BGE 87 II 263
 
36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. September 1961 i.S. Kolly gegen Wolf.
 
Regeste
Gesetzliche Vorkaufsrechte Verwandter und des Pächters nach Art. 6 und 7 EGG und kantonalem Gesetz. "Verwandtenkauf".
2. Liegt Erwerb des Verkäufers aus dem Nachlass der Eltern (im Sinne des Art. 6 Abs. 2 EGG) auch dann vor, wenn er das Heimwesen bei der konkursamtlichen Liquidation des ausgeschlagenen väterlichen Nachlasses ersteigert hatte? Frage offen gelassen. (Erw. 2).
3. Beim Verkauf an einen Verwandten im Hinblick auf sein künftiges Erbrecht (hier: Verkauf an einen zu den nächsten Erb. anwärtern gehörenden Neffen zu einem Vorzugspreis) kommt das gesetzliche Vorkaufsrecht eines Pächters nicht zur Geltung, selbst wenn dem Käufer kein solches Recht zusteht (Erw. 3).
 
Sachverhalt


BGE 87 II 263 (264):

A.- Der im Jahre 1932 gestorbene Johann Wolf in Alterswil hatte das Heimwesen Obermaggenberg im Halte von 52 Jucharten bewirtschaftet, das ihm bei einer Erbteilung zugefallen war. Seine gesetzlichen Erben, die Söhne Albert, Gottfried und Alfred Wolf sowie die Tochter Frau Bertha Scheuner-Wolf, schlugen die infolge von Bürgschaftsverpflichtungen überschuldete Erbschaft aus. In der konkursamtlichen Liquidation ersteigerten dann aber am 1. Februar 1934 drei der erwähnten Kinder des Erblassers, Albert und Gottfried Wolf sowie Frau Bertha ScheunerWolf, das Heimwesen für Fr. 65'000.-- zu je einem Drittel Miteigentum. Am gleichen Tage teilten sie diese Liegenschaften in zwei Besitzungen auf; die eine blieb im Miteigentum

BGE 87 II 263 (265):

der drei Erwerber, die andere von etwa 30 Jucharten erhielt der eine von ihnen, Albert Wolf, zu Alleineigentum durch Zukauf der Anteile der Mitersteigerer an diesem Teilstück zum Preise von Fr. 24'000.--.
B.- Während einer Reihe von Jahren bewirtschaftete der ledige Albert Wolf das in sein Alleineigentum gefallene Heimwesen selber. Nachher gab er es in Pacht. Durch öffentlich beurkundeten Vertrag vom 24. Februar 1960 verkaufte er das Gut zum Preise von Fr. 100 000.--, also unter dem Katasterschätzungswert von Fr. 116'169.--, seinem Neffen Ernst Scheuner, Landwirt in Cormanon, einem Sohn der verstorbenen Frau Bertha Scheuner-Wolf.
C.- Binnen gesetzlicher Frist erklärte Josef Kolly, der die Kaufliegenschaften bereits seit 16 Jahren in Pacht hatte, das ihm nach dem freiburgischen Einführungsgesetz zum EGG zustehende Vorkaufsrecht ausüben zu wollen. Gegen den widersprechenden Verkäufer erhob er beim Friedensgericht des Kreises Tafers Klage mit dem Begehren, der Beklagte habe das dem Kläger zustehende Vorkaufsrecht anzuerkennen und sei zu verpflichten, ihm das Eigentum an den in Frage stehenden Grundstücken zuzuweisen und im Grundbuch eintragen zu lassen.
D.- Das Friedensgericht hat die Klage des Pächters gutgeheissen. Auf Appellation des beklagten Verkäufers hat dann aber die Zivilabteilung des Kantonsgerichts Freiburg mit Urteil vom 14. April 1961 die Klage abgewiesen. Dieses Urteil hebt zunächst verschiedene Tatsachen hervor, die gegen den Abschluss eines gewöhnlichen Kaufvertrages und vielmehr für das Vorliegen eines sogen. Kinds- oder Verwandtenkaufes sprechen. Das Kantonsgericht hält aber dafür, die Entscheidung sei nicht auf dieser Grundlage, sondern nach den besondern Normen des EGG zu fällen. Hiebei ergebe sich in Verbindung mit dem kantonalen Einführungsgesetz ein gesetzliches Vorkaufsrecht des Neffen, das demjenigen des Pächters vorgehe und jenem auch dann ein besseres Recht gebe, wenn er selber der Käufer sei. Zwar habe der Beklagte das landwirtschaftliche

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Gut nicht von seinem Vater geerbt, sondern nach Ausschlagung der Erbschaft gemeinsam mit zwei Geschwistern im Erbschaftskonkurs ersteigert. Auch so sei das Gut aber ohne Zwischenbesitz eines Dritten aus dem zur konkursamtlichen Liquidation gekommenen väterlichen Vermögen auf die drei Ersteigerer übergegangen und somit ohne Unterbrechung Familiengut geblieben. Damit erscheine die in Art. 6 Abs. 2 EGG aufgestellte besondere Voraussetzung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes der Geschwister des Verkäufers und der Nachkommen verstorbener Geschwister - Erwerb des Verkäufers aus dem Nachlass der Eltern - als erfüllt.
E.- Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung an das Bundesgericht eingelegt und seine Rechtsbegehren erneuert.
Der Antrag des Beklagten geht auf Abweisung der Berufung.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2. Bedenken erweckt indessen die Ansicht der Vorinstanz, als Erwerb "aus dem Nachlass der Eltern" könne nach Art. 6 Abs. 2 EGG auch ein Steigerungserwerb durch ein Kind (oder durch mehrere Kinder) nach Ausschlagung

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der Erbschaft, bei der konkursamtlichen Liquidation, gelten. Das Gesetz fasst sicher mit jener Wendung nur die Erbfolge und -teilung ins Auge, nicht auch den Erwerb aus einer Konkursmasse, wobei jedermann als Bieter auftreten kann und das (durch Ausschlagung preisgegebene) Erbrecht keine Rolle spielt. Eine ausdehnende, diesen Erwerbsfall einbeziehende Auslegung des Gesetzes ist nicht wohl zulässig, wenn man davon ausgeht, dieses wolle die Einräumung eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes an Geschwister und Nachkommen verstorbener Geschwister durch das kantonale Recht nur ausnahmsweise unter den bestimmt umschriebenen Voraussetzungen gestatten. Allerdings spricht nun Art. 6 Abs. 2 EGG nicht ausdrücklich von erbrechtlichem Erwerb. Der gesetzliche Tatbestand des Erwerbes "aus dem Nachlass der Eltern" lässt sich nach dem Wortlaut auch auf einen Erwerb aus konkursamtlicher Nachlassliquidation beziehen. Ferner lässt sich als Rechtfertigungsgrund dieses gesetzlichen Vorkaufsrechtes der blosse Umstand denken, dass das Gut aus Familienbesitz stammt. Bei der Gesetzesberatung wurde denn auch hauptsächlich darauf Gewicht gelegt, dass es sich um den väterlichen Hof handle. Freilich war dabei auch vom "ererbten Heimwesen" die Rede, ohne dass ersichtlich ist, ob der Erwerb kraft Erbrechtes (neben dem Erwerb infolge Rechtsgeschäftes zwischen Eltern und Kindern unter Lebenden) als wesentlich betrachtet wurde (vgl. Sten.Bull. 1948, NR S. 410/11, 1949, StR S. 336/37). Ob es angehe, die Herkunft des Heimwesens aus dem Vermögen der Eltern des Verkäufers immer dann als Voraussetzung des in Frage stehenden, im kantonalen Einführungsgesetz im Sinne des Art. 6 Abs. 2 EGG vorgesehenen Vorkaufsrechtes genügen zu lassen, wenn inzwischen kein Übergang in fremdes Eigentum stattgefunden hat, wie es die Vorinstanz annimmt, kann nun aber offen bleiben. Wie dem auch sein mag, ist die vorliegende Klage des Pächters, auch wenn dem Neffen des Verkäufers kein gesetzliches Vorkaufsrecht und daher auch

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kein aus einem solchen Vorkaufsrecht abzuleitendes "besseres Recht" als Käufer zustehen sollte, aus einem andern Grunde abzuweisen.
3. Wie sich nämlich aus den tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz einwandfrei ergibt, ist der Verkauf an den Neffen, wie er am 24. Februar 1960 abgeschlossen wurde, kein gewöhnlicher Kaufvertrag, dem gegenüber ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden könnte. Dieser Verkauf kennzeichnet sich vielmehr als sogen. "Verwandtenkauf", der das Vorkaufsrecht gemäss der im angefochtenen Urteil erwähnten Rechtsprechung nicht auszulösen vermag (BGE 44 II 380, BGE 70 II 149). In der Tat spricht schon die Wahl des Käufers als solche für die Absicht, durch diese Übereignung die vermutliche künftige Erbfolge vorwegzunehmen. Sodann lässt ausser dem Vorbehalt eines Wohnrechtes des Verkäufers namentlich der dem Käufer gewährte Vorzugspreis (wie ihn die Vorinstanz feststellt) erkennen, dass es dem Beklagten wesentlich darum zu tun war, sein Heimwesen eben auf den zu seinen nächsten gesetzlichen Erben gehörenden Neffen übergehen zu lassen. Gegenüber einem solchen Verwandtenkaufe kommen auch die auf dem EGG und den kantonalen Einführungsgesetzen beruhenden Vorkaufsrechte nicht zur Geltung (vgl. A. COMMENT, Le droit de préemption agricole, ZBGR 39/1958, S. 5; J.-P. CHATELAIN, Les droits de préemption du nouveau droit foncier rural, in "Notar und Recht", 1953, S. 192). Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob immerhin beim Verkauf an einen Blutsverwandten, der das Gut nicht selber bewirtschaften will, ein im gleichen Range stehender Verwandter, der es zur Selbstbewirtschaftung beansprucht, sein gesetzliches Vorkaufsrecht geltend machen könne (vgl. F. E. JENNY, Das bäuerliche Vorkaufsrecht, Diss. 1955, S. 84/85 und Fussnoten 10 und 11). Die Rechtsprechung hat jedoch auch dies verneint (BGE 82 II 468; in gleichem Sinne A. JOST, N. 8 zu Art. 6 EGG). Hier hat man es überhaupt nicht mit einer solchen Sachlage zu tun. Das Vorkaufsrecht des Klägers beruht

BGE 87 II 263 (269):

gar nicht auf Verwandtschaft mit dem Verkäufer und kann auf keinen Fall, so wenig wie ein durch Rechtsgeschäft gewährtes Vorkaufsrecht, bei einem Verwandtenkauf zur Geltung kommen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der Zivilabteilung des Kantonsgerichts Freiburg vom 14. April 1961 bestätigt.