BGE 89 II 126
 
21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Mai 1963 i.S. Koch gegen Oschwald & Co.
 
Regeste
Konkurrenzverbot in einem Werklieferungsvertrag.
Begriff der indirekten Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen.
 
Sachverhalt


BGE 89 II 126 (126):

Zusammenfassung des Tatbestandes
A.- Die Kommanditgesellschaft Alfred Oschwald & Co., die aus Alfred Oschwald sen. als unbeschränkt haftendem Gesellschafter und seiner Ehefrau als Kommanditärin bestand, betrieb eine Werkstätte für Feinmechanik, Photo- und Kinoreparaturen. Carl Koch ist der Erfinder der Sinar-Fachkamera, die nach dem sog. Baukastensystem gebaut, d.h. aus auswechselbaren Teilen zusammengesetzt ist. Mit Vertrag vom 15. Dezember 1956 übertrug er der Firma Alfred Oschwald & Co. die gesamte Fabrikation dieser Apparate mit Ausnahme der Objektiv-Einbauten. Dieser Vertrag enthält die Bestimmung, die Firma Alfred Oschwald & Co. verpflichte sich,
"während vier Jahren nach Beendigung dieses Vertrages weder selbst eine Fachkamera oder deren Zubehör zu fabrizieren oder zu vertreiben, noch sich an einer solchen Fabrikation oder einem solchen Vertrieb direkt oder indirekt zu beteiligen. Jede Verletzung dieses Konkurrenzverbotes wird mit einer Konventionalstrafe von Fr. 10'000.-- geahndet, welche kumulativ neben dem Erfüllungsanspruch gefordert werden kann und die Geltendmachung eines weitern Schadens nicht ausschliesst".
Am 15. September 1958 erklärte Koch, er trete vom Vertrage zurück. In der Folge verständigten sich die Parteien über die Art und Weise der Vertragsauflösung. Unter anderm wurde abgemacht, dass die Firma Alfred Oschwald

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& Co. an Koch noch gewisse Waren zu liefern habe, was dann auch geschah. Die Vereinbarung vom 2. März 1959 sah vor, dass die Konkurrenzklausel unter Beschränkung auf "Fachkameras nach Baukastensystem... und deren Zubehör" anerkannt werde.
B.- Am 29. Mai 1959 verkaufte die Firma Alfred Oschwald & Co. "sämtliche Maschinen, Einrichtungen, Vorräte an Roh- und Hilfsmaterialien... mit Ausnahme der Sinar-Materialien" zu Fr. 64'347.85 an Max Oschwald, einen Sohn von Alfred Oschwald sen. Über die Zahlung des Kaufpreises wurde dabei vereinbart, Fr. 25'000. - würden durch Übernahme einer Schuld der Verkäuferin und Franken 3347.85 durch Verrechnung mit Gegenforderungen des Käufers beglichen; für den Restbetrag von Fr. 36'000. - übernehme der Käufer eine Darlehensschuld gegenüber Alfred Oschwald sen., die zu 4% zu verzinsen, nicht sicherzustellen und vom Käufer in monatlichen Raten von Fr. 1000.-- zu tilgen sei.
Max Oschwald betrieb hierauf bis anfangs August 1959 ein eigenes Geschäft. Dann gründete er mit seinem Bruder Alfred, der seit längerer Zeit ein Konkurrenzerzeugnis der Sinar-Kamera, die Arca-Kamera, herstellte, die Kollektivgesellschaft Gebrüder Oschwald. Diese neue Firma richtete sich in den bisherigen Räumlichkeiten der Firma Alfred Oschwald & Co. ein und arbeitete im wesentlichen mit dem frühern Personal und Maschinenpark von Oschwald & Co.
Koch erblickte in diesen Vorgängen eine Verletzung des im Vertrag mit der Firma Oschwald & Co. vorgesehenen Konkurrenzverbots, erhob Anspruch auf die Konventionalstrafe von Fr. 10'000. - und erklärte, er verrechne diese mit den Forderungen der Firma Oschwald & Co. aus ihren Lieferungen.
C.- Am 11. Januar 1960 leitete die Firma Alfred Oschwald & Co. gegen Koch beim Kantonsgericht Schaffhausen Klage auf Zahlung ihrer Lieferungen ein. In diesem Prozess blieb nur die vom Beklagten zur Verrechnung gestellte Gegenforderung von Fr. 10'000. - streitig.


BGE 89 II 126 (128):

Das Kantonsgericht nahm an, im Verkauf der Geschäftseinrichtung der Klägerin an Max Oschwald unter Gewährung eines Darlehens an diesen und in der nachfolgenden Gründung der Firma Gebrüder Oschwald liege "eine - durch die Einschaltung verschiedener rechtlicher Umwege verschleierte - indirekte Beteiligung" der Klägerin an der Fabrikation einer Fachkamera nach dem Baukastensystem (der Arca-Kamera). Diese Beteiligung verletze das vertragliche Konkurrenzverbot. Der Beklagte sei daher berechtigt, mit seiner an sich unbestrittenen Restschuld von Fr. 10'000.-- die Konventionalstafe im gleichen Betrag zu verrechnen. Deshalb wies das Kantonsgericht die Klage ab.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat dagegen erkannt, der Beklagte habe der Klägerin Fr. 10.000. - zu zahlen. Dieses Urteil beruht im wesentlichen auf der Erwägung, das Kantonsgericht habe dem Begriff der Beteiligung einen zu weiten Sinn beigelegt. Eine direkte oder indirekte Beteiligung liege nur vor, "wenn sich jemand durch Zurverfügungstellung von Mitteln in irgendeiner Form am Ergebnis des wirtschaftlichen Unternehmens eines andern in irgendeiner Weise beteiligt". In den Akten finde sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die Parteien bei der Aufstellung der fraglichen Konkurrenzklausel von einer andern Vorstellung ausgegangen seien. Diese Klausel hätte der Klägerin also nicht verboten, ihre "ganze... Unternehmung mit Aktiven und Passiven an einen dritten Konkurrenten des Beklagten oder an Alfred Oschwald jun. direkt zu verkaufen, wobei sich dann höchstens die Frage gestellt hätte, ob das Konkurrenzverbot damit auf den Käufer übergehe." Noch viel weniger sei in einem in zwei Etappen erfolgten Übergang der Unternehmung an die Konkurrenz ein Verstoss gegen die erwähnte Klausel zu erblicken. Bei dieser Betrachtungsweise sei unerheblich, ob Vater Oschwald vom geplanten Zusammenschluss seiner Söhne Kenntnis gehabt habe. Auch der Umstand, dass beim Verkauf vom 29. Mai 1959 ein Teil des Kaufpreises in Form eines ratenweise abzahlbaren Darlehens gestundet

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worden sei, weise nicht auf eine indirekte Beteiligung Vater Oschwalds am Unternehmen seines Sohnes bezw. seiner Söhne hin.
D.- Auf Berufung der Beklagten hin hebt das Bundesgericht das obergerichtliche Urteil auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
 
Erwägungen:
4. Für den Entscheid darüber, ob die Klägerin sich indirekt an der Fabrikation der Arca-Kamera beteiligt habe, ist in erster Linie massgebend, was unter indirekter Beteiligung im Sinne der Konkurrenzklausel zu verstehen, d.h. wie die Konkurrenzklausel in diesem Punkte auszulegen sei. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die der Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt. Indem

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die Vorinstanz im Anschluss an ihre Ausführungen über den Begriff der Beteiligung bemerkte, in den Akten finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien von einer andern Vorstellung ausgegangen seien, traf sie nicht etwa eine für das Bundesgericht verbindliche Feststellung darüber, wie die Parteien den Ausdruck "Beteiligung" tatsächlich aufgefasst haben, sondern jene Bemerkung bedeutet bloss, es sei nicht bewiesen, dass die Parteien dem genannten Ausdruck einen andern als den von der Vorinstanz angenommenen Sinn beilegten. Damit ist nichts darüber gesagt, was sich die Parteien unter einer Beteiligung positiv vorstellten. Es ist denn auch von keiner Seite behauptet worden, dass die Parteien diesem Ausdruck einen besondern Sinn beigelegt hätten, der von dem nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung sich ergebenden abweichen würde. Vielmehr ging der Streit der Parteien über die Auslegung dieses Ausdrucks schon im kantonalen Verfahren nur darum, wie er angesichts der konkreten Umstände im Lichte der allgemeinen Lebenserfahrung nach Treu und Glauben aufzufassen sei. Diese Frage kann das Bundesgericht frei prüfen (vgl. BGE 87 II 237 mit Hinweisen).
5. Der Vorinstanz ist darin beizustimmen, dass im Wirtschaftsleben von einer "Beteiligung" vor allem dann gesprochen wird, wenn jemand auf Grund einer Geldeinlage am Ergebnis (insbesondere am Gewinn) des Unternehmens eines andern unmittelbar teilnimmt. Im Rahmen der vorliegenden Konkurrenzklausel, welche der Klägerin eine bestimmte Geschäftstätigkeit (Fabrikation und Vertrieb gewisser Photoapparate) sowie die direkte oder indirekte Beteiligung an dieser Tätigkeit verbietet, ist der fragliche Ausdruck jedoch weiter auszulegen. Diese Klausel verfolgt unzweifelhaft den Zweck, auf dem betreffenden Tätigkeitsgebiet jede Konkurrenzierung des Beklagten durch die Klägerin auszuschliessen. Im Sinne dieser Klausel ist daher unter "Beteiligung" an einem Konkurrenzgeschäft nicht bloss die Teilnahme an der Finanzierung

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eines solchen gegen Zusicherung eines Gewinnanteils zu verstehen, sondern jede durch eine Beziehung von einer gewissen Dauer vermittelte Förderung oder Unterstützung eines derartigen Unternehmens, worunter namentlich auch die Gewährung eines gewöhnlichen Darlehens fallen kann (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER N. 18 und BECKER N. 11/12 zu Art. 356 OR, wonach das in einem Dienstvertrag vorgesehene Verbot der Beteiligung an einem Konkurrenzgeschäft in entsprechendem Sinne auszulegen ist, undBGE 51 II 442ff., wo die Verbürgung eines von dritter Seite einem Konkurrenzunternehmen gewährten Darlehens unter das dem Mieter einer Wirtschaft auferlegte Verbot der Beteiligung an einem solchen Unternehmen gezogen wurde).
6. Ist die Konkurrenzklausel in diesen Sinne aufzufassen, so kann der Vorinstanz nicht beigestimmt werden, soweit sie annimmt, die Klägerin hätte ihre Geschäftseinrichtung zu den mit Max Oschwald vereinbarten Bedingungen direkt an Alfred Oschwald jun. oder einen andern Konkurrenten des Beklagten verkaufen können, ohne gegen das Konkurrenzverbot zu verstossen. Der Verkauf der Geschäftseinrichtung an einen Konkurrenten des Beklagten war freilich kaum schon an und für sich unzulässig; denn ein Kaufvertrag schafft zwischen den Vertragsparteien in der Regel nicht eine auf eine gewisse Dauer angelegte Beziehung, wie sie zum Begriff der Beteiligung gehört. Durch den Vertrag vom 29. Mai 1959 gewährte jedoch die Klägerin dem Käufer für mehr als die Hälfte des Kaufpreises einen Kredit, der durch Ratenzahlungen an den unbeschränkt haftenden Gesellschafter Alfred Oschwald sen. abzutragen war. Damit wurde zwischen der Klägerin und dem Käufer eine mehrere Jahre dauernde Beziehung begründet, durch welche das Unternehmen des - auf einen solchen Kredit offenbar angewiesenen - Käufers gefördert, ja überhaupt erst ermöglicht wurde. Wäre der Käufer ein Konkurrent des Beklagten gewesen, so müsste sich die Klägerin folglich den Vorwurf gefallen lassen, sich durch den Vertrag vom 29. Mai 1959 im Sinne der streitigen

BGE 89 II 126 (132):

Klausel an einem Konkurrenzgeschäft beteiligt zu haben.
Dem Falle des direkten Verkaufs an ein Konkurrenzunternehmen unter Stundung eines grossen Teils des Kaufpreises ist nach Treu und Glauben der Fall gleichzustellen, dass die aus einem solchen Verkauf sich ergebende Förderung der Konkurrenz mit Vorwissen und Billigung des Verkäufers auf einem Umweg erreicht wird. Nach der Darstellung des Beklagten soll dies hier geschehen sein. Der Beklagte macht nämlich geltend, Alfred Oschwald sen., der für die Klägerin handelte, habe von Anfang an gewusst und sei damit einverstanden gewesen, dass der Käufer Max Oschwald, der zunächst kein Konkurrent des Beklagten war, mit seinem Bruder Alfred zusammen unter Einbringung der von der Klägerin auf Kredit erworbenen Geschäftseinrichtung die Firma Gebrüder Oschwald gründen und dass diese die bisher von Alfred Oschwald jun. allein betriebene Fabrikation der Arca-Kamera weiterführen werde; Max Oschwald habe dann auch tatsächlich die von der Klägerin erworbenen Aktiven und Passiven in die neue Firma Gebrüder Oschwald eingebracht; damit sei auch das ihm gewährte Darlehen der neuen Firma zugute gekommen. Sind diese Behauptungen im wesentlichen richtig, so hat die Klägerin das Konkurrenzverbot seinem Sinne nach verletzt, wie wenn sie den Vertrag vom 29. Mai 1959 direkt mit einem Konkurrenten des Beklagten abgeschlossen hätte.
Die Vorinstanz hat über die wiedergegebenen Vorbringen des Beklagten keine Feststellungen getroffen, weil sie die betreffenden Tatsachen zu Unrecht als unerheblich betrachtete. Die Sache ist daher zur Vervollständigung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an sie zurückzuweisen.
7. Eine Verletzung des Konkurrenzverbots durch indirekte Beteiligung an der Firma Gebrüder Oschwald könnte unter Umständen sogar dann vorliegen, wenn nicht bewiesen werden könnte, dass Alfred Oschwald sen. geradezu wusste und billigte, dass Max Oschwald sich mit

BGE 89 II 126 (133):

seinem Bruder zum Betrieb eines das Geschäft des Beklagten konkurrierenden Unternehmens zusammenschliessen werde, wenn aber doch angenommen werden müsste, er habe mit dieser Möglichkeit ernstlich gerechnet und den Vertrag mit Max Oschwald gleichwohl vorbehaltlos abgeschlossen.
Unter dem Gesichtspunkte der Konkurrenzklausel könnte auch von Bedeutung sein, wenn sich ergäbe, dass die Klägerin ihre Geschäftsräume an die Firma Gebrüder Oschwald vermietete (wogegen das Bestehen eines Mietvertrags zwischen dieser Firma und einem Dritten über die bisher von der Klägerin benützten Räumlichkeiten nicht für eine Beteiligung der Klägerin an dieser Firma sprechen würde).
Sollte sich herausstellen, dass Alfred Oschwald sen. durch das Vorgehen seines Sohnes Max überrascht wurde, so wäre, falls dieses Vorgehen faktisch zu einer mittelbaren Beteiligung der Klägerin an der Firma Gebrüder Oschwald führte, noch zu prüfen, ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre und die Möglichkeit gehabt hätte, diese Beteiligung innert nützlicher Frist in einer für sie tragbaren Form zu lösen (vgl. BECKER N. 12 zu Art. 356 OR, wo ausgeführt wird, ein unter Konkurrenzverbot stehender Dienstnehmer, der ein Konkurrenzgeschäft unentgeltlich erwirbt, handle vertragswidrig, wenn er eine sich bietende Gelegenheit, das Geschäft zu angemessenen Bedingungen zu veräussern, nicht benütze).