BGE 135 II 265
 
27. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Amt für Migration des Kantons Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
2C_577/2008 vom 24. März 2009
 
Regeste
Art. 1 lit. c FZA, Art. 24 Abs. 1, 2 und 8 Anhang I FZA, Art. 16 VEP; Aufenthaltsrecht für Personen, die im Aufenthaltsstaat keine Erwerbstätigkeit ausüben; "ausreichende" finanzielle Mittel.
Die Regelung über die ökonomischen Aufenthaltsvoraussetzungen hat zum Zweck zu vermeiden, dass die öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates über Gebühr belastet werden. Das ist gewährleistet, ohne dass es darauf ankäme, aus welcher Quelle, einer eigenen oder einer fremden, die Existenzmittel des Betroffenen stammen (E. 3.1-3.3). Ohne weiteres zulässig ist es jedoch zu prüfen, ob die Drittmittel auch tatsächlich zur Verfügung stehen (E. 3.4). Muss der Betroffene dann doch Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beanspruchen, besteht das Aufenthaltsrecht nach Massgabe von Art. 24 Abs. 8 Anhang I FZA nicht mehr fort und es können aufenthaltsbeendende Massnahmen eingeleitet werden (E. 3.5 und 3.6). Mit diesem Ergebnis steht nicht in Widerspruch, dass nach gefestigter Rechtsprechung Ergänzungsleistungen im schweizerischen Ausländerrecht nicht zur Sozialhilfe gehören (E. 3.7).Vorliegend sind die Voraussetzungen der Aufenthaltserteilung erfüllt, jedenfalls so lange, als nicht dennoch Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beansprucht werden (E. 3.8).
 
Sachverhalt


BGE 135 II 265 (266):

A. X., geb. 21. Juli 1952, deutsche Staatsangehörige, reiste am 21. Mai 2007 in die Schweiz ein, meldete sich am 29. Mai 2007 bei der Einwohnerkontrolle Y. an und ersuchte beim Amt für Migration des Kantons Luzern um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Sie führte aus, dass ihre Tochter mit einem Schweizer Bürger verheiratet sei und sie gerne in der Nähe ihres Enkelkindes sein möchte. Sie verfüge über eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
B. Das Amt für Migration des Kantons Luzern wies das Gesuch mit Verfügung vom 13. August 2007 ab. Eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs falle ausser Betracht, weil sie vorgängig im Ausland nicht von ihrer Tochter unterstützt worden sei, und eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen der Wohnsitznahme als Rentnerin könne mangels genügenden Renteneinkommens nicht gewährt werden.


BGE 135 II 265 (267):

Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mit Urteil vom 16. Juli 2008 ab. (...)
Das Bundesgericht heisst die von X. am 11. August 2008 gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist das Amt für Migration des Kantons Luzern an, der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
(Auszug)
 
Aus den Erwägungen:
    (1) Eine Person, die die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt und keine Erwerbstätigkeit im Aufenthaltsstaat ausübt und dort kein Aufenthaltsrecht auf Grund anderer Bestimmungen dieses Abkommens hat, erhält eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren, sofern sie den zuständigen nationalen Behörden den Nachweis dafür erbringt, dass sie für sich selbst und ihre Familienangehörigen über
    a) ausreichende finanzielle Mittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen;
    b) einen Krankenversicherungsschutz verfügt, der sämtliche Risiken abdeckt.
    Die Vertragsparteien können, wenn sie dies für erforderlich erachten, nach Ablauf der beiden ersten Jahre des Aufenthalts eine Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis verlangen.
    (2) Die finanziellen Mittel gelten als ausreichend, wenn sie den Betrag übersteigen, unterhalb dessen die eigenen Staatsangehörigen auf Grund ihrer persönlichen Situation und gegebenenfalls derjenigen ihrer Familienangehörigen Anspruch auf Fürsorgeleistungen haben. Ist diese Bedingung nicht anwendbar, so gelten die finanziellen Mittel des Antragstellers als ausreichend, wenn sie die von der Sozialversicherung des Aufnahmestaates gezahlte Mindestrente übersteigen.
Die vom Bundesrat erlassene Verordnung vom 22. Mai 2002 über die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs zwischen

BGE 135 II 265 (268):

der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft und deren Mitgliedstaaten sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Verordnung über die Einführung des freien Personenverkehrs, VEP; SR 142.203) bestimmt in Art. 16 zu den bei Aufenthalt ohne Erwerbstätigkeit nach Art. 24 Anhang I FZA erforderlichen finanziellen Mitteln:
    1 Die finanziellen Mittel von EG- und EFTA-Angehörigen sowie ihren Familienangehörigen sind ausreichend, wenn sie die Fürsorgeleistungen übersteigen, die einem schweizerischen Antragsteller oder einer schweizerischen Antragstellerin und allenfalls seinen oder ihren Familienangehörigen aufgrund der persönlichen Situation nach Massgabe der Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) gewährt werden.
    2 Die finanziellen Mittel sind für rentenberechtigte EG- und EFTA-Angehörige sowie ihre Familienangehörigen ausreichend, wenn sie den Betrag übersteigen, der einen schweizerischen Antragsteller oder eine schweizerische Antragstellerin und allenfalls seine oder ihre Familienangehörigen zum Bezug von Ergänzungsleistungen nach dem Bundesgesetz vom 19. März 1965 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung berechtigt.
 
Erwägung 3
3.2 Das Amt für Migration errechnete nach Massgabe der SKOS-Richtlinien einen monatlichen Bedarf von Fr. 2'166.-, dem Einnahmen aus der Erwerbsunfähigkeitsrente von Fr. 1'082.85 gegenüberstünden, was einem monatlichen Fehlbetrag von Fr. 946.15 (recte: Fr. 1'083.15) entspreche. Die Beschwerdeführerin verfüge somit nicht über hinreichend Mittel, um für ihren Lebensunterhalt in der Schweiz eigenständig aufkommen zu können. Das Verwaltungsgericht verweigerte die Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht gestützt auf diese sozialhilferechtliche Berechnung. Vielmehr prüfte es nach Massgabe von Art. 16 Abs. 2 VEP, ob ein schweizerischer Antragsteller in der finanziellen Situation der Beschwerdeführerin

BGE 135 II 265 (269):

Anspruch auf Ergänzungsleistungen erheben könnte. Hierfür anrechenbaren Ausgaben von Fr. 28'100.- jährlich stünden Einnahmen aus der Rente von Fr. 12'996.- gegenüber. Die Unterstützung durch die Tochter gehöre als Verwandtenunterstützung nicht zu den anrechenbaren Einnahmen. Somit seien die finanziellen Mittel der Beschwerdeführerin für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu erwerbsloser Wohnsitznahme nicht ausreichend.
Was die ökonomischen Aufenthaltsvoraussetzungen betrifft, genügt es nach dem Wortlaut sowohl von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA wie auch von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/364/EWG, dass die Person, welche die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei bzw. der Mitgliedstaaten besitzt, über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss. Irgendwelche Anforderungen in Bezug auf die Herkunft dieser Mittel enthalten die Bestimmungen nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat daher entschieden, dass die Bedingung ausreichender finanzieller Mittel nicht dahin ausgelegt werden könne, dass der Betroffene selber über solche Mittel verfügen müsse (Urteile vom 19. Oktober 2004 C-200/02 Zhu und Chen, Slg. 2004 I-9925 Randnrn. 30 und 33; vom 23. März 2006 C-408/03 Kommission gegen Belgien, Slg. 2006 I-2647 Randnrn. 40 und 41). Die finanziellen Mittel könnten auch von Familienangehörigen (Urteil Kommission gegen Belgien, Randnr. 42) oder sonstigen Dritten stammen (Urteil Kommission gegen Belgien, Randnrn. 45 ff.). Dieser Auslegung des Gerichtshofs ist für die Anwendung von Art. 24 Anhang I FZA beizutreten. Es wäre in der Tat unverhältnismässig, weil nicht erforderlich, dem Kriterium der ausreichenden finanziellen Mittel, ein weiteres nach der Herkunft dieser Mittel hinzuzufügen. Die Regelung über die ökonomischen

BGE 135 II 265 (270):

Aufenthaltsvoraussetzungen hat zum Zweck zu vermeiden, dass die öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates über Gebühr belastet werden. Das ist gewährleistet, ohne dass es darauf ankäme, aus welcher Quelle, einer eigenen oder einer fremden, die Existenzmittel des Betroffenen stammen. Bei eigenen Mitteln mag die Gefahr zwar geringer erscheinen, dass sie später wegfallen könnten, als dies der Fall ist, wenn die Mittel von einer zur Unterstützung nicht verpflichteten Drittperson stammen. Doch ist zu beachten, dass sowohl das Freizügigkeitsabkommen wie auch die Richtlinie 90/364/EWG damit rechnen, dass stets ein latentes Risiko des Wegfalls ausreichender finanzieller Mittel besteht, weshalb das Aufenthaltsrecht ausdrücklich auch nur so lange besteht, als die Berechtigten die entsprechenden Bedingungen einhalten (Art. 24 Abs. 8 Anhang I FZA; Art. 3 Richtlinie 90/364/EWG). Diese Regelung erlaubt dem Aufenthaltsstaat während des gesamten Aufenthalts nachzuprüfen, ob die Bedingungen (noch) eingehalten werden.
3.4 Nach dem Gesagten kann den kantonalen Behörden nicht beigepflichtet werden, soweit sie verlangen, dass die Mittel, welche der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehen müssen, ausschliesslich eigene Mittel sein dürfen und die Unterstützung durch Tochter und Schwiegersohn unberücksichtigt zu bleiben habe. Ohne weiteres zulässig ist es jedoch zu prüfen, ob die Drittmittel auch tatsächlich zur Verfügung stehen und ob sie zusammen mit den eigenen ausreichend sind. Unter Berücksichtigung ihrer eigenen Rente und des Geldbeitrags, den Tochter und Schwiegersohn der Beschwerdeführerin versprochen haben, wird der monatliche Betrag nach den SKOS-Richtlinien von Fr. 2'166.- nicht ganz erreicht. Hinzu kommen aber noch die Nahrungsmittel, welche der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehen. Beides, sowohl der versprochene Geldbeitrag wie auch die Naturalleistungen erscheinen unter den Umständen des Falles als nicht bloss vorgeschoben, sondern glaubhaft. Der Mietvertrag für die Wohnung der Beschwerdeführerin ist von ihrer Tochter und dem Schwiegersohn abgeschlossen worden, so dass diese gegenüber dem Vermieter geradestehen müssen. Der Schwiegersohn ist Landwirt, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Beschwerdeführerin, wie versprochen, die Nahrungsmittel nicht selber beschaffen muss, sondern sie von ihm beziehen kann. Hinzu kommt schliesslich, dass die Beschwerdeführerin bis zum Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts mehr als ein Jahr in der Schweiz gelebt hat, ohne dass sie Sozialhilfe hätte

BGE 135 II 265 (271):

beantragen müssen. Es kann damit davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin über ausreichende finanzielle Mittel zur Befriedigung ihres Existenzbedarfs verfügt.
3.5 Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin, wenn ihr eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, Ergänzungsleistungen nach dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) beanspruchen könnte. Die Einnahmen, welche für die Prüfung der Anspruchsberechtigung berücksichtigt werden, erfassen zwar namentlich Renten, Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen (Art. 11 Abs. 1 lit. d ELG), nicht aber Verwandtenunterstützungen nach den Art. 328-330 ZGB (Art. 11 Abs. 3 lit. a ELG) oder öffentliche oder private Leistungen mit ausgesprochenem Fürsorgecharakter (Art. 11 Abs. 3 lit. c ELG). Diese Regelung hat zur Folge, dass gerade dann, wenn der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird, weil sie zusammen mit den Mitteln, welche ihr von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden, über ausreichende Existenzmittel verfügt, sie gleichwohl Ergänzungsleistungen beanspruchen könnte, welche ihr - übrige Anspruchsvoraussetzungen vorausgesetzt - zugesprochen werden müssten. Das Bundesgericht hat denn auch entschieden, dass eine italienische Staatsangehörige, welcher aufgrund der Erklärung ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns, sie würden für sie aufkommen, so dass dem öffentlichen Haushalt keine Kosten entstünden, die Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde, dennoch Anspruch auf Ergänzungsleistungen erheben kann (BGE 133 V 265). Allerdings äusserte sich das Bundesgericht in diesem Entscheid nicht zu den aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen, welche die Inanspruchnahme von Ergänzungsleistungen hat; diese Frage zu entscheiden sei Sache der für die Bewilligungserteilung zuständigen Ausländerbehörde, nicht der Institutionen der Sozialversicherung (BGE 133 V 265 E. 7.3.2 S. 277 f.).
Das Anliegen des Bundesrates ist in der Sache berechtigt, es kann aber nicht zur Folge haben, dass für die ökonomischen

BGE 135 II 265 (272):

Voraussetzungen der Aufenthaltsbewilligung nur eigene Mittel, nicht aber dem Betroffenen zur Verfügung stehende Drittmittel Berücksichtigung finden. Eine solche Voraussetzung kann nicht durch bundesrätliche Verordnung eingeführt werden, weil sie mit den staatsvertraglichen Verpflichtungen aus dem Freizügigkeitsabkommen nicht in Einklang steht. Vielmehr ist Konkordanz der gegenläufigen Regelungen dadurch herzustellen, dass für die Prüfung der Frage ausreichender finanzieller Mittel eigene wie auch dem Betroffenen zur Verfügung stehende Drittmittel berücksichtigt werden müssen, dass aber dann, wenn dieser doch Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beansprucht, nach Massgabe von Art. 24 Abs. 8 Anhang I FZA das Aufenthaltsrecht nicht mehr fortbesteht und aufenthaltsbeendende Massnahmen eingeleitet werden können.
3.7 Mit diesem Ergebnis steht nicht in Widerspruch, dass nach gefestigter Rechtsprechung Ergänzungsleistungen im schweizerischen Ausländerrecht nicht zur Sozialhilfe gehören und deren Bezug daher nicht Anlass für eine Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG oder für den Widerruf einer Bewilligung nach Art. 62 lit. e und Art. 63 Abs. 1 lit. c AuG (SR 142.20) sein kann (Urteil 2C_448/2007 vom 20. Februar 2008 E. 3.4 und 3.5 mit Hinweisen). Die Aufenthaltsregelung nach Art. 24 Anhang I FZA für nicht erwerbstätige Personen ist von ausreichenden finanziellen Mitteln abhängig, so dass die öffentlichen Finanzen des Aufenthaltsstaates nicht belastet werden. Die Erteilung der Bewilligung steht unter dieser Bedingung (Art. 24 Abs. 8 Anhang I FZA), so dass sie - wenn die Bedingung nicht mehr erfüllt ist - widerrufen werden kann.
Ergänzungsleistungen als Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA zu behandeln, steht allerdings begrifflich auch in einem Spannungsverhältnis zur Regelung der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Art. 8 FZA) nach Massgabe von Anhang II, der dabei auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 28 vom 30. Januar 1997 S. 1; SR 0.831.109.268.1), Bezug nimmt. Diese Verordnung gilt für alle Zweige der sozialen Sicherheit (Art. 4 Abs. 1 Verordnung Nr. 1408/71), ist aber nicht anzuwenden auf die Sozialhilfe (Art. 4 Abs. 4 Verordnung Nr. 1408/71). Ergänzungsleistungen des schweizerischen Rechts sind nach dieser Verordnung der sozialen Sicherheit zugeordnet, gelten aber als

BGE 135 II 265 (273):

beitragsunabhängige Sonderleistungen nach Art. 10a der Verordnung, die in deren Anhang IIa aufgeführt sind und für die das sonst geltende Prinzip des Leistungsexports nicht massgebend ist, weshalb Ergänzungsleistungen allein den im Land wohnhaften Personen auszurichten sind (BGE 130 V 145 E. 4.2 S. 148 f.; vgl. auch BGE 130 V 253 E. 2.3 S. 255 f.). Dieses Wohnsitzprinzip für beitragsunabhängige Sonderleistungen hat allerdings zur Folge, dass eine geringfügige Rente wegen Invalidität oder Alter eines anderen Mitgliedstaates dazu führt, dass in der Schweiz Ergänzungsleistungen auszurichten sind. Denn gemäss Art. 10a Abs. 3 Verordnung Nr. 1408/71 sind Zusatzleistungen, die vom Bezug einer Leistung der sozialen Sicherheit nach Art. 4 Abs. 1 lit. a-h abhängen, also namentlich von Leistungen bei Invalidität (lit. b) und bei Alter (lit. c), auch dann zu gewähren, wenn eine entsprechende Leistung in einem anderen Mitgliedstaat gewährt wird.
Die Regelung über die Wohnsitznahme nicht erwerbstätiger Personen soll demgegenüber gewährleisten, dass es nicht zu einer ungebührlichen Belastung der öffentlichen Finanzen des Aufnahmestaates kommt. Dieser Regelungszweck würde systematisch verfehlt, wenn beitragsunabhängige Sonderleistungen, welche wesensgemäss die öffentlichen Finanzen belasten, nicht zur Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. a Anhang I FZA und der Richtlinie 90/364/EWG gerechnet würden (SILVIA BUCHER, Soziale Sicherheit, beitragsunabhängige Sonderleistungen und soziale Vergünstigungen, 2000, S. 226 ff.). Ergänzungsleistungen gehören daher zwar zur sozialen Sicherheit und sind nicht Sozialleistungen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1408/71, aufenthaltsrechtlich müssen sie jedoch der Sozialhilfe gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. a FZA und der Richtlinie 90/364/EWG gleichgesetzt werden, wobei aufenthaltsbeendende Massnahmen - wie schon ausgeführt - lediglich eingeleitet werden können, wenn sie tatsächlich in Anspruch genommen werden.


BGE 135 II 265 (274):

Der angefochtene Entscheid ist demnach aufzuheben und das Amt für Migration des Kantons Luzern anzuweisen, der Beschwerdeführerin die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.