Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
Urteilskopf

86 II 389


59. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1960 i. S. Zunft zu'n Schmieden gegen Schnezler.

Regeste

Verein.
Umwandlung des Vereinszwecks (Art. 74 ZGB).
Gerichtliche Anfechtung eines dahingehenden Beschlusses (Art. 75 ZGB).

Sachverhalt ab Seite 389

BGE 86 II 389 S. 389

A.- Die Statuten der "Zunft zu'n Schmieden Schaffhausen" vom 15. November 1924 behandeln in einem ersten Abschnitt (§§ 1-19) die "Bedeutung der Zunft", den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft sowie die Mitgliederbeiträge, in einem zweiten Abschnitt (§§ 20-26) das Zunftvermögen und in einem dritten Abschnitt (§§ 27-34) die Organisation der Zunft, worauf in einem letzten Abschnitt (§§ 35-40) Schlussbestimmungen folgen. Gemäss § 1 ist die Zunft eine privatrechtliche Korporation im Sinne von Art. 60 ff. ZGB und besteht ihr Zweck in der "Erhaltung ehrwürdiger Tradition, verbunden mit Abgabe von Unterstützungen und mit Geselligkeit im Zunftverband." § 2 sieht vor, die Zunft nehme als Körperschaft selbständige Persönlichkeit in Anspruch. Ihr Vermögen bleibe zu allen Zeiten unbeschränktes Eigentum der Korporation und werde nach den in diesen Statuten festgelegten Bestimmungen verwendet. Das Zunftvermögen besteht nach § 20 aus dem Zunftfonds, dem Witwen-, Waisen- und Altersfonds und den Mobilien (Becher, Banner usw.). Gemäss § 21 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 bestehen
BGE 86 II 389 S. 390
die Einnahmen der beiden Fonds je aus der Hälfte der von den Mitgliedern entrichteten Eintrittsgebühren, Jahresbeiträge (Namenstaggebühren) und Bussen sowie aus den Erträgnissen der Fonds-Kapitalien, freiwilligen Beiträgen und Vermächtnissen. Die Einnahmen des Zunftfonds sind nach § 21 Abs. 2 für folgende Zwecke bestimmt:
"1. zur Unterstützung unbemittelter Zunftgenossen bei ungewöhnlicher Verteuerung der Lebensmittel;
2. zur Unterstützung von militärpflichtigen Zunftgenossen in Kriegszeiten;
3. zu Beiträgen an die Begräbniskosten von Zunftgenossen, ihren Frauen und Kindern (Fr. 30.-);
4. für gemeinnützige Zwecke;
5. für Auslagen bei Versammlungen und Zunftanlässen;
6. zur Bestreitung der auf den Zunftfonds entfallenden Steuern und Verwaltungskosten."
Die Einnahmen des Witwen-, Waisen- und Altersfonds dienen nach § 23 Abs. 2
"1. zur Verteilung einer Quote an die bezugsberechtigten Witwen-, Waisen- und Altersgenossen; von mindestens Fr. 50. insofern es die vorjährigen Zinserträgnisse erlauben;
2. zur Bestreitung der auf diesen Fonds entfallenden Steuern, sowie der Verwaltungskosten;
3. zur Äufnung des Fonds 10 % vom Nettoergebnis."
Zu Bezügen aus diesem Fonds sind nach § 24 berechtigt
"1. für eine ganze Quote die Zunftgenossen, welche vor Ende des Rechnungsjahres das sechzigste Altersjahr zurückgelegt haben, sowie die eingekauften Witwen;
2. für eine Drittelsquote ein jedes von einem Zunftgenossen abstammende vaterlose Waisenkind, bis Ende des 16. Altersjahres."
Die "Austeilung der Quoten" findet nach § 24 Abs. 2 jeweils im Monat November statt.
§ 35 lautet:
"Das Zunftvermögen muss zu allen Zeiten Alleineigentum der Zunftkorporation bleiben; seinen statutengemässen Zwecken darf es nicht entfremdet werden. Sollten indessen Verhältnisse eintreten, welche die Liquidation desselben zur Notwendigkeit machen, so kann eine solche nur dann beschlossen werden, wenn dreiviertel aller Zunftgenossen dazu schriftlich ihre Zustimmung geben."
§ 39 bestimmt, für eine Statutenänderung sei "das Erscheinen von dreivierteln der ortsanwesenden männlichen Zünftigen" erforderlich.
BGE 86 II 389 S. 391
Ende 1956 belief sich der Zunftfonds auf Fr. 47'410.94, der Witwen-, Waisen- und Altersfonds auf Fr. 50'814.40.

B.- Mit einem Rundschreiben vom 7. Februar 1957 wies der Vorstand die Mitglieder darauf hin, dass wegen Rückgangs der Zinserträgnisse die Zeitspanne zwischen den Zunftanlässen entgegen einem verbreiteten Wunsche immer grösser geworden und die 45 bis 50 Berechtigten zukommende Altersquote bis auf Fr. 20.- gesunken und für den einzelnen Empfänger zumal auch im Hinblick auf die Geldentwertung und die Leistungen der AHV fast bedeutungslos geworden sei, und legte den Mitgliedern die Frage vor, ob der Witwen-, Waisen- und Altersfonds mit dem Zunftfonds verschmolzen, die Ausrichtung der Quoten eingestellt und so die Finanzierung von alle zwei Jahre sich wiederholenden Zunftanlässen gesichert werden solle. Die Mehrheit der Mitglieder unterstützte diesen Vorschlag; eine Minderheit, zu welcher der in Luzern wohnhafte Heinrich Schnezler gehörte, lehnte ihn dagegen ab.
Die ordentliche Zunftversammlung vom 16. März 1957, an welcher Schnezler nicht teilnahm, beschloss einstimmig die Verschmelzung der beiden Fonds und beauftragte den Vorstand, neue Statuten auszuarbeiten. Mit Rundschreiben vom 20. Januar 1958 brachte der Vorstand diesen Beschluss allen Mitgliedern zur Kenntnis und lud sie zwecks Beschlussfassung über die neuen Statuten auf den 28. Januar 1958 zu einer ausserordentlichen Zunftversammlung ein. Schnezler protestierte am 24. Januar 1958 schriftlich gegen die geplante Statutenänderung. Die Versammlung vom 28. Januar 1958, der er fernblieb, genehmigte jedoch in Anwesenheit von drei Vierteln aller männlichen ortsanwesenden Mitglieder einstimmig die neuen Statuten. Zweck der Zunft ist danach nur noch "die Erhaltung und Erneuerung der überlieferten Zunftbräuche und -traditionen." Die Ausrichtung von Unterstützungen ist in den neuen Statuten nicht mehr vorgesehen. Dagegen regelt § 16 die Zunftanlässe.
BGE 86 II 389 S. 392

C.- Am 18. Februar 1958 leitete Schnezler gegen die Zunft die vorliegende Klage ein, mit der er verlangt, die Beschlüsse vom 16. märz 1957 bezw. 28. Januar 1958 seien aufzuheben, "soweit durch sie der auf Fürsorge (Alters-, Witwen- und Waisenfürsorge und sonstige Unterstützungen) gerichtete Zunftzweck mit all den zugehörigen Ausführungsbestimmungen gestrichen wurde"; eventuell sei die Zunft zu verpflichten, ihm "für den Rest seines Lebens als Schadenersatz jedes Jahr denjenigen Betrag auszuzahlen, welcher ihm unter den bisherigen Statuten als Altersquote zugekommen wäre, oder aber eine Kapitalabfindung auf der Basis eines Jahresbetrages von 20 Franken."
Das Kantonsgericht Schaffhausen wies die Klage am 20. Juli 1959 ab. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen, an das der Kläger appellierte, hat dagegen am 22. April 1960 erkannt:
"1. Der Beschluss der Zunftversammlung vom 16. März 1957, es sei der Witwen-, Waisen- und Altersfonds auf den 31. Dezember 1957 aufzuheben und mit dem Zunftfonds zu verschmelzen, wird als ungültig und aufgehoben erklärt.
2. Der Beschluss der ausserordentlichen Zunftversammlung vom 28. Januar 1958, wonach mit der Annahme der neuen Statuten vom gleichen Datum im Sinne ihres § 20 die Statuten vom 15. November 1924 in ihrer Gesamtheit als "ersetzt" und somit dahingefallen erklärt worden sind, wird in Bezug auf die den Bestand des Zunftvermögens und dessen Verwendung zu Fürsorgezwecken beschlagenden Bestimmungen der ... alten Statuten, nämlich in Bezug auf ihre §§ 20, 21, 23, 24 und 35 als ungültig und aufgehoben erklärt."

D.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte wie im kantonalen Verfahren Abweisung der Klage. Der Kläger schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Zünfte sind in Schaffhausen (anders als in Bern und Basel) heute nicht mehr öffentlichrechtliche, sondern nur noch privatrechtliche Körperschaften (vgl. LEU, Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung,
BGE 86 II 389 S. 393
Zürcher Diss. 1931, S. 273). Die Statuten vom 15. November 1924 bezeichnen die Beklagte zutreffend als "privatrechtliche Korporation im Sinne der Artikel 60 und ff. des schweiz. Zivilgesetzbuches", d.h. als Verein. Der vorliegende Rechtsstreit beurteilt sich daher nicht etwa gemäss Art. 59 ZGB nach kantonalem öffentlichem Recht, sondern nach Bundesprivatrecht, dessen Anwendung das Bundesgericht im Berufungsverfahren überprüfen kann (Art. 43 OG).

2. Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, kann nach Art. 75 ZGB jedes Mitglied, das nicht zugestimmt hat, von Gesetzes wegen binnen Monatsfrist, nachdem es von ihnen Kenntnis erhalten hat, beim Richter anfechten. Die kantonalen Gerichte haben angenommen, der Kläger habe diese Frist nicht nur mit Bezug auf den Beschluss vom 28. Januar 1958, sondern auch mit Bezug auf denjenigen vom 16. März 1957 eingehalten. Den Erwägungen der Vorinstanz zu diesem Punkte, die in der Berufungsschrift nicht als bundesrechtswidrig beanstandet worden sind, ist nichts beizufügen.

3. Der Kläger macht geltend, die streitigen Beschlüsse seien gesetzwidrig und daher gemäss Art. 75 ZGB anfechtbar, weil damit den Mitgliedern, die ihnen nicht zustimmten, in Verletzung von Art. 74 ZGB eine Umwandlung des Vereinszwecks aufgenötigt worden sei. Erweist sich dieser Standpunkt als begründet, so kann dahingestellt bleiben, ob die beiden Beschlüsse, wie vom Kläger ebenfalls behauptet und von der Vorinstanz angenommen, die Statuten (insbesondere § 35) verletzen.

4. Die Vorschrift von Art. 74 ZGB, wonach eine Umwandlung des Vereinszwecks keinem Mitglied aufgenötigt werden kann, hat entgegen einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Ansicht (HAFTER, 1. Aufl. 1910, N. 6-8 zu Art. 74 ZGB; E. CURTI, Die Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder nach dem schweiz. ZGB, Zürcher Diss. 1953, S. 80/81) nicht bloss die Bedeutung, dass die
BGE 86 II 389 S. 394
nicht zustimmenden Mitglieder ohne weiteres, insbesondere ohne Beobachtung einer Frist, den Austritt erklären und allenfalls Schadenersatz verlangen können. Auf eine Umwandlung des Vereinszwecks hinauslaufende Beschlüsse, die nicht die Zustimmung aller Mitglieder gefunden haben, können vielmehr, wie das Bundesgericht in BGE 52 II 179 Erw. 2 mit einlässlicher Begründung dargetan hat, von jedem nicht zustimmenden Mitgliede wegen Verletzung von Art. 74 ZGB beim Richter angefochten werden (gleicher Auffassung HAFTER, 2. Aufl. 1919, N. 6 zu Art. 74 ZGB; ROSSEL u. MENTHA, 2 Aufl., I N. 247 S. 164; EGGER, 2. Aufl. 1930, N. 5 zu Art. 74 ZGB; TUOR, Das schweiz. ZGB, 6. Aufl. 1953, S. 115).
Art. 627 Abs. 3 aoR, dem Art. 74 ZGB nachgebildet wurde, ist bei der Revision von 1936 freilich durch die Bestimmung ersetzt worden, dass ein Beschluss auf Umwandlung des Gesellschaftszwecks die Stimmen von zwei Dritteilen des gesamten Grundkapitals auf sich vereinigen müsse (Art. 648 Abs. 1 rev OR). Bei einer Aktiengesellschaft bedarf es also zu einer Umwandlung des Zwecks nicht mehr der Einstimmigkeit aller Aktionäre, sondern hier genügt heute eine qualifizierte Mehrheit. Diese Änderung des Aktienrechts kann jedoch die Auslegung von Art. 74 ZGB, der unverändert geblieben ist, nicht beeinflussen. Dies um so weniger, als sich sachliche Gründe dafür anführen lassen, den Verein und die Aktiengesellschaft in diesem Punkte verschieden zu behandeln. Die Vereinsmitglieder haben nämlich an der Beibehaltung des bisherigen Vereinszwecks oft ein ideelles Interesse. Beschlüsse über die Änderung des Zwecks einer Aktiengesellschaft berühren dagegen in der Regel einzig die wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre, und zudem handelt es sich dabei meist nur darum, dass der Endzweck der Erzielung einer Rendite auf einem andern Weg als bisher angestrebt werden soll. In diesem Unterschied kann eine Rechtfertigung dafür gefunden werden, dass das Gesetz die Aktionäre in einem weitern Umfang dem Willen einer Mehrheit unterwirft als die Vereinsmitglieder (vgl. SIEGWART N. 5 zu Art. 646 OR.)
BGE 86 II 389 S. 395
(Im übrigen gilt das Mehrheitsprinzip sogar bei der Umwandlung des Zwecks einer Aktiengesellschaft nicht unbeschränkt. Soll nämlich bei einer solchen ausnahmsweise nicht bloss der Bereich der Geschäftstätigkeit geändert, sondern der Endzweck der Erzielung und Verteilung eines Gewinns aufgegeben werden, so ist dafür auch heute noch die Einstimmigkeit aller Aktionäre erforderlich, weil ein solcher Beschluss in das wohlerworbene Recht auf Dividende eingreift; vgl. Art. 646 OR und SIEGWART N. 6 zu Art. 648 OR).

5. Eine Umwandlung des Vereinszwecks im Sinne von Art. 74 ZGB liegt nicht nur dann vor, wenn ein Verein seinen bisherigen Zweck durch einen neuen, anders gearteten ersetzt. Der Tatbestand von Art. 74 ZGB kann vielmehr auch dann gegeben sein, wenn ein Verein dem bisherigen Zweck einen neuen beifügt, wie dies im Falle BGE 52 II 175 ff. geschehen ist, oder wenn er einen Teil der Aufgaben, denen er sich bisher gewidmet hatte, fallen lässt. Eine solche Erweiterung oder Einschränkung des Vereinszwecks kann den Charakter eines Vereins so stark beeinflussen, dass gleich wie bei völliger Preisgabe des bisherigen Zwecks von einer Umwandlung des Zwecks gesprochen und Art. 74 ZGB angewendet werden muss (vgl. EGGER N. 2 zu Art. 74 ZGB). Der Auffassung HAFTERS (N. 2), dass eine Umwandlung des Vereinszwecks nur vorliege, wenn der bisher im Vordergrund stehende Zweck durch einen andern "verdrängt" werden soll, ist das Bundesgericht schon in BGE 52 II 175 ff. nicht gefolgt.
Ob eine den Vereinszweck betreffende Statutenänderung so wesentlich sei, dass sie der Vorschrift von Art. 74 ZGB unterstellt zu werden verdient, ist vom Standpunkt der Mitglieder aus zu beurteilen. Dabei kann allerdings nicht einfach ihre subjektive Auffassung massgebend sein, sondern es kommt darauf an, ob der Zweck in einem Punkte geändert werde, dem sie bei ihrem Entschluss, dem Verein beizutreten und die Mitgliederpflichten zu erfüllen, nach Treu und Glauben erhebliche Bedeutung beimessen durften (vgl. EGGER N. 2 zu Art. 74 ZGB).
BGE 86 II 389 S. 396
Mit einem solchen Falle hat man es hier zu tun. Die Statuten der Beklagten von 1924 nennen die Abgabe von Unterstützungen in der dem Vereinszweck gewidmeten Bestimmung (§ 1 Abs. 1) vor der Geselligkeit. Die Unterstützung von Zunftgenossen gehört in Schaffhausen (vgl. LEU a.a.O. S. 87) wie anderwärts (vgl. ZESIGER, Das bern. Zunftwesen, 1911, S. 115 ff.) auch zur Tradition der Zünfte, deren Erhaltung die eben genannte Bestimmung als obersten Zweck der Zunft zu'n Schmieden bezeichnet. Von den beiden Fonds, aus denen nach § 20 das Kapitalvermögen der Beklagten besteht, ist der eine schon nach seinem Namen (Witwen-, Waisen- und Altersfonds) für Unterstützungszwecke bestimmt. Nach § 21 haben aber auch die Einnahmen des sog. Zunftfonds in erster Linie der Unterstützung von Mitgliedern sowie gemeinnützigen Zwecken zu dienen; erst an fünfter Stelle wird hier die Bestreitung von Auslagen bei Versammlungen und Zunftanlässen erwähnt. Die Bedeutung dieser Vorschriften über die Verwendung des Zunftvermögens wird in den Statuten dadurch noch besonders betont, dass die §§ 2 und 35 vorschreiben, das Vermögen werde nach den statutarischen Bestimmungen verwendet und dürfe seinen statutengemässen Zwecken nicht entfremdet werden. Die Eintrittsgebühren und Jahresbeiträge der Mitglieder kommen nach §§ 21 und 23 den beiden Fonds zu gleichen Teilen zu. Die Ausrichtung von Unterstützungen erscheint also nach den Statuten von 1924 als ein Hauptzweck der Zunft. Diese Statuten liessen nach Treu und Glauben erwarten, dass die Zugehörigkeit zur Zunft den Mitgliedern in gewissen Fällen eine (wenn auch bescheidene) materielle Hilfe sichere. Dieser Umstand war geeignet, auf den Entschluss, der Zunft beizutreten und die Mitgliederpflichten zu erfüllen, einen erheblichen Einfluss auszuüben. Die Streichung der Bestimmungen über die Unterstützungstätigkeit bedeutet daher eine Umwandlung des Vereinszwecks, welche die Mitglieder, die ihr nicht zugestimmt haben, sich nicht gefallen lassen müssen.
Hieran ändert nichts, dass die Unterstützungsleistungen
BGE 86 II 389 S. 397
der Beklagten teils wegen des Ausbaus der staatlichen Fürsorge, teils wegen der Geldentwertung und des Rückgangs der Zinserträgnisse sowie wegen der Zunahme der Zahl der bezugsberechtigten Mitglieder heute praktisch nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie früher. Die Verfolgung des statutarischen Unterstützungszwecks ist dadurch weder unmöglich noch sinnlos geworden. Abgesehen davon, dass sich die Leistungsfähigkeit der Beklagten z.B. dank Vergabungen an sie wieder verbessern kann, gibt es auch heute noch ältere Leute, Witwen und Waisen, für die eine im Herbst ausbezahlte "Quote" von weniger als Fr. 50.- noch einen willkommenen Zuschuss zur Bestreitung der Lebensbedürfnisse bedeutet. (Die von der Beklagten im Prozess aufgestellte Behauptung, nach § 23 Abs. 2 Ziff. 1 der Statuten habe die Verteilung einer "Quote" zur Voraussetzung, dass die vorjährigen Zinserträgnisse die Auszahlung von Quoten in Höhe von mindestens Fr. 50.- gestatten, ist mit dem Wortlaut der erwähnten Statutenbestimmung nicht vereinbar. Die Beklagte hat denn auch tatsächlich während Jahren Quoten von weniger als Fr. 50.- ausbezahlt.) Im übrigen ist die Beklagte nicht gehindert, die Statutenbestimmungen über die Unterstützung der Mitglieder in dem Sinne zu revidieren, dass zwar der Zweck der Unterstützung beibehalten, aber die Art der Verwirklichung dieses Zwecks den veränderten Verhältnissen angepasst wird. Davon, dass die Beibehaltung des Unterstützungszwecks der Beklagten die Verfolgung der übrigen Zwecke, insbesondere die Veranstaltung von Zunftanlässen verunmögliche, kann im Ernste nicht die Rede sein. Gesellige Veranstaltungen können auch durchgeführt werden, wenn der Verein nicht für sämtliche Kosten aufzukommen vermag.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Schaffhausen vom 22. April 1960 bestätigt.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 1 2 3 4 5

Dispositiv

Referenzen

Artikel: Art. 74 ZGB, Art. 75 ZGB, Art. 646 OR, Art. 60 ff. ZGB mehr...