestellt werden. Sollte die Ehefrau tatsächlich grössere Beiträge leisten, als sie nach dieser Bestimmung zu leisten verpflichtet ist, so können die Gläubiger des Mannes hieraus nichts zu ihren Gunsten ableiten

BGE 80 III 28 (33):

(vgl. den Entscheid vom 18. Mai 1949 i.S. Bernasconi gegen Zürich, Erw. 3 a).
Der Umstand, dass die in ungetrennter Ehe lebende Ehefrau nach § 15 des zürcherischen Steuergesetzes bis zum Betrag des auf ihr eigenes Einkommen entfallenden Steueranteils für die Steuerschuld des Mannes solidarisch haftet, vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Diese Haftung kann der Fiskus nur in der Weise geltend machen, dass er die Ehefrau selber betreibt (vgl. BGE 63 III 111).
Das Betreibungsamt hat daher mit Recht nicht den vollen Arbeitserwerb der Ehefrau, sondern nur den von ihr nach Art. 192 ZGB geschuldeten Beitrag zum Lohn des Schuldners hinzugerechnet. Dass es diesen Beitrag zu niedrig bemessen habe, behaupten die Rekurrenten selber nicht.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.