BGE 132 II 250
 
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen A. und Mitb. sowie Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission und Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
2A.447/2005 / 2A.604/2004 vom 6. März 2006
 
Regeste
Art. 103 lit. a OG; Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte; keine Legitimation des Anzeigers zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Sachverhalt


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Am 28. September 2000 schlossen Dr. med. X. einerseits sowie die Klinik S. AG und die Klinik T. AG andererseits eine Vereinbarung, in welcher die Anstellung des Ersteren als Belegarzt am Kompetenzzentrum für Kiefer- und Gesichtschirurgie der beiden Spitäler geregelt wurde. Nachdem X. diese Stelle nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt antreten konnte, verzichtete er in der Folge definitiv auf die Anstellung bei den Kliniken und folgte stattdessen einer Berufung als Ordinarius an die Universität Zürich.
Am 23. April 2003 haben die Klinik S. AG und die Klinik T. AG beim Obergericht des Kantons Zürich Klage gegen X. eingereicht und dessen Verurteilung zur Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von rund 3,5 Mio. Franken verlangt. In diesem Forderungsprozess wurden sie von Rechtsanwalt B. vertreten. Dieser war Büropartner von Rechtsanwalt A., welcher im Auftrag der Kliniken die Vereinbarung mit X. ausgearbeitet hatte. Im Januar 2004 übergab B. infolge Austritts aus der Kanzlei das Mandat dem - ebenfalls im gleichen Anwaltsbüro tätigen - Rechtsanwalt C. Letzterer hatte X. und drei Arztkollegen beraten, als diese im Hinblick auf die Tätigkeit im Kompetenzzentrum für Kiefer- und Gesichtschirurgie untereinander einen Partnerschaftsvertrag aushandelten; an den entsprechenden Arbeiten war auch Rechtsanwalt A. beteiligt gewesen.
Am 2. Februar 2004 gelangte X. wegen angeblicher "Doppelvertretung" an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich, welche ein Disziplinarverfahren wegen "Verletzung der Berufsregeln sowie Zutrauenswürdigkeit" eröffnete, das sie alsdann mit Entscheid vom 2. September 2004 einstellte. Die Aufsichtskommission hielt fest, A. sei Anwalt der Kliniken und habe die Vereinbarung vom 28. September 2000 in deren Auftrag ausgearbeitet. Es sei ihm und seinen Kanzleikollegen deshalb unbenommen, die Kliniken im Schadenersatzprozess gegen X. zu vertreten. Zwar seien die beschuldigten Rechtsanwälte auch für Letzteren tätig gewesen, aber nur hinsichtlich des Partnerschaftsvertrags, der das Innenverhältnis zwischen den beteiligten Ärzten regle und

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offensichtlich in keinem sachlichen oder rechtlichen Konnex zum Verhältnis zwischen X. und den Kliniken stehe.
Am 15. Oktober 2004 erhob X. "Beschwerde" beim Bundesgericht (2A.604/2004), wobei das Verfahren antragsgemäss sistiert wurde. Nachdem die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich mit Beschluss vom 10. Juni 2005 auf den Rekurs von X. nicht eingetreten war, nahm das Bundesgericht das Verfahren 2A.604/2004 wieder auf und gab X. Gelegenheit, sich zu dessen Fortgang zu äussern.
Am 12. Juli 2005 reichte X. dem Bundesgericht eine als "Beschwerde/Beschwerdeergänzung" bezeichnete Rechtsschrift ein (2A.447/2005). Er stellt verschiedene - zum Teil nur schwer verständliche - Anträge, wobei er sinngemäss insbesondere die Aufhebung der Beschlüsse der Verwaltungskommission des Obergerichts und der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte verlangte; Erstere sei anzuweisen, auf seinen Rekurs einzutreten, und Letztere, "das gesetzliche Verfahren durchzuführen".
Das Bundesgericht hat die beiden Verfahren vereinigt und ist auf die Beschwerde gegen den Beschluss der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich nicht eingetreten, während es die Beschwerde gegen den Beschluss der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich abgewiesen hat, soweit es darauf eingetreten ist.
 
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer sieht die Disziplinwidrigkeit im Umstand, dass die beschuldigten Rechtsanwälte als Vertreter der Klinik S. AG und der Klinik T. AG einen Schadenersatzprozess gegen ihn vor dem Zürcher Obergericht führen. Die entsprechende Forderungsklage wurde am 23. April 2003 und damit nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (BGFA; SR 935.61) eingereicht. Ob ein Disziplinarverstoss vorliegt, beurteilt sich deshalb nach den einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes, so dass der letztinstanzliche kantonale Entscheid grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt (vgl. BGE 129 II 297 E. 1.1 S. 299). Dementsprechend sind die Eingaben des Beschwerdeführers als Verwaltungsgerichtsbeschwerden entgegen zu nehmen.
3. Auf die direkt gegen den Entscheid der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte eingereichte erste Beschwerde (2A.604/2004)

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ist allerdings mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nicht einzutreten: Das kantonale Recht hat für Disziplinarentscheide der Aufsichtsbehörde eine Rekursmöglichkeit an eine Gerichtsbehörde zur Verfügung zu stellen. Art. 98a OG verpflichtet die Kantone für Streitigkeiten, in denen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig ist, zur Bestellung "richterlicher Behörden" als letzte kantonale Instanz. Der Kanton Zürich hat eine entsprechende Rekursmöglichkeit eingerichtet; bis Ende 2004 konnte insoweit an die Verwaltungskommission des Obergerichts gelangt werden (§ 7 der Verordnung vom 15. Mai 2002 betreffend die Anpassung des kantonalen Rechts an das eidgenössische Anwaltsgesetz), während seit dem 1. Januar 2005 nunmehr das Verwaltungsgericht zuständig ist (§ 38 des neuen Zürcher Anwaltsgesetzes vom 17. November 2003 [AnwG/ZH]). Erst Entscheide dieser Behörden stellen Gerichtsentscheide im Sinne von Art. 98a OG dar, die Anfechtungsobjekt einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht bilden können. Dieses Rechtsmittel steht nach dem Gesagten gegen Entscheide unterer Instanzen nicht zur Verfügung, wobei die Pflicht zur Erschöpfung des Instanzenzugs auch dann gilt, wenn die vom Beschwerdeführer beanspruchte Legitimation zweifelhaft ist oder - wie hier - gemäss Formulierung der Rechtsmittelbelehrung nicht gegeben wäre.
4.1 Im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren ist einzig die Frage der Legitimation des Beschwerdeführers zu prüfen: Ist dieser nach Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die unterbliebene Disziplinierung berechtigt, hätte ihm die kantonale Rechtsmittelinstanz aufgrund von Art. 98a OG die Legitimation zum Rekurs ihrerseits nicht absprechen dürfen. In diesem Falle wäre der angefochtene Nichteintretensentscheid schon wegen Verletzung von Art. 98a OG aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung ans Zürcher Obergericht zurückzuweisen. Fehlt dem

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Beschwerdeführer dagegen das nach Art. 103 lit. a OG erforderliche schutzwürdige Interesse an der (materiellen) Anfechtung des Disziplinarentscheids, kann das Bundesgericht auf diesen Streitpunkt nicht eintreten; es fällt diesfalls - mangels Erfüllung der strengeren Legitimationsvorschrift von Art. 88 OG - zum Vornherein auch die Anhandnahme der Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde ausser Betracht.
4.3.1 In der Tat sieht das eidgenössische Anwaltsgesetz, welches das Disziplinarrecht abschliessend regelt (BGE 129 II 297 E. 1.1 S. 299), einzig die in Art. 17 genannten Sanktionen vor. Zwar kann das kantonale Recht der Aufsichtsbehörde zusätzliche Aufsichtsmittel zur Verfügung stellen (vgl. TOMAS POLEDNA, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar zum Anwaltsgesetz, Zürich 2005, N. 9 zu Art. 14 BGFA). Ob und inwieweit eine kantonale Vorschrift zulässig wäre, welche die zuständige Aufsichtsbehörde gegenüber einem Rechtsanwalt zu konkreten Anweisungen für die Art und Weise der Führung eines bestimmten Mandats ermächtigt, bedarf hier aber keiner weiteren Prüfung. Der Beschwerdeführer beruft sich nicht auf eine entsprechende kantonale Norm, und das Zürcher

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Anwaltsgesetz scheint auch keine solche zu kennen (vgl. § 13 f. und § 21 AnwG/ZH). Damit kann die Aufsichtsbehörde das Verhalten des Anwalts nur indirekt lenken, indem sie ihn für begangene Disziplinarverstösse nachträglich gemäss Art. 17 BGFA sanktioniert. Ihre Rolle ist deshalb wesentlich verschieden etwa von jener der Eidgenössischen Bankenkommission, welche zur aktiven Kontrolle der ihr unterworfenen Einrichtungen verpflichtet ist und über entsprechend weitreichende, spezialgesetzlich normierte Eingriffsmöglichkeiten verfügt: Die Bankenkommission hat, wenn sie von Verstössen gegen das Gesetz oder von sonstigen Missständen Kenntnis erhält, nicht nur Sanktionen zu ergreifen, sondern auch für die Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands zu sorgen. Zu diesem Zweck ist sie gemäss Art. 23ter Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0) ausdrücklich befugt, alle "notwendigen Verfügungen" zu treffen (vgl. hierzu BGE 130 II 351 E. 2.1 S. 354).
4.4 Dem Anzeiger bleibt es unbenommen, mit Mitteln des Zivil- oder Strafrechts selbst gegen den beschuldigten Rechtsanwalt vorzugehen, wenn die angegangene Aufsichtsbehörde die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens oder die Ausfällung einer Sanktion ablehnt. Weil das anwaltsrechtliche Disziplinarverfahren dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der korrekten Berufsausübung durch die Rechtsanwälte dient und nicht die Wahrung individueller privater Anliegen sichern soll, ist der Anzeiger nicht im Sinne von Art. 103 lit. a OG in schutzwürdigen eigenen Interessen betroffen und kann deshalb nicht auf dem Beschwerdeweg eine Intervention der Aufsichtsbehörde verlangen. Es widerspricht weder den Vorgaben des eidgenössischen Anwaltsgesetzes noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires Verfahren, wenn das Obergericht dem Beschwerdeführer die Legitimation zur Anfechtung des abschlägigen Disziplinarentscheids abgesprochen hat.


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Ferner wird in der Beschwerde nicht dargetan, dass das Vorgehen der kantonalen Behörde in willkürlicher Weise gegen kantonales Verfahrensrecht verstosse. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass ihm die Kosten des kantonalen Verfahrens auferlegt worden sind und er den Beschuldigten je eine Parteientschädigung zu bezahlen hat, fehlt es an einer rechtsgenüglichen Begründung für diese Rüge; auf die entsprechenden Vorbringen ist nicht einzugehen.