BGE 131 II 525
 
38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. B. und Mitb. gegen Pensionskasse A. und Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt sowie Eidgenössische Beschwerde- kommission der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
2A.451/2004 vom 9. Juni 2005
 
Regeste
Teilliquidation einer Vorsorgeeinrichtung; Behandlung der Wertschwankungsreserven.
Die Wertschwankungsreserven folgen bei einer Teilliquidation den Aktiven, zu deren Absicherung sie gebildet wurden. Barmittel unterliegen keinen Wertschwankungen, weshalb bei einer Abgeltung der Ansprüche des Abgangsbestands in bar keine Wertschwankungsreserven auf dessen neue Vorsorgeeinrichtung zu übertragen sind (E. 6).
 
Sachverhalt


BGE 131 II 525 (526):

Die A. AG veräusserte per 31. Mai 2000 ihre Division X. an die M.; der schweizerische Teil der Division wurde in die V. AG (heute: H. GmbH) eingebracht. Im Rahmen des Verkaufs der Division X. verliessen 734 aktive Versicherte die Pensionskasse A., von denen 721 (ausmachend 12.8 Prozent aller Versicherten) in die neu gegründete Pensionskasse V. (heute: Pensionskasse H.) übertraten; sämtliche 687 Rentenbezüger verblieben bei der Pensionskasse A. Die Aufsichtsbehörde BVG und Stiftungsaufsicht des Kantons Basel-Stadt stellte diesbezüglich fest, dass die Voraussetzungen für eine Teilliquidation der Pensionskasse A. gegeben seien, und genehmigte den von dieser vorgelegten Teilungsplan (Verfügung vom 10. Januar 2002). Gemäss diesem betrug die Austrittsleistung des Abgangsbestands (d.h. jener Versicherten, die zur Pensionskasse V. übertraten) insgesamt 195'991'200 Franken, wovon ihr Anteil am freien Stiftungsvermögen 25'378'200 Franken ausmachte; vereinbarungsgemäss wurden die Ansprüche des Abgangsbestands in bar abgegolten.
Die Genehmigungsverfügung fochten verschiedene Versicherte sowie die Pensionskasse V. bei der Eidgenössischen Beschwerdekommission der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge an; sie verlangten im Wesentlichen eine Beteiligung

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des Abgangsbestands an den Wertschwankungsreserven der Pensionskasse A. Mit Entscheid vom 7. Mai 2004 wies die Beschwerdekommission die Beschwerde ab.
Am 13. August 2004 haben die am Verfahren beteiligten Versicherten sowie die Pensionskasse H. (ehemals Pensionskasse V.) beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 4
4.1 Kommt es zu einer Teilliquidation einer Vorsorgeeinrichtung, so wird dieser ein so genanntes "Fortbestands- oder Fortführungsinteresse" zugebilligt. Unter dem betreffenden Titel bildet die Pensionskasse jene Reserven und Rückstellungen, welche sie mit Blick auf die anlage- und versicherungstechnischen Risiken nach Abwicklung der Teilliquidation benötigt, um die Vorsorge der verbleibenden Destinatäre im bisherigen Rahmen weiterzuführen (vgl. CARL HELBLING, Zum Verfahren der Teil- und Gesamtliquidation von Personalvorsorgeeinrichtungen, in: Schmid [Hrsg.], Teilliquidationen von Vorsorgeeinrichtungen, Bern 2000, S. 72; CHRISTINA RUGGLI-WÜEST, Liquidation/Teilliquidation der Vorsorgeeinrichtung, in Schaffhauser/Stauffer [Hrsg.], Neue Entwicklungen in der beruflichen Vorsorge, St. Gallen 2000, S. 162, Fn. 36). Es handelt sich dabei insbesondere um Risikoschwankungsreserven, Wertschwankungsreserven auf den Aktiven, Zinsreserven (im Hinblick auf die gesetzliche Mindestverzinsung der Altersguthaben), Reserven wegen der Zunahme der Lebenserwartung, Reserven für die Anpassung der laufenden Renten an die Teuerung sowie Rückstellungen für latente Steuern und Abgaben auf Liegenschaften (vgl. CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 267; OLIVIER DEPREZ, Feststellung der freien Mittel, in: Schmid [Hrsg.], Teilliquidationen von Vorsorgeeinrichtungen, Bern 2000, S. 46 ff.; OSKAR LEUTWILER, Teilliquidation einer Pensionskasse, in: Schweizer Treuhänder [ST] 1999 S. 324; Gemischte Kommission der Treuhand-Kammer und der Schweizerischen Aktuarvereinigung, Leitfaden zur Teilliquidation [Hrsg.], Zürich 2001, S. 18 f.; JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, Fonds libres et liquidations de caisses de pensions, in: SZS 2001 S. 462 f.).
4.2 Zusätzlich zum Fortbestandsinteresse ist bei der Teilliquidation von Vorsorgeeinrichtungen als zentrales Prinzip das

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Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Das Bundesgericht leitete schon vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes aus dem Rechtsgleichheitsgebot sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Verpflichtung der Vorsorgeeinrichtung ab, im Falle einer Teilliquidation eine den konkreten Verhältnissen angepasste Aufteilung des Vorsorgevermögens vorzunehmen. Es formulierte deshalb den Grundsatz, dass das Personalvorsorgevermögen den bisherigen Destinatären zu folgen habe, damit nicht wegen Personalfluktuationen einzelne Gruppen von Versicherten zulasten anderer profitieren (BGE 128 II 394 E. 3.2 S. 396 f.; BGE 119 Ib 46 E. 4c S. 54; BGE 110 II 436 E. 4 f. S. 442 ff.). Mit Erlass des Freizügigkeitsgesetzes - und zuletzt im Rahmen der auf den 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge (vgl. Art. 53d BVG) - ist die Bedeutung des Gleichbehandlungsgebots weiter betont worden, so dass es heute als gleichberechtigtes Prinzip neben dem Fortbestandsinteresse steht (vgl. BGE 131 II 514 E. 5.4 S. 521).
5.1 Dieser Vergleich ist jedoch schon im Ansatz verfehlt: Die Lage einer neu gegründeten Pensionskasse unterscheidet sich hinsichtlich des Übertritts von Versicherten aus einer anderen Vorsorgeeinrichtung nicht wesentlich von jener einer bestehenden Pensionskasse. Letztere verfügt zwar bereits über Reserven und Rückstellungen, welche sie jedoch nur für ihren bisherigen Versichertenbestand berechnet und gebildet hat. Zudem darf sie allfällige freie Mittel nicht ohne weiteres (auch) zugunsten der Neuzugänge verwenden, weil es für ihre bisherigen Versicherten unzumutbar wäre, das Vorsorgevermögen zu teilen, welches sie zuvor allein geäufnet haben. Letztlich vermag eine bestehende Pensionskasse - gleich wie eine neu gegründete Vorsorgeeinrichtung - für die übertretenden Versicherten nur die von diesen mitgebrachten Mittel einzusetzen.


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5.2 Weiter verkennen die Beschwerdeführer die Natur der Wertschwankungsreserven; bei diesen handelt es sich nicht um freie Mittel, sondern - wie bereits der Name anzeigt - um einen Bilanzposten zur Absicherung des Risikos von Wertschwankungen der Vermögensanlagen. Eine entsprechende Korrektur ist buchhalterisch geboten und unter dem Titel des Fortbestandsinteresses auch im Rahmen einer Teilliquidation ohne weiteres zulässig (BGE 128 II 394 E. 6.3 S. 404). Für die Bestimmung der Höhe der Wertschwankungsreserven am Stichtag ist der Grundsatz der Stetigkeit zu beachten und grundsätzlich nach der bisherigen Bilanzierungspraxis zu verfahren; dabei ist aber sicherzustellen, dass der Anlagestrategie der Kasse und mithin den konkret eingegangenen Risiken ausreichend Rechnung getragen wird (vgl. Gemischte Kommission der Treuhand-Kammer und der Schweizerischen Aktuarvereinigung, a.a.O., S. 15 f.). Die Beschwerdegegnerin hat ihre Wertschwankungsreserven mit Blick auf die Teilliquidation überprüft und um gut 41.2 Mio. Franken reduziert. Am Stichtag machten sie noch 360'136'600 Franken und damit rund 16.7 Prozent des Nettowerts jener Aktiven aus, die bei der Beschwerdegegnerin verblieben. Sie bewegen sich damit im mittleren Bereich der Bandbreite von zehn bis zwanzig Prozent der Vermögensanlagen, in welcher Wertschwankungsreserven von Lehre und Praxis gemeinhin als angemessen betrachtet werden (BGE 128 II 394 E. 6.3 S. 404; DEPREZ, a.a.O., S. 46; CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 7. Aufl., Bern 2000, S. 268). Angesichts einer relativ risikoreichen Anlagestrategie der Beschwerdegegnerin, welche ihre Mittel zu rund der Hälfte in Aktien und Derivate investiert hat, ist die Höhe der Wertschwankungsreserven nicht zu beanstanden.
5.3 Weil die Wertschwankungsreserven nach dem Gesagten einen eigentlichen Korrekturposten auf den Aktiven darstellen (und sich hier im Rahmen des Zulässigen bewegen), hätten die Beschwerdeführer sie im Rahmen ihrer Vergleichsberechnungen zum Abzug bringen müssen. Dann hätten sie festgestellt, dass bezüglich der Deckungsgrade keine Unterschiede bestehen: Wird nämlich in den Berechnungen der Beschwerdeführer das Nettovermögen der Beschwerdegegnerin um die Wertschwankungsreserven und den Erneuerungsfonds für Liegenschaften vermindert (sowie gleichzeitig die gebundenen Mittel um jene 30 Mio. Franken erhöht, welche unbestrittenermassen noch nicht individualisierte Guthaben der Rentner darstellen), so ergibt sich sowohl vor

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als auch nach der Teilliquidation ein Deckungsgrad von 115 Prozent und nicht, wie geltend gemacht, von 139.5 bzw. 142.3 Prozent. Dieser Deckungsgrad entspricht - wie die folgende Tabelle zeigt - jenem der neu gegründeten Pensionskasse, den die Beschwerdeführer selbst mit 114.9 Prozent angegeben haben.
Beschwerdegegnerin
Beschwerdegegnerin
Beschwerdeführerin 11
vor Teilliquidation
nach Teilliquidation
Nettovermögen zu Marktwerten
2'371'353'400
2'175'362'200
195'991'200
Erneuerungsfonds für Liegenschaften
- 21'635'300
- 21'635'300
-
Wertschwankungsreserven
- 360'136'600
- 360'136'600
-
verfügbare Mittel
1'989'581'500
1'793'590'300
195'991'200
gebundene Mittel
1'729'435'600
1'558'822'600
170'613'000
Deckungsgrad
115.0 %
115.1 %
114.9 %
6.1 Dieser Unterschied rührt aber letztlich allein daher, dass die Beschwerdeführerin 11 die auf sie zu übertragenden Mittel gänzlich in bar erhalten hat: Weil die Wertschwankungsreserven das Risiko von Wertschwankungen auf den Vermögensanlagen absichern, sind sie an jene Aktiven gebunden, für die sie gebildet wurden. Daraus folgt der Grundsatz, dass sie im Rahmen einer Teilliquidation dem Aktivum folgen, mit dem sie verbunden sind; wird dieses auf eine andere Vorsorgeeinrichtung übertragen, so ist die betreffende Wertschwankungsreserve mitzuübertragen. Angesichts der Funktion der Schwankungsreserven ist es logisch, dass auf Barmitteln, die selbst keinen Wertschwankungen unterliegen, keine Reserven gebildet werden. Dies führt dazu, dass bei einer Befriedigung der Ansprüche des Abgangsbestands durch Barmittel keine Wertschwankungsreserven bestehen, die mitzuübertragen wären; die vorhandenen Wertschwankungsreserven sind an andere Aktiven gebunden und können deshalb nicht abgetreten werden. Diese Gegebenheiten sind eine direkte Folge von Sinn und Zweck der Wertschwankungsreserven einerseits und der zwischen den beiden betroffenen Vorsorgeeinrichtungen bzw. deren Muttergesellschaften getroffenen ausdrücklichen Vereinbarung andererseits, gemäss welcher ausschliesslich Barmittel übertragen werden sollen.
6.2 Insoweit liegt denn auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots vor. Dieses verlangt eine Teilung von Rückstellungen und Reserven nur insoweit, als bezüglich der hierdurch abgesicherten Risiken auch tatsächlich gleiche Verhältnisse vorliegen. Nimmt der Abgangsbestand als Austrittsleistung - wie hier - nur Aktiven mit, die keinen Wertschwankungen unterliegen, so werden auf seine neue Vorsorgeeinrichtung keine (unmittelbaren) Anlagerisiken übertragen, die mit einem Anteil an den Wertschwankungsreserven abzusichern wären. Bei solchen Gegebenheiten gebietet das Gleichbehandlungsgebot deshalb keine Teilung der Schwankungsreserve, da am Stichtag hinsichtlich der Anlagerisiken nicht gleiche, sondern unterschiedliche Verhältnisse vorliegen. Daran ändert der Umstand nichts, dass die neue Vorsorgeeinrichtung des Abgangsbestands die übertragenen Barmittel anlegen und alsdann auf den neu erworbenen Aktiven ihrerseits Wertschwankungsreserven bilden muss. Zwar ist der entsprechende

BGE 131 II 525 (532):

Bedarf für Schwankungsreserven durch die übertragenen Barmittel nicht gedeckt; auf der anderen Seite erlaubt es die Übertragung von Barmitteln der Vorsorgeeinrichtung aber, ihre Anlagestrategie völlig frei und insbesondere unabhängig von jener der abgebenden Kasse zu bestimmen. Je nach Grösse, Zusammensetzung des Versichertenbestands und Vermögenslage können die Strategien und mit ihnen der Rückstellungsbedarf sehr unterschiedlich ausfallen. Nichts anderes ergäbe sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer, wenn bereits das revidierte Recht zur Anwendung käme: Der von ihnen angerufene Art. 27h der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) statuiert zwar ausdrücklich einen kollektiven anteilmässigen Anspruch auf die Schwankungsreserven. Dies gilt aber gemäss ausdrücklichem Wortlaut der Bestimmung nur insoweit, als auch anlagetechnische Risiken übertragen werden. Nach dem Gesagten ist dies bei einer gänzlichen Abgeltung der Ansprüche mit Barmitteln gerade nicht der Fall.