BGE 129 II 18
 
3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. und Schweizerischer Buchhändler- und Verleger-Verband gegen Wettbewerbskommission und Rekurskommission für Wettbewerbsfragen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
 
2A.298/2001 / 2A.299/2001 vom 14. August 2002
 
Regeste
Art. 4 und 5 KG; wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des "Sammelreverses 1993 für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse in der Schweiz" (Buchpreisbindung).
 
Sachverhalt


BGE 129 II 18 (19):

Das Sekretariat der Wettbewerbskommission eröffnete am 28. September 1998 eine Untersuchung über die Preisbindung für deutschsprachige Bücher, in die es den Schweizerischen Buchhändler- und Verleger-Verband (für die Beteiligten in der Schweiz) sowie den Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (für die Beteiligten in Deutschland) einbezog. Mit Verfügung vom 6. September 1999 stellte die Kommission fest, dass der "Sammelrevers 1993 für den Verkauf preisgebundener Verlagserzeugnisse in der Schweiz" eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a des Kartellgesetzes (KG; SR 251) bilde. Sie verpflichtete die Verleger und Zwischenbuchhändler, ihre Abnehmer ohne Sammelrevers-Preisbindung zu beliefern, und erklärte die Buchhändler als nicht mehr an diese gebunden (RPW 1999 S. 441 ff.). Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 21. Mai 2001 (RPW 2001 S. 381 ff.).
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. sowie der Schweizerische Buchhändler- und Verleger-Verband haben hiergegen am 21. Juni 2001 zwei im Wesentlichen gleich lautende Verwaltungsgerichtsbeschwerden eingereicht mit dem Antrag, den Beschwerdeentscheid der Rekurskommission aufzuheben; eventuell

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sei die Sache zur Neubeurteilung an diese, subeventuell zur Ergänzung des Verfahrens an die Wettbewerbskommission selber zurückzuweisen. Die Rekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Wettbewerbskommission beantragt, die Beschwerden abzuweisen. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat von einer einlässlichen Stellungnahme abgesehen. Im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels haben die Parteien zu der im Auftrag des Bundesamts für Kultur in Verbindung mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft ausgearbeiteten Studie "Buchmarkt und Buchpreisbindung in der Schweiz" (sog. "Prognos"-Bericht, Basel, September 2001) Stellung genommen und dabei an ihren Ausführungen und Anträgen festgehalten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Wettbewerbskommission zurück.
 
Aus den Erwägungen:
 
Erwägung 1
1.2 Als unzulässig beurteilte Wettbewerbsabreden können in Ausnahmefällen zugelassen werden, wenn sie notwendig erscheinen, um überwiegende öffentliche Interessen zu verwirklichen (Art. 8 KG). Dabei handelt es sich um eine politisch motivierte Ausnahme vom Grundsatz, dass die Wirtschaftsbeziehungen in erster Linie durch den Markt geregelt werden sollen. Der entsprechende Entscheid steht deshalb nicht den Wettbewerbsbehörden, sondern dem Bundesrat als politischer Instanz zu (BBl 1995 I 552 f., S. 577; MANUEL BIANCHI DELLA PORTA, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], Droit de la concurrence, Basel 2002, Rz. 2 zu Art. 8 KG; JÜRG BORER, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 1998, N. 1

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zu Art. 8 KG; CHRISTIAN J. MEIER-SCHATZ, Das neue schweizerische Kartellgesetz im Überblick - Erste Erfahrungen, in: Christian J. Meier-Schatz [Hrsg.], Das neue Kartellgesetz, Erste Erfahrungen in der Praxis, Bern 1998, S. 9 ff., 25 f.; ROGER ZÄCH, Schweizerisches Kartellrecht, Bern 1999, Rz. 257, S. 144; vgl. als Anwendungsfall RPW 1998 S. 478 ff.). Es ist deshalb nicht am Bundesgericht, im vorliegenden Verfahren entsprechende Ausnahmegründe zu berücksichtigen. Das Gericht hat ausschliesslich zu prüfen, ob der Entscheid, der umstrittene Sammelrevers bilde eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 KG, aus wettbewerblichen Gründen Bundesrecht verletzt (Art. 104 lit. a OG). Dabei ist es an den von der Rekurskommission festgestellten Sachverhalt gebunden, soweit dieser nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt wurde (Art. 105 Abs. 2 OG).
2. Sachverhaltsmässig sind folgende Elemente des Sammelrevers, der gleichermassen in Deutschland, Österreich und der Schweiz angewendet wird, unbestritten: Die Verleger, die den Sammelrevers unterschreiben, schliessen mit allen Buchhändlern, die den Revers ebenfalls unterschrieben haben, einen Preisbindungsvertrag ab. Dabei setzt der Verleger die Endabnehmerpreise seiner Bücher fest. Die Buchhändler verpflichten sich, die vom Verleger festgesetzten Preise einzuhalten (Ziff. 1). Ebenso verpflichten sich die Zwischenbuchhändler, nur reversgebundene Händler zu beliefern (Ziff. 5 Abs. 2). Auch Wiederverkäufer, die ausserhalb der Schweiz beliefert werden, müssen für den Fall eines Reimports in die Schweiz auf die Preisbindung verpflichtet werden (Ziff. 5 Abs. 3). Der Formularvertrag regelt zudem die zulässigen Sonderpreise (Rabatte, Subskriptionspreise usw. [Ziff. 2-4]). Der Buchhändler verpflichtet sich bei Anbieten oder Gewähren unzulässiger Nachlässe oder Überschreiten des Ladenpreises zur Bezahlung einer Konventionalstrafe an den Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband oder an den Verlag, sofern dieser ausnahmsweise Zahlung an sich selber wünscht (Ziff. 6 Abs. 1). Der Verlag kann daneben insbesondere seine Lieferungen einstellen (Ziff. 6 Abs. 2). Der Buchhändler verpflichtet sich, einem vereidigten Buchprüfer Einblick in seine Geschäftsunterlagen zu geben, wenn die begründete Vermutung besteht, dass er gegen die Preisbindung verstösst (Ziff. 7). Desgleichen verpflichtet sich der Verlag zur Bezahlung einer Konventionalstrafe an den Schweizerischen Buchhändler- und

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Verlegerverband, wenn er seine gebundenen Preise unterbietet oder die Unterbietung durch Dritte veranlasst (Ziff. 6 Abs. 3). Die Verlage sichern eine lückenlose Preisbindung und Gleichbehandlung der Abnehmer in Preisbindungsfragen zu (Ziff. 8). Als Vertreter der einzelnen Verlage wirkt ein Preisbindungstreuhänder, welcher die Preisbindungsverträge der einzelnen Buchhändler entgegennimmt und die Einhaltung der Preisbindung überwacht. Umgekehrt bevollmächtigen die Buchhändler eine Preisbindungsbevollmächtigte oder -beauftragte, welche in ihrem Namen Änderungen des Sammelrevers (insbesondere durch die Aufnahme neuer Verlage) unterzeichnet (Ziff. 11 Abs. 1). Für die Beilegung von Streitigkeiten aus dem Preisbindungsvertrag ist ein Schiedsgericht vorgesehen. Dessen Obmann wird vom Preisbindungstreuhänder und der Preisbindungsbeauftragten bestimmt und wählt zwei weitere Schiedsrichter aus einer Liste von Fachrichtern, welche von den Verlagen und den Buchhändlern erstellt wird (Ziff. 10). Der Sammelrevers legt selber keine Ladenpreise fest; dies ist Sache der einzelnen Verlage. Kein Verleger ist verpflichtet, am Sammelrevers teilzunehmen. Der Schweizerische Buchhändler- und Verleger-Verband verfügt über keine Druckmittel, um Verlage zur Teilnahme zu zwingen. Auch die teilnehmenden Verlage sind sodann nicht verpflichtet, für alle ihre Werke einen gebundenen Preis festzusetzen. Trotzdem gilt für ungefähr 90% aller deutschsprachigen Bücher, die in der Schweiz verkauft werden, ein vom Verlag festgesetzter Ladenpreis, von dem die Buchhandlungen nicht bzw. nur in dem vom Sammelrevers vorgesehenen Rahmen (Sonderpreise) abweichen. Nicht festgelegt sind die Konditionen im Verhältnis zwischen den Verlagen und dem Zwischenbuchhandel sowie dem Zwischenbuchhandel und dem Buchhandel.
3. Das Kartellgesetz bezweckt, volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und damit den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung zu fördern (Art. 1 KG; vgl. Art. 96 Abs. 1 BV). Vereinbarungen, die den Wettbewerb beeinträchtigen, sind nicht generell verboten, sondern in den Schranken des Gesetzes erlaubt (Art. 19 Abs. 1 OR; BBl 1995 I 555). Als Wettbewerbsabreden gelten rechtlich erzwingbare oder nicht erzwingbare Vereinbarungen sowie aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen gleicher oder verschiedener Marktstufen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken

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(Art. 4 Abs. 1 KG). Unzulässig sind - vorbehältlich der ausnahmsweisen Zulassung durch den Bundesrat (Art. 8 KG) - Wettbewerbsabreden, die den Wettbewerb auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen erheblich beeinträchtigen (vgl. E. 5) und sich nicht durch die in Art. 5 Abs. 2 KG genannten Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen (vgl. E. 10) oder die zur Beseitigung wirksamen Wettbewerbs führen (Art. 5 Abs. 1 KG; vgl. E. 6-9). In diesem Fall ist eine Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz ausgeschlossen (BBl 1995 I 555; BORER, a.a.O., N. 21 zu Art. 5 KG; FRANZ HOFFET, in: Homburger/Schmidhauser/Hoffet/Ducrey, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, Zürich 1997, Rz. 95, 108 und 130 zu Art. 5 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 260 und 302; PHILIPPE GUGLER/PHILIPP ZURKINDEN, in: Tercier/Bovet [Hrsg.], a.a.O., Rz. 10 ff. zu Art. 5 KG). Dass eine Abrede den wirksamen Wettbewerb beseitigt, kann direkt nachgewiesen werden oder sich gestützt auf Art. 5 Abs. 3 KG ergeben, wonach dies bei gewissen "harten Kartellen" in widerlegbarer Weise vermutet wird.
4. Der Sammelrevers bildet unbestrittenermassen (zumindest) im vertikalen Verhältnis zwischen den Verlegern und Buchhändlern eine rechtlich erzwingbare Vereinbarung, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt und bewirkt. Umstritten ist, ob dies auch im horizontalen Verhältnis (Buchhändler unter sich bzw. Verleger unter sich) gilt (vgl. hierzu E. 6). Unter den Begriff der Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG fallen auch Absprachen zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen, also auch sogenannte "vertikale" Wettbewerbsabreden (BBl 1995 I 544f.; BGE 124 III 495 E. 2a S. 499). Die Unterscheidung zwischen vertikalen und horizontalen Absprachen ist erst für die Prüfung von deren materiellrechtlichen Zulässigkeit im Rahmen von Art. 5 KG von Bedeutung (BBl 1995 I 546f.; BORER, a.a.O., N. 6 zu Art. 4 KG; HOFFET, a.a.O., Rz. 43 zu Art. 4 KG; BRUNO SCHMIDHAUSER, in: Homburger/Schmidhauser/Hoffet/Ducrey, Kommentar zum schweizerischen Kartellgesetz, a.a.O., Rz. 48 zu Art. 4 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 273; DAGMAR MARIA KAMBER, Die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Buchpreisbindung in der Schweiz, Diss. Basel 1999, S. 130). Der Sammelrevers ist deshalb eine Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG (ebenso PIERRE RIEDER, Wettbewerb und Kultur, Diss. Bern 1998, S. 160).
 


BGE 129 II 18 (24):

Erwägung 5
 
Erwägung 5.2
5.2.1 Unter der Geltung der Kartellgesetze vom 20. Dezember 1962 (KG62; AS 1964 S. 53 ff.) und vom 20. Dezember 1985 (KG85; AS 1986 S. 874 ff.) hat das Bundesgericht eine Behinderung als erheblich erachtet, wenn sie eine gewisse Intensität aufwies und vom Betroffenen als solche empfunden wurde, weil sie seine Handlungsfreiheit unmittelbar oder mittelbar beeinflusste, ihn insbesondere zwang, auszuweichen oder Gegenmassnahmen zu ergreifen, um den Folgen der Diskriminierung zu entgehen (BGE 112 II 268 E. 2b S. 276 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 4C.366/1995 vom 28. Februar 1996, publ. in: VKKP 3/1996 S. 151 ff. E. 3). Das Element der Spürbarkeit ist auch nach dem geltenden Recht massgebend (BORER, a.a.O., N. 17 zu Art. 5 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 284). Da dieses nebst der Persönlichkeit der einzelnen Wettbewerbsteilnehmer (Individualschutz) aber auch den Wettbewerb als solchen schützen will (Institutionsschutz), ist die Erheblichkeit nicht mehr allein aus der Optik der einzelnen Unternehmen, sondern in Bezug auf das Funktionieren des wirksamen Wettbewerbs schlechthin zu beurteilen (HOFFET, a.a.O., Rz. 66 zu Art. 5 KG; MEIER-SCHATZ, a.a.O., S. 19 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 281). Dabei sind qualitative wie quantitative Merkmale relevant (GUGLER/ZURKINDEN, a.a.O., Rz. 81 ff. zu Art. 5 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 282). Eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung ist (zumindest) dann zu bejahen, wenn die Abrede einen auf dem entsprechenden Markt relevanten Wettbewerbsparameter betrifft, wobei die Beteiligten einen erheblichen Marktanteil halten (vgl. WALTER A. STOFFEL, Wettbewerbsabreden, in: Roland von Büren/Lucas David [Hrsg.], Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Basel 2000, S. 55 ff., 95 f.). Die Lehre postuliert insofern mehrheitlich gewisse quantitative Grenzwerte (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 17; HOFFET, a.a.O., Rz. 67 zu

BGE 129 II 18 (25):

Art. 5 KG; CHRISTIAN J. MEIER-SCHATZ, Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen, in: AJP 1996 S. 811-825, 817; ders., a.a.O. [1998], S. 36; HUBERT STÖCKLI, Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung, Freiburg 1999, S. 108 f.; vgl. ROLAND VON BÜREN, Das schweizerische Kartellrecht zwischen gestern und morgen, in: ZBJV 137/2001 S. 543 ff., 572 f.). In Anlehnung an die Praxis in der EU wird dabei die Schwelle bei einem Marktanteil von etwa 5-10% erblickt (STÖCKLI, a.a.O., S. 109 f.; ZÄCH, a.a.O., Rz. 283; ebenso die Rekurskommission in RPW 1999 S. 503 E. 4.5 S. 519). In einer - für die Gerichte nicht verbindlichen - allgemeinen Bekanntmachung vom 18. Februar 2002 gemäss Art. 6 KG über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (BBl 2002 S. 3895 ff.) erachtet die Wettbewerbskommission u.a. vertikale Wettbewerbsabreden über die direkte oder indirekte Fixierung von Fest- oder Mindestverkaufspreisen für den Weiterverkauf der bezogenen Waren durch den Händler als erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung (Ziff. 3a). Andere Vertikalabreden wertet sie (in der Regel) nicht als solche, wenn die von allen beteiligten Unternehmen gehaltenen Marktanteile auf keinem der relevanten Märkte eine Schwelle von 10% überschreiten (Ziff. 4).
 
Erwägung 6
6.2 Die gesetzliche Vermutung von Art. 5 Abs. 3 KG erfasst nur horizontale Wettbewerbsabreden (CARL BAUDENBACHER, Vertikalbeschränkungen im neuen schweizerischen Kartellgesetz, in: AJP 1996 S. 826 ff., 831; BORER, a.a.O., N. 23 zu Art. 5 KG; HOFFET, a.a.O., Rz. 71 und 114 zu Art. 5 KG; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 99). Vertikale Absprachen fallen zwar ebenfalls unter den Begriff der Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG (vgl. E. 4) und damit unter die Regelung von Art. 5 KG (BBl 1995 I 553; HOFFET, a.a.O., Rz. 43 zu Art. 5 KG), doch gilt die entsprechende Vermutung für sie nicht (BBl 1995 I 517, S. 546, 566). Eine (individuelle) vertikale Preisabrede oder Preisbindung zwischen Hersteller und Händler ist vermutungsweise keine Beseitigung, sondern allenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs, die mit Gründen der wirtschaftlichen Effizienz gerechtfertigt werden kann (BAUDENBACHER, a.a.O., S. 830 f.; HOFFET, a.a.O., Rz. 81 zu Art. 5 KG; ders., Sammelrevers für Musiknoten, Anmerkungen zum Entscheid der Wettbewerbskommission vom 1. September 1997, in: sic! 2/1998 S. 224 ff., 229 f.). Die Unterscheidung zwischen Vertikal- und Horizontalabreden darf indessen nicht formalistisch gehandhabt werden. Eine Vielzahl von Vertikalabreden ist einer Horizontalabsprache gleichzustellen, wenn sie auf irgendeine Weise verknüpft oder mit einer Horizontalabrede kombiniert sind, namentlich falls sie vom gleichen marktmächtigen Unternehmen ausgehen oder in irgendeiner Form, z.B. durch Einsetzen einer neutralen Aufsichtsinstitution, zentral koordiniert erscheinen (BBl 1995 I 566; BAUDENBACHER, a.a.O., S. 831; BORER, a.a.O., N. 7 zu Art. 4 und N. 24 zu Art. 5 KG; VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 22; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 44 und 114 zu Art. 5 KG; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 101; ZÄCH, a.a.O., Rz. 317; PIERRE-ALAIN KILLIAS, in: Tercier/Bovet, a.a.O., Rz. 42 zu Art. 4 Abs. 1 KG).
6.3 Die Rekurskommission geht davon aus, dass eine horizontale Vereinbarung weder für die Verleger noch für die Buchhändler nachgewiesen sei. Vertragsrechtlich liege jeweils eine individuelle Absprache zwischen den einzelnen Verlagen und Buchhändlern vor (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.1.1). Dies wird zu Recht nicht bestritten. Aufgrund von Art. 4 Abs. 1 KG gelten indessen nicht nur Absprachen, sondern auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen als "Abreden" im Sinne des Gesetzes. Eine

BGE 129 II 18 (27):

horizontale Abrede gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG liegt deshalb bereits dann vor, falls neben den vertikalen Preisabsprachen zwischen den Verlagen und Buchhandlungen eine bezüglich des Preises aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im horizontalen Verhältnis nachgewiesen werden kann. Dabei muss die abgestimmte Verhaltensweise vom blossen Parallelverhalten abgegrenzt werden, welches nicht unter das Kartellgesetz fällt (Rekurskommission in RPW 1999 S. 503 E. 4.2 S. 517). Ein solches liegt vor, wenn Unternehmen spontan gleich oder gleichförmig reagieren oder sich wechselseitig nachahmen (BBl 1995 I 545; SCHMIDHAUSER, a.a.O., Rz. 47 zu Art. 4 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 272). Ein bewusst praktiziertes Parallelverhalten ist noch keine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG, selbst wenn es in der Erwartung erfolgt, dass die übrigen Marktteilnehmer sich gleich verhalten werden, und auch wenn davon wettbewerbsbeschränkende Wirkungen ausgehen (BORER, a.a.O., N. 14 zu Art. 4 KG). Für die Annahme einer abgestimmten Verhaltensweise ist vielmehr ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken bzw. ein Mindestmass an Verhaltenskoordination vorausgesetzt (BBl 1995 I 545; BGE 124 III 495 E. 2a S. 499; BORER, a.a.O., N. 14 zu Art. 4 KG). Die Wettbewerbsteilnehmer müssen bewusst die praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lassen (ZÄCH, a.a.O., Rz. 269, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Entscheidend ist, dass das Gleichverhalten nicht durch exogene Marktfaktoren erzwungen, sondern planmässig, aufgrund ausgetauschter Marktinformationen erfolgt (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 14 f.; ders., a.a.O. [2001], S. 549; STÖCKLI, a.a.O., Rz. 188-192; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 69). Gleichverhalten kann eine abgestimmte Verhaltensweise aber immerhin indizieren (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 15; STÖCKLI, a.a.O., Rz. 192).
 
Erwägung 6.4


BGE 129 II 18 (28):

Gleichermassen hat sie im ähnlich gelagerten Parallelfall des Sammelrevers für Musiknoten eine Bündelung inhaltlich identischer vertikaler Preisbindungen als Vermutungstatbestand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG behandelt, da eine absichtliche, organisierte Bündelung mit gleicher Wirkung wie eine Horizontalabrede vorliege (RPW 1997 S. 334 Ziff. 45 S. 341 f.; zustimmend HOFFET, a.a.O. [1998], S. 229; WALTER A. STOFFEL, Erste Erfahrungen im Bereich der Wettbewerbsabreden, in: Meier-Schatz, a.a.O. [1998], S. 75 ff., 107 f.; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 71 f.).
6.4.2 Die Rekurskommission ist der Ansicht, dass der Sammelrevers das koordinierende Element bilde, welches eine horizontal abgestimmte Verhaltensweise erst ermögliche oder zumindest erleichtere. Die Musterverträge für die individuellen Preisbindungsabsprachen seien von den Verbänden der Verleger und Buchhändler zur Verfügung gestellt worden. Der Sammelrevers enthalte hinsichtlich der Handhabung der Konventionalstrafe (Geltendmachung nur durch Preisbindungsbeauftragte, Zahlung an den Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband), der Einsetzung des Schiedsgerichts, der Überwachungsfunktion des Preisbindungstreuhänders und der Aufgaben der Preisbindungsbeauftragten wesentliche Elemente einer gemeinschaftlichen Regelung. Die Verleger seien daran interessiert, mit Hilfe eines dichten Verkaufsstellennetzes mit breitem Angebot eine grosse Anzahl von Titeln anzubieten. Aus dem Verkauf erfolgreicher Titel könnten Buchhändler und Verleger die Kosten des Angebots von Titeln finanzieren, die sich als weniger rentabel erwiesen. Die Preisbindung erlaube somit Verlegern und Buchhändlern eine Quersubventionierung. Diese setze voraus, dass die Preisbindung von der überwiegenden Zahl der Marktteilnehmer angewandt werde; nur so sei ein Einfluss auf die Struktur des Verkaufsstellennetzes zu erwarten. Bloss durch ein gleichförmiges Verhalten hätten die Verleger eine Chance, mit Hilfe der Preisbindung die von ihnen gewünschte örtliche Dichte und sachliche Breite des Angebots zu fördern. Durch den Sammelrevers werde die lückenlose Anwendung der Preisbindung erleichtert, wenn nicht erst ermöglicht, da der Einsatz des Preisbindungstreuhänders und der Preisbindungsbeauftragten den Verwaltungsaufwand erheblich verringere und den Vollzug der einzelnen Absprachen erst erlaube. Der Sammelrevers sei ein wichtiges oder unerlässliches Instrument zur Anwendung der Preisbindung und erhöhe in bestimmender Weise die Chancen, dass die überwiegende Zahl der Verleger die Preise ihrer Produkte binde. Der einzelne Verleger

BGE 129 II 18 (29):

wende die Preisbindung nicht an, weil sie für ihn individuell vorteilhaft sei, sondern weil er dank dem Sammelrevers darauf zählen könne, dass seine Konkurrenten dies ebenfalls täten. Der Sammelrevers bilde somit das koordinierende Element, das eine abgestimmte Verhaltensweise von einer bloss gleichförmigen unterscheide. Angesichts des Marktanteils der preisgebundenen Bücher hätten die Buchhändler, selbst wenn sie wollten, gar keine andere Wahl als sich ebenfalls der Preisbindung zu unterstellen. Es liege deshalb eine horizontale Wettbewerbsabrede über die indirekte Festsetzung von Preisen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG vor.
6.4.3 Die Beschwerdeführer bestreiten dies: Beim Sammelrevers handle es sich um eine individuelle Vereinbarung zwischen den einzelnen Verlegern und Buchhändlern (mithin um vertikale Abreden) und um ein zulässiges Parallelverhalten. Das System der Preisbindungsbeauftragten sei bloss eine administrative, organisatorische Bündelung der vertikalen Preisbindungsverträge und die einzig effiziente Form, um angesichts der grossen Masse von Verlegern und Buchhändlern die Rechtswirksamkeit der Preisbindung garantieren zu können. Die einzelnen Buchhändler seien nicht in der Lage, die Einhaltung der Preisbindung durch die Verlage zu überwachen, geschweige denn zu sanktionieren. Die Bestellung eines Schiedsgerichts und die Konventionalstrafe liessen nicht auf ein abgestimmtes Verhalten schliessen. Der einzelne Verleger entscheide sich für die Preisbindung, weil er sie individuell betriebswirtschaftlich für seine Produkte für sinnvoll halte. Der durch Preisbindungstreuhänder und Preisbindungsbevollmächtigte geschaffene organisatorische Rahmen mache das Bündel vertikaler Absprachen nicht zu einer horizontalen Abrede. Selbst wenn eine solche vorläge, hätte diese im Übrigen nicht die Preisfestsetzung zum Gegenstand; es wäre nur abgestimmt, dass die Bücher preisgebunden zu vertreiben seien, ohne dass Preiselemente oder -komponenten festgelegt würden. Diese seien durch die Absprache nur in vertikaler Richtung betroffen.
 
Erwägung 6.5
6.5.1 Ein Gleichverhalten der Verlage liegt unbestrittenermassen insofern vor, als die am Sammelrevers beteiligten Verleger gegenüber dem Buchhandel die Preisbindung durchsetzen. Hingegen ist die Höhe dieser Preise nicht horizontal abgestimmt, sondern wird von jedem Verleger individuell und autonom festgelegt (VKK 1982 S. 131 f.). Der Sammelrevers ist insofern nicht mit den klassischen sog. harten Preisbindungskartellen zu vergleichen wie etwa jenem

BGE 129 II 18 (30):

für Bier (vgl. BGE 112 II 268 ff.) oder für Zement (vgl. dazu die Untersuchung der ehemaligen Kartellkommission über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Zementmarkt, in: VKKP 5/1993 S. 43 ff., v.a. S. 85 ff.), aber auch nicht mit branchenweisen Preisempfehlungen, mit denen bestimmte Preise oder Preiskorridore festgelegt werden, die in der ganzen Branche Anwendung finden (vgl. dazu den Entscheid der Wettbewerbskommission vom 17. August 1998 betreffend Service- und Reparaturleistungen [RPW 1998 S. 382 ff.], von der Rekurskommission aufgehoben [RPW 1999 S. 503 ff.]; Entscheid der Wettbewerbskommission vom 8. Mai 2000 betreffend Fahrstunden [RPW 2000 S. 167 ff.], von der Rekurskommission bestätigt [RPW 2001 S. 200 ff.]).
6.5.2 Es mag zutreffen, dass Verlage die schlecht verkäuflichen Titel mit dem Ertrag aus den gut verkäuflichen quersubventionieren. Indessen wird der Preiswettbewerb zwischen den Verlagen dadurch nicht ausgeschaltet (ebenso die frühere Kartellkommission in ihrer Beurteilung der alten Marktordnung, in: VKK 1982 S. 131 f.). Der Sammelrevers schliesst auch nicht aus, dass sich einzelne Verleger auf gut verkäufliche Titel beschränken, keine Quersubventionierung vornehmen und daher alle ihre Titel zu einem günstigeren Preis anbieten können. Gerichtsnotorisch gibt es denn auch unter verschiedenen Buchtiteln, die ähnliche Fragen behandeln (z.B. verschiedene Sachbücher für bestimmte Gebiete), nebst einem Qualitäts- auch einen gewissen Preiswettbewerb. Bei Werken, die nicht (mehr) dem Urheberrecht unterliegen (z.B. Literaturklassiker), kann ein solcher sogar bei von verschiedenen Verlagen herausgegebenen gleichen Titeln bestehen. Die Vorinstanz betrachtet als entscheidend, dass die Verleger mit Hilfe der Preisbindung die von ihnen gewünschte örtliche Dichte und sachliche Breite des Angebots fördern. Dies betrifft allerdings nicht die Preisfestsetzung auf Stufe Verlag, sondern allenfalls Art und Zahl der umgesetzten Bücher. Zu diesem Zweck soll - so die Vorinstanz - die Zahl der Verkaufsstellen hoch gehalten werden, was erleichtert werde, wenn den Buchhandlungen mittels Preisbindung eine gewisse Marge gesichert werden könne.
6.5.3 Soweit eine horizontale Vereinbarung zwischen den Verlagen besteht, wird dadurch somit nicht der Preiswettbewerb zwischen diesen, sondern derjenige zwischen den Buchhandlungen beeinträchtigt. Auch die Wettbewerbskommission hat denn in der horizontalen Bündelung zwischen den Verlagen nur eine Wettbewerbsausschaltung auf der Stufe des Handels gesehen (Verfügung der

BGE 129 II 18 (31):

Wettbewerbskommission vom 6. September 1999, Ziff. 45 f., 51, 59 f.) und nicht auf jener der Produktion. In der Lehre wird indessen angenommen, dass auch Horizontalabreden unter Herstellern über die Preisbindung der zweiten Hand (also auf einer anderen Marktstufe) unter die Vermutung von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG fielen (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 117 zu Art. 5 KG). Wie es sich damit verhält, kann dahin gestellt bleiben, da jedenfalls eine Horizontalabrede auf Stufe des Buchhandels besteht.
6.5.4 Der Sammelrevers führt dazu, dass alle angeschlossenen Buchhandlungen den gleichen vom Verlag festgesetzten Preis einhalten. Dieses Gleichverhalten ist offensichtlich nicht auf exogene Marktfaktoren zurückzuführen. Wenn auch allenfalls auf Stufe Verlag die Preisbindung noch betriebswirtschaftlich begründet werden mag, so trifft dies auf den Buchhandel nicht mehr zu. Nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist nicht ersichtlich, weshalb ein Buchhändler den Preis nicht senken sollte, wenn er dadurch einen Wettbewerbsvorteil erzielen kann. Die Preisbindung entspringt im Gegenteil dem bewussten Wunsch der (Mehrheit der) Buchhändler, den Preiswettbewerb auf der Stufe des Endabnehmerpreises durch ein möglichst umfassendes Preisbindungssystem auszuschalten. Ein wesentliches Indiz hierfür liegt bereits darin, dass der Sammelrevers koordiniert eingeführt worden ist, um die frühere Marktordnung zu ersetzen, deren wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit in Frage gestellt erschien. Über die Einführung des Sammelrevers wurde an Generalversammlungen des Beschwerdeführers 2 von 1991 und 1992 diskutiert und beschlossen. Bereits die frühere Kartellkommission hat unter Hinweis auf diese Zustimmung an der Generalversammlung von 1991 den Sammelrevers als kartellähnlich (im Sinne des KG85) bezeichnet, da trotz formal vertikaler Konstruktion eine kollektive Durchsetzung vorgesehen sei. Ein Preiswettbewerb bestehe in gewissem Masse auf Stufe der Verleger, schlage aber nicht mehr auf den Detailhandel durch (VKKP 1a/1996 S. 170 ff.).
6.5.5 Zwar legen die Buchhändler nicht selber in horizontalen Abreden die Buchpreise fest, sondern halten bloss die von den Verlagen vorgegebenen Preise ein. Eine Preisabrede liegt indessen nicht nur vor, wenn ein konkreter Preis, sondern auch wenn bloss einzelne Komponenten oder Elemente der Preisbildung fixiert werden (BBl 1995 I 567; BORER, a.a.O., N. 25 zu Art. 5 KG; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 117 zu Art. 5 KG; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 820). Als Preisabrede hat auch die abgestimmte Verhaltensweise zu gelten, wonach ein einheitlicher Endabnehmerpreis angewendet

BGE 129 II 18 (32):

wird, selbst wenn dieser nicht durch die Buchhändler, sondern je durch die einzelnen Verleger bestimmt ist. Die Buchhändler wissen, dass infolge des Sammelrevers alle anderen angeschlossenen Buchhändler jedes Buch zum gleichen Preis verkaufen wie sie. Diese Ausschaltung des Preiswettbewerbs auf Stufe Endabnehmer ist das offensichtliche Ziel des Sammelrevers. Gerichtsnotorisch treten die Beschwerdeführer, welche die Verlage und Buchhandlungen vertreten, nicht nur im vorliegenden Verfahren, sondern auch in der Öffentlichkeit und der Politik für die Beibehaltung der Preisbindung ein (vgl. z.B. www.sbvv.ch/medienaktuell.htm) und machen diese damit zu einer Frage von kollektivem Interesse auf Verbandsebene. Auch die Funktion der Preisbindungsbevollmächtigten wirkt koordinierend. Ohne Absprache auf der Ebene des Verbandes wäre es höchst unwahrscheinlich, dass alle beteiligten Buchhandlungen für ihre Kontakte mit den Verlagen die gleiche Bevollmächtigte bezeichnen würden. Schliesslich ist auch die konkrete Ausgestaltung des Schiedsgerichts ein Indiz für eine horizontale Abrede. Wohl lässt die Einsetzung von Schiedsgerichten durch Dritte nicht automatisch auf eine solche schliessen, kommt dies im Wirtschaftsleben doch nicht selten vor. Es fällt im vorliegenden Zusammenhang indessen ins Gewicht, dass nicht etwa der einzelne Buchhändler das Schiedsgericht anrufen kann. Der Entscheid, ob ein Schiedsverfahren eingeleitet wird, obliegt gemäss Ziff. 10 Abs. 5 des Sammelrevers dem Preisbindungstreuhänder bzw. der Preisbindungsbeauftragten, welche gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts bezeichnen (Ziff. 10 Abs. 3 des Sammelrevers). Die Ausgestaltung des Schiedsverfahrens folgt damit dem gleichen horizontal abgestimmten, koordinierenden Mechanismus wie die Institution der Preisbindungsbeauftragten. Die Beschwerdeführer wenden ein, der Sammelrevers sei die einzige Möglichkeit, um das (als vertikale Abreden zulässige) Preisbindungssystem durchzusetzen. Gerade dies unterstreicht aber, dass in Wirklichkeit ein horizontal abgestimmtes Verhalten vorliegt: Offensichtlich streben die Buchhändler eine möglichst lückenlose Durchsetzung der Preisbindung an und haben gerade zu diesem Zweck gemeinsame Durchsetzungsinstrumente geschaffen (im Resultat gleicher Ansicht KAMBER, a.a.O., S. 146 f.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdeführer auf das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) vom 9. Juli 1985. Abgesehen davon, dass dieses auf der Basis einer anderen Rechtslage erging, äusserte sich der BGH dort nur zum Verhältnis zwischen den Verlagen, nicht auch zu demjenigen zwischen den

BGE 129 II 18 (33):

Buchhandlungen; zudem stellte er nur auf die rechtliche Qualifikation der Verträge ab, während das Kartellgesetz eben nicht nur Vereinbarungen, sondern auch vertragsloses Zusammenwirken erfasst.
 
Erwägung 7
7.2 Die Frage der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs bezieht sich immer auf einen sachlich und räumlich abgegrenzten Markt für bestimmte Waren oder Leistungen (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 15 f.; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 47 zu Art. 5 KG; ZÄCH, a.a.O., Rz. 275 u. S. 172 ff.). Der räumlich relevante Markt umfasst das Gebiet, in dem die Marktgegenseite die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen nachfragt (vgl. Art. 11 Abs. 3 lit. b der Verordnung vom 17. Juni 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen [VKU; SR 251.4]). Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dies sei hier der entsprechende Währungsraum, d.h. die Schweiz (ebenso KAMBER, a.a.O., S. 149 f.). Die Beschwerdeführer stellen diese Abgrenzung zu Recht nicht in Frage. Umstritten ist hingegen die sachliche Marktumschreibung.
 
Erwägung 7.3
7.3.1 Die Definition des sachlich relevanten Markts erfolgt aus der Sicht der Marktgegenseite; massgebend ist, ob aus deren Optik Waren oder Dienstleistungen miteinander im Wettbewerb stehen. Dies hängt davon ab, ob sie vom Nachfrager hinsichtlich ihrer Eigenschaften und des vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar erachtet werden (vgl. Art. 11 Abs. 3 lit. a VKU; VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 16; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 48 f. zu Art. 5 KG; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1998], S. 22; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 87 f.). Die Parteien sind sich einig, dass die für die Marktabgrenzung massgebliche

BGE 129 II 18 (34):

Marktgegenseite hier die Leser bzw. Käufer von Büchern sind (Verfügung der Wettbewerbskommission, Ziff. 64); unterschiedliche Ansichten bestehen hinsichtlich des nachgefragten Guts.
7.3.2 Die Vorinstanzen haben den Buchhandel als eigene Wertschöpfungsstufe und als relevanten Markt den Handel mit (deutschsprachigen) Büchern unter Einbezug sämtlicher Verkaufsstellen betrachtet, mithin die buchhändlerische Leistung (Vermittlung des Buches, Präsentation von Büchern, Beratung usw.; Verfügung der Wettbewerbskommission, Ziff. 69, 76; Entscheid der Rekurskommission, E. 5.3; zustimmend KAMBER, a.a.O., S. 149). Für diese bestehe aufgrund der Preisbindung kein Preiswettbewerb. Die Beschwerdeführer erachten demgegenüber nicht den Buchhandel als relevanten Markt, sondern die Bücher. Es sei deshalb nicht nur der Wettbewerb beim Vertrieb ein- und desselben Titels ("Intrabrand"-Wettbewerb), sondern auch der Wettbewerb zwischen verschiedenen Titeln bzw. Verlagen ("Interbrand"-Wettbewerb) massgebend.
7.3.3 Die frühere Kartellkommission hat in einer Stellungnahme zu Handen des Preisüberwachers (VKKP 1a/1996 S. 166 f.) angenommen, der Buchmarkt bilde aus der Sicht der Anbieter einen einheitlichen Markt, aus der Sicht der Nachfrager indessen nicht, da kaum Austauschbarkeit zwischen den verschiedenen Buchtiteln bestehe. In der Regel bilde daher jeder Buchtitel einen eigenen Markt. Die Beschwerdeführer gehen demgegenüber davon aus, dass zumindest in gewissem Mass zwischen verschiedenen Buchtiteln Austauschbarkeit bestehe. Aus der Optik der Vorinstanzen ist dies unerheblich, weil auch dann innerhalb des relevanten Marktes (buchhändlerische Leistung) kein Preiswettbewerb herrsche. Das Argument der Vorinstanzen, das Herstellen von Büchern und die buchhändlerische Leistung seien verschieden, bedeutet allerdings noch nicht, dass auch aus der Sicht des Kunden getrennte Märkte bestehen. Die Beschwerdeführer weisen an sich zu Recht darauf hin, dass die buchhändlerische Leistung in der Regel nicht gesondert, sondern nur zusammen mit dem Buch nachgefragt oder vergütet wird, was allerdings nur relevant ist, soweit tatsächlich Austauschbarkeit angenommen werden kann. Will der Käufer hingegen einen bestimmten Titel, beschränkt sich seine Auswahl auf die verschiedenen Buchhandlungen. Es stehen dann nicht Bücher, sondern Verkaufsstellen im Wettbewerb. Wie gross der Anteil der Buchkäufe ist, bei der Austauschbarkeit besteht, ist umstritten. Die Frage braucht nicht geklärt zu werden, wenn sich ergibt, dass auch bei der Betrachtungsweise

BGE 129 II 18 (35):

der Beschwerdeführer wirksamer Wettbewerb beseitigt ist oder umgekehrt auch bei der Annahme der Vorinstanzen noch wirksamer Wettbewerb herrscht.
 
Erwägung 8
8.1 Die durch Art. 5 Abs. 3 KG begründete Vermutung kann durch den Nachweis entkräftet werden, dass trotz der Abrede ein funktionierender Innen- oder Aussenwettbewerb besteht (BBl 1995 I 565; GUGLER/ZURKINDEN, a.a.O., Rz. 12 zu Art. 5 KG; BORER, a.a.O., N. 22 zu Art. 5 KG; VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 21, 24; HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 112 zu Art. 5 KG; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 820; ZÄCH, a.a.O., Rz. 305). Ein funktionierender Aussenwettbewerb liegt vor, wenn es Unternehmen gibt, die nicht an der Abrede beteiligt sind und damit so viel Konkurrenz schaffen, dass ein wirksamer Wettbewerb nicht als beseitigt erscheint. Ein funktionierender Innenwettbewerb besteht, wenn die Abrede in Wirklichkeit gar nicht befolgt wird oder wenn trotz der die Vermutung begründenden Absprache bezüglich einzelner Wettbewerbsparameter aufgrund anderer Faktoren ein wirksamer Wettbewerb fortbesteht (ZÄCH, a.a.O., Rz. 305; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 116 f.). Die Wirkung einer Abrede ist immer im Kontext der übrigen rechtlichen und tatsächlichen Marktzutrittsschranken zu würdigen (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 59 ff. zu Art. 5 KG); massgeblich ist, ob im Ergebnis die Marktfunktionen des Wettbewerbs beeinträchtigt werden oder nicht (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 62 zu Art. 5 KG; vgl. hierzu im Einzelnen: ZÄCH, a.a.O., Rz. 10-29). Zu diesem Zweck hat deshalb auch bei den Vermutungstatbeständen eine entsprechende Marktanalyse zu erfolgen (HOFFET, a.a.O. [1997], Rz. 112 zu Art. 5 KG).
8.2.1 Nach Ansicht der Wettbewerbskommission ist die Vermutung von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG nicht widerlegt, da innerhalb des relevanten Marktes (Handel mit deutschsprachigen Büchern im Währungsgebiet der Schweiz) der Wettbewerb bezüglich des Preises (und damit des zentralen Marktparameters) für die der Preisbindung

BGE 129 II 18 (36):

unterliegenden Bücher ausgeschaltet sei. Die Rekurskommission ihrerseits hat angenommen, die Vermutung könne nicht durch die Relevanz anderer Wettbewerbsparameter widerlegt werden, da das Gesetz jeweils bereits einen einzigen Wettbewerbsparameter (nämlich den Preis [Art. 5 Abs. 3 lit. a KG] oder die Produktions-, Bezugs- oder Liefermengen [Art. 5 Abs. 3 lit. b KG] oder die Marktaufteilung [Art. 5 Abs. 3 lit. c KG]) zur Begründung der Vermutung genügen lasse; erforderlich sei der Nachweis, dass trotz der fraglichen Abrede der Preiswettbewerb in hinreichendem Masse spiele, was beim umstrittenen Sammelrevers nicht der Fall sei.
 
Erwägung 8.3
8.3.1 Art. 5 Abs. 3 KG nennt die einzelnen Tatbestände, welche die Vermutung einer Wettbewerbsbeseitigung begründen, zwar alternativ und nicht kumulativ; dies bedeutet indessen bloss, dass ein einzelner von ihnen zur Begründung der Vermutung genügt, nicht aber auch, dass die Beseitigung des Wettbewerbs damit unabänderlich feststünde. Die Argumentation der Vorinstanz setzt unzulässigerweise die Vermutungsbasis mit der Vermutungsfolge gleich. Die Vermutung zeichnet sich im Unterschied zur Fiktion dadurch aus, dass sie widerlegt werden kann (MARIO M. PEDRAZZINI/ROLAND VON BÜREN/EUGEN MARBACH, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bern 1998, Rz. 1054; STÖCKLI, a.a.O., Rz. 519-524). Das Gesetz beschränkt die Möglichkeiten, dies zu tun, hier nicht. Die horizontale Preisabrede begründet nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 KG deshalb nur die Vermutung einer Wettbewerbsbeseitigung und nicht auch eine entsprechende Fiktion.
8.3.2 Preisabsprachen sind gesetzlich nicht ausnahmslos untersagt (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 22; ZÄCH, a.a.O., Rz. 304). Das Gesetz unterscheidet zwischen einer erheblichen Beeinträchtigung und der Beseitigung des Wettbewerbs; nur diese ist absolut verboten. Eine erhebliche Beeinträchtigung, die nach Art. 5 Abs. 1 und 2 KG gerechtfertigt werden kann, liegt vor, wenn der Wettbewerb hinsichtlich einzelner relevanter Parameter erheblich beeinträchtigt ist (vgl. E. 5). Als beseitigt erweist sich der Wettbewerb demgegenüber,

BGE 129 II 18 (37):

wenn die autonome Festlegung sämtlicher relevanter Wettbewerbsparameter ausgeschlossen ist (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 15, 21 f.; PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, a.a.O., Rz. 1040; WALTER A. STOFFEL, Les ententes restrictives à la concurrence, in: SZW Sondernummer 1996, S. 7 ff., 11 f.; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 98). Sind mehrere solche relevant, kann folglich ein Restwettbewerb auch vorliegen, wenn er nur bezüglich einzelner dieser Parameter noch funktioniert. Die Vermutung nach Art. 5 Abs. 3 KG ist daher nicht erst widerlegt, wenn nachgewiesen wird, dass uneingeschränkter Wettbewerb herrscht, sondern bereits, wenn dargetan ist, dass trotz der die Vermutung begründenden Abrede noch ein gewisser - wenn auch allenfalls erheblich beeinträchtigter - Rest- oder Teilwettbewerb besteht.
8.3.4 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann somit auch bei einer (horizontalen) Preisabrede die Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung durch den Nachweis widerlegt werden, dass auf einem konkreten Markt der Preis nicht der allein entscheidende Wettbewerbsparameter ist, und es daher trotz dessen Ausschaltens aufgrund anderer Faktoren (z.B. Qualität) noch zu einem - wenn auch allenfalls erheblich beeinträchtigten - Wettbewerb kommt (VON BÜREN, a.a.O. [1997], S. 24; STOFFEL, a.a.O. [1996], S. 17; WALTER A. STOFFEL, Unzulässige Wettbewerbsabreden, in: Roger Zäch [Hrsg.], Das Kartellgesetz in der Praxis, Zürich 2000, S. 19 ff., 28; STOFFEL, a.a.O. [2000], S. 117; ZÄCH, a.a.O., Rz. 306, S.176 f.). Das Sekretariat der Wettbewerbskommission hat denn auch in einem anderen Fall (SVIT-Honorarrichtlinien) selber festgehalten, dass bei der Beurteilung von Preisabsprachen die Bedeutung des Preises als Wettbewerbsfaktor mitberücksichtigt werden müsse. In Dienstleistungsmärkten sei der Preis nicht ein dominanter Wettbewerbsparameter,

BGE 129 II 18 (38):

da die Art und Qualität der Leistung stark vom Leistungserbringer abhingen (RPW 1998 S. 189 ff. Ziff. 49). Nachdem die Vorinstanzen vorliegend als relevanten Markt nicht die Bücher, sondern den Buchhandel (und damit einen Dienstleistungsmarkt) betrachteten, ist auch hier die Bedeutung des Preises als Wettbewerbsfaktor zu prüfen. Die Auffassung der Rekurskommission, wonach die Vermutung gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG nur durch den Nachweis umgestossen werden könne, dass der Preiswettbewerb trotz der Abrede spiele, steht im Widerspruch zum Gesetz. Die Vermutung kann auch widerlegt werden, wenn nachgewiesen ist, dass auf dem Buchhandelsmarkt trotz Ausschaltung des Preiswettbewerbs aufgrund anderer Parameter ein wirksamer (Rest- oder Teil-)Wettbewerb fortbesteht.
 
Erwägung 9


BGE 129 II 18 (39):

Dabei sollten gemäss Zielsetzung zunächst die volkswirtschaftlichen und anschliessend die kulturpolitischen Auswirkungen der Preisbindung analysiert werden ("Prognos"-Bericht, Anlage I, Ziff. 2). Eine aus Vertretern und Vertreterinnen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), des BAK und des Bundesamts für Statistik sowie der Präsidentin der Kulturstiftung Pro Helvetia zusammengesetzte Gruppe begleitete diese Arbeit.
9.2.2 Wie sich aus dem Auftrag und der Lektüre des Berichts ergibt, befasst sich dieser nicht nur mit den (vorliegend unerheblichen, vgl. E. 1.2) kulturpolitischen, sondern auch mit den ökonomischen Aspekten der Buchpreisbindung; er enthält insoweit deshalb auch Sachverhaltsaussagen, die für die hier zu beurteilenden Fragen erheblich sind. Zwar handelt es sich nicht um ein gerichtliches Gutachten; auch trifft zu, dass Interessenvertreter der Buchbranche und namentlich der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zu den im Bericht enthaltenen Thesen Stellung nehmen konnten. Dies schliesst aber nicht aus, auf darin enthaltene Sachverhaltsfeststellungen abzustellen, soweit diese nach freier Beweiswürdigung als unbestritten und zutreffend gelten können. Es besteht deshalb kein Grund, den entsprechenden Bericht nicht zu den Akten zu nehmen, zumal die Parteien Gelegenheit erhalten haben, sich mit dessen Inhalt auseinander zu setzen.
 
Erwägung 9.4
9.4.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, ein erheblicher Teil der Kundschaft lege beim Buchkauf hauptsächlich Wert auf Servicefaktoren wie Sortimentsqualität und Beratung. Sie belegen dies mit Ergebnissen von Umfragen, wonach nur 48% der Käufer den niedrigen Preis als wichtig oder sehr wichtig beurteilten, aber zwischen 63 und 69% Faktoren wie übersichtliche Bücheranordnung, fachkundige Beratung und grosse Auswahl/breites Sortiment besonderes Gewicht beilegten. In anderen Märkten liege der Anteil der Kunden, die den Preis als "besonders wichtig" bezeichneten, demgegenüber viel höher (zwischen 55 und 83%). Zwar sind diese Umfragen zumindest teilweise vom Beschwerdeführer 1 selber oder in seinem Auftrag durchgeführt worden, doch hat die Rekurskommission diese Darlegung nicht bestritten, sondern sie bloss - aufgrund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung - als unerheblich erachtet, da dies

BGE 129 II 18 (40):

nichts daran zu ändern vermöge, dass die Ausschaltung des Preiswettbewerbs die Vermutung gemäss Art. 5 Abs. 3 lit. a KG begründe (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2).
9.4.3 Der "Prognos"-Bericht kommt zum Schluss, dass im In- und Ausland die Preissensibilität der Buchkundschaft relativ gering sei. Andere Faktoren als der Preis stünden im Vordergrund, so die Breite des Sortiments, die Übersichtlichkeit des Angebots, die Qualität der Bedienung und Beratung sowie Standort und Ausstattung der Buchhandlung. Illustriert wird dies unter anderem damit, dass in den Grenzregionen zu Deutschland und Frankreich trotz Preisunterschieden von 20-30% kaum jemand Bücher im grenznahen Ausland kaufe (S. 33 f., 78, 90). Der Bericht stützt sich dabei auf eine Studie der Universität St. Gallen (URS FÜGLISTALLER/ANDREAS GRÜNER/CRISTIAN RUSCH, Dienstleistungskompetenz und Dienstleistungscontrolling im Schweizer Buchhandel, St. Gallen 2001, S. 8, 13 und 22; vgl. dazu HANS JOBST PLEITNER/URS FÜGLISTALLER/CRISTIAN RUSCH, Schweizer Buchhandel - eine ökonomische Situationsanalyse, in: NZZ 9./10. Februar 2002, S. 27), welche aufgrund eigener Umfragen und Erhebungen feststellt, dass nur für rund 34% der Buchkunden der Preis eine sehr wichtige oder wichtige Rolle spiele (FÜGLISTALLER/GRÜNER/RUSCH, a.a.O., S. 31; "Prognos"-Bericht, S. 34). Diese Zahlen werden von den Vorinstanzen nicht bestritten. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass zumindest bei einem erheblichen Teil der Buchkäufe den genannten Servicefaktoren (Sortimentsqualität, Beratung) eine erhebliche Bedeutung zukommt.


BGE 129 II 18 (41):

9.5.1 Die Wettbewerbskommission hat ausdrücklich eingeräumt, dass ein gewisser Qualitäts- und Leistungswettbewerb zwischen den Buchhändlern existiere; sie hält diesen allerdings aufgrund des ausgeschalteten Preiswettbewerbs für "verzerrt" (Verfügung der Wettbewerbskommission, Ziff. 84). Auch die Rekurskommission führt aus, dass der Kunde durch den Bezug zusätzlicher (Dienst-)Leistungen Nutzen ziehen könne, dass aber die Ausschaltung des Preiswettbewerbs seine Wahlfreiheit "beschränke" (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2). Verzerrung und Beschränkung sind jedoch nicht dasselbe wie die vom Gesetz verlangte Beseitigung. Nach den Ausführungen der Vorinstanzen ist deshalb davon auszugehen, dass der Qualitätswettbewerb zwischen den Buchhandlungen zwar wohl beeinträchtigt, aber nicht beseitigt ist.
9.5.2 Dies erscheint auch ohne weiteres plausibel: Die Leistung des Buchhändlers besteht einerseits in der Lieferung des Buches, andererseits im Dienstleistungsangebot (einschliesslich der Führung eines möglichst breiten Sortiments an im Laden vorhandenen, d.h. zur Einsicht offen liegenden und sofort - nicht erst auf Bestellung hin - verfügbaren Titeln). Für diese Gesamtleistung wird der für alle Buchhandlungen gleichermassen festgesetzte Preis bezahlt. Der Kunde erhält hierfür einerseits das Buch, welches in allen Buchhandlungen gleich ist, andererseits die Service-Dienstleistungen, welche unter den Buchhandlungen variieren können. Je nach Qualität der Dienstleistungen erhält der Kunde für den gleichen Preis somit eine unterschiedliche Gegenleistung. Er wird deshalb diejenige Buchhandlung vorziehen, in welcher der Service am besten ist, weil er dadurch für sein Geld eine grössere Gegenleistung erhält. Insofern besteht unzweifelhaft ein Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Qualitätswettbewerb infolge der Preisbindung ausgeschaltet sein sollte. Der Gewinn eines Unternehmens hängt nicht nur von der Bruttomarge, sondern auch von den Kosten und dem Umsatz ab. Infolge der Preisbindung kann der Buchhändler seinen Umsatz (und damit seinen Bruttoertrag) nur durch bessere Qualität der Dienstleistungen und dadurch erreichte Kundenzufriedenheit steigern. Nach normalen betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist somit zu erwarten, dass die Buchhändler gerade infolge der Preisbindung die übrigen Wettbewerbsparameter besonders beachten, um ein optimales Verhältnis zwischen Kostenstruktur und Umsatz zu erreichen. Die Rekurskommission führt selber aus, dass die Anbieter Effizienzvorteile entweder als höhere Gewinne für sich behalten oder in Form von Zusatzleistungen an die Kunden weiter

BGE 129 II 18 (42):

geben in der Hoffnung, dadurch ihren Umsatz zu steigern (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2). Sie nimmt damit an, dass trotz Preisbindung die verschiedenen Buchhandlungen unterschiedlich effizient sind und dem Kunden daher unterschiedliche Leistungen anbieten können. Für diejenigen Kunden, welche einzig das Buch, aber keine Beratung und Sortimentsausstellung beanspruchen (weil sie genau wissen, welches Buch sie wünschen), ist damit zwar der Wettbewerb weitgehend ausgeschaltet bzw. bezieht sich dieser höchstens noch auf die Raschheit der Bestellung und Lieferung. Da indessen ein erheblicher Teil der Kunden tatsächlich weitere Dienstleistungen beansprucht (vgl. E. 9.4), bedeutet dies nicht, dass der Wettbewerb beseitigt wäre.
9.5.3 Die Rekurskommission nahm an, dass eigentlich erwartet werden dürfte, dass der Kunde bereit sei, den Preis für die Dienstleistungen separat zu bezahlen, und nicht bloss denjenigen, der sich aus der Mischrechnung ergebe, wenn es für ihn tatsächlich nicht so sehr auf den Preis denn auf die Leistung ankomme (Entscheid der Rekurskommission, E. 5.4.2 in fine). Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass kein Qualitätswettbewerb mehr bestünde. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass mangels Austauschbarkeit einzelner Titel als sachlich relevanter Markt die Dienstleistungen der Buchhandlungen zu gelten haben (vgl. E. 7.3), werden diese Leistungen in der Regel doch zusammen mit dem Buch nachgefragt. Es ist auch auf anderen Märkten üblich, dass nebst der Lieferung der Ware eine gewisse Beratung erfolgt, die von den Kunden in unterschiedlichem Masse in Anspruch genommen, aber trotzdem nicht gesondert entgolten wird, sondern im Preis der Ware enthalten ist. Dies allein stellt noch keine Beseitigung des Wettbewerbs dar. In Märkten, in welchen die Beratungstätigkeit einen erheblichen Anteil am Warenpreis ausmacht, kann die Preisbindung gerade ein Mittel sein, um die - auch ökonomisch - unerwünschte Trittbrettfahrerproblematik zu vermeiden (Personen, die in qualifizierten und teureren Handlungen unentgeltlich Beratung in Anspruch nehmen, um anschliessend im billigeren Discountgeschäft die Ware zu kaufen).
9.5.5 Wettbewerbsrechtlich bedenklich und unzulässig sind Preisabsprachen in erster Linie, wenn sie im Ergebnis zu Marktabschottungen führen bzw. aktuellen und potenziellen Wettbewerbern den Marktzutritt erschweren oder verunmöglichen (vgl. E. 8.1; PEDRAZZINI/VON BÜREN/MARBACH, a.a.O., S. 252, Rz. 1040; HOFFET, a.a.O [1997], Rz. 57 zu Art. 5 KG; MEIER-SCHATZ, a.a.O. [1996], S. 815 Ziff. 2.2; GUGLER/ZURKINDEN, a.a.O., Rz. 72 zu Art. 5 KG). Die Ein- und Austrittsbedingungen auf dem Markt sind deshalb ein zentrales Kriterium für die Beurteilung konkreter Wettbewerbsbeschränkungen (BBl 1995 I 513). Wenn trotz Absprachen ein lebhafter Wechsel im Bestand der Marktteilnehmer erfolgt, ist der Wettbewerb nicht beseitigt. Anders als die in der EU als unzulässig beurteilte Preisbindung für niederländischsprachige Bücher (Urteil des EuGH vom 17. Januar 1984 in der Rechtssache 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB, Slg. 1984, S. I-19 ff.) führt der Sammelrevers weder rechtlich noch faktisch zu einem Zulassungssystem für Buchhandlungen (vgl. auch Urteil des EuGH vom 17. Januar 1995 in der Rechtssache C-360/92, Publishers Association, Slg. 1995, S. I-23 ff., S. 73 f., wonach das mit dem Sammelrevers 93 vergleichbare britische "Net Book Agreement" sich von jenem niederländischen System unterscheidet). Von keiner Seite wird behauptet, der Marktzutritt für neue Buchhandlungen werde durch den Sammelrevers erschwert oder verunmöglicht. Im Gegenteil ist aktenmässig erstellt und unbestritten, dass die Zahl der Sortimentsbuchhandlungen stark schwankt. Sie hat zwischen 1985 und 1995 um mehr als 20% zu- und seit der Mitte der 90er-Jahre wieder um rund 10% abgenommen, während zugleich die grössten Buchhandlungen ihren Umsatz erheblich steigern konnten ("Prognos"-Bericht, S. 20, 43). Trotz Buchpreisbindung treten somit in der Realität in einem erheblichen Ausmass Wettbewerber auf dem Markt ein und aus, und kommt es zu Verlagerungen in den relativen Umsatzanteilen. Derartige Schwankungen im Bestand der Marktteilnehmer und ihren Marktanteilen wären nicht erklärlich, gäbe es nicht zumindest einen wirksamen (Teil-)Wettbewerb zwischen den Buchhandlungen. Damit ist die Vermutung von Art. 5 Abs. 3 lit. a KG widerlegt.
 
Erwägung 11