BGE 109 II 24
 
7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. März 1983 i.S. Richter gegen Rossi (Berufung)
 
Regeste
Art. 197 OR, Zusicherung.
 


BGE 109 II 24 (24):

Aus den Erwägungen:
4. Der Beklagte beruft sich auf seine Freizeichnung in Ziffer 4 des Formularvertrages, mit der er die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche (Wandelung und Minderung) sowie den Ersatz eines aus der mangelhaften Lieferung irgendwie entstandenen Schadens ausgeschlossen habe. In einem unveröffentlichten Entscheid vom 18. Dezember 1945 (zitiert in BGE 73 II 220 /223) erachtete das Bundesgericht eine Freizeichnung für zugesicherte Eigenschaften als unzulässig, weil man nicht gleichzeitig die Garantie für eine zugesicherte bestimmte Eigenschaft übernehmen und die daraus entstehenden Rechtsfolgen aufheben könne, indem man die Gewährleistung wegbedinge. In BGE 73 II 224 /25 wurde diese Möglichkeit dagegen bejaht, aber beigefügt, dass die Freizeichnung unmissverständlich zum Ausdruck kommen müsse; eine gänzlich unspezifizierte Klausel genüge nicht. Die Tragweite einer allgemeinen Haftungsbefreiungsabrede sei unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben aufgrund des gegebenen Sachverhalts und des gesamten Verhaltens der Parteien zu ermitteln (vgl. CAVIN, in Schweiz. Privatrecht Bd. VII/1, S. 86 f.; GIGER, N. 20 zu Art. 199 OR mit Verweisungen). Diese Abrede ist als Ausnahmeregelung gegenüber der gesetzlichen Ordnung einschränkend auszulegen (BGE 91 II 348 E. 2a mit Hinweis auf die Literatur, ferner BGE 60 II 444).
Die beiden Auffassungen widersprechen sich nicht: Äussert sich der Verkäufer gegenüber dem Käufer über die Beschaffenheit der Kaufsache in einer Art und Weise, die den üblichen Beschrieb des Kaufgegenstandes irgendwie erweitert, so ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln, ob die Eigenschaftsangabe als Zusicherung zu gelten hat oder unter eine Freizeichnungsklausel fällt. Das eine schliesst das andere aus. Im vorliegenden Fall war es für die Klägerin wichtig, vom Beklagten als branchenkundigem Autoverkäufer den genauen Kilometerstand zu erfahren. Der Beklagte hatte nach Treu und Glauben damit zu rechnen, die Klägerin vertraue auf seine Auskunft. Folglich kann er sich heute nicht mehr auf die allgemeine Freizeichnungsklausel des Formularvertrages berufen; dazu hätte er der Klägerin unmissverständlich erklären müssen, er wolle sich bei seinen Angaben nicht behaften lassen, eine Zusicherung also nicht geben, womit der Klägerin klar gewesen wäre, dass sie das Risiko eines von der Erklärung abweichenden Kilometerstandes trage.